The Book of Unwritten Tales 2 - Review

Mit The Book of Unwritten Tales 2 (TBoUT2) setzt KING Art Games seine Hommage an die fantastischen Welten eines Harry Potter, Herr der Ringe und der Scheibenwelt von Terry Pratchett fort. Nachdem das Kickstarter-finanzierte Spiel schon seit einigen Monaten für den PC verfügbar ist, können nun auch Konsolenspieler die Abenteuer von Wilbur, Ivo, Nate und dem Vieh weiterspinnen. Ob das klassische Point'n'Click-Adventure den Sprung auf eine Controller-basierte Steuerung mit Bravour gemeistert hat oder die Maus in diesem Fall die bessere Wahl ist, erfahrt ihr in dieser Review.

"In Aventásien herrschte Krieg. Die Allianz der Menschen, Elfen und Zwerge kämpfte gegen die finstere Armee der Schatten. Jahre des Krieges verherrten das Land und dennoch: niemand konnte einen Vorteil erlangen". Mit diesem Monolog und einem Buch, dessen Seiten im Wind flattern, werde ich im wahrsten Sinne des Wortes in die Märchenwelt von TBoUT2 geworfen. Es ist noch von einem geheimnisvollen Artefakt die Rede, das jeden Wunsch erfüllen und damit auch den Krieg entscheiden könnte.

Die Schatten, angeführt von Hexenmeister Munkus, hätten es beinahe als Erste erreicht, wenn da nicht eine Gruppe von Helden gewesen wäre: Wilbur, der junge Gnom, Ivo, die mutige Elfe und das Vieh, ein haariges Wesen aus den Nordlanden und Begleiter des strahlendsten aller Helden – Er: Nate Bonnett, der eigentlich den Rest seines Lebens an der Seite der Elfenprinzessin hätte verbringen sollen. Nach diesem Prolog überkommt einem beinahe das Gefühl, in einer zuckersüßen Erzählung von der schönen Prinzessin und des tapferen Ritters gelandet zu sein, doch bevor genau dies passieren kann, verlässt die Geschichte den ausgetrampelten Märchenpfad und bricht die Illusion, indem sich der Held fragt, warum er über sich in der dritten Person redet. Das Buch ist zu diesem Zeitpunkt bereits davongeflogen und Nate befindet sich im freien Fall. Auch das ist in diesem Adventure wörtlich gemeint.


The Book of Unwritten Tales 2
Mit einem rasanten Fall durch die Wolken wird Nate Bonnett in das Spiel geworfen


Trotz Teppich und Wunderlampe: Kein Märchen aus "Tausend und einer Nacht"



Bereits in der Intro-Sequenz werden gleich mal zwei gängige Topoi aus "Tausend und einer Nacht" abgehandelt. Die magische Wunderlampe gehört ebenso dazu, wie der obligatorische Fliegende Teppich. Nate klettert also, während er dem Boden entgegenstürzt, an einem Felsbrocken empor, klammert sich an einem Holzsteg fest und beschwört besagte Lampe, die ein Geistwesen namens Benny ausspuckt. In dieser frühen Phase des Spiels muss ich auf dem Controller lediglich eine Taste drücken, die mir auf dem Bildschirm angezeigt wird, um den Helden an den nächsten Aktionspunkt zu schicken. Mit Benny verstricke ich mich in ein Rededuell. Doch der Zauber, der mir eigentlich hätte helfen sollen, geht gehörig daneben, begleitet von dem lapidaren Kommentar des trotteligen Geistes, dass Dschinn-Magie auch mal schief gehen könne. Schlussendlich ereilt mich die Rettung in Form eines schwebenden Bettvorlegers, auf dem ich eine Stadt in den Wolken ansteuere. Doch sobald ich den Boden betreten habe, zieht mir das Vieh eine Dachlatte über den Schädel und ein schwarzer Schleier legt sich über den Bildschirm.

Nun steht das Tutorial an, was sich in einem komplett anderen Grafikstil präsentiert. Ich befinde mich in einer mechanischen Stadt, die ein bisschen an die Eingangssequenz von Game of Thrones erinnert. Unwirkliche Gebäude schrauben sich aus dem Boden und das Spiel möchte, dass ich nun einen klapprigen Roboter spiele und Sachen repariere. Nach und nach wird mir die Belegung des Controllers erklärt: Betrachten (Kreissymbol), Benutzen (Kreuzsymbol), das Inventar öffnen (Dreieckssymbol) oder tun, was der Spielcharakter für sinnvoll hält: Mehr braucht es nicht, um sich in der Welt von TBoUT2 zurecht zu finden. Dachte ich zumindest, denn die Steuerung kann in manchen Situationen auch sehr bockig sein, aber dazu später mehr. Die Gespräche laufen über Dialogboxen, in denen ich verschiedene Antworten anklicken kann, um die Handlung voranzutreiben. Nachdem Intro und Tutorial absolviert sind, geht die Geschichte mit einer weiteren Figur aus unserer munteren Heldentruppe weiter. Elfe Ivo ist von ihrer Mutter an den Prinzen Calios versprochen worden und darf aus diesem Grund ihr Zimmer nicht verlassen. Ein Druck auf das Quadratsymbol schaltet alle Hotspots in Form einer Lupe frei, die ich innerhalb eines Ortes ansteuern kann. Während ich die Figur mit dem linken Stick bewege, kann ich mit dem rechten Stick alle Punkte, an denen es etwas zu tun gibt, anwählen.


The Book of Unwritten Tales 2
Die Elfenmutter hat Ivo bereits an einen Prinzen verheiratet


Die Rätsel sind durchaus knackig



Wie es sich für eine (fast) ordentliche Märchengeschichte gehört, ist die geplante Vermählung mit Prinz Calios natürlich alles andere als eine Liebesheirat. Dumm nur, dass die Helikopter-Mutter einen so wachsamen wie nervigen Vogel namens Tschiep Tschiep auf die Braut in spe angesetzt hat. Ihn gilt es abzulenken, um in den Elfenhain zu gelangen. Die Rätsel, die ich im Laufe des Abenteuers lösen muss, sind durchaus knackig. Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle (Vorsicht Spoiler) nur eins nennen. Um das Elfenschloss zu verlassen, muss Ivo einen Hippogreif als Transportmittel organisieren. Hierfür bedarf es natürlich auch einer monetären Vergütung in Form von Geld. In diesem Fall muss ich einen Kessel voll Gold am Ende des Regenbogens finden. Wie stelle ich dies im Elfenhain an? Zuerst sollte ich in der Bibliothek ein Holzfällerbuch an mich nehmen, dem zunächst glücklichen Baum hieraus die schauerlichsten Stellen vorlesen, um ihn auf diese Weise in eine Trauerweide zu verwandeln. Diese wiederum lässt daraufhin die Blätter hängen, woraufhin der Wasserfall nun nicht mehr durch den Schatten des Baumes behindert wird und einen Regenbogen werfen kann. Mit einem Spaten, den ich zuvor von einem sprechenden Baum ("Ich bin zu alt, um ein Blatt vor den Mund zu nehmen") bekommen habe, grabe ich den Topf aus und komme so an mein Gold. Die Kausalitäten innerhalb dieser Rätselketten sind durchaus als ambitioniert zu bezeichnen. Wer um die Ecke oder auch mal um drei Ecken denkt, ist in jedem Fall im Vorteil.

In einem anderen Fall zeigt sich aber, dass das Spielerlebnis auf der Konsole durch einen Makel getrübt wird. Die Controller-Steuerung hat gegenüber der Maus als Eingabegerät einen nicht zu unterschätzenden Nachteil: und das ist die Zeit. In einem Rätsel muss Wilbur einen Papierstreifen in Brand setzen, die improvisierte Fackel durch die Eingangshalle hindurch ins Lehrerzimmer tragen und einen Kamin entzünden, bevor das Feuer erlischt. Während ich auf dem PC lediglich drei Mausklicks benötige (Verlasse Klassenzimmer, Betrete Lehrerzimmer, Benutze Flamme an Kamin), um die Aufgabe zu lösen, bin ich in der Konsolenfassung gleich mit mehreren Problemen konfrontiert. Ich muss meinen Magier mit einer hakeligen Steuerung durch den Raum bugsieren, die Hotspots sichtbar machen und warten, bis mir der Bereich auf dem Bildschirm angezeigt wird, um dann mit der Kreuztaste die Aktion zu aktivieren. Die starren Kamerawinkel sind ebenfalls ein Faktor, der diese Prozedur nur unnötig erschwert. Wer hier auch nur an einer Stelle patzt, scheitert und muss das Rätsel wiederholen. Hier spielt der PC seine Vorteile ganz klar aus. Ein weiterer Punkt ist die Anordnung der Aktionspunkte. Manchmal sind sie so dicht gedrängt, dass ich anstatt ein Zimmer zu betreten, versehentlich einen Schalter betätige und stattdessen ein Fenster öffne.


The Book of Unwritten Tales 2
Ein Elfenhain und ein fliegender Felsbrocken sind nur zwei Schauplätze des Abenteuers


"Ich bin Guybrush und ich möchte Pirat werden"



Im weiteren Verlauf wechselt das Spiel zwischen verschiedenen Schauplätzen und Charakteren hin und her. Mit Wilbur Wetterquarz müssen wir uns einer ganzen Reihe von harten Kopfnüssen in der Magierschule stellen und die verschollene Schulbibliothek wiederfinden. Hierfür reisen wir durch einen Kamin hindurch in die Vergangenheit und die Grafik wechselt in einen 2D-Retro-Look, der an die Adventure-Spiele der Westwood Studios oder Sierra-Online erinnert. Auch die Musik passt sich diesem Stil an. Zudem müssen wir uns einem Textadventure (!) stellen und werden mit unzähligen Anspielungen auf Harry Potter ("Eigentum des Halblutprinzen") oder popkulturelle Phänomene, wie Schrödingers Katze, konfrontiert ("In der Kiste könnte eine tote Katze sein oder nicht!"). Sehr lustig ist auch ein Eintrag in der Kartei der Schule zu einer Person namens Mario Mushroom: "Springt anderen Leute auf die Köpfe, zündet sie an und nennt es gewaltlos". Zitate dieses Kalibers finden sich zu dutzenden innerhalb des Spiels. Und der berühmte Ausspruch: "Ich bin Guybrush und ich möchte Pirat werden", dem LucasArts-Klassiker Monkey Island entnommen, wird so eins zu eins von Wilbur ausgesprochen.

Weitere Orte, an die mich das Abenteuer führt, ist die fliegende Felsenstadt des roten Piraten. Dort müssen Nate und das Vieh an die magische Wunderlampe gelangen. In diesen Passagen kann ich zwischen beiden Charakteren hin und herschalten und im Team die Rätsel lösen. Wilbur Wetterquarz wiederum muss es aus der Schule hinaus in die Unter- und Oberstadt von Seefels schaffen und einen Golem bauen, um das Böse zu besiegen. Doch dann kommt alles ganz anders. Die Geschichte um Erzmagier Alistair, Hexenmeister Munkus, das Schattenreich, unsere Heldentruppe und viele andere Figuren ist wendungsreich, lustig und mit Liebe zum Detail umgesetzt. Allerdings lassen sich die Controller-Probleme, die zum Teil ungünstige Anordnung der Hotspots und die starren Kamerawinkel nicht wegdiskutieren.



Jari

Fazit von Jari:

In Sachen Grafik und Geschichte spielt TBoUT2 seine Qualitäten vollends aus. Besonders gut hat mir gefallen, dass die Macher von KING Art ihr Spiel randvoll gepackt haben mit Zitaten aus Film, Popkultur und Videospielen. Zudem bekomme ich als Spieler gleich mal einen informativen, wie auch unterhaltsamen Ritt durch die Entwicklung des Adventure-Genres geboten. Dies schließt die liebevolle Rückbesinnung auf Pixelgrafik, 8-Bit-Sound und Textadventures ein. Auch die Dialoge und die Sprecher hinterlassen einen durchweg positiven Eindruck. Immerhin wurden bereits – wie im ersten Teil auch – prominente Synchronsprecher (so kommen z.B. die deutschen Stimmen von Daniel Craig und Ben Stiller zum Einsatz) für das Projekt verpflichtet. Und wenn die Elfe Ivo mit ihrem Vater redet und dabei solche Zeilen wie: „Ich weiß, dass am Ende alles gut wird und wenn es nicht gut wird, dann ist es auch nicht das Ende“ dabei heraus kommen, dann stellt sich bei mir ein wohliges Spielgefühl ein, das im nächsten Moment durch eine treffende Pointe abgelöst wird. Arg getrübt wird der Gesamteindruck allerdings dadurch, dass Controller-Probleme, starre Kameraperspektiven und zum Teil unübersichtliche Aktionspunkte das Spiel nicht gerade komfortabel in seiner Handhabung machen. Der PC ist in diesem Fall (leider) die bessere Plattform, um das Abenteuer stressfrei genießen zu können.

Besonders gut finde ich ...
  • Wunderschöne 3D-Grafik
  • Stimmungsvolle Musik
  • Eine bezaubernde Märchenwelt...
  • die sich nicht so ernst nimmt
  • Ironie und Humor
  • Sympathische Figuren
  • Tolle Dialoge und stimmige Synchronsprecher
  • Anspielungen auf Popkultur und Videospiele
  • Retro-Elemente in Grafik und Spielmechanik
Nicht so optimal ...
  • Schwammige Steuerung
  • Starre Kamerawinkel
  • Aktionspunkte manchmal unübersichtlich

Jari hat The Book of Unwritten Tales 2 auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Nordic Games zur Verfügung gestellt.

The Book of Unwritten Tales 2 - Boxart
  •  
  • Entwickler:King Art Games
  • Publisher:Nordic Games
  • Genre:Adventure
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One, WiiU
  • Early Access:04.09.2014
  • Release:20.02.2015
    (PS4, Xbox One) 18.09.2015
    (Wii U) 08.06.2016

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: 4 Gästen.
  • KING Art Games
    #1 | 12. Oktober 2015 um 15:54 Uhr
    Ein kleiner Hinweis zur Controllersteuerung:
    Es ist zu keiner Zeit nötig, schnell zu reagieren! Das Rätsel mit den (mehreren!) Papierschnipseln habt ihr leider nicht als solches erkannt. Da jeder Papierschnipsel nur begrenzte Zeit brennt, müsst ihr zwischendurch im Inventar immer einen neuen Schnipsel am alten entzünden und so wie in einem Staffellauf das Feuer zum Kamin bringen. Dafür kann man sich beliebig Zeit lassen, weil der Schnipsel-Nachschub im Inventar nie versiegt.
  • Darius
    #2 | 12. Oktober 2015 um 20:54 Uhr
    Entwickler "In da House!"   
  • Jari
    #3 | 12. Oktober 2015 um 21:15 Uhr
    Danke für den Hinweis von kompetenter Stelle. In diesem Fall habe ich dem Controller zumindest in diesem Punkt zu Unrecht eine hakelige Steuerung zur Last gelegt.   

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