Last Window: Das Geheimnis von Cape West - Review

CING ist ein tolles Studio gewesen: mit Another Code, Another Code R und nicht zuletzt dem grandiosen Hotel Dusk: Room 215 haben sie drei einzigartige und wunderbare Adventures geschaffen, die das Potential zum Klassiker haben. Schade, dass das Studio Anfang des Jahres Bankrott ging und nun aufgelöst wurde! Mit Last Window: Das Geheimnis von Cape West bringt Nintendo das Abschiedsgeschenk von CING auch nach Europa. Ob die Japaner mit dem visuell beeindruckenden Hotel Dusk Nachfolger rund um Held Kyle Hyde noch einmal richtig begeistern können?

Alles andere als ein gewöhnliches Adventure



In Last Window: Das Geheimnis von Cape West schlüpft ihr erneut in die Rolle von Kyle Hyde, den viele bereits aus Hotel Dusk kennen dürften. Der raue, leicht arrogante Ex-Cop hat sich kaum geändert: noch immer ist er ein sarkastischer Sprücheklopfer, hat einen Hauch von Cholerik in sich und ist eigentlich alles andere als ein freundlicher Zeitgenosse. In seinem Herzen ist er dennoch ein guter Kerl. Wie bereits im Vorgänger gelingt CING auch in Last Window die Charakterzeichnung hervorragend: sowohl Protagonist Kyle Hyde als auch die zahlreichen anderen Figuren sind prima getroffen, verbergen alle ein Geheimnis und wirken ungemein menschlich. Jeder hat seine spezifischen Charaktereigenschaften und will auch dementsprechend behandelt werden - in den langen, teils fast schon ausufernden Dialogen darf man dann zwischen den jeweiligen Antworten wählen und gegebenenfalls nachhaken, wenn Kyle etwas verdächtig vorkommt, beeinflussen lässt sich die Geschichte allerdings nicht. Und auch wenn die schier endlosen Dialoge nicht immer spannend und erst recht nicht jedermanns Geschmack sind, so entfesselt Last Window doch eine eigenartige Faszination: wer sich darauf einlässt, dem vielen Text auch zu folgen, der darf sich auf ein hochspannendes Krimi-Abenteuer freuen, das nicht nur oft zum Nachdenken anregt, sondern durch seine außergewöhnliche Präsentation auch optisch besticht.


Last Window: Das Geheimnis von Cape West


Kyle verschlägt es in Last Window, das nur kurze Zeit nach den Ereignissen aus Hotel Dusk spielt, in das Wohnhaus Cape West, in dem er Mieter ist. Doch leicht hat es unser Protagonist zunächst einmal nicht: mit seinen Mietzahlungen ist er mehrere Monate hinterher und obendrein wird das Wohnhaus auch noch abgerissen, denn die mysteriöse Besitzerin hat das Gebäude verkauft - gerade mal eine Woche bleibt den Bewohnern noch, sich eine neue Bude zu suchen. Kyle selbst hat natürlich wieder mal alles verpennt und seit Wochen nicht mehr in den Briefkasten geschaut, der mittlerweile von Briefen und Rechnungen fast überquillt und mitten im Berg an Post ist irgendwo der Brief der Vermieterin. Doch damit ist das Pech noch lange nicht vorbei, denn obendrein hat Kyle auch noch seinen Job verloren. Während das Spiel gemächlich beginnt und euch erst in die Figuren und das Wohnhaus einführt, legt es recht schnell einen Zahn zu und die Story beginnt zu fesseln. Denn bald zeigt sich, dass es mehr mit Cape West auf sich hat - und irgendwie hat auch der kuriose Tod von Kyles Vater etwas mit der ganzen Sache zu tun. Ja, Last Window erzählt die spannende Story auf eine Art und Weise, wie man sie nur vom Vorgänger kennt: in ellenlangen Dialogen und vielen inneren Monologen. Zwischensequenzen gibt es nur wenige und auf Sprachausgabe müsst ihr ebenfalls verzichten. Das alles tut der packenden, geheimnisvollen Atmosphäre aber beileibe keinen Abbruch!

Der NDS als Buch, die Figuren als Bleistiftskizzen



Optisch und spielerisch wird der Titel wahrscheinlich auf die meisten von euch ungewöhnlich wirken, denn ich schätze mal, nur ein sehr kleiner Teil hat Hotel Dusk gespielt. Wer den Vorgänger allerdings kennt, der weiß auch, was einen in Last Window erwartet: nämlich nicht mehr und nicht weniger als more of the same. CING wagt mit diesem erneut DS-exklusiven Spiel keine Risiken und präsentiert exakt dasselbe Spielgefühl wie schon in Hotel Dusk. Der Nintendo DS wird wie ein Buch aufrecht gehalten, sodass man die beiden Bildschirme nebeneinander sieht. Auf dem rechten Bildschirm seht ihr nun eine Art Karte, auf der ihr euch fortbewegt, während die Umgebung auf dem linken Schirm in 3D dargestellt wird. Visuell hat sich seit Hotel Dusk allerdings nichts geändert, was dem Titel nicht seinen außergewöhnlichen Charme nimmt: alle Figuren sind nur als Bleistiftskizzen dargestellt, was einen großartigen Eindruck macht. Sogar die Mimik und die Emotionen der Charaktere wirken ungemein authentisch - das ist etwas, was man aus wenigen Spielen wirklich kennt, erst recht nicht am kleinen NDS. Rätsel gibt es im Spielverlauf nur recht wenige, denn Last Window ist eher ein spielbarer Kriminalroman als ein wirkliches Adventure im klassischen Sinne. Ungewöhnlich mag auf viele Spieler auch wirken, dass man einen "Game Over" Screen zu sehen bekommen kann, wenn man in bestimmten Situationen falsch reagiert.



Tim

Fazit von Tim:

Nein, Last Window: Das Geheimnis von Cape West ist sicherlich alles andere als ein massentaugliches Spiel. Es ist auch kein gewöhnliches Adventure, in dem ihr zielsicher durch die Umgebungen schlendert, allerlei nützliche Objekte ins Inventar packt, sie gegebenenfalls kombiniert und an anderer Stelle verwendet, nur um letztlich einer Verschwörung oder ähnlichem auf die Spur zu kommen. Last Window ist genau wie schon Hotel Dusk ein packender Psycho-Roman, ein interaktives Buch, dessen Handlung ihr nach und nach erfahrt. Ganz ohne Action, ein tiefgründiges Gameplay oder wirkliche Rätsel, sondern geprägt von schier endlosen Dialogen, dem vorsichtigen, langsamen Erkunden der Spielwelt und dem Kennenlernen der Personen fasziniert CINGs Abschiedstitel auf eine ganz eigene Art und Weise, die man so in keinem anderen Spiel außer eben dem Vorgänger findet. Denn auch wenn Last Window das Grundkonzept von Hotel Dusk kaum verändert, ebenso wenig den extravaganten Grafikstil, so bleibt es doch ein außergewöhnliches Erlebnis. Wer Hotel Dusk mochte, der wird auch von Last Window begeistert sein. Und allen, die weder Teil 1 noch 2 gespielt haben, lege ich diese beiden einzigartigen Spiele unbedingt ans Herz: das sind Erlebnisse, wie man sie nur ganz selten findet. CING verabschiedet sich aus der Videospielwelt mit einem Kunstwerk!

CINGs Abschiedsgeschenk an alle Adventure-Freunde ist ein außergewöhnliches, berührendes und hochspannend erzähltes Videospiel-Kunstwerk - spielerisch ist Last Window allerdings ein Hotel Dusk.

Besonders gut finde ich ...
  • außergewöhnliche Präsentation
  • brillant erzählte, spannende Story
  • jede Figur mit Hintergrundgeschichte
  • dichte Atmosphäre, gute Dialoge
  • regt oft zum Nachdenken an
  • simple und intuitive Steuerung
Nicht so optimal ...
  • viele ausufernde Dialoge, sehr textlastig
  • wenige wirklich gelungene Rätsel
  • "Game Over" in einem Adventure
  • gelegentliches Herumirren

Tim hat Last Window: Das Geheimnis von Cape West auf dem Nintendo DS gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Last Window: Das Geheimnis von Cape West - Boxart
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  • Entwickler:Nintendo
  • Publisher:Nintendo
  • Genre:Adventure
  • Plattform:NDS
  • Release:17.09.2010

Kommentare & Likes

Folgendem User gefällt der Beitrag: Phaz
  • Khezul
    #1 | 21. Oktober 2010 um 14:14 Uhr
    Ich finde es etwas schade, dass mir alle Naselang Hinweise gegeben werden, woran ich denken soll und was als nächstes zu tun ist. Für Kinder mag das ganz hilfreich sein, ich jedoch kann mein Hirn auch alleine nutzen. Die Arbeit nimmt mir das Spiel aber überwiegend selbst ab, weswegen ich das integrierte Notizbuch in den seltensten Fällen benutzt habe. Da könnte man noch eine Schippe drauflegen, denn ansonsten gefällt mir die Story und die Präsentation sehr gut.

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