Uncharted 4: A Thief's End - Review
Sic Parvis Magna - Farewell, Nathan Drake
Naughty Dog haben uns in den vergangenen Monaten viel Geduld abverlangt und uns stetig weiter auf die Folter gespannt, wie es denn nun mit unserem Abenteurer Nathan Drake weitergeht. Doch nach drei großen Uncharted-Abenteuern und dem großartigen The Last of Us hat das ehrgeizige kalifornische Studio die Messlatte für Uncharted 4: A Thief's End auch ganz schön hochgelegt. Neben den eigenen Ansprüchen – "Niemals stehenbleiben, immer neue Herausforderungen suchen" - galt es natürlich auch, die hohen Erwartungen der Fans zu bedienen. Ein letztes Mal.
You ain't seen nothing yet
Erst eine Stunde später läuft das Ingame-Intro über den Bildschirm. Der vierte Teil der Uncharted-Reihe wird im weiteren Verlauf meiner rund 14-stündigen Reise gewohnte Stärken ausspielen und mit glaubwürdigen Charakteren, atemberaubenden Schauplätzen sowie action- und kletterreichem Gameplay aufwarten – auf all das werde ich im Laufe meiner Review auch noch dediziert und möglichst spoilerfrei eingehen. Aber es zeigt mir auch für die Serie eher ungewohnt ruhige, nachdenkliche und emotionale Momente und untermauert damit stellenweise, dass es für Nathan Drake an der Zeit ist, ein anderes, ein ruhigeres Leben zu beginnen. Damit ist er seinem geistigen Vorbild Indiana Jones wohl um einiges voraus. Nach dem Weggang von Amy Hennig, die bei allen drei bisherigen Uncharted-Spielen als Creative Director und Head Writer fungierte, und damit maßgeblich für die Geschichte der Serie verantwortlich war, hat Neil Druckmann das Story-Ruder übernommen. Seine "The Last of Us" Handschrift schwingt unverkennbar im neuen Uncharted mit. Und das ist gut so.
Ich lerne abermals den jungen Nathan kennen, doch es geht weitaus weiter zurück als zuletzt in Drake's Deception. Schließlich will der bisher unbekannte ältere Bruder näher vorgestellt werden - und, warum wir bisher noch nichts von ihm gehört haben, wo dieser die ganze Zeit war und wie die beiden zu ihrem Abenteuer-Dasein gekommen sind. Als blutjunger Bursche flieht Nathan zu Beginn mit Hilfe seines Bruders kurzzeitig aus einem Waisenhaus, getrieben von der Neugier, endlich die Aufzeichnungen ihrer Mutter in einem nahegelegenen Anwesen wiederzuerlangen. Es ist nicht direkt Stehlen, wenn es einem bereits mal gehört hat, oder?! Während mir Naughty Dog bei dieser Gelegenheit unterschwellig ein Tutorial für die Steuerung unterjubelt, lerne ich bei dieser Reise in die Vergangenheit auch viele Hintergründe und diverse Charaktere kennen.
Ein letztes Mal ... Piratenschatz! Arrr!
Die Jagd nach den Schätzen des berühmten Entdeckers und Piraten Sir Francis Drake verfolgt uns bereits, seit wir mit Elena Fisher im ersten Teil seinen Sarg aus dem Meer hoben. Ein roter Faden und direkter Zusammenhang zum Vorfahren hat sich durch die vielen Schatzjäger-Abenteuer allerdings nie wirklich gezogen. In Uncharted 4 steht daher mit Henry Avery ein neuer Pirat und eine sagenumwobene Schatzinsel auf dem Programm: Libertalia.
Bis wir an das vermeintliche Ziel unserer Abenteuer-Reise gelangen, wird natürlich wieder viel geklettert, geballert und auch gerätselt. Mit insgesamt 22 Kapiteln sowie einem Pro- und Epilog wird ein gewohnter Umfang geboten, der sich diesmal jedoch erfreulicherweise länger als üblich gestaltet. Mit über 13 Stunden erwartet euch in der Story-Kampagne damit also auch das bisher längste Uncharted. Und was für eins! Bevor es jedoch wieder richtig kracht und Nathan einen Spruch nach dem anderen vom Stapel lässt, lernen wir ihn als häuslichen Typ kennen, der nun mit Elena liiert ist, beruflich in der Rolle eines Bergungstauchers aufzugehen scheint und gerne auch mal den Papierkram im Büro erledigt. What?!
Die Mischung aus Abenteuer, Action, Schleichen und Plattformer ist überaus gut gelungen. Das Pacing ist sehr ausgewogen, vor allem, weil uns diesmal weitläufigere Areale und mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Wie auch im letzten Abenteuer von Lara Croft können wir die verschiedenen Abschnitte mit treffsicherer Waffengewalt oder heimlich still und leise angehen. Vielerorts lassen sich auch unterschiedliche Wege zu unserem nächsten Ziel einschlagen, ohne einem vorgefertigten Schlauchlevel-Pfad zu folgen. Einfach mal "stundenlang" mit unserem Jeep durch die wunderschöne Prärie in Madagaskar cruisen und die Landschaft genießen? Auf dem Markt einen Apfel kaufen und Lemuren kraulen? Im Indischen Ozean den Running-Gag "Marco Polo" abfeiern oder mit Delfinen spielen? Kein Problem.
Abseits der Action und farbenfrohen Kulissen bietet Uncharted natürlich auch wieder sammelbare Schätzchen, versteckte Geheimnisse sowie amüsante Anspielungen und Überraschungen. Zum Beispiel die Controller-Panne bei der ersten E3 Live-Präsentation. Man nimmt es mit Humor und widmet der Szene sogar ihre eigene "30 Sekunden Schockstarre" Trophäe. Neu ist die Möglichkeit zusätzlicher Dialoge mit Charakteren. Diese werden über bestimmte Handlungen oder an speziellen Punkten ausgelöst und bergen gelegentlich interessante Informationen oder auch gerne mal ein spaßiges Gespräch. Ebenfalls neu sind auswählbare Dialogoptionen in Zwischensequenzen. Bis auf eine sehr schöne Szene in Kings Bay wirkt dieses – zum Glück recht selten genutzte - Feature auf mich jedoch eher unnötig und deplatziert.
Unser Klettergott Nathan kraxelt natürlich auch im vierten Teil der Serie wieder leidenschaftlich an den unmöglichsten Orten und Stellen umher. Diesmal darf er dafür sogar ein Seil und einen Kletterhaken einsetzen, wodurch sich nicht nur mehr Möglichkeiten ergeben, sondern auch waghalsigere Manöver und beeindruckende Abgänge. Auch bleihaltige Auseinandersetzungen sind Nathan nicht fremd, daher steht uns erneut ein umfangreiches Waffenarsenal zur Verfügung. Pfeil und Bogen haben es zwar auch diesmal nicht ins Spiel geschafft, bei der gebotenen Auswahl dürfte aber erneut für jeden das richtige dabei sein. Die Gegnervielfalt ist verhältnismäßig überschaubar und auch wenn sich die KI-Schergen ganz gut anstellen, uns flankieren und aus der Deckung locken, bleiben sie am Ende die Verlierer. Der Schwierigkeitsgrad ist in fünf Stufen skalierbar und mit einer optionalen, komfortablen Zielhilfe haben auch in Shootern eher ungeübte Spieler ihren Spaß. Im Kampf gegen unsere Widersacher ist uns zwar jedes Mittel recht, doch dieses Mal dürfen wir an vielen Orten auch unsere Schleichkünste unter Beweis stellen und ohne großes Aufsehen voranschreiten. Sam Fisher wäre stolz auf uns.
Dass uns der Piratenschatz nicht auf einem Silbertablett serviert wird, dürfte klar sein und der Seeräuber Henry Avery gehörte zur besonders kreativen Sorte, wenn es um Fallen und Rätsel ging. Für geübte Schatzjäger wie uns dürfte jedoch keines davon wirklich Kopfzerbrechen bereiten. Interessant und abwechslungsreich sind diese jedoch allemal. Wer sich an dieser Stelle die Frage stellt, ob uns gegen Ende womöglich mysteriöse Zombies oder sonstige übermenschlichen Gestalten erwarten. Dem darf ich folgendes verraten: Lasst euch überraschen.
Starke Charaktere in einer packenden Geschichte
Uncharted hat schon immer viel fürs Auge geboten, aber vor allem die Charaktere und das Zusammenspiel mit selbigen machen für mich einen großen Reiz und den Spaß aus. Während sich die selbstgesprächige Grabräuberin immerzu allein in ihren Überlebenskampf stürzt, hat Nathan Drake stets jemanden an seiner Seite. Dadurch wird eine viel intensivere, tiefere Bindung zu diesen Figuren aufgebaut und lässt sie einen damit regelrecht ans Herz wachsen. Ob Victor "Sully" Sullivan, Nates Frau Elena, sein Bruder Sam oder auch die Bösewichte aus dem jüngsten Teil, Nadine Ross und Rafe Adler, alle bleiben einem unweigerlich im Gedächtnis. Selbst der spanische Gefängniswärter Vargas. Und wer könnte je Tenzin aus Nepal oder Chloe vergessen?
Auch diesmal bleibt keine der Figuren blass oder uninteressant. Wie immer sind die Charaktere mit erstklassigen Sprechern besetzt und lassen diese noch authentischer und glaubwürdiger wirken. Im englischen Original wird Nathan Drake erneut von Nolan North gesprochen, dessen Bruder Samuel erhielt mit Troy Baker (Joel, The Last of Us) einen starken Partner an seine Seite.
Die Entscheidung, die zahlreichen Zwischensequenzen des Spiels diesmal nahtlos mit der Ingame-Engine zu präsentieren, war eine sehr gute. Ohne Unterbrechung oder lästige Ladepausen erlebt ihr die komplette Geschichte wie aus einem Guss und werdet dadurch noch tiefer in das Abenteuer gerissen. Die cineastische Inszenierung spielt erneut auf einem ganz eigenen Level und wir werden bei diesem atmosphärischen Schauspiel nicht nur zum Zuschauen verbannt, sondern sind mittendrin.
Ein atemberaubendes Erlebnis
Beeindruckende Schauplätze, großartige Wow-Momente und eine spannende Rahmenhandlung bescherte uns Uncharted spätestens und insbesondere im zweiten Serienkapitel Among Thieves. So wunderschön wie im jüngsten Teil sah Uncharted und wohl auch kein anderes Spiel zuvor auf einer PlayStation 4 und darüber hinaus aus. Die Momente, als ich als Bergungstaucher sprichwörtlich in eine neue Welt abtauche, meinen Blick in Madagaskar über den Horizont wandern lasse oder mir das wundervolle Grün in Kings Bay die Kinnlade herunterfallen lässt, sind nur einige Beispiele. Seit der ersten PlayStation kitzeln die Kalifornier alles aus der jeweiligen Sony-Konsolen-Generation und übertreffen sich dabei stets selbst. Zweifelsfrei ist ihnen hier erneut ein technisches Meisterwerk gelungen, das seinesgleichen sucht.
Zahlreiche Postkartenmotive, die ihr dank des integrierten Fotomodus auch noch spektakulärer in Szene setzen könnt, warten darauf, von euch bestaunt zu werden. Unglaublich detaillierte Charakter-Modelle und Umgebungen, super-knackige Texturen, wohin das Auge schaut. Um nicht in eine Aufzählung von nerdigen Technik-Fachbegriffen abzudriften, darf ich an dieser Stelle auf ein Video von Digital Foundry verweisen, die vieles nochmals eindrucksvoll veranschaulichen. Bei all den Leckerbissen fürs Auge hätte ich mir allerdings auch eine ordentliche Tonspur der deutschen Version gewünscht. Viel zu oft sind hier verschiedene Gespräche zu leise abgemischt und gehen entweder im bombastischen Feuerwerk der Umgebung verloren oder werden zu stark durch meine Position im Spiel beeinflusst. Das hat mich an vielen Stellen regelrecht geärgert.
Doch schlussendlich kann dies am Ende meines Abenteuers nicht meinen äußerst positiven Gesamteindruck trüben. Dafür habe ich zu viele großartige Momente erlebt, nicht unbedingt im monumentalen Format wie die berühmte und oft zitierte "Zugszene" aus dem zweiten Teil, dafür aber in einer fast schon unscheinbaren und selbstverständlich wirkenden Häufigkeit. Ob Italien, Schottland, Madagaskar oder Kings Bay – überall werde ich von tollen Kulissen empfangen, gleichermaßen von der Atmosphäre und dem Detailreichtum gepackt und darf die Geheimnisse und den Zauber der Entwickler bestaunen, ein letztes Mal all das erleben, was die Serie ausmacht, und erhalte darüber hinaus mehr Freiheiten und neue Facetten präsentiert.
Wenn es so etwas wie einen würdigen Abschluss für eine herausragende Serie gibt, dann hat Uncharted 4: A Thief’s End genau dies erreicht. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sage ich dem alten Haudegen Nathan Drake und all seinen Freunden und Widersachern Lebewohl. Schade, dass es vorbei ist, aber auch schön zu sehen, dass er gewissermaßen zur verdienten Ruhe kommt. Bekanntlich soll man aufhören, wenn es am schönsten ist.
Fazit von Darius:
Die PlayStation-Zauberer von Naughty Dog haben es wieder einmal geschafft. Mit Uncharted 4: A Thief's End beweisen sie abermals, dass ihr Motto „Niemals stehenbleiben, immer neue Herausforderungen suchen“ und der damit verbundene Ehrgeiz und Anspruch wahre Wunder vollbringen können. Das Warten hat sich gelohnt. Der Abschluss der Uncharted-Reihe und das letzte große Abenteuer rund um Nathan Drake sind nicht nur technisch ein Meisterwerk geworden, auch erzählerisch wird hier ganz großes Kino geboten. Atemberaubende Kulissen, beeindruckend detailreiche Schauplätze, gewohnt großartige und glaubhafte Charakter sowie eine spannende Piratenschatz-Story werden euch rund 14 Stunden vor den Bildschirm fesseln. Dank weitläufigerer Gebiete und mehr Freiheiten beim Gameplay erhält man mehr spielerische Möglichkeiten als bisher. Zudem beinhaltet die Story von Autor Neil Druckmann, der unter anderem auch das Drehbuch zu The Last of Us verfasst hat, erfrischend neue, nachdenkliche und emotionale Momente, die Uncharted zum Abschluss nochmal um einige Facetten bereichern.
Besser kann man eine der beliebtesten Videospiele-Serien wohl nicht abschließen. Naughty Dog ziehen alle Register und präsentieren euch mit Uncharted 4: A Thief's End den besten Teil der Serie. Packend, spannend, umfangreich und wunderschön. Farewell, Nathan Drake. Danke Naughty Dog.
- umwerfend schöne Grafik
- großartige Kulissen
- abwechslungsreiche Schauplätze
- Story & Inszenierung
- glaubhafte Charaktere
- ausgewogener Gameplay-Mix
- neue, spielerische Freiheiten
- beeindruckende Technik & Fotomodus
- Spielzeit (ca. 14 Stunden)
- Multiplayer mit Langzeit-Support als Bonus
- dt. Soundabmischung stellenweise mies
Darius hat Uncharted 4: A Thief's End auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Sony Computer Entertainment zur Verfügung gestellt.
#1 | 17. Mai 2016 um 10:24 Uhr
#2 | 18. Mai 2016 um 19:57 Uhr
#3 | 23. Mai 2016 um 16:38 Uhr
#4 | 18. Juni 2016 um 23:54 Uhr
#5 | 25. Juli 2017 um 18:25 Uhr
Gegen Ende waren es vielleicht wieder mal etwas zu viele Gegner (davor aber immerhin zu keinem Zeitpunkt), Stealth fand ich etwas unspektakulär und den Anfang des Spiels nicht ganz so stark, aber insgesamt würde ich das hier als das beste Uncharted bisher bezeichnen. Nach Lost Legacy darf dann aber gerne Schluss sein, viel besser geht es sowieso nicht mehr.