Call of Duty: Modern Warfare 2 - Review

Es knallt. Es rummst. Möglichst viele CGI-Effekte fliegen dem Zuschauer um die Ohren. Die Story? Wurst. Charaktere? Entbehrlich. Nebenfiguren? Kanonenfutter. Hauptsache, es fliegen die Fetzen und das Auge hat etwas zu sehen. Von was ich rede? Ich meine die Filme von Star-Regisseur Michael Bay, dem Vater von 'The Rock' , 'Armageddon' und 'Transformers'. Was dieser mit meinem etwas verspäteten Modern Warfare 2 Test zu tun hat? Nun, würde Michael Bay Spiele produzieren, dann wäre dieser Titel sein Lebenswerk geworden.


Stell dir vor, es ist Krieg...



Die Story von Modern Warfare 2 ist wie schon im ersten Teil gerade groß genug, um auf den abendlichen Bierdeckel zu passen. Fünf Jahre nach den Ereignissen im ersten Teil dreht sich die Weltkugel weiter und die Weltsituation ist immer noch angespannt. Der verschiedene Imran Zhakaev gilt als Märtyrer und wird von den Anhängern als Held gefeiert. Angeführt von Vladimir Makarov machen diese mächtig Lärm und bedrohen die westliche Welt. Die Amerikaner schicken daraufhin einen Undercover-Agenten, den der Spieler übernimmt, auf eine Mission, wo er mit besagtem Makarov auf einem russischen Flughafen jegliche Zivilisten über den Haufen mäht. Ausgenommen sind hier die deutschen Spieler, die dürfen bloß blöd umherlaufen, doch dazu hatte ich mich schon an anderer Stelle ausführlichst geäußert. Daher lasse ich die viel diskutierte Mission hier einfach mal außen vor. Jedenfalls weiß Makarov von unserem doppelten Spiel, lässt uns tödlich verletzt auf dem Flughafen zurück und so denkt jeder, die Amerikaner hätten dieses Massaker angerichtet. Fortan herrscht Krieg und wir sind mittendrin - wie gewohnt immer in wechselnden Charakteren. Identifikationsfiguren? Fehl am Platz. Weiterer Storyverlauf? Nicht der Rede wert. Action pur? Aber hallo!


Call of Duty: Modern Warfare 2Call of Duty: Modern Warfare 2


Es knallt und kracht, das Actionherz lacht.



Fortan springt der Spieler von Charakter zu Charakter, mal als US Soldat, mal als Task Force Einheit, und macht Jagd auf Makarov und die Wahrheit. Das Spiel lässt einem dabei keinerlei Zeit, großartig irgendwas von der Story zu verinnerlichen. Da wird eine eisige Felswand hochgeklettert, eine Basis infiltriert, hier wird um das Weiße Haus gekämpft, während feindliche Geschütze unsere namen- und seelenlosen Kameraden niedermähen, und wieder woanders jagen wir unter Zeitdruck über die Dächer der Slums von Rio de Janeiro und stellen uns Rebellen in packenden Straßenkämpfen. Pausen gönnt einem das Spiel so gut wie keine, ständig wird man umher gescheucht, beschossen oder durch Explosionen durch die Gegend geschleudert. Umso genialer sind bei so einem Effektgewitter die Momente, in denen wir aufgrund eines Zusammenbruchs aller Elektronikgeräte nachts im Regen durch das vom Krieg gezeichnete Washington laufen und Freund nicht von Feind unterscheiden können. Hier hat das Spiel nicht nur eine bis zum zerbersten geladene Atmosphäre, sondern lockert auch die brachiale non-stop Action etwas auf. Damit es dem Spieler nicht langweilig wird, haben die Entwickler gefühlt jeden Meter Scriptevents eingebaut, sodass quasi jeder Schritt des Spielers mit einer Explosion gekoppelt ist und den Krieg so effektvoll auf den Monitor bannt.


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Regenerative Gesundheit ist pfui!



Umso auffälliger ist es dann, wenn sich plötzlich nichts tut, weil der Spieler gerade hinter einer Deckung kauern muss. Warum man das freiwillig tut? Weil sich das Spiel leider, wie mittlerweile viele Vertreter des Genres, einem regenerativen Gesundheitssystem bedient. So kommt es dann vor allem auf höheren Schwierigkeitsgraden vor, dass wir einige Zeit hinter einer Sperre sitzen oder in einem Graben liegen, während man gezwungenermaßen Zeit hat, die Umgebung zu begutachten. Dann erst fällt auf, dass hinter der ganzen effektgeladenen Actionfassade eine ziemlich leere Hülle steckt. Da fallen im Minutentakt unsere Kameraden, die kurz darauf unter anderem Namen hinter irgendeiner Deckung wieder auftauchen. Da ist im Kriegsgeschehen kein vorankommen, weil alles darauf wartet, dass wir hinter die nächste Absperrung hechten, damit das nächste Event ausgelöst wird. Unsere Umwelt wird nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen, weil die Häuser so lange nicht vom Sperrfeuer getroffen werden, bis wir nicht einige Meter weitergelaufen sind. Drumherum werden verwundete Soldaten in Deckung gezogen und dann minutenlang kommentarlos versorgt, weil die gescripteten Befehle und Gespräche nicht weitergeführt werden. Das fühlt sich ungefähr so an, als würde man grad auf einer wilden Achterbahn sitzen und mitten auf der Abfahrt betätigt jemand die Bremse und lässt einen vor der nächsten Abfahrt warten.

So verliert Modern Warfare 2 nicht nur einen großen Teil seiner Atmosphäre, sondern zwingt den Spieler in die Rolle des unantastbaren Supersoldaten. Ohne uns geht nichts. Wir sterben nicht und der Krieg wartet auf uns. Wir sind nicht Teil des Krieges - wir sind der Krieg. Das Problem liegt hier aber einfach am Gesundheitssystem, welches den Spieler immer wieder zu diesen Pausen zwingt, auch wenn dieser eigentlich gerne weitermachen würde, um die actionreiche Unterhaltung aufrecht zu erhalten. Während man dann auf die Regeneration wartet, hat man leider die Zeit, über das Geschehen nachzudenken und merkt, dass weder Story noch Handlung die Motivation sind, im Spiel voran zu kommen. Ähnlich wie Werbeunterbrechungen bei einem 'Transformers'-Film. Dass das auch anders geht, zeigen frühere Titel wie zum Beispiel Medal of Honor. Erinnert ihr euch noch an das Omaha Beach Szenario? Dort musste man sich noch auf die gute, alte Art und Weise mit Medikits verarzten. Genau deshalb waren die Entwickler damals gezwungen, das Geschehen auch beim Ausharren im Schützengraben aktiv zu halten. Wer mal fünf Minuten am Sandwall lag und die Umgebung beobachtet hat, weiß, wovon ich rede.


Michael Bay wäre stolz auf Infinity Ward



So leidet Modern Warfare 2 genau an der gleichen Krankheit wie der erste Teil. Schon damals war die Action toll, bot jedoch sonst nichts, was den Titel "besonders" machen würde. Ähnlich wie Michael Bay mit seinen Filmen. Natürlich ist 'Transformers' optisch eine absolute Augenweide - aber Hand aufs Herz. Story? Charaktere? Pff. Geschenkt. Das mag bei einem Actionfilm funktionieren, da der Zuschauer hier das Geschehen nicht im Griff hat und somit nicht zu Pausen gezwungen wird. Bei Modern Warfare 2 ist dies leider nicht der Fall und so wird man von der Action und der packenden Inszenierung ohne Wenn und Aber vorangetrieben - doch wenn man sich mal kurz eine Minute Zeit nimmt, wird man merken, dass sich hinter all dem Brimborium doch "nur" ein Shooter steckt, der seine ganze Atmosphäre von den Effekten und Scriptevents abhängig macht. Infinity Ward verschenkt hier viel Spielraum und Potenzial, das coole "was-wäre-wenn"-Szenario mit mehr zu füllen als beinharter Action. Michael Bay hätte es aber wohl nicht anders gemacht. Gut gelungen ist hingegen der Multiplayer-Modus. Die Spielmodi erfinden das Rad zwar nicht neu, aber die Jagd nach Abzeichen und neuen Rängen kann immer wieder für einige Runden motivieren. Dass die dedizierte Serverfunktion auf dem PC nicht existent und das System somit für den Allerwertesten ist, dürfte dagegen die wenigsten Spieler erfreuen.



HerrBeutel

Fazit von Philipp:

Modern Warfare 2 ist genau das geworden, was man erwartet hat. Eine furiose Actiongranate, die dem Spieler kaum eine Sekunde Pause gönnt und ihn von einer Scriptsequenz zur nächsten jagt. Wer nicht mehr erwartet als schonungslose Kriegsaction am laufenden Band, der wird großartig unterhalten werden. Wer allerdings hinter die Fassade der gescripteten Ereignisse blickt, wird sehen, dass außer Acion leider nicht viel Neues geboten wird. Ähnlich wie bei Michael Bays Actionfilmen zählt hier "style over substance". Wer sich von dem Effekt-Overflow mitreißen lässt, bekommt eine wahnsinnig inszenierte Actiongranate serviert. Wer allerdings einmal alles gesehen hat und einen Blick hinter den technischen Schnickschnack wagt, der wird enttäuscht, wie "gewöhnlich" Modern Warfare 2 doch ist. Die Story passt auf einen Bierdeckel, der Identifikationsfaktor mit den Charakteren ist quasi nicht vorhanden und dass man ständig den Charakter wechselt, der auch des Öfteren mal abkratzt - davon war ich schon im ersten Teil absolut kein Fan. Wer sich die Zeit nimmt, sich in der Welt umzuschauen, wird feststellen, dass hinter der Fassade nichts steckt, was aktuellen Shooterstandards frischen Wind bringt. Die Welt ist leer, die Mitkämpfer nichts als seelenlose Hüllen. Wen das nicht stört, der bekommt Actionkost auf höchstem Niveau - wer emotionalen Tiefgang und eine aufwühlende Aufarbeitung des Themas Krieg in der Neuzeit und Moral erwartet (Stichwort: Flughafenmission), der wird bitter enttäuscht.

Besonders gut finde ich ...
  • Großartige Non-Stop-Action
  • Script-Events die ihresgleichen suchen
  • Hübsche Grafik & Effekte
  • Bombastischer Sound
  • Action, Action, Action!
  • Spannende Inszenierung der Level
  • Abwechslungsreiche Szenarien
  • Solider Multiplayer
Nicht so optimal ...
  • Seelenloses Geballere
  • Keine Identifikation mit der Spielfigur
  • 08/15 Nebencharaktere
  • Story? Fehlanzeige.
  • Teils sehr matschige Texturen

Philipp hat Call of Duty: Modern Warfare 2 auf der Xbox 360 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Activision zur Verfügung gestellt.

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Kommentare & Likes

Folgendem User gefällt der Beitrag: einem Gast.
  • 3k1m92
    #1 | 20. Februar 2010 um 00:22 Uhr
    Sehr schöne Review!
    Ich bin Shootern ja generell nicht ganz abgeneigt, aber ich finde gerade da is eine glaubhafte Story unabdingbar. Wenn ich daran denke, wie ich in Transformers im Kino saß und mich ungeduldig auf die Credits freute, find ich den Vergleich mit Michael Bay hier mehr als passend   
    Meine Hoffnung ist im Shooter Bereich im Moment Metro 2033, da dürfte es an einer glaubhaften Story ja nicht mangeln.
  • TheWave
    #2 | 20. Februar 2010 um 01:42 Uhr
    - Keine Identifikation mit der Spielfigur


    Jop also beim 1 Teil habe ich das erste mal richtig mit der Figur mitgefiebert aber hier leider nicht ....
  • Philipp
    #3 | 20. Februar 2010 um 09:14 Uhr
    Hm. Ernsthaft? Im ersten Teil springt man ja auch ständig zwischen Charakteren hin und her, von daher fehlt dort ja auch mehr oder minder der Identifikationscharakter. Allerdings kams mir da nicht ganz so häufig vor.   
  • DarkRaziel
    #4 | 20. Februar 2010 um 11:19 Uhr
    Etwas Spät aber gut.   

    Ich fand das Spiel zwar gut in Szene gesetzt aber jetzt auch nicht der Überflieger, denn man wird auf fast Vorgeschriebenen Wegen durch die Levels gehetzt ohne das man etwas in den Levels genießen kann. Gerate auf den höheren Schwierigkeitsgrad.

    Und Online kann mich es jetzt auch nicht so begeistern, da man nicht die eigene Wahl auf den Spielmodus hat. So entscheidet ehr meist das Los ob Team Deathmatch oder Herschafft.
  • sebastian
    #5 | 20. Februar 2010 um 11:25 Uhr
    Volle Zustimmung meinerseits. Ich hab mich 8 Stunden prächtig unterhalten gefühlt. Aber wirklich erinnern kann ich mich nicht an das Spiel. Viel zu substanzlos.
  • Noodle
    #6 | 2. März 2010 um 11:06 Uhr
    Das wirkich fantastische am Spiel ist eh der Multiplayer Modus. Ich kann den stundenlang zocken ohne, dass es langweilig wird. Der Singleplayer Modus hat mich nicht so überzeugt, er war viel zu großzügig mit reißerischen Storywendungen und effektüberladen.
  • Phaz
    #7 | 7. Mai 2010 um 20:15 Uhr
    3/5 finde ich doch zu hart.
    Die Inszernierung ist top, der Multiplayer auch, die Kampagne ist auch nett.

    4/5 wären locker drin gewesen
  • kenny4738
    #8 | 14. März 2013 um 09:13 Uhr
    gut zusammenfefasst du sprichst mir quasi aus der seele

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