Keine Angst vor Souls: Warum Sterben nur das Salz in der Suppe ist
Tod ist etwas Schreckliches. Auch in Videospielen. Nichts ist unserem liebsten Hobby schlimmer, als kurz vor dem finalen Schlag auf einen Bossgegner in Ninja Gaiden zu versagen, den entscheidenden Sprung in der Grandmaster-Galaxie von Super Mario Galaxy 2 zu verfehlen oder in Super Meat Boy in das letzte Sägeblatt zu rennen. Und doch geht vom virtuellen Tod eine Faszination aus. Mittlerweile wird so getan, als drehe sich das ganze junge "Souls-Genre" nur darum, ebenjenem Bildschirmtod zu entgehen. Dabei ist Souls so viel mehr als nur ein Adrenalinkick - und vor allem ist es eigentlich auch gar nicht so schwer, wie es geredet wird. Kurz vor Dark Souls III war es jedoch ein ganz anderes Souls, das meine Liebe zum jungen Genre neu entfacht hat.
Ist es zu stark, bist du zu schwach - aber Übung macht den Meister
Nur wenige Wochen vor dem Release von Dark Souls III habe ich das Gefühl, dass diejenigen, die sich auf den 12. April freuen, fast ausschließlich Fans der Serie sind. Seltsam eigentlich, wo andere Fortsetzungen selbst in ihrer x-ten Auflage stets bis dato serienfremde Spieler anziehen - manchmal sogar in Scharen, oft selbst dann, wenn man die Vorgänger der Story wegen dringend gespielt haben sollte. Ich habe mir etwa ohne Vorkenntnisse The Witcher 3: Wild Hunt zugelegt und nach über 100 Spielstunden halte ich es für eines der packendsten Spiele, die ich bislang erleben durfte. Doch mit wem ich mich auch über Dark Souls III unterhalte, die Antworten scheinen stets gleich zu sein: ein "Ich kann's kaum noch erwarten!" von denen mit Souls-Erfahrung - ein "Ne, lass mal, ist mir zu schwer" von allen anderen.
Über all die Jahre und Ableger und nicht zuletzt dank des Marketings seitens Sony und Bandai Namco hat Souls längst den Ruf weg, ein Hardcore-Action-Rollenspiel für Masochisten zu sein, ein Spiel, das Einsteigern keine Chance gibt, sie kaltblütig schon im Tutorial sterben lässt und anschließend hämisch auf sie herabblickt. Dabei ist es weitaus mehr als das - und vor allem gar nicht so brutal, wie es so mancher Trailer oder Bericht gerne vermitteln wollen. Es ist ein Spiel mit einer steilen Lernkurve, keine Frage. Und ja, es ist in seinen ersten Stunden nicht gerade einfach. Aber es ist weder ein Mega Man noch ein Ninja Gaiden. Lässt man sich nicht von den Vorurteilen und Erwartungen blenden und sich einmal auf eine Reise nach Lordran, Yharnam oder auf die Nebelinsel ein, dann entdeckt man nach ein bisschen Eingewöhnung nicht nur ein Kampfsystem, das so komplex gar nicht ist, sondern insbesondere auch Eigenschaften, die man an so vielen anderen Spielen heutzutage vermisst. Die Reduzierung auf das, was wichtig ist. Das Verzichten auf ständiges Händchenhalten. Die Freude darüber, ein Geheimnis von ganz alleine entdeckt zu haben, ohne dass eine Markierung aufleuchtet oder ein Pfeil auf der Minimap mich dorthin geführt hat. Mehr noch: Es gibt ja gar keine Minimap!
Entdeckerlust in Labyrinthen - ohne Karte oder Zielpfeil
Ich kann es förmlich hören: "Ohne Karte verlaufe ich mich ja erst recht ...", murmelt ihr vielleicht gerade leise vor euch hin. Aber wenn ihr das denkt, dann traut ihr euch zu wenig zu. Woran liegt das? Natürlich an Entwicklern wie Ubisoft oder Electronic Arts, die euch Minute für Minute durch ihre angeblich so spannenden Spielwelten führen. Dabei ist das Abarbeiten einer Symbol- und Quest-Checkliste á la Assassin's Creed in etwa so spannend wie ein Städteurlaub, nachdem man sich vorher einen mehrstündigen Walkthrough entlang aller Sehenswürdigkeiten auf YouTube angeschaut hat. Der Reiz liegt doch darin, die Dinge selbst zu entdecken. Kaum ein Spiel verkörpert diesen Entdeckerdrang, diese Euphorie über selbst gelöste Geheimnisse so sehr wie Souls. Und anders als in einem Far Cry oder Watch Dogs sind die Welten hier so unheimlich einprägsam und markant, dass man gar keine Übersichtskarte braucht, um sich zurechtzufinden - eine Qualität, die den meisten offenen Welten im Moment leider fehlt.
Das Sterben ist also nur das Salz in der Suppe und nicht die Suppe selbst - etwas, das Lords of the Fallen von Deck13 nicht verstanden hat. Souls wird nicht durch seine Herausforderung zu einem großartigen Spiel, sondern durch seine Spielwelt, durch die darin verborgenen Geheimnisse, durch die vielen Möglichkeiten, wie man seinen Charakter gestalten und entwickeln kann - erst dann kommt das anspruchsvolle Kampfsystem. Findet beides zueinander, geht die Mischung auf; im besten Fall entsteht ein Dark Souls oder ein Bloodborne.
Nun spreche ich die ganze Zeit nur von "Souls" - aber was genau ist ein Souls überhaupt? Mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem Souls nicht mehr nur für die gleichnamige Serie von From Software steht, sondern für ein ganzes Subgenre - mehr noch für eine bestimmte Art von Spieldesign. Vor wenigen Tagen ist mit Salt and Sanctuary ein solches Souls erschienen. Dabei sieht es auf den ersten Blick eigentlich gar nicht danach aus:
Für knapp 18 Euro findet man im PlayStation Store einen düsteren Sidescroller mit Jump'n'Run-Anleihen und Lokal-Coop, der Souls trotz aller scheinbaren Widersprüche besser verkörpert als es ein Lords of the Fallen je könnte. Wieso? Weil es das erwähnte Spieldesign versteht und bis auf ein paar Ausnahmen auch hervorragend umsetzt. Ich habe noch nicht weit gespielt und erst fünf von insgesamt 20 Bossgegnern gelegt, aber schon jetzt habe ich versteckte Bereiche entdeckt, bin spontan und unerwartet in Bossarenen gestolpert, habe Stunden darin versenkt, meinen Charakter-Build zu konzipieren und zu konfigurieren und mit den Möglichkeiten zu experimentieren. Ich habe über scheinbar unüberwindbare Hindernisse geflucht und später umso mehr gejubelt, als ich sie doch noch knacken konnte - ganz ohne Frust übrigens, weil mir stets bewusst war, wo mein Fehler lag und wie ich das nächste Mal besser vorgehen muss. Salt and Sanctuary zeigt auch sehr schön, wie man den Souls-Gedanken alternativ interpretieren kann - sowohl das Platforming als auch das Sidescrolling-Prinzip passen prima zum Spielkonzept. Und der lokale Coop fügt sich ganz wunderbar ein: Zu zweit macht es sogar noch mehr Spaß als alleine, ohne den Anspruch im Kampf zu opfern.
Traut euch!
Wozu erzähle ich all das? Um euch dafür zu sensibilisieren, in Souls mehr zu sehen als das masochistische Hardcore-Rollenspiel, zu dem es oft gemacht wird und das es in seinem Kern eben eigentlich nicht ist. Viel zu oft höre ich von Freunden und Kollegen, wie teuflisch schwer Dark Souls und Bloodborne doch seien und dass man darauf wirklich keine Lust habe - mal ist die Begründung fehlende freie Zeit zum Spielen, mal die nicht vorhandene Frustresistenz, mal sogar das Alter. Das ist aber alles Unfug und nichts, was dem Genuss eines Souls-Erlebnisses im Wege stehen könnte. Seit Demon's Souls ist die Serie gar zunehmend leichter geworden, Bloodborne war letztes Jahr der einsteigerfreundlichste Titel des Subgenres überhaupt. Bald wird der Hype um Dark Souls III beginnen und Souls wieder in aller Munde sein. Vielleicht überlegt ihr euch ja noch einmal, ob ihr nicht doch an der Thematik teilhaben wollt?
#1 | 23. März 2016 um 20:38 Uhr
Warum kann ein Spiel nicht für den "Normal-Spieler" einen normalen Schwierigkeitsgrad anbieten und trotzdem die "Masochisten" bedienen, die gerne (und häufig) mal den Controller durchs Wohnzimmer feuern wollen? Und anscheinend haben die Entwickler mein Flehen erhört und in der neuen Version von Ori einen ebensolchen eingebaut. Gut so! Wenn sich auch die Dark Souls-Serie dazu herablässt, bin ich dabei. Ansonsten nicht! Punkt.
#2 | 26. März 2016 um 10:02 Uhr
Mittlerweile bin ich aber fest entschlossen, mir das Spiel trotzdem zuzulegen. Wie du schon sagtest, bei The Witcher 3 hat's schließlich auch nicht gestartet mittendrin einzusteigen. ^-^
Schöner Artikel und schöner Blog!
#3 | 22. April 2016 um 08:16 Uhr
Den Einstieg finde ich aber wirklich nicht so schwer, in keinem der Teile. Jeder hat und musste irgendwann den Einstieg finden, niemand war von 0 an direkt "Profi", also ist das doch auch kein wirkliches Argument.
Am meisten Spaß macht mir wohl wirklich das Gebiete Erkunden. Eben ohne Mini-Map. Auch wenn das trotzdem oft der Punkt ist, warum ich sage, dass ich jetzt nicht weiterspiele. Für mich ist es jedes mal aufregend, ins Ungewisse zu rennen und abends nach einem anstrengendem Tag habe ich dafür keine Nerven übrig. Dann grinde ich eben. Und kein Gefühl (neben besiegten Bossen) ist für mich befriedigender, als einen kompletten Spielabschnitt in- und auswendig zu kennen und am Ende sogar ohne Damage durchrennen zu können.