Borderlands: The Pre-Sequel - Review

Die Generation PlayStation 3 und Xbox 360 ist endgültig vorbei. Jeder merkt es. Große Titel werden inzwischen hauptsächlich für die Nachfolge-Konsolen angekündigt. Dementsprechend wandert auch das große Budget in diese Richtung. Doch was ist mit unseren treuen Weggefährten? Werden die einfach vergessen? "Nein!", denken sich die Publisher: "Wir haben ja sowieso noch eine Engine rumliegen!" Mit Borderlands: The Pre-Sequel scheinen wir also einen Vertreter der Spiele-Gattung "Cash-Grab" zu bekommen. Erstes Indiz dafür: ein neuer Entwickler. 2K Australia macht sich an die Vorgeschichte zum zweiten Teil der Grenzländer. Doch anders als gedacht will das Spiel von 2K Australia dank einiger Ideen hoch hinaus. Ob The Pre-Sequel Borderlands tatsächlich einen neuen Dreh verleiht oder ob der fade Geschmack von schneller Geldmacherei bleibt, erfahrt ihr in meiner Review.

Story, wem Story gebührt.



Und zwar jetzt: Den Gedanken, dass es sich hier um ein einfaches Melken der Cash-Cow handelt, verliert man, wie ich finde, sehr schnell. Nämlich direkt beim gelungenen Start des Spiels, denn The Pre-Sequel macht seinem Namen alle Ehre. Obwohl es die Geschichte zwischen dem ersten und zweiten Borderlands-Ableger erzählt, beginnt die neue Reise zunächst in der Zukunft.

Athena, eine der vier neuen Spielfiguren, wird von Lilith, Brick und Mordecai, bekannt aus den vorherigen Ablegern, gefangen genommen, nach Sanctuary gebracht und verhört. Daraufhin beginnt Athena ihre Geschichte zu rekapitulieren, die damit beginnt, dass sie von einem gewissen Hyperion-Mitarbeiter namens Jack angeheuert wird.

Natürlich kennen wir diesen Jack bereits. Er ist kein Geringerer als unser alter Freund Handsome Jack. Der Handsome Jack, der uns in Borderlands 2 alles entgegenhielt, was er zu bieten hatte. Uns Freunde nahm und Probleme bereitete, doch dabei stets ein gewitztes Lächeln sowie einen morbiden Spruch auf den Lippen hatte. Für mich gab es in der letzten Generation kaum einen besseren Schurken. Eines war klar: Sein fieser Humor wird in die Annalen der Videospielgeschichte eingehen und in Sachen Charisma steht Jack dem durchgeknallten Joker in nichts nach.


Borderlands: The Pre-Sequel
Steht im Mittelpunkt und liebt es: Handsome Jack.


Doch dieses Mal sehen wir Jack in einer komplett anderen Rolle. Der Fokus liegt auf dem Menschen hinter, oder besser gesagt, vor dem Monster. Denn der Jack, der uns zu Beginn des Pre-Sequels anheuert, steht wirklich in klarem Kontrast zu dem Jack, der uns in Borderlands 2 so herzlich empfing. Hier haben wir einen Charakter mit Ambitionen, Wünschen und Träumen von, einfach ausgedrückt, Weltverbesserung. Über weite Teile der Geschehnisse begleitet uns Jack tapfer. Er opfert sich für uns. Quält sich durch Ereignisse, die er lieber nicht erlebt hätte. Er ist der wahre Held in dieser Episode. Und er stiehlt allen die Show.

Jedoch wissen wir schon vor Spielbeginn, worin dieses Streben münden wird: In einer der tragischsten Figuren des Videospieluniversums. Wie viele große Idealisten vor ihm fällt auch er den Ereignissen um ihn herum zum Opfer und wird zu dem, was er niemals sein wollte – und The Pre-Sequel lässt uns davon Zeuge werden. Schon zu Beginn macht sich also bemerkbar, dass man hier nicht nur einen einfachen Aufguss von bereits Bekanntem vor sich hat. Dass hier ein anderer Entwickler als Gearbox am Werk war, fällt kaum auf, so hochklassig finde ich die Erzählung. Doch lässt sich das auch über das Gameplay sagen?


Vier gewinnt.



Bevor man hoch hinaus will, müssen erst mal Grundmauern stehen. Diese haben sich seit Teil 1 in Borderlands kaum bis gar nicht verändert. Trotzdem wollen wir sie nicht aus den Augen verlieren. Erneut spielt ihr einen Vault Hunter. Natürlich stehen euch dabei wieder vier mutige Recken zur Verfügung: Die eingangs erwähnte Athena, auch "The Gladiator" genannt, besitzt einen mächtigen Schild, was sie zu einem prächtigen passiv-offensiven Charakter macht. Klassischere Offensiv-Spieler halten sich eher an Nisha, "The Lawbringer", deren Fertigkeit Schaden wie auch Geschwindigkeit erhöht. Mit Wilhelm, "The Enforcer" bekommen wir erneut einen Technik-Spezialisten, der mit seinen Drohnen so gut umgehen kann wie mit den Schießeisen, die er selbst führt. Zu guter Letzt wäre da noch Claptrap. Ja, Claptrap. Irgendwann musste es wohl passieren. Und wenn nicht für ein vermeintliches Cash-In-Prequel, wann denn dann? Natürlich spielt sich der kleine Roboter dank seines Skills, der ihm, abhängig von der Situation in der er sich gerade befindet, eine von vielen verschiedenen Fertigkeiten gibt, so chaotisch, wie ihr es euch schon immer ausgemalt habt. Damit wären wir auch schon vollzählig – ab ins Spiel!


Borderlands: The Pre-Sequel
Darf ich vorstellen - die Gang!



Never change a running system



Schon beim Start merkt man: Es hat sich wenig getan. Die Steuerung bleibt gleich, so wie das HUD. Borderlands: The Pre-Sequel ist wie seine Vorgänger natürlich ebenfalls eine hybrid-artige Mischung aus FPS und Rollenspiel. Das heißt: Ihr lauft, schaut, rennt, springt, zielt und schießt wie in jedem handelsüblichen Ego-Shooter, nur regnet es bei besiegten Gegnern nicht nur Blut, sondern vor allem Erfahrungspunkte. Euer Schützling darf sich nach jedem erreichten Level-Aufstieg über einen Skillpunkt freuen, den ihr auf einen der drei für jeden Charakter unterschiedlichen Skill-Trees verteilen dürft.

Zu den Gefechten kommt es durch das herkömmliche Annehmen von Quests. Daraufhin folgt ihr, wie auch in den anderen Episoden, einem Marker auf der Karte, bis ihr das Zielerreicht habt. Eure Aufgaben bekommt ihr, wie ihr es ebenfalls schon aus den Vorgängern kennt, von vielen, meistens sehr schrulligen Charakteren. Doch nur weil ihr dies bereits gewohnt seid, heißt das noch lange nicht, dass sie ihren Reiz dadurch verloren haben, denn erneut schaffen die Autoren es perfekt, den Borderlands-typischen Humor einzufangen und Charaktere zu zeichnen, für die ich gerne die simplen wie monotonen Fetch-Quests erledige - einfach weil sie so genial verpackt werden.

Auch die Waffen wurden von dem Rollenspiel-Anteil infiziert, denn Schaden und Genauigkeit hängen hier nicht unbedingt vom Modell, sondern eher den einzelnen Werten der Waffe ab. Für Serien-Kenner ist dies natürlich längst ein alter Hut, ebenso wie die Information darüber, dass es erneut eine unbeschreiblich große Vielzahl an Waffen gibt, die den größten spielerischen Reiz darstellen.

Spannend ist hingegen, dass in Borderlands dank der neuen Laser-Waffen auch endlich mal ein paar wirksame Strahlen verschossen werden dürfen. Ebenfalls interessant ist die Funktion, drei Waffen per praktischem Automat zu einer neuen Waffe verschmelzen zu lassen und zu hoffen, den bestmöglichen Hybrid zu erhalten. Aber zu den großen Neuerungen kommen wir nun.


Borderlands: The Pre-Sequel
Auf Elpis nichts neues: Viele Kämpfe



Fly Me To The Moon!



Storybedingt verschlägt es den Spieler im neuen Borderlands-Ableger auf Pandoras Mond Elpis. Dieser wirkt zunächst durch seine blau-graue Farbgebung genau so spannend wie abwechslungsreich – nämlich gar nicht. Auch wenn hier ebenfalls Feuer-, Eis- und Industriegebiete ihren Einzug finden, sie sind optisch nur wenig distinktiv. Vor allem anfangs fallen kaum Unterschiede auf. Jedoch ist der Wechsel von Pandora auf den fliegenden Gesteinsriesen spielerisch ein sinnvoller gewesen. Wie verspricht es noch das Motto auf der Rückseite der Verpackung? "Antigravitation, pro Chaos!" Und tatsächlich, es stimmt. Dank der fehlenden Gravitationsstärke eröffnen sich viele neue Möglichkeiten. Nicht nur springt ihr nun deutlich höher, was zu einer breiteren Bewegungsvielfalt führt, ihr könnt euch zudem an ein paar neuen Techniken erfreuen. Beispielsweise lässt sich ein Jet-Pack-artiger Boost vollführen, mit dem ihr an Tempo wie auch Distanz zulegt. Soll der Boden mal schneller erreicht werden als durch einfaches Fallen, dann empfehle ich euch den Sturzflug samt Aufschlags-Schockwelle, wobei letztere deutlichen Schaden anrichten kann.

Beliebig oft könnt ihr diese Antigravitation-Boni aber auch nicht einsetzen, da sie euch Sauerstoff kosten. Eure O2-Anzeige nimmt nämlich stetig ab. Ist sie bereits auf die 0%-Marke gefallen, so kippt ihr zwar nicht sofort tot um, jedoch verliert ihr konstant Lebenspunkte. Auffüllen lässt sich euer Sauerstoff an Luftblasen oder an Luft ausströmenden Erdspalten. Im Gefecht kann es zudem sein, dass eure Gegner Sauerstoff-Tanks fallen lassen.

Diese kleinen Änderungen geben dem neuen Borderlands ein wirklich eigenes Spielgefühl. Die Charaktere sind nun deutlich agiler. Ihr fliegt quasi nur so über die Gefechte, anstatt euch hinter Schutzmöglichkeiten zu verstecken und auf Köpfe zu zielen. Insgesamt sind die Schusswechsel so auch viel vertikaler gestaltet. Die Kampfgebiete bieten häufig mehrere Ebenen. Im Klartext bedeutet das nun, dass vom Spieler auch Aufmerksamkeit in Richtung oben und unten verlangt wird. Gegner können von überall kommen, denn selbst die einfachsten Schergen sind in vielen Fällen mit einem Jet-Pack ausgerüstet. Insgesamt stellen die Gegner anfangs zwar noch kein großes Problem dar, das ändert sich dann aber spätestens, wenn sie sich mit Schild und Barrieren aufrüsten. So entfaltet das Pre-Sequel eine eigene, viel schnellere Dynamik, die dem ganzen Geschehen neues Leben einhaucht.

Über den weiteren Verlauf des Abenteuers schafft dann auch die Spielwelt, optisch wie atmosphärisch zu überzeugen. Das liegt zu einem gewissen Grad an der tollen Musik. Sphärische Klänge und strahlende Synthies verströmen 1A-Weltraum-Flair. Ein früher Höhepunkt im Spiel ist die große Stadt Concordia, welche wirkt wie das Los Angeles aus Blade Runner. Nur eben mit dem gewissen Borderlands-Dreh.

Insgesamt merkt man, was für eine tonale Entwicklung Borderlands inzwischen durchgemacht hat. Wo sich der erste Teil noch ganz gut als verschrobener Scifi-Western beschrieben ließ, wirkte der zweite Teil schon eher und das Pre-Sequel vollends wie reine Science-Fiction.

So lässt sich für mich zweifelsfrei sagen, dass The Pre-Sequel nicht einfach nur ein Aufguss ist, der noch einmal die Bankkonten füllen darf. Eher fühlt es sich an wie ein richtiger Herzschlag für die Franchise. 2K Australia schaffen es tatsächlich, der Welt von Pandora, ihren Einwohner sowie dem Handlungsort Elpis viele weitere Facetten zu verleihen, die ihn zu einem eigenen, lebenden Universum machen. Spielerisch darf man sich nun aber doch gerne weiter entwickeln. Einen Quantensprung wagen.



Fazit von Phaz:

Borderlands ging damals komplett an mir vorbei. Ich hatte es zwar gespielt, doch die leere Welt hat sich aufgrund fehlender Story und wenig denkwürdigen Charakteren nicht in mein Gedächtnis gebrannt. Erst mit Teil 2 gelang es den Grenzländern, mich zu überzeugen. Für mich ist Borderlands 2 daher auch eines der besten Spiele von 2012. Was erwartete ich nun also vom Pre-Sequel? Zunächst nicht viel. God of War: Ascension wie auch Gears of War: Judgment enttäuschten mich zu sehr, als dass ich noch etwas für Prequels übrig haben könnte. Umso glücklicher war ich dann, als ich sah, dass dem Mond-Abenteuer tatsächlich viel Seele innewohnt. Gerade die tolle Darstellung des Jack hat mich dann am Ende fast schon gerührt. Qualitativ legt die Erzählung von Ableger zu Ableger immer weitere Schippen drauf. Aber auch spielerisch empfand ich die neue Dynamik als recht überzeugend. In gewisser Weise kommt dank der zahlreichen Gravitationsspielereien und dem höheren Gefechts-Tempo durch erhöhte Mobilität tatsächlich dieses jungfräuliche Gefühl des „sich Ausprobieren“ auf, welches normalerweise nur Erstlinge bieten. Dass Mankos wie der sehr langsame Einstieg oder die oft monotonen Quests, die uns schon seit dem Debüt plagen, noch immer nicht behoben wurden, möchte ich an dieser Stelle übersehen, denn wer im Jahr 2014 noch immer nicht auf die neuen Konsolen umsteigen konnte, der findet hier tatsächlich noch ein kleines Highlight.

Für mich hat sich die Reise nach Elpis gelohnt. Nicht nur habe ich die ganzen Neuerungen wie den Fokus auf die Bewegungsvielfalt genossen. Dank der starken Charakterzeichnung freue ich mich wie ein kleines Kind auf alles, was noch passieren wird - im verrückten Pandora!

Besonders gut finde ich ...
  • überraschend tiefe Charakterzeichnung
  • unterhaltsame Erzählung
  • gewohntes Gameplay wird leicht aufgebrochen
  • Mond nicht nur Kulisse, sondern eingebunden ins Gameplay
  • deutlich schneller und dynamischer als Vorgänger
  • erneut ausgewogenes Charakter-Ensemble
  • später doch recht schicke Areale
  • Borderlands-typischer Humor
  • viele, skurrile Charaktere
  • atmosphärisch gelungener Soundtrack
  • Waffen, Waffen, Waffen!
Nicht so optimal ...
  • oft eintönige, langatmige Missionen
  • langsamer Start
  • zu Beginn sehr reizarme Farbgebung

Phaz hat Borderlands: The Pre-Sequel auf der PlayStation 3 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von 2K Games zur Verfügung gestellt.


Tim

Fazit von Tim:

Gerne würde ich an dieser Stelle sagen, dass mir das Pre-Sequel genauso gut gefallen hat wie Phaz, aber das wäre gelogen. Persönlich empfinde ich das Spiel als den bisher schwächsten Teil der Serie - der Funke ist einfach nicht übergesprungen. Ich finde die Idee mit der niedrigeren Schwerkraft und dem Sauerstoffvorrat als Jet-Pack-Ersatz klasse, aber was nützt mir das auf lange Sicht, wenn sich das Leveldesign nicht in die Vertikale öffnet? Warum muss ich innerhalb der Kampagne noch immer noch durch lange, einfallslose Schlauchgänge? Wieso liegen die Waffenkisten nun ganz offensichtlich auf dem Weg zum Missionsziel und nicht mehr in der Pampa versteckt - und weshalb ist dann gefühlt auch nur noch Schrott drin, den man sowieso nicht gebrauchen kann? Wo sind die riesigen Bossgegner hin, wo die interessanten Nebencharaktere, wo die visuell ansprechenden Umgebungen? Selbst die endlose Wüste vom ersten Borderlands hat mein Interesse mehr geweckt als die 08/15-Weltraumbasen auf Elpis. Klar: Spaß macht The Pre-Sequel trotzdem - ist ja auch ein Borderlands. Aber dieses Mal waren meine Spielpartner und ich kollektiv enttäuscht und das, obwohl die Story tatsächlich mal neugierig macht und durch die niedrige Schwerkraft endlich richtige Dynamik in die Gefechte gekommen ist. 2K Australia hat viele coole Ideen integriert und damit ein aus spielmechanischer Sicht besseres, hinsichtlich des Spieldesigns aber nur mäßiges Borderlands geschaffen - schade. Nun liegt es an Gearbox, das mit Borderlands 3 wiedergutzumachen.

Besonders gut finde ich ...
  • niedrige Schwerkraft: Dynamik in den Kämpfen
  • interessantes Sauerstoffmanagement-System
  • gesamtes Spiel zu viert kooperativ spielbar
  • Geschichte um Handsome Jack macht neugierig
  • Sammelwahnsinn dank zig Waffen und Schilde
  • solide neue Charaktere mit coolen Skills
Nicht so optimal ...
  • einfallsloses Leveldesign, zu wenig Vertikale
  • optisch abwechslungsarme & seelenlose Gebiete
  • nur ein einziger nennenswerter Bossgegner
  • Waffenkisten liegen meistens nur auf dem Weg
  • gefühlt schlechterer Loot als in Vorgängern
  • langwieriger und recht einfacher Einstieg

Tim hat Borderlands: The Pre-Sequel gespielt.

Kommentare & Likes

Folgendem User gefällt der Beitrag: Atze
  • DarkRaziel
    #1 | 9. November 2014 um 16:48 Uhr
    Teil 1 und 2 geliebt und durchgespielt samt DLC's, aber ich lasse diesen Aufguss eh links liegen, denn ich warte lieber auf Teil 3 sollte er mal kommen.
  • Phaz
    #2 | 11. November 2014 um 17:46 Uhr
    Auf Teil 3 bin ich in der Tat ebenfalls gespannt. Ich bete für eine richtige Evolution.

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