Alien: Isolation - Review

Außerirdische Lebewesen gelten seit jeher als ganz besondere Vorlage für Hollywood und den Videospielsektor. So wirklich geklappt hat es mit den Videospielumsetzungen leider nie. Nach dem völlig verkorksten Aliens: Colonial Marines von Gearbox Software versucht es SEGA nun erneut. Diesmal zeichnet das hauseigene Entwicklerstudio Creative Assembly verantwortlich, das man sonst nur mit der Total-War-Reihe in Verbindung bringt. Ob SEGA den Weg in die richtige Richtung schafft und uns endlich ein waschechtes Alien-Spiel auf den Bildschirm zaubert, klären wir in der Review zum neuen Horror-Schocker.

Die Atemfrequenz wird schneller. Ständig höre ich ein metallisches Scheppern. Unter einem Schreibtisch kauernd versuche ich, meinen Feind auf dem Bewegungssensor zu orten. Doch bevor mir das gelingt, steht er auch schon von mir. Dieses extraterrestrische Wesen erstrahlt in seiner vollen Pracht. Gesehen hat mich das Alien zum Glück nicht. Ich mache mich auf den Weg nach draußen, bin mir sicher, dass er zunächst woanders nach mir sucht. Am Lüftungsschacht hängt eine schleimige, ekelhafte Masse. Ob ich da wirklich hineinklettern sollte? Ich entschließe mich dazu, lieber weiter den Gang hinunter zu laufen. Das Poltern wird lauter und plötzlich ist er wieder da. Nur diesmal habe ich keine Möglichkeit, mich zu verstecken. Welche Wahl bleibt mir? Völlig hilflos, da ich noch ohne jegliche Waffen unterwegs bin, entschließe ich mich für die Flucht nach vorn und nehme meine Beine in die Hand. Doch das Alien ist schneller, es kommt näher, holt mich schließlich ein und ich sterbe den virtuellen Tod, indem es sich eindrucksvoll durch meinen Körper bohrt.

Das soll nicht das letzte Mal gewesen sein, dass der überaus nette und zuvorkommende Gastgeber mir zeigt, wo der Frosch die Locken hat. Als ständiger Begleiter hängt er mir permanent im Nacken. Selbst am Speicherpunkt bin ich nicht sicher. Wenn der Hinweis "Die Gefahr ist nah" erscheint, sollte ich mir zweimal überlegen, ob ich ausgerechnet jetzt und hier speichern möchte. Und das, obwohl es keine automatische Speicherfunktion gibt. Segne ich das Zeitliche, bin ich gezwungen, den gesamten Fortschritt seit dem letzten Speichern zu wiederholen. So oder so ähnlich fühlt sich das wundervoll inszenierte Katz-und Maus-Spiel über die recht lange Spielzeit von 15 bis 20 Stunden an. Die völlige Hilflosigkeit zaubert mir immer wieder Schweißperlen auf die Stirn. Wie sollte ich am besten vorgehen? Wann kann ich endlich aus dem winzigen Schrank entfliehen? Ist der Feind näher als ich ihn vermute? Anders als viele andere Videospielhelden habe ich hier keine schlagkräftigen Waffen dabei, um die Feinde noch wie in Alien: Colonial Marines ins Jenseits zu befördern. Unsere Protagonistin ist eben keine starke Heldin, sondern eine einfache Ingenieurin. Und sie ist vor allem Fans der Alien-Filme mit Sicherheit ein Begriff.


Alien: Isolation
Amanda Ripley macht sich auf der Raumstation Sevastopol auf die Suche nach ihrer Mutter.



Eine Reise in die Vergangenheit



Wir schlüpfen nämlich in die Rolle von Amanda Ripley, welche sich auf die Suche nach ihrer verschollenen Mutter Ellen Ripley macht. Letztere war die letzte Überlebende des Frachtschiffs Nostromo. Knapp 15 Jahre nach den Ereignissen des Films taucht der Flugschreiber der Nostromo wieder auf und wird auf die Raumstation Sevastopol gebracht. Grund genug für Amanda, sich auf den Weg zu eben besagter Raumstation zu machen. Doch kaum dort angekommen, wird klar, dass auf der Sevastopol die pure Anarchie ausgebrochen ist. Nicht nur, dass die Service-Androiden sich äußerst auffällig benehmen, andere überlebende Crew-Mitglieder zücken schon bei der ersten Begegnung direkt ihre Waffen und richten diese in unsere Richtung. Das Schiff wurde scheinbar aufgegeben. Keine guten Vorraussetzungen, um Amandas Vorhaben durchzuführen. Im Laufe des Spiels erfahren wir weitere Hintergründe, was auf der Sevastapol passiert ist. Scheinbar wurde ein äußerst spezieller Patient an Bord behandelt, der sich einen Parasiten eingefangen hatte. Dieser hat sich mittlerweile verselbstständigt und ist nun überall an Bord unterwegs. Der Gegenspieler ist also bekannt - und vor allem übermächtig ...


Da ist jemand unter meinem Bett



Steht das Biest Amanda erst einmal gegenüber, ist das quasi mit dem sofortigen Game Over gleichzusetzen. Es gilt also, schleichend durch die Gänge der Raumstation streifen, um nach Hinweisen zu suchen. Überall finden wir Spinde oder kleine Rollwägen, welche als gutes Versteck gegen den Xenomorph dienen. Dabei ist es auch unentbehrlich, immer den Motion-Tracker im Auge behalten. Das Gerät wird mit zunehmender Spieldauer zum besten Freund. Er zeigt euch in Form eines grünen Punktes die Bewegungen des Aliens an. Ob der Feind sich allerdings unter oder über euch befindet, wird nicht angezeigt. So kann es schon einmal passieren, dass das Alien direkt über euch aus dem Lüftungsschacht springt und ihr so schnell das Zeitliche segnet. Unterstützt wird der Motion-Tracker über die Lautsprecher des Dualshock 4-Controllers und dessen Lightbar. Besonders in einem abgedunkelten Raum liefern die Geräusche und das Licht aus dem Eingabegerät einen guten Hinweis darauf, ob wir uns derzeit in Gefahr befinden oder die Luft rein ist. Damit das Versteckspiel mit dem Alien nicht zu schnell langweilig wird, sind auch noch andere Gegner an Bord unterwegs. Auf der aufgegebenen Raumstation "leben" völlig durchgedrehte Arbeiter-Androiden, sogenannte "Hiwis", und ein paar Menschen, die gerne mal schnell den Abzug ihrer Waffe betätigen. Dabei ist die direkte Konfrontation oftmals der falsche Weg. Durch Lärm locken wir schließlich das Alien an. Eben jenes können wir uns in manchen Situationen auch zum Vorteil machen. Werfen wir beispielsweise eine Lichtfackel in eine Ecke des Raumes, laufen alle KI-Gegner in eben jene Ecke und schießen auf das von uns geworfene Objekt. Durch den Lärm wird das Alien angelockt und erledigt die Gegner für uns. Durch die Aufregung ist unser Gegenspieler allerdings ziemlich aufgeregt, weshalb man ihm jetzt lieber weiträumig aus dem Weg gehen sollte. Die KI ist zu keiner Zeit berechenbar und der Xenomorph kann an jeder Ecke auftauchen und uns heimtückisch von hinten töten. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, einige Wege einige Minuten auf und ab zu laufen, was uns dazu zwingt, gern mal ein bis zwei Minuten in einem Schrank zu verharren.


Alien: Isolation
Unser überaus zuvorkommender Gastgeber ist immer für eine Überraschung gut



Ich bastel mir etwas ...



Um nicht ganz so hilflos gegen die Vielzahl der Gegner da zu stehen, gibt es die Möglichkeit, über verschiedene gefundene Ressourcen auf der Raumstation hilfreiche Gegenstände herzustellen. So können wir uns Rohrbomben, EMP-Minen, Rauchgranaten, Molotow-Cocktails und vieles mehr basteln, um den Gegnern Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus finden wir auch Waffen, mit welchen es möglich ist, das Alien zumindest für kurze Zeit zu verjagen. Selbstverständlich gibt es keinen unermesslichen Vorrat an Munition, sodass deren Einsatz wohl überlegt sein sollte. Auch Medikits müssen auf die gleiche Art und Weise hergestellt werden. So ist es zumindest möglich, sich unabhängig vom Spielverlauf jederzeit zu heilen. Wenn sich unser Gegenspieler gerade mal aus dem Staub gemacht hat und auch sonst weit und breit kein Gegner zu sehen ist, erwartet uns eine Aneinanderreihung von recht simplen Aufgaben. Die Reise führt von Punkt A zu Punkt B, um mit Person C zu sprechen. Die wiederum gibt uns einen weiteren Hinweis, um dann in Raum D den Hebel E zu betätigen. Aufgelockert werden diese Aufgaben durch kleinere Minispiele, welche es zu lösen gilt, um verschiedene Türen passieren zu dürfen. Dennoch ist das Missionsdesign leider recht langweilig und mäßig aufregend. Der Weg zu den einzelnen Aufgaben wird oftmals zum reinen Spießrutenlauf, der besonders ab der zweiten Hälfte des Spiels immer nerviger wird.


Die unberechenbare Berechenbarkeit



Während in der ersten Spielhälfte die Begegnungen mit unserem Gegner an den Bildschirm fesseln, verliert das Spielprinzip mit zunehmender Spieldauer seinen Glanz und wirkt repetitiv. Das Verstecken im Schrank wird zur Routine und die Bewegungsabläufe des Aliens sind bald durchschaut. Erschwerend taucht das Alien besonders im letzten Drittel des Spiels immer häufiger auf, sodass es eher nervt als wirklich für Schrecken zu sorgen. Wenn erst einmal der hundertste Bildschirmtod gestorben ist, haut das eben auch nicht mehr so schnell aus den Socken. Oft schlägt der anfängliche Horror dann auch in Frust um, wenn feststeht, dass eine bestimmte Stelle immer und immer wieder gespielt werden muss. Da kommt gerne mal die Frage auf, warum das Alien eigentlich nur uns jagt, obwohl es auch noch andere Menschen und Androiden auf der riesigen Raumstation gibt? Besonders am Ende zieht sich das Spiel wie ein zähes Kaugummi, das man am liebsten schnell entsorgen würde - schade!


Die Liebe steckt im Detail



Abseits des Xenomorphs, welcher übrigens ziemlich hakelig animiert ist, begeben wir uns durch eine sehr lebendig und glaubwürdig aufgebaute Raumstation. Zwar sieht der ein oder andere Raum erschreckend ähnlich aus, dennoch weiß das Spiel besonders mit seiner Lichtstimmung zu überzeugen. Das Spiel orientiert sich hierbei nah am Film-Original. Umso ärgerlicher sind dabei die nervigen Ruckler in den Zwischensequenzen, welche die Bildrate gerne mal unter 20fps fallen lassen. In vielen Fällen sind die Texturen sehr verwaschen und weit weg vom "Next-Gen-Feeling". Loben muss man in jedem Fall die astreine Sound-Abmischung. Die Polter-Geräusche wirken jederzeit glaubhaft und zwingen uns immer wieder dazu, uns doch noch einmal nach dem Gegner umzudrehen. Die Synchronisation der deutschen Sprecher ist soweit gut gelungen, auch wenn die Stimmen leider nicht lippensynchron sind.



Predator

Fazit von Kevin:

Die überaus dichte Atmosphäre und das Versteckspiel mit dem Alien ist insbesondere in der ersten Spielhälfte überaus packend und nervenaufreibend in Szene gesetzt. Leider verpasst Alien: Isolation dann aber, den nächsten Schritt zu gehen, und bietet nur mehr vom bisher Dagewesenen. Das wirkt repetitiv und ermüdet mit zunehmender Spieldauer. Die immer gleichen Mechanismen, die zu Beginn des Spiels Angst und Schrecken verbreiten, stumpfen sich leider recht schnell ab. Hat man das Alien erst einmal durchschaut und stellt fest, dass das Poltern und Scheppern in den Gängen oft nur Beiwerk ist und das Alien nicht auftauchen wird - unabhängig von dem, wie laut ich vorgehe, schwindet auch das letzte Angstgefühl. Die zu erledigenden Aufgaben langweilen später ebenso wie das immer wieder auftauchende Alien, das mit dem Flammenwerfer im Nu vertrieben werden kann.

Alien: Isolation ist für mich zwar kein richtiges Survival-Horrorspiel, macht aber dennoch vieles richtig. Weg vom üblichen Geballer stellt das Spiel eine sehr gute Alternative zu den sonstigen Genre-Vertretern dar. Für Liebhaber der Alien-Filme ist die sehr nah an den Filmen orientierte Umsetzung sicher ein Pflichtkauf. Für den Gelegenheitsspieler, welcher auf etwas Spannung für zwischendurch hofft, ist klar vom Kauf abzuraten. Dafür bietet das Spiel zu viele Frustmomente und führt den Spieler während der Spieldauer zu wenig an der Hand. Der Weg zum Ziel muss in der Regel immer selbst nach mühevoller Recherche erarbeitet werden.

Besonders gut finde ich ...
  • nah an der Filmvorlage
  • konstante Bildrate
  • gute deutsche Synchronisation
  • perfekte Lichtstimmung
  • gute Einbindung des Dualschock 4
  • umfangreiche Missionen
  • Sammelobjekte
  • offene Raumstation lädt zum Erkunden ein
  • viele Versteckmöglichkeiten
  • Gegner reagieren auf Spielerverhalten
  • Alien fantastisch in Szene gesetzt
  • Craftingsystem
  • Überlebensmodus
Nicht so optimal ...
  • hakelige Alienanimation
  • ruckelnde Zwischensequenzen
  • Gespräche nicht lippensynchron
  • Backtracking
  • Aufgaben sind repetitiv
  • KI setzt teilweise aus

Kevin hat Alien: Isolation auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Sega zur Verfügung gestellt.

Alien: Isolation - Boxart
  •  
  • Entwickler:Creative Assembly
  • Publisher:Sega
  • Genre:Survival-Horror
  • Plattform:PC, PS3, PS4, Xbox360, Xbox One, Switch
  • Release:07.10.2014
    (Switch) 05.12.2019

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel, Atze ... und einem Gast.
  • Philipp
    #1 | 17. Oktober 2014 um 19:26 Uhr
    Wird wohl mein nächster Kauf für die One. Den Monat ist aber leider erstmal noch FH2 dran  
  • Darius
    #2 | 21. Oktober 2014 um 05:58 Uhr
    Auf der gamescom 2014 lief das so ab: Tim rennt weg, Kith startet zum 32x neu und fragt sich ob das ein Rogue-Like-Indie ist ...?!   

Hinweis: Der Beitrag ist über 5 Jahre alt, die Kommentarfunktion ist daher mittlerweile geschlossen.