Shadow Tactics: Blades of the Shogun - Review

Nach so langer Zeit endlich wieder in den Schatten zu schleichen, Sichtkegeln auszuweichen, Feinde abzulenken, sie heimlich zu töten, die Leichen zu verstecken und die kleine Spezialisten-Heldengruppe vorsichtig und vorausschauend durch ihre Mission zu führen - das fühlt sich einfach großartig an! Shadow Tactics: Blades of the Shogun vom deutschen Entwickler Mimimi Productions bringt das tot geglaubte Genre der Echtzeit-Taktik zurück - natürlich inklusive Schnellspeichern und -laden. Ich habe mich mit Hayato, Mugen, Takuma, Aiko und Yuki durch das feudale Japan gemeuchelt.

Wer hätte das gedacht: Knapp 13 Jahre nach dem letzten starken Genre-Jahr - damals gab es immerhin noch Commandos 3: Destination Berlin und Chicago 1930 - ist die Echtzeit-Taktik wieder da. Gemeint ist eine Art von Spiel, die mit dem Aufkommen der dritten Dimension quasi vollständig ausstarb: In klassischer Vogelperspektive musste man eine kleine Gruppe durch ein großes feindliches Gebiet navigieren, die Feinde dabei heimlich ausschalten und diverse Missionen erfüllen. Zwar war ich für diese "goldene Ära" des Genres noch zu jung, habe aber in den Jahren darauf bestimmt an die hundert Stunden mit Desperados: Wanted Dead or Alive und Robin Hood: Die Legende von Sherwood verbracht - damit waren die beiden übrigens unter den ersten anspruchsvolleren Videospielen, die ich gespielt habe. Später habe ich mich noch an Chicago 1930, Desperados 2 und Helldorado versucht, aber ersteres wollte mich nicht fesseln und die anderen beiden litten unter zwanghaft eingebauten 3D-Elementen.

Als ich das erste Mal Shadow Tactics: Blades of the Shogun sah, war ich natürlich sofort hin und weg, und die Live-Präsentation inklusive Anspielen auf der gamescom haben diese Vorfreude nur weiter befeuert. Mittlerweile ist das Spiel auf meinem PC installiert. Und es fühlt sich fast wie früher an, wenn man mit der Gruppe um Samurai Mugen unterwegs ist.


Shadow Tactics: Blades of the Shogun
Das Anwesen ist voller Gegner. Doch von oben behält man aus sicherer Distanz die Übersicht ...


Kombinationsgabe und Vorausplanen sind der Schlüssel zum Erfolg



Mugen, dank seiner schweren Rüstung und zweier scharfer Katanas ein mächtiger Nahkämpfer, führt das Team im Auftrag des Shoguns an, um einer Verschwörung durch den mysteriösen Kage-sama auf die Schliche zu kommen. Das klingt allerdings aufregender als es erzählt wird: Wegen der Geschichte braucht und sollte man dieses Shadow Tactics nicht spielen. Zwar sind alle fünf spielbaren Hauptcharaktere ganz sympathisch und die Dialoge zwischen ihnen nett geschrieben, aber narrative Spannung kommt erst ziemlich spät halbwegs auf. Schlimm ist das trotzdem nicht, denn als "Vehikel" für die verschiedenen Missionen reicht es allemal und ohnehin stehen hier weniger das Sprechen als vielmehr das Schweigen und Handeln im Fokus.

In dreizehn Kapiteln muss man sich stets durch feindliches Territorium bewegen und dabei gekonnt die vielfältigen Fertigkeiten der Gruppenmitglieder einsetzen - oder diese gar kombinieren, was vor allem in den späteren Missionen elementar wird. Hayato kann als Ninja der Gruppe einen Shuriken werfen oder Gegner mit Steinen ablenken, Yuki eine tödliche Falle platzieren und pfeifen, während Mugen als mächtiger Samurai insbesondere für den Kampf gegen viele Gegner und Takuma mit seinem Scharfschützengewehr eher für den Kopfschuss aus der Distanz zuständig ist. Komplettiert wird das Quintett durch Aiko, die sich - sofern sie eine Verkleidung besitzt - in Schale werfen und Gegner dann als Zivilistin bezirzen kann.

Mit jeweils nur zweieinhalb individuellen Fertigkeiten ist das Repertoire allerdings deutlich geringer als etwa in einem Desperados, in dem John Cooper, Doc McCoy und ihre Kumpanen jeweils fünf davon beherrschten. Das wird in Shadow Tactics zwar durch eine stärkere vertikale Ebene etwas kompensiert: Hayato, Aiko und Yuki können Gegner von oben herab erdolchen, auf schmalen Seilen und Stegen laufen und sich mit Greifhaken an Dächern hinaufziehen, von wo sie schlechter erkannt werden können - siehe auch obigen Screenshot. Zusätzlich kann man hier immer wieder mal mit der Umgebung interagieren, zum Beispiel spitz zulaufende Eiszapfen von Dächern auf Gegner stoßen, schwere Felsen auf sie werfen oder einen Ochsen provozieren, damit er nach hinten austritt und dabei im Optimalfall einen Feind erledigt. Die Komplexität der früheren Spellbound-Klassiker erreicht Shadow Tactics aber nicht. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass es deshalb weit weniger Spaß machen würde.


Shadow Tactics: Blades of the ShogunShadow Tactics: Blades of the Shogun
Keine Mission gleicht der anderen und jede bringt irgendeinen einzigartigen Twist mit sich.


Jede Mission erfordert eine eigene Herangehensweise



Fast wie früher schleicht man sich an Wachen vorbei, lockt sie in einen Hinterhalt und schaltet sie dort im Geheimen aus, möglichst ohne dabei entdeckt zu werden. Für jede Gegnergruppe und -konstellation gibt es mindestens eine geeignete Lösung und gerade das Experimentieren und Vorausplanen sind es, was das Genre so spannend macht. Besonders cool ist heute wie damals das Festlegen und simultane Ausführen mehrerer Aktionen auf einmal - das lohnt sich zum Beispiel dann, wenn man mit drei Charakteren ein Trio an Wachen erledigen möchte, ohne Aufsehen zu erregen. Obwohl die Steuerung per Maus und Tastatur erwartungsgemäß rund läuft, fühlt sich der "Shadow Mode" aber etwas hakelig an, und manchmal scheiterte mein eigentlich perfekt ausgeklügelter Plan daran, dass einer meiner drei Helden lieber an das Opfer heranschlich anstatt hinzueilen - das lässt sich im Vorfeld zu schlecht abschätzen.

Jede Mission zeichnet sich durch eines oder mehrere einzigartige Merkmale, Ziele und Rahmenbedingungen aus und im Laufe der etwa 25-stündigen Kampagne erkundet man allerlei verschiedene Szenarien. In einem Kapitel etwa musste ich mich durch ein schneebedecktes Dorf hindurchschleichen, wobei jeder Schritt Fußspuren im Schnee hinterließ, die von Feinden gesehen und untersucht wurden. Ein anderes Mal fand das Geschehen bei Nacht statt, sodass überall Feuer brannten und die Rebellen Fackeln mit sich umhertrugen, deren Schein die Umgebung hell ausleuchtete. Und Vorsicht auch vor Zivilisten: Diese greifen zwar nicht aktiv in den Kampf ein, alarmieren aber bei Sichtkontakt nahe Wachen. Zwar könnte man sie in den meisten Fällen auch töten - aber unschuldige Opfer wollte ich persönlich immer vermeiden.

Leider hilft die Option, Figuren bewusstlos zu schlagen anstatt sie umzulegen, nicht so viel wie erhofft, da man sie nicht fesseln kann - das hat mir gefehlt. Generell fand ich vor allem die Missionen am stärksten, in denen die Bedingungen eher "dynamisch" waren: Desto mehr sich Gegner bewegten, desto mehr unterwegs waren und je schwieriger die Gesamtsituation zu durchschauen war, umso taktisch anspruchsvoller und gleichsam interessanter war es.


Shadow Tactics: Blades of the Shogun
Sichtkegel lassen sich jeweils für einen Gegner anzeigen und sollten tunlichst nicht gekreuzt werden.


Speichern, Laden, Meucheln, Speichern



Kein Kapitel fühlte sich an wie das andere, zumal man auch nicht immer alle Charaktere zur Verfügung hat und manchmal auch mehrere Möglichkeiten besitzt, das Ziel zu erreichen. Einmal konnte ich etwa dazwischen wählen, den feindlichen Anführer mit vergiftetem Tee, dem Schwert oder aus sicherer Entfernung mit einer präzise platzierten Kugel zu töten. Je nachdem, welchen Weg man aussucht, ändert sich die gesamte Herangehensweise an die Mission. Das Grundprinzip bleibt aber freilich gleich: Mit einer Haudrauf-Attitüde kommt man hier nicht weit und egal, welchen Schwierigkeitsgrad man wählt, muss und sollte natürlich vorrangig heimlich agiert werden. Das kann manchmal natürlich auch in Trial & Error ausarten, was aber in diesem Fall absolut nichts Negatives ist, sondern einfach zum Genre dazugehört.

Deshalb kann man ganz wie früher bequem mit F5 schnellspeichern und mit F8 zum letzten Quicksave zurückspringen. Das ist bitter nötig und schaut auf dem Statistik-Bildschirm nach Missionsabschluss auch kurios aus, wenn man 150 Mal gepeichert und 60 Mal geladen hat. Zwar ist man nicht direkt bezwungen, sobald man einmal entdeckt wurde, aber ich habe es mir zum Ziel gesetzt, nicht einen einzigen Gesundheitsbalken im ganzen Spielverlauf zu verlieren - was dank Quicksaves und der niedrigeren Komplexität auch gut machbar ist.

Shadow Tactics ist bei Weitem nicht so schwer wie damals Desperados, Missionen wie "Die Mauern von Fortezza" (ich war stundenlang daran verzweifelt) oder "Zwischen allen Fronten" gibt es hier nicht, wobei das Wildwest-Abenteuer alleine schon deshalb eine harte Nuss gewesen war, weil man sich nicht an jeder Ecke sicher verstecken konnte - das ist hier zumeist anders und nimmt ein wenig das Gefühl, immer und überall in Gefahr zu sein.

In fast jedem Gebiet kann man sich in Büschen verschanzen und wird dann nur noch entdeckt, wenn man es drauf anlegt und die Gegner provoziert. Die KI selbst ist zwar nicht dumm, aber doch schnell durchschaut, was es für etwas erfahrenere Genre-Kenner relativ leicht macht. Außerdem trifft man zumeist auf die immergleichen drei Gegnertypen, die Mimimi zwar clever platzieren und einsetzen, welche sich aber in ihrem Verhalten über den Spielverlauf hinweg nicht verändern. Insofern rührt die meiste Herausforderung eher aus den zusätzlichen Badges, die man durch bestimmte Aktionen oder Verzichten auf solche freischalten kann - manchmal darf man etwa nicht schnellspeichern, keine Gegner töten oder sich als Aiko nicht verkleiden. Spätestens bei den Speedruns wird es richtig tricky und die letzte richtige Mission hat es selbstverständlich auch ziemlich in sich. Anfangs habe ich dort absolut kein Land gesehen.


Shadow Tactics: Blades of the ShogunShadow Tactics: Blades of the Shogun
Es ist wichtig, Gegner außer Sichtweite der anderen zu töten. Notfalls muss man sie anlocken ...


Von der Nagasendo Road bis hinauf auf den Mount Tsuru



Gelungen ist neben Gameplay und Missionsdesign auch die Präsentation. Die mit leichten Comic-Konturen umzogenen Charaktere und Objekte sehen gut aus und fügen sich nahtlos in die teils düsteren, teilweise bunten, insgesamt optisch sehr abwechslungsreichen Gebiete ein. Sollte man Objekte einmal nicht richtig erkennen können (und es sich ein bisschen einfacher machen wollen), kann man praktischerweise auch eine zusätzliche Highlight-Umrandung für dieselben aktivieren und jederzeit per Tastendruck wieder ausschalten. Shadow Tactics fängt aber erst ohne dieses Cheaten Highlighting die Atmosphäre der Edo-Ära so richtig ein, wenn Figuren und Objekte fast mit der Umgebung verschmelzen, Zivilisten auf dem Markt herumwuseln, das Wasser im Fluss plätschert und Blätter langsam durch das Bild gleiten.

Unterstützt wird die Stimmung durch einen tollen Soundtrack und eine wirklich gute englische und japanische Sprachausgabe. Eine deutsche Version mitsamt Untertiteln ist übrigens ebenfalls angedacht - alles andere wäre von einem Spiel aus Deutschland auch seltsam gewesen -, war in meiner Review-Fassung aber noch nicht enthalten und wird, wie die Entwickler versprechen, zur offiziellen Marktveröffentlichung nächste Woche geliefert.

Abschließend noch ein paar kurze Worte zur Steuerung: Obwohl die angekündigten Umsetzungen für die PlayStation 4 und Xbox One noch in der Mache sind und erst irgendwann im kommenden Frühjahr aufschlagen sollen, hat das Team München die eigens konzipierte und ambitionierte Controller-Steuerung auch schon in die PC-Version gepackt. Ich bin zwar bevorzugt mit Maus und Tastatur umhergeschlichen, als alternative Variante funktioniert das Ganze aber auch mit einem Xbox-Gamepad flüssig und intuitiv. Das gilt jedenfalls für die ersten Kapitel; ich kann mir aber gut vorstellen, dass es gegen Ende auch mit Übung recht schwierig wird. Der Haken ist, dass man Hayato, Yuki & Co. direkt steuert anstatt sie per Mausklick zu bestimmten Punkten zu schicken. So wird das Managen mehrerer einzelner Figuren auf einmal natürlich dezent unhandlich - das könnte später problematisch werden.



Tim

Fazit von Tim:

Auch wenn das Genre schon recht alt ist und ich mich in Shadow Tactics gleich wie zuhause fühlte, ist es alles andere als ein altmodisches Spiel. Eher umgekehrt, denn gerade nach dieser langen Dürre wirkt es herrlich erfrischend. Außerdem haben sich Mimimi viele Gedanken gemacht, wie man die Echtzeit-Taktik würdig in die Moderne hieven kann - und mit der vertikalen Ebene sowie Versteck- und Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung sinnvolle Elemente hinzugefügt. Das Abenteuer im feudalen Japan ist allerdings weniger komplex als es damals Robin Hood, Desperados & Co. von Spellbound waren, denn Hayato, Mugen und ihre Mitstreiter beherrschen jeweils nur zweieinhalb individuelle Fertigkeiten, während es in den Klassikern ganze fünf waren. Das soll aber nicht heißen, dass Shadow Tactics deshalb ein einfaches oder weniger spaßiges Spiel wäre, denn ich habe alle dreizehn Missionen absolut genossen (die letzte zwischendurch aber auch verflucht!) und keine davon war zu leicht. Insgesamt sind dafür von Kapitel 1 bis 13 übrigens satte 30 Stunden auf das Spielzeit-Konto gegangen - ein kurzes Vergnügen ist Shadow Tactics nicht, lasst euch von der geringen Missionszahl nicht irritieren.

Ich hatte mich schon seit der Ankündigung auf dieses Spiel gefreut und freue mich jetzt umso mehr, dass das Genre-Revival bis auf Kleinigkeiten auf ganzer Linie gelungen ist. Hoffentlich gibt es in den nächsten Jahren noch mehr davon - gerne auch in Form von DLCs.

Mimimi aus München haben die Echtzeit-Taktik würdig wiederbelebt und bis auf ein paar Kleinigkeiten prima an moderne Standards angepasst. Bitte mehr davon!

Besonders gut finde ich ...
  • sehr spannendes Schleichen und Taktieren
  • gleichermaßen klassisch wie auch modern
  • fünf komplett verschiedene Charaktere
  • jede Mission mit einzigartigen Merkmalen
  • oft mehrere Wege, die Ziele zu erreichen
  • anspruchsvolle Herausforderungs-Badges
  • sehr stimmungsvolle Musik & Atmosphäre
  • gute Steuerung auch mit dem Controller
  • Kuma, der Waschbär
Nicht so optimal ...
  • Yuki hat unverhältnismäßig lange Beine
  • man kann bewusstlose Figuren nicht fesseln
  • Komplexität geringer als in z.B. Desperados
  • Shadow Mode mit Problemen (beim Aufstehen)

Tim hat Shadow Tactics: Blades of the Shogun auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Daedalic Entertainment zur Verfügung gestellt.

Shadow Tactics: Blades of the Shogun - Boxart
  •  
  • Entwickler:Mimimi Productions
  • Publisher:Daedalic Entertainment
    Kalypso Media
  • Genre:Strategie
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One
  • Release:06.12.2016
    (PS4, Xbox One) 28.07.2017

Kommentare & Likes

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  • CookieMonster
    #1 | 29. November 2016 um 20:43 Uhr
    Klingt ja sehr vielversprechend und ich bin da auch zugegeben etwas überrascht. Es sah natürlich schon bei der Ankündigung gut aus, aber so recht an das Spiel glauben wollte ich nicht. Ich muss mir nun doch zwingend einmal die Demo anschauen um mir ein eigenes Bild davon zu machen.

    Das angesprochene "Save Scumming" versuche ich ja eigentlich soweit möglich zu vermeiden, in der Realität gelingt mir das aber selbst bei Spielen wie XCOM immer noch nur bedingt, und wenn ich da auch an meine Erfahrungen mit Desperados zurückdenke, dann speicher und lade ich doch auch lieber ein-, zwei-,..., x-mal mehr als einmal zu wenig  Ärgerlich wäre es natürlich auch wenn einem das Spiel selbst Steine in den Weg legt und man deshalb "scheitert", was dir ja auch anscheinend ein paar Mal passiert ist. Hoffentlich bessert man noch ein wenig nach.
  • Darius
    #2 | 29. November 2016 um 22:37 Uhr
    Befindet sich schon auf meiner "Zwischen den Jahren spielen" Liste ganz weit oben =)
  • Mario
    #3 | 1. Dezember 2016 um 22:17 Uhr
    Habe sowohl die Commandos als auch die Desperados-Serie sehr gern gespielt. Das Setting ist zwar nicht so ganz meins, aber solange das Gameplay stimmt, solls mir recht sein  

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