Shadow Warrior 2 - Review

Who wants some Wang? Dreieinhalb Jahre nach seinem großen und großartigen Comeback legen Flying Wild Hog und Lo Wang mit Shadow Warrior 2 nach. Und es hat sich einiges geändert: Aus dem linearen Levelaufbau wird eine Hub-Struktur, die Zahl an Waffen hat sich mehr als verfünffacht, Umgebungen werden prozedural generiert und überall liegt Loot herum. Wang kann sich sogar Coop-Unterstützung von bis zu drei Kollegen holen. Nun klingt ein rasant schneller Loot-Shooter mit abgefuckten Wummen, rasiermesserscharfen Plasma-Katanas und Online-Coop-Option nicht nach schlechter Unterhaltung. Im Gegenteil! Trotzdem hat mich Shadow Warrior 2 etwas enttäuscht.

Aber fangen wir doch einmal mit dem Positiven an: Shadow Warrior 2 ist für mich rein spielerisch der wohl beste First-Person-Shooter, den ich bislang erlebt habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann sich Baller- und Schnetzelaction aus der Ego-Perspektive jemals so gut, so befriedigend angefühlt haben - höchstens noch im ersten Shadow Warrior. Aber auch das zieht im Vergleich zu seinem Nachfolger den Kürzeren, denn der ist nochmals schneller, schnörkelloser und spektakulärer.

Tausende von Gegnern habe ich in diesen knapp 20 Stunden zerschossen, zerschnitten, zersägt, zerrissen, zerbombt, verbrannt und anderweitig in ihre Einzelteile aufgelöst, und kein einziger Kampf davon war langweilig. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter über 50 einzigartige und maximal tödliche Waffen, diverse Superkräfte und ein motivierendes Upgrade-System - zu allem davon später mehr. Aber trotz dieser dicken Komplimente und dem seltenen Superlativ bin ich ein wenig enttäuscht. Denn so toll das Gameplay auch ist - das Drumherum ist es nicht unbedingt. Zumindest nicht dann, wenn man, wie ich, ein ähnliches Spiel wie das erste Shadow Warrior erwartet hat. Denn das ist es nicht.


Shadow Warrior 2
Einer von Lo Wangs Lieblingssprüchen: "You know what's funny? You're full of holes."


Hier könnte ein "Dick Joke" stehen



Der radikale Bruch im Spieldesign kommt nicht von ungefähr: War das erste Shadow Warrior von Flying Wild Hog noch eine Neuauflage des 3D-Realms-Klassikers von 1997, steht die Fortsetzung nun auf eigenen Beinen. Kurz: Dieses Mal konnten die polnischen Entwickler ihre eigene Vision umsetzen. Und die ist eben kein linearer Schlauch-Shooter mehr, sondern kombiniert das beibehaltene "Old-School"-Gameplay mit einem Levelhub, Nebenmissionen und Erfahrungs- bzw. Item-Grinding. Dabei rückt leider auch die Story relativ stark in den Hintergrund.

Moment. Story? Ja, denn auch wenn das erste Shadow Warrior schon keinen Oscar für das beste Drehbuch verdient hatte, so war zumindest ein guter roter Faden erkennbar, der das Spiel stets vorangetrieben hat. Dieser rote Faden fehlt dem Nachfolger: Inmitten all der optionalen (und dadurch eigentlich schon zentralen) Nebenmissionen geht die Mainquest fast schon unter, zumal die Geschichte fast ausschließlich durch Dialoge erzählt wird. Grundsätzlich geht es jedenfalls dort weiter, wo der erste Teil aufgehört hat, und Lo Wang startet in ein neues Abenteuer durch, um die Welt zu retten. Durch ein missglücktes Experiment landet die Seele von Kamiko, Tochter des Yakuza-Bosses, in Wangs Kopf und sie übernimmt damit quasi die Sidekick-Rolle von Hoji. Um Kamiko zurück in ihren ursprünglichen Körper zu verpflanzen, muss dieser aber erstmal gefunden werden. Und in einer Welt zwischen japanischen Pagoden, Dämonen-Monstrositäten, Yakuza-Clans und futuristischem Cyberpunk verwundert es wenig, wenn Kamikos Körper zu einer Bestie mutiert, die Beine in die Hand nimmt und verduftet.

Die Rückholmission ähnelt dann eher einer Schnitzeljagd, bei der Wang und seine schnippische Begleitung verschiedene Auftraggeber abklappern und stets dem nächsten Hinweis folgen, bis das Ziel irgendwann in Sicht ist. Der Weg ist natürlich mit dunkelroten Blutlachen und Tausenden abgetrennten Körperteilen gepflastert - ganz so, wie es sich für ein Shadow Warrior eben gehört. Geredet wird deshalb freilich auch nur dann, wenn es unbedingt sein muss, denn im Zweifelsfall lässt Lo Wang lieber das Katana sprechen. Oder die Plasma-Ripper. Oder die Skelett-Shotgun, die Gegner in Hasen verwandeln kann. Oder doch lieber das blau funkelnde Cyber-Kettensägenschwert? Endlich kommen wir zum spannenden Part dieser Review!


Shadow Warrior 2Shadow Warrior 2
Zwei der gewöhnlicheren Waffen: links eine Kettensäge, rechts die rasiermesserscharfen Ripper.


"Today is a good day to die. For you."



Das Arsenal in Shadow Warrior 2 ist irrsinnig groß und gleichzeitig irrsinnig abgedreht, das Kettensägenschwert ist dabei lediglich die Spitze des Eisberges und nur eine der insgesamt über 50 Waffen, mit denen man die Dämonenhorden und Yakuza-Gangster zerlegen kann. Flying Wild Hog wissen ganz genau, wieso ich und viele andere den ersten Teil so gerne gespielt haben, und machen deshalb auch genau dort weiter. Anders als aber zum Beispiel in Borderlands sind die Waffen hier wirklich unterschiedlich. Zwar bleibt ein Revolver immer noch ein Revolver, aber im Kampf macht es eine große Differenz, ob man für "Weak-Spot-Kills" um 25% schneller unterwegs ist oder ob die Nachladezeit kurzzeitig auf Null reduziert wird. Auch Handling, Munitionsgröße und der generelle "BOOM!"-Effekt variieren spürbar.

Neu ist, dass man Waffen nicht gewöhnlich upgraden, sondern mit bis zu drei Edelsteinen bestücken kann. Diese Juwelen sind es auch, die das Waffensystem nochmals interessanter machen: Man kann mit ihnen nicht nur 08/15-Stats wie Schaden, Munitionskapazität oder Projektilgröße anpassen, sondern die vier Elementareffekte Eis, Feuer, Gift und Elektrizität hinzufügen - eine Schrotflinte, deren explosive Munition Giftwolken ausstößt, ist gleich zehn Mal cooler als eine mit gängigem Wald- und Wiesenschrot. Aber es geht nicht nur um die Elemente: Mit besonderen Steinen kann man die Tötungswerkzeuge gar komplett verwandeln. So feuert ein Sturmgewehr vier Kugeln auf einmal oder man kann Granatwerfer als Geschütztürme abstellen. Damit zu experimentieren, macht richtig viel Laune, auch wenn das Modifizieren und Verwalten der Edelsteine im Inventar etwas zu umständlich ausfällt. Immerhin kann man sich dank eines Loot-Überschusses zu keiner Zeit über mangelndes Material beklagen und die Vielfalt an Schießprügeln, Klingen und Knüppeln nimmt weiter zu.

Besonders die Nahkampfwaffen machen verdammt viel Spaß: Da gibt es ein gewöhnliches Katana, zwei Shuriken-ähnliche "Ripper", große Schwerter und Säbel, diverse Kettensägen, Klauen und Pranken, zwei Katanas auf einmal - ihr wisst Bescheid. Und das Schönste daran ist, dass man zum Waffenwechsel nicht in ein doofes Menü umklicken muss, sondern per Schultertaste flink aus einem Rad auswählen oder per B- bzw. Y-Taste auch direkt zu den vorherigen Todbringern zurückspringen kann. So gewinnen die sowieso schon rasanten Kämpfe noch mehr Dynamik und Geschwindigkeit. Apropos: Ich selbst greife traditionell zum Controller - mit Maus und Tastatur dürfte das Tempo noch eine Stufe anwachsen.


Shadow Warrior 2
Schwer zu glauben, aber wahr: "You are not the ugliest thing I killed today."


High-Speed-Shooter-Action - fast wie früher



Und der Flow, der sich beim Spielen einstellt, ist fast unvergleichbar (am ehesten dran dürfte aktuell noch DOOM sein, das ich allerdings noch nicht gespielt habe), vor allem aber unwiderstehlich. Man sprintet, schlittert, "dasht" oder springt von Gegner zu Gegner, schaltet in Millisekunden zwischen Waffen hin und her und zerteilt alles mit einer Agilität, dass selbst Raiden aus Metal Gear Rising: Revengeance neidisch werden könnte. Desto länger man spielt, umso besser wird man und umso stärker und schneller wird auch Lo Wang: Über Level-Upgrades und Waffen-Boni ist die reine Bewegungsgeschwindigkeit bei mir innerhalb weniger Stunden auf bis zu 150% angewachsen - und schon der Basiswert kann sich wahrlich sehen lassen. Vom Raketenwerfer zum Katana und zurück zu wechseln dauert wenige Sekunden, Angriffe inklusive. Vor allem der Nahkampf hat es in sich: Neben gewöhnlichen Hieben gibt es aufladbare Stech- und Wirbelattacken, mit Magie ("Chi") kann man gar Spezialfertigkeiten wie kurze Unsichtbarkeit oder aus dem Boden heraufschießende Stacheln triggern. "Meat Pinatas" nennt Lo Wang die aufgespießten Opfer, bevor sie, natürlich, standesgemäß zerplatzen.

Nun klingt das nach einer abartigen Glorifizierung von Gewalt. Aber hier ist das ein Stilmittel, fast schon parodistisch angehaucht, während es beim eigentlichen Spielen vielmehr um schnelle Reflexe und Reaktionen und das Meistern der Möglichkeiten geht - Shadow Warrior ist in diesem Sinne in bester Art und Weise "oldschool". Ernst nimmt es sich ohnehin nicht: Wang haut einen Genitalwitz nach dem anderen raus, getötete Gegner hinterlassen Glückskekse mit kuriosen Weisheiten ("A Wang in the hand is worth two in the bush") und nach einer bestimmten Anzahl vernichteter Häschen erscheint ein übermächtiger und rasender Bunnylord. Noch Fragen? Der Humor ist sicherlich nicht jedermanns Sache, passt aber zum Spiel wie das Kettensägenblatt zum Schwertgriff, und ich musste sehr oft auflachen oder zumindest grinsen.

Ihr werdet es schon bemerkt haben: Eigentlich finde ich dieses Shadow Warrior 2 super. Nicht umsonst habe ich es schon im Teaser als die beste First-Person-Action bezeichnet, die ich bislang in Videospielen erlebt habe - vor allem das Zusammenspiel aus Nah- und Fernkampf war nie zuvor so gut. Was also ist der Grund dafür, dass ich dennoch ein wenig enttäuscht bin? Streng genommen gibt es dafür eine Reihe an Gründen, die allerdings alle irgendwie zusammenhängen und zwar mit der Richtungsänderung des Spieldesigns weg von Linearität.


Shadow Warrior 2Shadow Warrior 2
"Hey, you lost something! Oh ... it was your dignity" - oder: "Oh ... it was your blood."


Keine Macht dem Zufall



Ich bin kein Freund prozedural generierter Levels. Ich mag es nicht, wenn sich Umgebungen und Strukturen ähneln; das mag in einem Spelunky oder speziell in Roguelikes funktionieren, aber nicht in einem First-Person-Shooter, hinter dem keine Wiederholungsschleifen, sondern klar voneinander getrennte Missionen stehen. So dauerte es keine fünf Stunden, bis sich die ersten Kulissen wiederholten und schon sehr bald konnte ich fast erahnen, an welcher Stelle in den zufallsgenerierten Levels ich jeweils den geheimen Zwischenboss finde - bei knapp 20 Stunden Spielzeit fällt das Recycling dann doch arg negativ ins Gewicht. Zumal die Szenarien technisch und stilistisch zwar toll aussehen, aber kaum markante Alleinstellungsmerkmale besitzen. Das ist vor allem für das neue Cyberpunk-Setting tragisch, das anfangs mit seinen Blautönen und Neonreklamen noch neugierig macht, sich aber von Mission zu Mission kein bisschen weiterentwickelt. Diesen Zufallsgenerator hätte es einfach nicht gebraucht und für ein mögliches Shadow Warrior 3, das übrigens mit dem Ende bereits angedeutet wird, wünsche ich mir wieder originellere und selbst gebaute Levels - dann gerne auch mit weniger Truhen.

Damit einher geht indes auch ein generell eher gleichförmiger Spielverlauf, dem es bis auf die letzten beiden Missionen einfach an inszenatorischen und erzählerischen Höhepunkten mangelt. Selbst Bosskämpfe sind wahnsinnig selten, obwohl das Spiel das perfekte Fundament für spektakuläre Duelle mit riesigen Bestien darstellt. Erst gegen Ende zeigt Shadow Warrior 2, was alles möglich gewesen wäre, nur um danach viel zu abrupt zu den Credits umzuschalten. So sind es eben das fantastische Kampfsystem, die unermüdlichen Dämonenhorden, das Looten und Leveln und der Humor, die das Spiel stemmen müssen. Dass sie das fast schon mit Leichtigkeit schaffen, ist eine enorme Leistung! Schöner wäre es aber, wenn das Drumherum ähnlich begeistern könnte - auch mehr situativer Dialog zwischen Wang und Kamiko hätte nicht geschadet. Es sind kleine Details, die große Wirkung gehabt hätten.

Und was ist mit dem groß angepriesenen Coop? Der macht selbstverständlich Spaß, fügt dem Erlebnis aber nicht so viel hinzu, wie man zunächst annehmen möchte. Er nimmt sogar eher etwas weg, denn da die Gegnerstärke mit der Spielerzahl skaliert, halten auch die Massen an Standardgegnern mehr aus - und ohne die Blutfontänen und im Sekundentakt vorbeifliegenden Körperteile und Fleischstücke geht ein Stück der Faszination Shadow Warrior verloren. Nicht nur deshalb habe ich das Abenteuer lieber im Singleplayer-Modus bestritten. Den sollte man übrigens direkt auf "Schwer" bzw. "Who wants some Wang?" starten; auf der normalen Stufe ist man gegen Ende hoffnungslos overpowered und mäht selbst die Bosse problemlos nieder.



Tim

Fazit von Tim:

Das Level- und Lootdesign per Zufallsgenerator mag effizienter, bequemer und unter dem Strich auch absolut in Ordnung sein - ich bevorzuge es dennoch, wenn Inhalte aufwendig selbstgemacht sind. Vor allem am Beispiel von Shadow Warrior 2 zeigt sich, wieso prozedurales Generieren von Content einfach nicht für jedes Genre und jede Art von Spiel geeignet ist. Zu schnell wiederholen sich Kulissen und Strukturen, zu viel ausgeschütteter Loot ist Müll und auch Erzählung und Inszenierung rücken etwas in den Hintergrund. Das Annähern an Borderlands und Diablo steht Shadow Warrior durchaus nicht schlecht - aber dem Zufall zu viel Macht einzuräumen, hat eben auch seine negativen Seiten. Deshalb bin ich auch ein wenig von diesem Spiel enttäuscht, auf das ich mich seit seiner Ankündigung riesig gefreut habe. Aber davon sollte man sich dieses ansonsten ganz hervorragende Action-Spektakel nicht vermiesen lassen, denn Shadow Warrior 2 hat so verdammt viele schöne Seiten, dass der Spielspaß nur ganz selten wirklich beeinträchtigt wird.

Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Ich habe nie zuvor einen derart guten First-Person-Shooter gespielt - rein mechanisch sind die blutigen Gemetzel zwischen Lo Wang und den Dämonen- und Yakuza-Horden nicht weniger als das Beste, was man derzeit im Genre finden kann. Flying Wild Hog sollten auf dieser Basis unbedingt weiterentwickeln! Etwas weniger Zufall, mehr Bosse und ein stärkerer roter Faden: Shadow Warrior 3 wäre ein Traum für jeden Action-Fan. Und nach Shadow Warrior 2 sind diese Träume greifbar.

Flying Wild Hog präsentieren mit die schnellste und spaßigste First-Person-Action dieser Generation, lassen aber inszenatorisch und erzählerisch Chancen liegen.

Besonders gut finde ich ...
  • schnelle Shooter-Schnetzel-Action vom Feinsten
  • etliche abgedrehte Nah- und Fernkampfwaffen
  • individuelles Aufrüsten/Anpassen aller Waffen
  • coole Superkräfte, darunter die Unsichtbarkeit
  • sehr schöne Grafik und dauerhaft über 60 FPS
  • visuell äußerst gelungenes Sci-Fi-City-Design
  • Lo-Wang-Humor, Glückskekse und Hasenlords
  • im Coop-Modus mit bis zu drei Freunden spielbar
Nicht so optimal ...
  • zu wenig situativer Dialog von Wang und Kamiko
  • zufallsgenerierte Levels ähneln sich schon früh
  • Loot wird in Massen statt Maßen ausgeschüttet
  • umständliches Upgraden der Ausrüstung dauert

Tim hat Shadow Warrior 2 auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Devolver Digital zur Verfügung gestellt.

Shadow Warrior 2 - Boxart
  •  
  • Entwickler:Flying Wild Hog
  • Publisher:Devolver Digital
  • Genre:Action
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One
  • Release:13.10.2016
    (PS4, Xbox One) 19.05.2017