Life is Strange - Review

(Serien-)Episoden sind eigentlich was Nettes: Sie können mal so eben zwischendurch genossen werden, sind stets fesselnd und behandeln meist einen wichtigen Storyaspekt - bei 45 Minuten bleibt auch keine Zeit für langweiliges Laber-Rhabarber. Schade nur, dass man im dümmsten Fall eine Woche warten muss, bis der Cliffhanger aufgelöst wird. Doch trotz diesem mehr als ungünstigen Fakt scheinen Episodenformate und eine entsprechende Erzählweise auch im Spielebereich immer beliebter zu werden. Wer jetzt nicht mindestens zwei Telltale-Spiele aufzählen kann, sollte sich schämen. Nach dem recht bekannten, wenn auch nicht grade furiosen, Remember Me hat sich das französische Studio Dontnod Entertainment in (für sie) unbekannte Gefilde vorgewagt und zeigt, dass mit viel Herzblut weitaus mehr drin ist, als die Walking-Dead-Kollegen seit mehreren Franchises vormachen.


Stichwort Leuchtturm: Alan Wake lässt grüssen



Im Gegensatz zu The Walking Dead oder Game of Thrones hat Life is Strange mehrere entscheidende Vorteile: Das Setting, die Charaktere und die Geschichte sind unbekannt, was Neugier und Überraschung nach sich zieht. Vor allem wenn das gesamte Abenteuer mit netten Hinweisen zu bekannten Spielen gespickt ist - der Anfang macht gleich die erste Szene, in denen ein Leuchtturm die Rettung in all dem Übel ist. Wer sich hier an Alan Wake erinnert fühlt, liegt sicherlich nicht gänzlich falsch. Aber worum geht es überhaupt? Nun, die Hauptrolle nimmt die junge Studentin Max Caulfield ein, welche nach fünf Jahren an der Kunstschule in Seattle ihren Weg zurück in die Heimat findet.

Abgesehen von langweiligen Unterrichtsstunden und der Schwierigkeit Freunde zu finden, könnte das Leben im wenig aufregendem Örtchen Arcadia Bay gut laufen. Könnte, denn während einer Foto-Stunde erkennt Max, dass sie die Zeit zurückdrehen und dadurch einige Ereignisse beeinflussen kann. Genau hier liegt das wirkliche Highlight des Spiels, denn während andere Spiele nur durch verschiedene Antwortmöglichkeiten punkten, sind verschiedene Raum-Zeit-Änderungen nötig, um im Spiel vorwärts zu kommen: Victoria ist eine fiese Mitstudentin und was würde dem Schickie-Mickie-Gör den Tag versüssen? Richtig, ein Eimer voller Farbe über dem Kopf. Um das allerdings zu erreichen, gilt es die Zeit zu manipulieren. Im Unterricht kann so eine Fähigkeit auch nützlich sein, denn während der Lehrer enttäuscht ist von der falschen Antwort, kann man fies in die Vergangenheit gehen und die richtige Lösung sagen.

Dabei bleibt bei den getroffenen Entscheidungen immer ein Funken Unsicherheit zurück, denn alle Antwortmöglichkeiten und Handlungen betreffen direkt die Zukunft und können eventuell fatale Auswirkungen auf die weiteren Geschehnisse haben. So zumindest der Gedanke, denn in der ersten Episode von Life is Strange (Chrysalis) sind Auswirkungen noch nicht ersichtlich, da die anfänglichen zwei bis drei Stunden eher als Einführung dienen. Leider ist das zugleich ein Kritikpunkt - auch wenn es wahrscheinlich nur mein persönlicher Geschmack ist. Oftmals sind die Gespräche sehr platt, sehr oberflächlich und statt der Story-Revolution findet man sich schnell in einem Highschool-Teenie-Drama wieder, bei welchem es um die Aufdeckung von Affären geht und um schüchternen Mädchen zu helfen. So richtig will noch nicht herauskommen wieso man die Zeit zurückdrehen kann, was der Schul-Alltag mit der aufkommenden Katastrophe zutun hat und welche Rolle man selber spielt. Ist man die Retterin? Oder doch eher diejenige, die das Verderben heraufbeschwört? Hoffentlich sind das Punkte, die Dontnod mit den kommenden vier Episoden (alle sechs Wochen soll es weitergehen) konzentrierter, verdichtender und fokussierter angeht.


Life is Strange
Nachdenkliche Töne - sowohl im musikalischen als im gestalterischem Bereich - wissen genauso zu überzeugen, wie dramatische oder actionhafte Szenen. Bedanken muss man sich hier bei dem semi-realistischen Stil.


Nun Spul doch endlich!



Neue Fähigkeiten wollen mit Bedacht verwendet werden und so verwundert es sicherlich niemanden, dass Max nicht direkt zum Zeit-Manipulations-Genie wird und sich ohne Rücksicht auf Verluste Vorteile verschafft. Stattdessen gilt es sich langsam mit der Polaroid-Kamera und dem mysteriösen Phänomen der Selfies vertraut zu machen, kleinere Rätsel zu lösen und die Umgebung zu erkunden. Durch das Bewegen der Kamera und dem "Ansehen" von Gegenstände sind mögliche Aktionen (Sprechen, Einpacken, Foto machen etc.pp.) sichtbar und so wird das Gameplay nach vorn getragen: Bewegen, Erkunden, Kombinieren.

Ein einfaches und bekanntes Prinzip, wenn es sich nicht oftmals selber im Weg stehen würde, da es manchmal schwer ist einen Bereich zu fokussieren, um so die Handlung zu aktivieren. Zudem kommen kleinere Lags und Ruckler, die aber im Vergleich zu der Konsolenversion von Telltale-Spielen kaum in das Gewicht fallen. Kniffliger wird das dann, wenn nicht ganz deutlich wird wie Mechaniken funktionieren. Beispiel dafür ist die Endszene, bei welcher man mittels Spulfunktion ausweichen muss. So richtig deutlich ist mir das nicht, mal schauen, wie es in kommenden Szenen funktioniert. Abgesehen davon macht es Spass, die verschiedenen Handlungs- und Antwortmöglichkeiten durch Zurückspulen (ein nettes Symbol zeigt, wann eine solche Option vorhanden ist) auszutesten und sich letztendlich für eine Richtung zu entscheiden. Bei wichtigen Momenten kommt übrigens eine Warnung, dass der nachfolgende Spielverlauf beeinflusst wird. Das schreit fast schon nach mehreren, teils sehr unterschiedlichen Storyenden und macht die Wartezeit auf kommende Episoden schwer.

Wem nach dem Durchspielen der eigentlichen Episodengeschichte langweilig ist, der kann den "Collector-Mode" starten und sich auf die Suche nach geheimen Sammler-Fotos begeben - die im Hauptspiel getroffenen Entscheidungen werden davon nicht berührt. Diese liegen nicht etwa einfach rum, sondern müssen mit Max’ Kamera selber geschossen werden. Hinweise für solche Aufnahmen gibt es im Tagebuch, welches auch Gleichzeitig als Kompendium über Charaktere dient, einen Einblick in die Psychologie des Hauptcharakters gibt und das SMS schreiben mit Freunden und Eltern zulässt. Dabei aber bitte nicht vom Aussehen des Spiels ablenken lassen, denn auch wenn das Spiel relativ schlicht ist, kommt ein eigener, wunderschöner, frischer Stil heraus. Irgendwie erinnert Life is Strange so an einen hippen Third-Person-Indiefilm, der aber gleichzeitig durch die eigenen Gedanken beeinflusst wird.



Fazit von Lenela:

Ich gebe es zu: Ich bin skeptisch. Generell hat mir das gebotene sehr gefallen, egal ob im Hinblick auf den tollen und einzigartigen Grafikstil oder in Bezug auf das Gameplay. Dennoch bleibt ein bitterer Geschmack, denn so eine richtige spannende Geschichte hat sich in den ersten Stunden noch nicht ergeben und auch das Element des „Zurückspulen“ lässt mehr Handlungsspielraum zu. Aber gut, es handelt sich eben nur um eine erste Episode, welche definitiv Lust auf mehr macht (erinnert mit der sanften Charaktereinführung auch ein Serien-Erzählweisen) und von Beginn an zeigt, dass im „Episoden-Genre“ mehr möglich ist, als wir bisher erleben durften. Trotz der Skepsis blicke ich auf interessante Wochen und erhoffe mir das nächste grosse Abenteuer und einen Beginn von vielen weiteren erstklassigen Episoden-Spielen aus dem Hause Dotnot.

Besonders gut finde ich ...
  • frischer Stil
  • unverbrauchte Charaktere und Settings
  • Spulfunktion bietet interessante Gameplay-Möglichkeiten
  • Story kann sich spannend/mystisch entwickeln - viel Potenzial
Nicht so optimal ...
  • kleinere technische Mängel
  • erste Episode noch fast zu ruhig
  • leider nur englische Sprachausgabe mit englischen Texten

Lenela hat Life is Strange auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Square Enix zur Verfügung gestellt.


Darius

Fazit von Darius:

Nach seinem Debüttitel Remember Me meldet sich das französische Entwickler Studio mit Life is Strange zurück und das ist auch gut so. Schön, dass man wieder auf weibliche Protagonistinnen setzt, traurig, dass Square Enix scheinbar der einzige Publisher war, der dies nicht ändern wollte. Dass das neue Spiel nun als Episoden-Adventure veröffentlicht wird, ganz im Stile von den jüngsten Telltale Games Spielen, lässt mich aufseufzen. Schon wieder mindestens 6 Wochen Funkstille zwischen den kurzen Spielesessions. Seufz.

Immerhin, die erste Episode von Life is Strange, Chrysalis, legt eine ordentliche Spielzeit vor: rund 2-3 Stunden kann man als "Max" Caulfield in die Welt von Arcadia Bay eintauchen, lernt dabei zahlreiche andere Personen kennen und bekommt - wie angekündigt - eine Einführung in das Spiel. Soweit so gut, dann wäre da noch die Sache mit der neu entdeckten Kraft, die Zeit Zurück-zu-drehen, dem Unheil das die Stadt heimsuchen wird und nicht zu vergessen das vermisste Mädchen Rachel Amber ...

Man darf gespannt sein, wie sich die Story in den folgenden Episoden weiter entwickelt. Auch das Gameplay ist bisher eher auf "Telltale Game"-Niveau, was nichts schlechtes bedeuteten muss, zumal man hier öfter vom reinen Zuschauer, zum aktiven Spieler wird. Die Sprecher sind auch in Life is Strange sehr gut besetzt und bringen ihre Rollen überzeugend rüber, dies kann man von der Präsentation der Charaktere leider nicht behaupten. Diese wirken meist viel zu hölzern und Lippen-asynchron. Das ist vor allem dahingehend traurig, weil man aktuell rein auf eine englische Sprachausgabe setzt und neben französischen Untertiteln, keine weitere Sprache anbietet.

Aber hey, mir gefällt der Grafik- und die Erzählstil bisher ganz gut, daher hat mir die erste Episode auch Spaß gemacht und ich freue mich auf die Fortsetzung im März. Ob Life is Strange ein großartiges Story-Erlebnis wird, in dem die obligatorischen Entscheidungen, wahre und tatsächlich spielentscheidende Konsequenzen nach sich ziehen, muss man wohl abwarten. Im Übrigen, neben dem offensichtlichen "Alan Wake"-Hint, verbergen sich auch noch einige weitere im Spiel ...

Besonders gut finde ich ...
  • Überzeugende Sprecher
  • Spielzeit (2-3 Stunden)
  • Ausbaufähige Story
  • Diverse Hinweise und Andeutungen zu Spielen und Geschehnissen
  • Collective-Modus für Achievement-Jäger
Nicht so optimal ...
  • Keine deutsche Untertitel
  • Zeit-Rückspul-Feature könnte sich schnell abnutzen
  • mangelhafte Lippensynchronität

Darius hat Life is Strange auf der PlayStation 4 gespielt.

Life is Strange - Boxart
  •  
  • Entwickler:Dontnod Entertainment
  • Publisher:Square Enix
  • Genre:Adventure
  • Plattform:PC, PS3, PS4, Xbox360, Xbox One, iOS
  • Release:30.01.2015
    (Retail) 22.01.2016
    (iOS) 14.12.2017