Outlast - Review

Holy Shit. Mein Puls rast wie verrückt, die Stirn ist schweißgebadet, die Hände umklammern den Controller so fest wie möglich und eigentlich will ich nur noch eines, nämlich verdammt nochmal raus hier, raus aus diesem schrecklichen, furchtbar grässlichen und verstörenden Mount Massive Asylum. Wieso zur Hölle komme ich von Outlast nicht weg, obwohl es mich schon bis an den Rand des Herzinfarkts gebracht hat? Ist es der Adrenalin-Kick? Ist es der Ehrgeiz, endlich mal ein richtiges Horror-Spiel zu beenden? Was auch immer es ist, es hält mich irgendwie fest. Dabei macht Outlast ja nicht einmal Spaß, denn eigentlich ist es eine Qual: Es setzt mich ohne Waffen oder Fähigkeiten planlos in ein Geisterhaus und konfrontiert mich mit allem, wovor ich Angst habe. Vor allem in den ersten Stunden habe ich literweise Blut und Wasser geschwitzt. Danach allerdings ...

Falls ihr schon immer mal eine geschlossene Nervenanstalt für eine gute Story besuchen und erkunden wolltet, dann möchte ich euch ein paar nützliche Tipps mit auf den Weg geben. Erstens: Geht möglichst tagsüber hin, weil nachts die seltsamsten Dinge passieren können. Zweitens: Nehmt einen Kumpel mit, damit ihr gemeinsam einen Plan schmieden könnt, falls ihr in große Probleme geraten solltet. Drittens: Besorgt euch eine Karte, um nicht die Orientierung in dem Gebäudekomplex zu verlieren. Viertens: Achtet darauf, genug Batterien für den Camcorder dabei zu haben, denn eventuell ist die Night Vision des Gerätes eure einzige Lichtquelle. Oder noch besser: Nehmt einfach gleich eine Taschenlampe mit. Fünftens: Wenn die Tür zu ist, dann fahrt wieder heim und steigt ja nicht durch irgendein Fenster ein. Sechstens ... ach, wozu das alles überhaupt, das ist ja selbstverständlich! Wer würde schon auf die dämliche Idee kommen, in der stockfinsteren Nacht alleine und nur mit einem Camcorder bewaffnet durch ein Fenster im ersten Stock in eine verlassene Nervenanstalt zu klettern? Niemand, oder? Tja, unser "Held" aus Outlast denkt da anders, und natürlich hat er keine einzige meiner Regeln beachtet.


Outlast


Die Dunkelheit ist dein größter Feind



Und genau darum dreht sich Outlast, das Debüt-Projekt von Red Barrels, das von ehemaligen EA- und Ubisoft-Mitarbeitern gegründet wurde, die zuvor an großen Spielen wie Mirror's Edge, Splinter Cell, Assassin's Creed oder Prince of Persia beteiligt waren. Outlast handelt ausschließlich von ebenjener Nacht im Mount Massive, in der ein Kerl namens Miles Upshur den Horror seines Lebens erlebt. Und wir als Spieler empfinden seinen Höllenritt hautnah mit, weil wir es sind, die ihn in klassischer First-Person-Perspektive durch die Anstalt steuern. Wir sind es, die für ihn vor den grauenhaften, verstümmelten Monstrositäten fliehen, wir sind es, die sich ohne jegliche Möglichkeit der Gegenwehr unter Betten und in Schränken verstecken, wir sind es, die über knapp sechs Stunden lang verzweifelt nach einem Weg aus diesem gefühlt endlosen Schrecken suchen. Und in dieser Zeit erleben wir eines der derbsten Horror-Spiele, die die Industrie je vorgebracht hat. Outlast ist verstörend, dunkel, mysteriös und gruselig. Anders als beispielsweise das fast zeitgleich veröffentlichte Amnesia: A Machine for Pigs oder dessen Vorgänger ist es aber nicht ruhig und macht Angst durch seine Stille. Nein, Outlast ist laut und dreckig und nutzt seine Surround-Soundkulisse so effizient, wie es nur möglich ist. Ständig ertönen Schreie aus der Entfernung, man hört Schritte in der Finsternis, immer wieder scheppert oder zerbricht irgendwas und wenn man die psychopathischen Patienten des Asylums stöhnen und atmen hört, aber in der Dunkelheit absolut gar nichts erkennen kann, dann gefriert einem schon das Blut in den Adern.

Wer einmal Outlast gespielt hat, der braucht keine Angst mehr vor Dead Space & Co. haben, denn Outlast wirkt, und das ist vielleicht der größte Faktor von allen, fast schon authentisch. Hier spielt man keinen übermächtigen Soldaten mit Megwawaffen und es gibt auch keine HP-Leiste. Man schlüpft in die Haut eines völlig wehrlosen und schwachen Journalisten, der selbst nicht mit der Situation klarkommt und nach jedem Schockmoment aus den Lautsprechern oder dem Headset jammert und stöhnt. Und man erlebt die ganze Tortur live mit und das nicht nur durch seine Augen, sondern auch durch den Camcorder, mit dem er alles filmt, was im Asylum vor sich geht. Das an sich wäre ja noch nicht so schlimm, aber richtige Wirkung erzielt es erst dadurch, dass dem Camcorder ständig der Saft ausgeht und man neue Batterien einsetzen muss. Und nur weil wir hier ein Videospiel vor uns haben, heißt das noch lange nicht, dass wir eine unbegrenzte Anzahl an Batterien im Gepäck haben, ganz im Gegenteil: Man ist immer wieder gezwungen, jeden Raum nach neuen Batterien abzusuchen, um nicht völlig im Dunkeln zu stehen. Es ist ein Adrenalinkick der unangenehmen Weise und es bedeutet gleichzeitig auch, dass man sich nicht ewig Zeit mit dem Spiel lassen kann; man muss immer weiter, ob man nun will oder nicht, bevor die Batterien aufgebraucht sind - im Normalfall hat man vielleicht 1-2 Stück zur Hand.


Outlast


Das war die längste Geisterbahnfahrt meines Lebens!



Das Mount Massive Asylum ist ein grauenhafter Ort, und es ist einer, den man nicht im Dunkeln erkunden möchte. Umso schlimmer fühlt sich jeder Moment an, wenn hinter einer Tür nicht etwa ein zumindest spärlich beleuchteter Raum wartet, sondern einfach nur ein riesiger schwarzer Vorhang, der alles verdeckt, was sich dort befindet. Dann wird es Zeit, die Night Vision des Camcorders zu aktivieren und sich Schritt für Schritt durch die Dunkelheit voranzutasten. Man sieht auch mit der Night Vision nicht viel; es ist gerade so das Nötigste, was man erkennt, und es sorgt für Panik und Ungewissheit. Selbst wenn die Wand nur zwei Meter weit entfernt ist, sieht man sie nicht, denn es ist alles schwarz. Erst wenn man ein, zwei Schritte nach vorne macht, taucht sie aus der Finsternis auf. So fühlt sich jeder Raum an wie ein riesiger Saal, in dem alle möglichen Schrecken auf einen warten - dabei befindet man sich eigentlich nur in einem kleinen Zimmer mit zwei Stühlen, einem Tisch und einem Schrank. Dadurch entgeht Outlast auch dem Problem von Dead Space, nur durch Scripts gruselig zu sein. Outlast ist generell alles andere als vorhersehbar und oft passiert fast eine halbe Stunde lang so gut wie gar nichts. Man folgt dem vorgegebenen Weg, drückt sich an engen Spalten entlang, watet durch hüfthohes Wasser, kriecht durch einförmige Lüftungsschächte, jederzeit bereit für den Schreckmoment, den man nach jeder Ecke erwartet. Aber er kommt einfach nicht. Und wenn er dann kommt, dann rechnet man schon gar nicht mehr damit - der daraus resultierende Schockeffekt ist gigantisch und der Puls rast.

Outlast schafft es sogar, die fantastische Atmosphäre bis zur letzten Sekunde des Spiels aufrecht zu erhalten. Selbst nach 4-5 Stunden ist die Dunkelheit noch immer verstörend und der größte Feind, und selbst beim dritten Mal ist die Flucht vor den Psychopathen noch nervenauftreibend und furchteinflößend. Allerdings gewöhnt man sich an die Gameplay-Struktur; wenn das Spiel einem sagt, man müsse zwei Ventile drehen, um den Weg zu öffnen, dann weiß man sofort, was einen als nächstes erwartet. Es folgt dann nämlich immer eine Sequenz, in der man in einem relativ offenen Areal permanent von einem blutrünstigen Psycho verfolgt wird und sich verstecken muss, um seinem Blick zu entgehen - in Schränken, unter dem Bett oder schlicht in einem einsamen Eck in der Dunkelheit. Hier hat Red Barrels die Chance verpasst, aus dem Schema auszubrechen und ein paar Überraschungen einzubauen, mit denen man nicht rechnet. So stellt sich etwas Routine ein und auf Dauer wirkt der Horror nicht mehr so intensiv wie zu Beginn des Spiels. Selbst dann ist Outlast zwar noch gruseliger als fast alle anderen Horror-Spiele da draußen, aber mit dem starken Einstieg kann es nicht mehr mithalten.



Tim

Fazit von Tim:

Schließt die Fenster, rollt die Läden herunter, knipst das Licht aus, setzt ein gutes Surround-Headset auf und macht euch bereit für den größten Horror, den ihr dieses Jahr erleben könnt. Outlast ist so dreckig, so dunkel, so verstörend und abgefuckt; es ist die längste Geisterbahnfahrt der Welt und sie hält ihr Tempo permanent und ohne Pausen aufrecht. Es hat keine 15 Minuten seit dem Spielstart gedauert und ich habe es mit einem "Nein, das mache ich nicht weiter, OMG" wieder beendet, weil mich der erste Schockmoment derart erwischt hat, dass ich erst mal ein paar Minuten gebraucht habe, um mich wieder zu beruhigen. Doch aus irgendeinem Grund, den ich nicht genau kenne, habe ich es am nächsten Tag noch einmal gestartet und weitergespielt. Und es hat mich gepackt, es hat mich gefesselt, es hat mich in seinen Bann gezogen. Obwohl ich mich fast zu Tode gegruselt habe, kam ich nicht mehr von Outlast weg. Spätestens als sich dann langsam die Hintergründe über das Mount Massive herauskristallisierten, gab es keinen Weg mehr an den Credits vorbei - ich musste dort hin und nach etwa sechs Stunden war ich dort. In dieser Zeit bin ich härter geworden und habe mich etwas an den Horror gewöhnt, sodass das Spiel gegen Ende an Wirkung verloren hat; aber es war trotzdem über die gesamte Spielzeit eine einzigartige Erfahrung, die ich zwar auf keinen Fall noch einmal erleben möchte, aber jedem Fan von Horror-Spielen nur ans Herz legen kann.

Outlast inszeniert keinen leisen Psycho-Horror, sondern grausamen, lauten, derben Terror, der den Puls zum Rasen bringt und euch Blut und Wasser schwitzen lässt. Gegen Ende verliert das Abenteuer etwas an Wirkung - doch Atmosphäre und Story halten ihr starkes Niveau aufrecht. Was für ein hervorragender Debüt-Titel von Red Barrels - mehr davon!

Besonders gut finde ich ...
  • unglaublich packende Atmosphäre im Asylum
  • interessante Hintergründe des Mount Massive
  • einige derbe Schockmomente und Situationen
  • hervorragend umgesetzte Camcorder-Mechanik
  • nervenauftreibendes Schleichen und Fliehen
  • stark terrorisierender 5.1-Surround-Sound
  • sehr realitätsnahe Grafik und tolles Lighting
Nicht so optimal ...
  • auf Dauer spielerische Gleichförmigkeit
  • ab und zu etwas verwirrende Wegfindung

Tim hat Outlast auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Red Barrels Games zur Verfügung gestellt.

Outlast - Boxart
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  • Entwickler:Red Barrels Games
  • Publisher:Red Barrels Games
  • Genre:Survival-Horror
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One, Switch
  • Release:04.09.2013
    (PS4) 05.02.2014
    (Xbox One) 24.06.2014
    (Switch) 27.02.2018

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: Phaz, icezolation
  • icezolation
    #1 | 24. September 2013 um 11:17 Uhr
    Selber rühre ich diese Spiele überhaupt nicht an, aber lässt sich prima zuschauen, wenn's jemand anderes spielt. Besonders die ausgearbeiteten in-game Zwischensequenzen haben mir sehr gut gefallen. Durchweg dichte Atmosphäre. Allerdings für die Spielzeit auf Dauer etwas eintönig und das Ende wenig originell.

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