Naughty Bear - Review

Einen heroischen Regenwurm als Held einer ganzen Generation? Klar, Earthworm Jim rockt. Ein durchgeknalltes Eichhörnchen, das mit dem falschen Fuß aufgestanden ist? Logo - Conker's Bad Fur Day hat gezeigt, dass es auch so etwas gibt. Ein cooler Hund, der dank vier Armen mit mehreren Waffen gleichzeitig ballern kann und die Erde vor Aliens rettet? Den gab es auch schon in MDK 2 und er nannte sich Max! Ein durchgeknallter Plüschteddy, der seinen Artgenossen mit Kontaktminen und Vorschlaghammer das Leben zur Hölle macht? Das ... ist neu. Ob der Naughty Bear aber auch abseits dieses abgefahrenen Settings überzeugen kann? Nun, davon habe ich mich die letzten Tage zu überzeugen versucht ...

'Ein amoklaufender Plüschteddy mit einer tiefgefrorenen Lammkeule in der Hand. Das kann so schlecht doch gar nicht sein, oder?' Mit diesen Worten beendete ich vor einigen Wochen meinen kleinen Vorstellungsartikel über Naughty Bear. Nun ist der Titel endlich im Handel erhältlich und ich habe mir meinen braunen Pelz übergestreift, um durch das kunterbunte Teddybärenland zu laufen und Chaos zu verbreiten. Ob der Titel außer dem abgedrehten Setting noch mehr zu bieten hat, erfahrt ihr jetzt im Test zu Naughty-naughty-naughty-naughty-BEAR!

Willkommen im kunterbunten Teddybärenland

Hach, es ist doch ein schönes Fleckchen Erde, dieses "Perfektion". Eine flauschige Insel mitten auf dem Ozean. Die hier wohnenden Teddybären sind den ganzen Tag entspannt am Chillen, lassen sich die Sonne auf den Pelz brennen und frönen den schönen Dingen des Lebens. Alle Bären? Nein, ein kleiner brauner, etwas grimmig schauender Kollege mit abgebissenem Plüschohr hat so gar kein Bock auf das ganze "Hab-dich-lieb" Getue. Vor allem deshalb nicht, weil am heutigen Tag eine Geburtstagsparty stattfindet, auf die jeder Bär eingeladen ist - nur er nicht. Nachdem er sich entschieden hat, dem Geburtstagsbär ein Geschenk zu geben, wird er von den anderen Bewohnern ausgelacht - ein fataler Fehler. Denn jetzt hat Naughty Bear wirklich kein Bock mehr und sinnt auf plüschige Rache! Wer sich jetzt schon fragt, ob das alles war: ja, war es. Das war im Prinzip schon die ganze Story des Spiels. Böser Bär hat kein Bock mehr auf kuschel-kuschel und will alle umbringen. Punkt. Klingt Banane? Durchaus, aber es ist ungefähr wie im Kino. Unterhaltsame Actionfilme erkennt man daran, dass die Story anfangs mit einigen Zeilen Text erklärt wird - und vielleicht trifft das ja auch auf unseren kuscheligen Killerbären zu.


Naughty Bear


Kratz mich, beiss mich, gib mir Tiernamen!



In Naughty Bear geht es eigentlich nur um eines - um's gemein sein. Ihr sollt den anderen Teddys so richtig einheizen und ihnen ihre Superduperlaune dorthin stecken, wo es am meisten weh tut. Das könnt ihr machen, wie ihr wollt. In den insgesamt sieben Hauptmissionen werdet ihr die Insel Perfection bereisen und alles zerstören und sabotieren, was nicht niet- und nagelfest ist. Von der Geburtstagsfeier über die Bürgermeisterwahl bis hin zum Militärstützpunkt und Ninjabären - ja sogar Zombieteddys. Alles wird plattgemacht. Das wichtigste dabei ist, WIE ihr dieses "Plattmachen" angeht. Ihr könnt euch den nächstbesten Baseballschläger krallen und damit unkontrolliert die Bären verprügeln. Das ist aber nicht sonderlich gemein und euer "Naughty-Multiplikator" spuckt dadurch auch wenige Punkte aus.

Besser ist es, erst einmal die Gegend zu erkunden. Dort steht ein Auto als potentielles Fluchtmobil, am Steg ein Boot. Und die Telefone im Haus funktionieren auch noch. Da ihr euch in den Büschen und Bäumen verstecken könnt und nicht gesehen werdet, bietet es sich an, zuerst einmal die Fluchtwagen zu sabotieren. Dazu stehen euch zwei Möglichkeiten zur Verfügung: jedes potentiell nutzbare Gerät der Bären kann entweder sabotiert oder zerstört werden. Während letzteres zwar mehr Punkte gibt und auch verhindert, dass es repariert wird, hat es den Nachteil, dass die Bären sofort wissen, dass ihr da seid. Besser ist es, erst einmal das Fahrzeug zu sabotieren und die Telefonleitungen zu kappen. Die süßen Bärchen gehen dann erstmal von nichts Bösem aus und beginnen mit der Reparatur. Wer jetzt "naughty" ist, der überrascht die Bärchen dabei und erschreckt sie. Diese rennen dann panisch weg. Und wer vorher richtig, RICHTIG gemein war, hat vor das Telefon noch eine Bärenfalle gelegt. Das tut den Bärchen richtig weh und euer Multiplikator geht dafür in ungeahnte Höhen ...


Fordernder Stumpfsinn mit taktischem Tiefgang und Gameplayschwächen



Ihr seht also, eurer Kreativität sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Allerdings wird es mit der Zeit richtig knifflig, den Multiplikator oben zu halten. Während eure Mitbärchen anfangs noch recht einfach zu überrumpeln sind, lernen diese mit der Zeit dazu. Dann organisieren sie sich, schnappen sich selbst Knüppel oder rufen die Polizei, die euch mit Schusswaffen angreift - diese könnt ihr aber nach deren Ableben natürlich auch gegen die Bärchen verwenden. Später gesellen sich dann noch weitaus gefährlichere Gegner dazu, zum Beispiel das Militär oder sogar Ninjabären! Diese können sich ebenfalls verstecken und blitzschnell zuschlagen, während erstere mit ihren Maschinenpistolen dem Naughty Bear auf die Pelle rücken. Apropos verstecken - das eingangs erwähnte "Verstecken" in Büschen ist wörtlich so gemeint. Werdet ihr in einer Sekunde noch verfolgt, reicht es euch, einfach im Gebüsch zu verschwinden und sofort lassen die Bären von euch ab (außer die Ninjas!). Das ist auch bitter nötig, denn abgesehen von solchen "KI-"Dummheiten ist das Spiel richtig, richtig schwer. Jedes Level unterteilt sich nämlich in drei Abschnitte - der erste ist der einfachste und spielt in Naughtys Haus. Dort wird euch das Prinzip der weiteren Level gezeigt. Im zweiten der Abschnitte, die sich leider immer recht ähnlich sind, bekommt ihr dann eine kleine Gruppe eurer Gegner präsentiert, die euch ab sofort das Leben schwer machen. Im dritten Abschnitt findet ihr dann euer Primärziel und auch viel mehr Gegenspieler, die euch bei eurer "Arbeit" stören können. Dann heißt es wirklich - Umgebung erkunden, Fluchtwege und -fahrzeuge ausspionieren, Telefone sabotieren, Fallen legen. Zusammen mit der KI, die wie gesagt auf eure Taten und auch Geräusche reagiert, kann das Spiel durchaus komplex und schwer werden. Was auch sehr schön gelungen ist, ist die grafische Präsentation. Die Plüschbären sind liebevoll animiert und selbst Emotionen wie Angst, Wut und Freude werden durch die Knopfaugen und Körperhaltung verdeutlicht. Die Umgebung ist recht schlicht gehalten und mit einfachen Texturen überzogen, was aber das Setting nur untermalt. Es gibt viele kleine Details wie Plüschvögel und -frösche, mit denen man interagieren (sprich: töten) kann und auch die Soundkulisse ist herrlich überzogen, dafür aber auch stets passend.

Umso ärgerlicher ist es dann, wenn ihr im letzten Abschnitt kurz vor Ende sterbt und dann komplett von vorne anfangen müsst. Jap, genau: im ersten Abschnitt - und all eure stundenlange Arbeit ist dann futsch. Ärgerlich und unnötig. Ebenso ärgerlich ist es, dass ihr für das Vorankommen in der "Story" immer eine gewisse Anzahl an (Bronze-, Silber-, Gold- und Platin-)Pokalen benötigt. Diese bekommt ihr, wenn ihr eine bestimme Punktezahl in einer Karte erreicht habt. Je mehr Punkte, desto besser der Pokal. Daher lässt sich jede Mission noch in verschiedenen Variationen erneut spielen. Einmal dürft ihr zum Beispiel nicht entdeckt werden, ein anderes Mal dürft ihr nicht selbst gewalttätig werden, sondern müsst die Bären durch ständiges Erschrecken und "verrückt" Machen zum Suizid treiben. Eine makabere Todesart, wo die Bären sich auf der Stelle mit dem nächstbesten Gegenstand selbst niederstrecken - euer Multiplikator dankt es euch mit massig Punkten. Das ist auch schön abwechslungsreich und motiviert zum erneuten Spielen - ist aber dafür umso nerviger, dass ihr die selbe Mission immer und immer wieder spielen müsst, nur um endlich in der Story weiterkommen zu können. Das zerstört den Spielspaß - auch wenn ihr dadurch prinzipiell nur lernt, die taktischen Möglichkeiten besser kennen zu lernen.




Haufenweise verschenktes Potential



Das sind dann so Punkte, wo Naughty Bear einfach wahnsinnig viel falsch macht, obwohl das Spiel ansich nicht verkehrt ist. Das fängt damit an, dass fast jeder Abschnitt des Levels gleich aufgebaut ist. Zwei, drei Häuser, ein Fluchtauto, ein Fluchtboot. Mit der Zeit gibt es hier eine Art Routine, die langweilt. Das Auto und das Boot werden sabotiert, die Telefone lahmgelegt und Fallen aufgesetzt. Durch die fast ständig gleichen Settings hat man das Gefühl, selbst bei Mission sieben schon wieder das gleiche Level zu spielen wie drei Episoden davor, auch wenn hin und wieder Nachtmissionen und verschiedene Gegner wie Roboterbären und Zombies den Spieler daran erinnern, dass es doch nicht die erste Mission ist.

In den Trailern gab es zudem immer wieder Anspielungen auf diverse Filme wie Alien oder Blair Witch, die im Spiel einfach nicht konsequent fortgesetzt werden. Warum kann ich als Waffe eine Machete nehmen, aber finde nicht passend dazu eine Eishockeymaske? Ein Jason-Bär wäre doch eine Spitzenidee. Oder als Waffe eine Kralle? Dann könnte Freddybär den Leuten mal richtig Alpträume bereiten. Schade ist es auch, dass die Auswahl der Waffen nicht so umfangreich ist, wie ich mir das erhofft hatte. Klar stehen mit Baseballschläger, Machete, Mine, Bärenfalle, Golfschläger, Vorschlaghammer und, und, und recht viele Waffen zur Auswahl - jedoch ist jede Waffe auf einen "Finishmove" begrenzt. Das ist bei den ersten paar mal recht witzig anzuschauen, doch nutzt es sich dadurch auch recht schnell ab. Zwar dienen auch diverse Gegenstände in der Welt als Waffe, sei es das Telefon oder ein DJ-Pult, aber auch hier gilt - hat man es einmal gesehen, langweilt es.

Auch der Multiplayer ist ein typischer Fall von "nett gedacht, mäßig gemacht". Die Spielmodi, die entfernt an "King of the Hill" und "Capture the Flag" erinnern, sind durchaus spaßig. In einem Modus schlüpft ein Spieler in die Rolle des Naughty Bear, während drei andere "Plüschbären" Pudding klauen müssen und Naughty entweder niederstrecken oder umgehen sollen. Da hier keine KI im Spiel ist, können sich hier durchaus spannende Matches gestaltet. Jedoch ist die Spielerzahl auf vier (!) Leute begrenzt. Da die Karten aus dem Singleplayer entliehen sind, bleibt leider auch nicht mehr Platz - schade. So ist der Multiplayer nur eine nette Dreingabe, aber kein vollwertiger Spielzusatz.
HerrBeutel

Fazit von Philipp:

Seit pressakey gestartet ist, habe ich knapp 33 Spiele getestet. Und bei keinem Titel fiel es mir so schwer, eine abschließende Kaufempfehlung auszusprechen. Warum? Das liegt daran, dass sich Naughty Bear prinzipiell aus zwei Sichtweisen betrachten lässt. Auf der einen Seite macht das Spiel eine Wahnsinnsgaudi. Das abgedrehte Setting mit Plüschbären ist neu, frisch und innovativ. Selten hat es so viel Freude bereitet, einfach mal so richtig "naughty" zu sein. Da werden Fallen gelegt, Autos sabotiert und Bären gefoltert, nur im ihnen danach genüsslich mit der Machete das flauschige Fell über die Ohren zu ziehen. Wenn man sich an Naughty Bear setzt, erwartet einen eine spaßige und - dank wer-hat-den-größten-Punktestand-Schwanzvergleich - wahnsinnig motivierende Jagd nach Punkten und kreativen Entplüschungsorgien. Vor allem die komplett unterschiedlichen Lösungsansätze bei jedem erneuten Durchgang reizen Perfektionisten zu Höchstleistungen, die zeigen, dass Naughty Bear nicht nur ein Manhunt für Kinder ist, sondern auch ein cleveres Stealth-Action Game sein kann. Auch der Multiplayer kann unterhalten und ist mit Freunden ein toller Spaß, wenn auch durch die geringe Anzahl von gerade einmal vier Spieler nicht dauerhaft fesselnd.

Andererseits nervt die Pflicht, eine gewisse Anzahl Pokale zu haben, um die "Story" weiterspielen zu dürfen und auch wegen der kaum vorhandenen optischen Abwechslung und den sich recht schnell wiederholenden Todesanimationen nutzt sich das Prinzip des bösen Bären doch recht fix ab. Zudem meckert der Moralapostel in mir, ob ein Spiel wirklich sein muss, in dem es prinzipiell rein nur um kreatives Ermorden von Gegnern geht - auch wenn es in diesem Fall durch das Teddybärensetting stark abgeschwächt wird. Aber wenn sich ein wahnsinnig gewordener Teddy mit einer Machete den Bauch aufschlitzt oder sich mit der Pistole das Daunengehirn wegputzt, mag das dem ein oder anderen Kritiker sicher in die Hände spielen, wenn es darum geht, Gewalt in Computerspielen anzuprangern. Persönlich habe ich kein Problem damit - sehe ich diese übertriebene Gewalt fast schon als Parodie auf die gesamte Diskussion und gleichzeitig als Arschtritt an die Pseudo-Knuddel-Teletubbie-Generation.

Schlussendlich bleibt ein nettes Gedankenexperiment in einem abgefahrenen Setting mit massig erfrischenden Ansätzen und motivierenden Elementen, das aber leider (!) durch schnell eintretende Langeweile, geringe optische Abwechslung und zu wenig dauerhafte Motivation wieder abgeschwächt wird. Wer damit leben kann und auch gerne mal etwas "anderen" Spielen eine Chance geben will, der wird bestens unterhalten - alle anderen machen besser einen riesengroßen Bogen um Naughty Bear. Ich jedenfalls hoffe dennoch, dass das Spiel seine Käufer findet und dass eventuell mal ein zweiter Teil kommt - dann bitte mit mehr Abwechslung und mehr konsequent zu Ende gedachten Ideen!

Besonders gut finde ich ...
  • abgedrehtes Szenario
  • kreatives Vernichten, ...
  • spaßiger Multiplayer, ...
  • viele tolle Ansätze
  • freischaltbarer Content
  • schöne Präsentation
  • charismatischer Antiheld
  • recht fordernde KI
Nicht so optimal ...
  • Kamera zickt gerne
  • ... was sich recht schnell abnutzt
  • ... mit verschenktem Potential
  • Pokalpflicht zum Weiterspielen
  • allgemein kaum Motivation zum Weiter-
  • spielen dank fehlender Story
  • teilweise bockschwer
  • einige enttäuschend inkonsequente
  • Spielelemente
  • moralisch stellenweise fragwürdig

Philipp hat Naughty Bear auf der Xbox 360 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von 505 Games zur Verfügung gestellt.

Naughty Bear - Boxart

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: Kithaitaa, A-zul, Michi ... und einem Gast.
  • Darius
    #1 | 6. Juli 2010 um 04:36 Uhr
    Schade. Irgendwie war es fast abzusehen, aber [Blog-Archiv | pressakey.com] bleibt dennoch mein Lieblingstrailer!   Ansich sind ja alle Naughty's mehr oder minder geiler Scheiss *g*
  • A-zul
    #2 | 6. Juli 2010 um 09:07 Uhr
    Hmm schade ich hab gedacht das das ein sehr geiles spiel ist aber nachdem was ich da gelesen hab ist es mir mein geld nicht wert.

    Super Review!
  • TheWave
    #3 | 6. Juli 2010 um 18:10 Uhr
    ist auch echt nur nen game um mal 30min zu verschwenden und dan hohlt man es villeicht in 2 Tagen wiederraus um wieder mal 30min zu zocken ^^
  • Khezul
    #4 | 15. August 2010 um 12:51 Uhr
    Einfach nur schlecht. Klar, die freischaltbaren Waffen und Kostüme motivieren. Trotzdem läuft es mir bei den Kamera- und Steuerungsproblemen kalt den Rücken runter. Auch die Grafik ist unter aller Sau, da geht mehr!

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