LittleBigPlanet 3 - Review

In Zeiten, in denen neue IPs eher als Risiko anstatt als Chance betrachtet werden, war LittleBigPlanet für mich immer schon ein echtes Märchen. Sonys Freigeist-Traum schaffte es nicht nur spielerisch gehaltvoll, ungemein kreativ und finanziell erfolgreich zu sein – es wagte tatsächlich Eigenständigkeit. Seitdem sind inzwischen auch schon sechs Jahre ins Land gegangen und allzu neu fühlen sich die Sackboy-Abenteuer mittlerweile nicht mehr an. Können ein Entwicklerwechsel und drei neue spielbare Charaktere der Marke frischen Wind einhauchen oder gerät der Erfolgshit ins Straucheln? Was erwartet uns mit LittleBigPlanet 3?


Altes Garn



Auf den ersten Blick ist die größte Überraschung, dass nichts so wirklich überraschend scheint. Ähnlich zu vielen anderen Fortsetzungen im vergangenen Jahr hat man zu Beginn das Gefühl, alles wäre beim Alten geblieben. Sackboys Abenteuer finden immer noch als Drei-Ebenen-Platformer statt. Die Spielphysik behält weiterhin entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Figur, allen voran beim Springen. Nur kurze Zeit nach Spielbeginn erlebte ich schon die erste positive Erfahrung. Die leicht schwammige Handhabung des Sackboys, welche noch viel zu gut aus den Vorgängern bekannt ist, wurde angenehm angepasst. Ich habe viel mehr Kontrolle, fühle mich insgesamt wohler beim Durchschreiten der sagenhaft verschrobenen Welt.

Weiterhin glänzt LittleBigPlanet mit unglaublich charmanten wie spielerisch abwechslungsreichen Geschicklichkeits–Parcours. Kreativität strömt dieses Mal wieder aus allen Poren. Den Entwicklerwechsel merkt man diesem Abenteuer in jenem Aspekt jedenfalls nicht an. Stattdessen könnte man sagen, dass Sumo Digital die Einzelspielermodi der vorherigen Episoden beinahe in den Schatten stellen. Dass die Story nur aus vier Welten besteht, ist für mich ein großer Wermutstropfen, denn in Sachen kreativem Wahnsinn und spielerischem Abwechslungsreichtum macht ihnen so schnell keiner was vor.

Ich hüpfte beispielsweise in meinen ersten Spielstunden schon durch einen skurril anmutenden Hollywood-Sumpf, in dem riesige Bäume, mooriges Gewässer und altes Filmmaterial Hand in Hand gehen. Geleitet werde ich dabei von keinem Geringeren als Marlon Random. Natürlich mit Elvis-Tolle aus Dia-Band, Promi-Attitüde sowie übersteigertem Selbstbewusstsein. Na klar.

Insgesamt begeisterten mich die humorvoll zum Leben erweckten Charakteren mit ihren Ecken und Kanten. Eine Persönlichkeit weiß dabei besonders hervorzustechen: Fiesling Newton, eine genial-verrückte Glühbirne. Der kleine Stromfresser, welcher eine hervorragende Stimme im Originalton spendiert bekam (Doktor House lässt grüßen), erweckt drei schreckliche Titanen zum Leben. Wie sollte es auch anders sein, liegt es nun in unserer Verantwortung, sie davon abzuhalten, ihren bösen Machenschaften nachzugehen. Ich empfand die mit viel Herz geschriebene Erzählung als äußerst passend zum Auftreten des Spiels. Zum Glück ist Sackboy in seiner Konfrontation mit dem Bösen nicht alleine, sondern wird erstmals in der Seriengeschichte von einer Reihe sympathischer Begleiter unterstützt.


LittleBigPlanet 3
Action im Film-Sumpf.


Aus eins mach vier



Wir hätten da zum Beispiel den süßen Sack-Hund Oddsock. Durch seine flinken Vierbeine wird das kleine Stofftier zur agilsten sowie präzisesten Spielfigur. Im Story-Modus werden die Hüpf-Areale seinen Fähigkeiten natürlich angepasst. Wandsprünge sind für ihn ein leichtes, demzufolge erlebt die Struktur der Spielwelt Bunkum einige Umbrüche. Oddsocks Hindernisläufe sind im Gegensatz zu den eher gemächlicheren Herausforderungen von Sackboy viel mehr auf Geschwindigkeit, auf schnelles Reaktionsvermögen ausgelegt. Der unförmige Toggle verziert das Abenteuer mit interessanten Größenwandlungs-Rätseln, wohingegen sich der fliegende Swoop elegant gegen gefährliche Engpässe zu beweisen hat.

Selbst Sackboy lernt auf seine alten Tage über verschiedene Peripherien, die ihm NPCs während der Handlung spendieren, einige neue Tricks. So kann er sich beispielsweise beim Tragen eines bestimmten Helms an Rails entlanghangeln oder sich per Ballkanone an spezifisch dafür gekennzeichneten Flächen teleportieren. Unser kleiner Wolljunge hat auf jedes Hindernis eine Antwort. Es liegen Steine im Weg? Püsterich! Ein tiefer Abgrund verhindert das Weitergehen? Raketenschuhe!

Bei bloßem Jump'n'Run Gameplay soll es dennoch nicht bleiben. Schon Teil 2 hatte gezeigt, dass Genre-Grenzen bestenfalls Drehtüren sind, und auch der dritte große Ableger entpuppt sich als ein stark wandelbares Spiel. Ob aus der Draufsicht, der Seitenperspektive oder einem gänzlich anderen Kamerawinkel, LittleBigPlanet überrascht immer wieder, was dem Spiel nur zugute kommt. Der Einfallsreichtum begeistert, weiß sogar richtig zu fesseln. Dank der kurzen Spielzeit erlebt man in jedem neuen Areal eine kleine Innovation. Umso schmerzlicher war es für mich, den Abspann nach bereits fünf Stunden gesehen zu haben.

Leider verliert die Kampagne trotz vielerlei Ideen nie den seltsamen Geschmack eine ausgedehnten Tutorials. Die Intermezzi mit den jeweiligen Spielmechaniken sind so kurz, man könnte meinen, Sumo Digital will sie uns nur antesten lassen, damit wir ihre Funktionen für den Editor kennen. Abgesehen davon vermisse ich den liebenswerten Anarchismus, der noch in den Spielwelten von Media Molecule allgegenwärtig war. Diese waren zwar nicht immer perfekt spielbar, weshalb wir mit LittleBigPlanet 3 auch das beste "Spiel" der Reihe vor uns haben, jedoch blieben dabei ein paar Eigenheiten auf der Strecke. In den Vorgängern spürte ich förmlich den Enthusiasmus, welcher in den Entwicklern beim Designen der Level mit ihren aberwitzigen Ideen sprudelte, während sich der dritte Teil einfach etwas gewöhnlicher anfühlt.


LittleBigPlanet 3
Toggle - ihm wurden mit die kreativsten Level spendiert.


Aus vier mach selbst.



Im Mittelpunkt steht auch im dritten LittleBigPlanet nach wie vor der unfassbar umfangreiche Editor. In Sachen Vielfalt wie auch Möglichkeiten kann man ihn tatsächlich nur konkurrenzlos nennen, speziell dank unserer drei neuen Unterstützer-Helden, deren frische Spielweise in Verbindung mit Sackboys neuen Gerätschaften schier endlose Möglichkeiten zum Aufbau der eigen kreierten Level bietet.

Als wäre das nicht schon genug, wurden einige neue Spielmechaniken in den Levelaufbau selbst implementiert. Da wären zum Beispiel Portal-artige Teleportations-Löcher, die dank dem auf Physik basierenden Figuren-Verhalten ähnlich wie in Valves Klassiker funktionieren. Hier ist aber noch lange nicht Schluss, denn die Genre-Restriktionen, welche in der Kampagne schon kaum galten, gelten hier gleich zweimal nicht. 2011 zeigte uns das zweite LittleBigPlanet bereits, wie schnell sich Arcade-Shooter, Renn- oder Musikspiele erstellen lassen. Dieses Mal lassen sich sogar Minispiele und Levels in 3D-Umgebungen kreieren.

Ihr seht schon: Die Optionsvielfalt ist atemberaubend. Leider stellte sich das Spiel für mich in diesem Bereich auch immer selbst ein Bein. Als Neuling wird man zwar ein wenig an die Hand genommen, dennoch stellte sich bei mir bedingungslose Überforderung ein.

Einen spielbaren Hüpf-Kurs in netter Optik kriege selbst ich noch hin, aber wer startet den Create-Modus, um sich mit einem generischen 08/15-Werk zufrieden zu geben? In jedem schlummert doch eine Vision, wenn man an den Editor denkt. Diese umzusetzen, sodass tatsächlich eine beeindruckende Welt entstehen kann, erfordert allerdings einige Stunden intensivster Arbeit. Dem sollte man sich bewusst sein, bevor man sich Überforderung oder Frustration geschlagen gibt. Wenn man sich jedoch tatsächlich dazu bereit erklärt, diesen Aufwand zu erbringen, dann bietet einem LittleBigPlanet 3 wie schon seine Vorgänger das richtige Werkzeug, um seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Ich persönlich wünsche mir für die Zukunft aber immer noch etwas mehr Zugänglichkeit und bessere Hilfestellungen.


LittleBigPlanet 3
Kreieren bleibt weiterhin der Mittelpunkt von LBP.


Warum selber machen, wenn es andere besser können?



Für Leute, die lieber spielen statt basteln, hält LittleBigPlanet 3 eine Lösung parat, denn "Share" spielt immer noch eine große Rolle im Konzept von Sonys Bastelkiste. Andere Spieler, die zufrieden mit ihren kreativen Ergüssen sind, können diese online teilen. In der Vergangenheit wurde dies natürlich schon millionenfach praktiziert - und alle Community-Levels aus den ersten beiden Ablegern lassen sich auch in Teil 3 herunterladen und spielen. So kann man von Minute 1 an auf Millionen und Abermillionen von Levels zugreifen. Und diese Zahl steigt täglich weiter an, bietet der neue Editor doch schier unbegrenzte Möglichkeiten, an denen sich kreative Bastler aus der ganzen Welt versuchen.

Die Technik leidet leider unter dem Aspekt der Restauration alter Level. Sonderlich spektakulär sieht LittleBigPlanet 3 nicht aus, zumindest nicht auf der Playstation 3. Der Spaß wird zusätzlich leider von einigen Slowdowns gehemmt.

Keine Patzer leistet sich das drollige Abenteuer dagegen bei der fantastischen Musik. Harmonisch gliedern sich die fröhlicheren Indie-Klänge wie auch dunkleren Stücke in das künstlerische Gesamtbild ein, wobei Anleihen an die Vorgänger natürlich unverkennbar sind. Komponistin Winifred Phillips gewann für das Theme von Ziggurat sogar schon einen Hollywood Music in Media Award. Trotzdem reicht die Musik meiner Meinung nach nicht an das insgesamt einnehmendere Tonspiel von Teil 2 heran.



Fazit von Phaz:

LittleBigPlanet 3 werde ich als reizende Fortsetzung in Erinnerung behalten, die leider nie ganz die Klasse eines Media-Molecule-Titels erreichen konnte. Die Kampagne ist zwar mehr als nur ein Genuss, allerdings auch viel zu schnell vorbei. Denn auch wenn sie einige fabelhafte neue Ideen bietet, sie räumt den ganzen Neuerungen nicht genug Zeit ein, um all ihr Potential zu entfalten. Die drei Zusatz-Helden, die sich allesamt mehr als spaßig anfühlen und dabei noch einiges an Frische mitbringen, bekommen dadurch leider nie den Raum im Solo-Modus, den sie eigentlich verdienen. All zu viel habe ich aber nicht zu motzen, denn der Create-Modus bleibt weiterhin unantastbar und all die von der Community erstellten Spielwelten bieten Unterhaltung für etliche Wochen. Mit LittleBigPlanet 3 konnten sich Sumo Digital wirklich beweisen. Bei ihrem nächsten Projekt wünsche ich mir, dass sie ihre eigene Kreativität komplett entfalten können. Genügend Qualitäten als Entwickler besitzen sie ja.

Eine gute, aber nicht geniale Fortsetzung. Leider zu kurz, dafür ungemein kreativ und verspielt. Ein toller Einstand von Sumo Digital.

Besonders gut finde ich ...
  • neue Charaktere bringen frischen Wind
  • interessante, erfrischende Gerätschaften
  • konkurrenzlos vielfältiger Create-Modus
  • Genre-Grenzen bleiben weiterhin geöffnet
  • unzählige zuvor kreierte Levels spielbar
  • abwechslungsreiche und charmante Kampagne
  • kreative Szenarien
  • traumhafter Soundtrack
  • liebenswerte Geschichte und Figuren
Nicht so optimal ...
  • Charme von Media Molecule bleibt unerreicht
  • Editor überfordert leider immer noch
  • neue Ideen werden nicht auscgeschöpft
  • viel zu kurzer Solo-Modus
  • technisch nicht mehr aktuell

Phaz hat LittleBigPlanet 3 auf der PlayStation 3 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Sony CEE zur Verfügung gestellt.


Tim

Fazit von Tim:

Auch auf der PlayStation 4 ist LittleBigPlanet 3 ein charmantes und mehr als nur liebenswürdiges Spiel und gleichzeitig der umfangreichste Jump'n'Run-Baukasten, den man systemübergreifend finden kann - im Wesentlichen fühlt sich das Spiel aber nicht so an, als würde es die erweiterten Möglichkeiten des Systems nutzen, auch die grafischen Unterschiede zu den Vorgängern halten sich eher in Grenzen. In Sachen spielerischem Anspruch und "Flow" bleiben im Vergleich zu echten Genre-Größen wie Mario, Rayman oder Donkey Kong zudem nach wie vor Wünsche übrig. Zwar ist die Steuerung präziser und geht das Wechseln der Tiefenebenen besser von der Hand, trotzdem spielt sich LittleBigPlanet als Jump'n'Run noch immer nicht so locker-flockig an wie seine Genre-Kollegen. Ist das schlimm? Nein, überhaupt nicht! LittleBigPlanet fühlt sich ein bisschen an wie vor anderthalb Jahren Puppeteer: Es ist rein aus Gameplay-Sicht nur solide, dafür aber inszenatorisch geradezu grandios und unglaublich abwechslungsreich, der dritte Teil durch die neuen Gadgets und die knuffigen Begleiter OddSock, Toggle und Swoop sogar noch mehr. Dass die Entwickler die gesamte Kampagne mit dem Ingame-Editor gebastelt haben, zeigt außerdem deutlich auf, wie mächtig der Editor auch im dritten großen Heimkonsolen-Ableger ist. Ich selbst bin zwar ähnlich wie Phaz nicht derjenige, der sich in die komplexe Natur des Baukastens einfuchsen möchte - dafür gibt es aber online tausende und abertausende Community-Levels, die den Story-Levels teilweise in nichts nachstehen und für die kurze Spielzeit der Kampagne entschädigen. Wegen der berüchtigten technischen Probleme der PS4-Version braucht ihr euch übrigens keine Sorgen mehr machen: Mit dem mittlerweile erhältlichen Patch wurden diese vollständig bereinigt.

Die Kampagne ist ein kreativer Höhenflug, der Editor mächtiger denn je: LittleBigPlanet 3 bietet auch auf der PlayStation 4 alles, wofür man die Serie kennt und liebt - nutzt die technischen Möglichkeiten des Systems jedoch nicht aus.

Besonders gut finde ich ...
  • kreative und abwechslungsreiche Kampagne
  • vier komplett unterschiedliche Figuren
  • coole neue Gadgets erlauben Spielereien
  • komplettes Spiel mit 4-Spieler-Coop
  • liebevolle Präsentation, viele Details
  • mächtiger, allerdings komplexer Editor
  • Community-Levels aus LBP 1 & 2 spielbar
Nicht so optimal ...
  • Steuerung nach wie vor etwas schwammig
  • Kampagne insgesamt zu kurz ausgefallen
  • grafisch keine bemerkbaren Fortschritte

Tim hat LittleBigPlanet 3 auf der PlayStation 4 gespielt.

LittleBigPlanet 3 - Boxart
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  • Entwickler:Sumo Digital
  • Publisher:Sony CEE
  • Genre:Jump'n'Run
  • Plattform:PS3, PS4
  • Release:26.11.2014