Mario Kart 8 - Review
Mit Vollgas auf die Pole Position: Mario lässt die Reifen qualmen
Eine kurze Kameraschwenke über die Landschaft, dann ein Blick auf das Fahrerfeld. Zu zwölft sitzen sie in ihren Karts und auf ihren Bikes, die Augen scharf auf die Ampel gerichtet. Der Countdown beginnt. DREI! Die Spannung steigt, die Konzentration nimmt zu. ZWEI! Da drücken sie schon aufs Gas! Der Motor beginnt zu brummen, doch der Fuß ist noch auf der Kupplung. EINS! Eine kurze Sekunde und zack: LOS! Das erste Rennen in Mario Kart 8 auf der Wii U hat begonnen - und ich stehe nach einer Fehlzündung als einziger Fahrer noch auf der Startposition, weil ich zu früh auf die Taste gedrückt habe. Mist! Eigentlich kein gutes Zeichen für den Rest des Rennens, doch drei Runden sind lang, und wer schon einmal ein Mario Kart gespielt hat, der weiß: Hier ist alles möglich.
Blaue Panzer, bunte Farben und eine riesige Portion Zuckerguss
Die Möglichkeit, blaue Panzer zu entschärfen, ist eine, die die Serie schon lange nötig hatte und jetzt, im achten Ableger, ist es endlich soweit. Manch einer mag nun vielleicht anmerken, dass das ja schon in Mario Kart Wii möglich war, und das ist richtig - allerdings nur mit ziemlich viel Erfahrung und mit einem Pilz-Boost zum korrekten Zeitpunkt. In Mario Kart 8 gibt's nun aber die praktische Superhupe als neues Item, mit der man in einem kleinen Radius um den Fahrer herum den kompletten Bereich von Gegnern und Items säubern kann. Und als ob das per se nicht schon schön genug wäre, wurde auch die Häufigkeit von Stachi-Panzern im Generellen stark gesenkt, sodass das Ding nur noch alle paar Rennen mal auftaucht - super! So passiert es nur ganz, ganz selten, dass mal kurz vor der Ziellinie eines dieser Biester einschlägt und man seinen Platz auf dem (in der Siegerehrung übrigens nicht mehr vorhandenen) Podest verliert. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Rennen fühlen sich fairer an und spielerisches Können ist deutlich wichtiger; Glück alleine reicht nicht mehr, um ganz vorne an der Spitze des Feldes mitzumischen. So und nicht anders muss ein modernes, faires Mario Kart aussehen.
Das "aussehen" habe ich, der Schelm, der ich bin, natürlich clever gewählt, denn damit kann ich gleich den Haken zu einem weiteren riesigen Fortschritt schlagen: nämlich der wundervollen Grafik des Spiels, die einem mit ihren satten Farben, den starken Kontrasten, den bis in den kleinsten Pixel detailverliebten Designs von Strecken, Charakteren und Objekten sofort ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Mario Kart 8 zweifellos eines der schönsten Spiele, die Nintendo je entwickelt hat, und es sprüht nur so vor Kreativität und Einfallsreichtum - jedenfalls so weit, wie man das eben von einem Mario Kart erwarten kann. Im zuckersüßen Canyon rast man zwischen Eiswaffelkegeln und Keksmännchen umher, in der Delfinlagune düst man über den Rücken einer überdimensionalen Muräne, die neue Rainbow Road führt gar durch eine High-Tech-Satellitenstation - und in meiner Lieblingsstrecke, dem Diskodrom, schlittert man zu pumpenden Beats und stimmiger Elektro-Mucke in Richtung Ziel. 32 Strecken sind auf der Disc.
16 davon sind brandneu, die anderen 16 die obligatorischen Retro-Kurse aus Ablegern der Vergangenheit; unter anderem geht es zurück auf die Instrumentalpiste vom 3DS, das Sorbet-Land vom GameCube und den Yoshi-Canyon vom Nintendo 64. Anders als noch bei Wii & Co. gab es diesmal auch für die alten Kurse ein echtes Redesign mit hoch aufgelösten Texturen, neuen Animationen und sogar stellenweise neuen Streckenführungen, sodass sich auch ein "Hey, das ist ja ganz anders!" einstellt.
Zu Land, zu Wasser, in der Luft - und wo sind eigentlich oben und unten?
Nüchtern betrachtet bleibt Mario Kart 8 trotz der besseren Balance und der viel hübscheren Grafik aber nur Mario Kart - revolutionäre Veränderungen gibt es nicht und das ist auch gut so, denn allzu viele Vertreter dieses Rennspiel-Genres gibt es schließlich nicht. Allerdings hat man sich bei Nintendo für die Premiere der Serie auf der Wii U auch ein gänzlich neues Gameplay-Element einfallen lassen: die Anti-Schwerkraft-Reifen! Ab sofort führen die Strecken nämlich nicht nur am Boden entlang und wie vom 3DS gewohnt durch die Lüfte und das Wasser - ab sofort fahren Mario und seine Crew auch an Wänden und Decken. Auf den ersten Blick und in den ersten Rennen ist das alles andere als einfach und es erfordert ein bisschen Übung und Zeit, bis man sich an das ständige Drehen der Kamera gewöhnt hat. Sobald diese Eingewöhnungsphase überstanden ist, lernt man die großartig designten Strecken aber erst richtig zu schätzen, die durch die Deaktivierung der Schwerkraft eine weitere taktische Facette hinzugewinnen. Denn ist man an der Wand oder Decke unterwegs, führt jeder Kontakt mit einem anderen Fahrer oder bestimmten Hindernissen zu einem Geschwindigkeitsboost, mit dem man problemlos einen Fahrer vor sich überholen kann. Abgesehen davon und von der ungewohnten, weil sich drehenden Kameraführung funktioniert das Spiel aber auch in diesen Passagen exakt gleich.
Exakt gleich bedeutet natürlich: Man rast an Hindernissen und Fahrern vorbei, sammelt rotierende Item-Boxen ein und setzt deren Inhalte möglichst clever ein, um sich Vorteile im Rennen zu verschaffen. Grüne Panzer schickt man direkt nach vorne oder hinten, rote Panzer visieren Feinde im voraus an, auf Bananenschalen rutscht man aus, die neue Bumerang-Pflanze wirft ein gefährliches Geschoss drei Male ab und die ebenfalls neue Piranha-Pflanze frisst alles auf, was sich in ihrer Bahn befindet. Das Prinzip ist steinalt, der Spielspaß auch im achten Anlauf noch unglaublich groß, wenn zwei bis vier Spieler gemeinsam vor der Konsole sitzen und mit GamePad, Pro Controller oder WiiMote in der Hand versuchen, sich gegenseitig die begehrten Podestplätze abzujagen. Zwar kann man Mario Kart 8 wie gewohnt auch alleine spielen, aber im Kern lebt das Spiel von seinem Multiplayermodus, in dem wieder Freundschaften auf die Probe gestellt werden. Sehr schön: Alle Grand Prix's können jetzt auch zu zweit absolviert werden und online darf man ebenfalls wieder zu zweit an einer Konsole an den Start gehen.
Das Menü ist extrem minimalistisch, die Optionen sind auch online eher überschaubar - dafür darf man ab sofort auch eigene Turniere erstellen und bislang hatte ich keinerlei Verbindungsprobleme oder Lags, was aber sicherlich vor allem an der logischerweise niedrigen Zahl an Online-Spielern liegen dürfe. Im Vergleich zu Mario Kart Wii und auch Mario Kart 7 ist der Online-Modus des Wii-U-Ablegers definitiv eine echte Steigerung, trotzdem bleiben hier und da noch einige Wünsche unerfüllt. Der Sprachchat in der Lobby ist nett, aber innerhalb der Rennen nicht möglich; die Kommunikation über vorgefertigte Textnachrichten funktioniert nur, wenn man sich bereits für eine Strecke entschieden hat, sodass die Nachricht "Ich hau mal ab!" eigentlich überflüssig ist. Schön ist dagegen die Möglichkeit, Geist-Daten anderer Fahrer herunterzuladen und dann in Time Trials gegen sie anzutreten, um sich einen Platz in den internationalen Bestenlisten zu sichern - man kann auch Ghosts von den Entwicklern herausfordern.
Ein paar Schönheitsfehler im Zieleinlauf: Splitscreen & Battle Mode
Brandneu ist Mario Kart TV: Nach jedem Rennen kann man sich ein Highlights-Video ansehen, in dem die spannendsten Szenen der Auseinandersetzung mit einer herrlich dynamischen Kameraführung aufgenommen wurden; auf Knopfdruck kann man das Ganze auch in eine sehr schicke Slow-Motion versetzen. Wer mag, kann seine Replays dann direkt ins Miiverse oder alternativ sogar auf Youtube hochladen, wobei letzteres bei meiner Testversion noch nicht möglich war. Erst in den Highlight-Videos kommt die tolle Grafik des Spiels richtig zum Zug: Wenn man Marios Schnauzbart in Slow-Motion fast schon realistisch durch den Wind flattern sieht, dann ist das schon beeindruckend und ein weiterer Beleg dafür, dass enorm viel Arbeit und Mühe in dieses Spiel gesteckt wurde. Auch nach über einem Dutzend Spielstunden und noch mehr Rennen habe ich jedes Highlight-Video angeschaut - ein größeres Kompliment kann man dem Feature eigentlich gar nicht machen, auch wenn es "nur" ein Gimmick ist.
Die Mario-Kart-Veteranen unter euch mögen sich nun vielleicht fragen: "Wieso hat der denn jetzt die gesamte Review über nicht ein einziges Mal den Battle Mode erwähnt?". Nun, der Grund ist simpel: Der Spielmodus ist in Mario Kart 8 leider ziemlich verhunzt und wohl einer der größten Kritikpunkte für diejenigen, die in der Vergangenheit gerne in Arenen auf Ballon- und Münzjagd gegangen sind. Auf der Wii U hat man nämlich das komplette Arena-Konzept verworfen und den Battle Mode stattdessen auf normale Strecken verlagert, was dem Spielmodus die Dynamik nimmt. Die Strecken sind einfach zu groß und zu lang, als dass das Kampf-Prinzip dort funktionieren würde. Man kann nur hoffen, dass Nintendo hier noch klassische Arenen per (kostenlosem!) DLC nachschiebt. Auf der anderen Seite war ich nie ein Freund der Schlachten, sodass ich diese Verschlimmbesserung auch nicht als großes Problem empfinde.
Ein viel größeres Problem sehe ich dagegen in der Einbindung des Wii U GamePad. Nicht falsch verstehen: Ich bin sicherlich der letzte, der in einem Mario Kart irgendwelche Touchscreen-Features fordern würde - manche Spiele haben so etwas einfach nicht nötig, auch wenn die Vernachlässigung des zweiten Bildschirms gerne mal kritisiert wird (man denke an Donkey Kong Country: Tropical Freeze). Aber zumindest hätte man im Zwei-Spieler-Modus die Spieler auf unterschiedliche Bildschirme verteilen können, so wie es Sonic & All-Stars Racing: Transformed vor anderthalb Jahren vorgemacht hat. Das geht bei Mario Kart 8 leider nicht, sodass man nach wie vor mit einem konventionellen Splitscreen vorlieb nehmen muss - und selbstverständlich fällt damit auch die Möglichkeit von 5-Spieler-Rennen weg. Schade, dass Nintendo hier nicht nachgedacht hat und so ein tolles Feature unter den Teppich kehrt.
Fazit von Tim:
Eigentlich steht doch am Ende einer jeden Mario-Kart-Review das gleiche: Alleine ein bisschen öde, im Multiplayer eine Spaßgranate, das Streckendesign ist großartig, das Spiel ist ein Gute-Laune-Garant für die nächsten paar Monate und Jahre - und obwohl es streng genommen "das Gleiche ist wie immer", funktioniert es supergut und ist einmal mehr der Beweis dafür, dass Nintendo Tricks beherrscht, die kein anderer Entwickler kennt. All das trifft auch auf Mario Kart 8 zu, ganz wie es eigentlich auch zu erwarten war. Aber Mario Kart 8 damit zusammenzufassen, würde diesem Spiel nicht gerecht werden. Denn dieses Mario Kart auf der Wii U ist so viel mehr als nur ein weiterer Ableger der Serie: Es ist der längst notwendige technische Sprung in das HD-Zeitalter und das vielleicht schönste Spiel, das Nintendo je entwickelt hat. Es ist gleichzeitig aber auch der fairste Teil der ruhmreichen Reihe und stellt spielerisches Können und Expertise endlich wieder über den reinen Glücksaspekt. Und es bietet endlich die Möglichkeit, den Grand Prix auch zu zweit anzugehen. Ich hatte in meinen bisher knapp über 15 Spielstunden unglaublich viel Spaß mit Mario Kart 8, egal ob offline oder online, und auch wenn der Zieleinlauf wegen des fragwürdigen Battle Modes und der vergebenen GamePad-Chancen nicht perfekt ist, so ist dieses Mario Kart letztendlich doch das bisher beste der gesamten Serie. Nintendo mag dieser Tage nur noch selten revolutionieren - doch wenn es um die Evolution ihrer Serien geht, dann befinden sie sich in einer Blütezeit!
Teil 8 erfindet das Rad nicht neu, reichert die altbekannte Formel aber um coole Anti-Gravity-Passagen und eine moderne HD-Grafik an und schmeckt das Ganze so ab, dass spielerisches Können endlich wieder wichtiger ist als Glück bei der Item-Auswahl - trotz kleiner Macken wie dem schwachen Battle Mode ist es das beste Mario Kart aller Zeiten!
- überbordender Spielspaß nach bekanntem Rezept
- überarbeitetes Balancing & Anti-Stachi-Items
- grafisch eines der schönsten Nintendo-Spiele
- offline zu viert und übers Internet zu zweit spielbar
- großartige neue und aufgepeppte alte Strecken
- Grand-Prix-Cups nun endlich zu zweit spielbar
- visuell sehr beeindruckende Anti-Gravity-Parts
- gelungener orchestral eingespielter Soundtrack
- Fahrzeuge vor Rennen manuell zusammensetzbar
- Mario Kart TV kreiert schicke Highlight-Videos
- weder GamePad-Splitscreen noch fünf Spieler
- Anti-Gravity spielerisch ohne großen Effekt
- verschlimmbesserter Battle Mode ohne Arenen
- mangelnde Komfort-Optionen im Online-Modus
Tim hat Mario Kart 8 auf der Nintendo Wii U gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt.
#1 | 18. Mai 2014 um 15:50 Uhr
Freue mich schon wenn endlich mein vorbestelltes Spiel vom Postboten übergeben wird.
#2 | 1. Juni 2014 um 15:53 Uhr