The Order: 1886 - Review
Die fast unsterblichen Ritter der Tafelrunde
Seit der Ankündigung von The Order: 1886 zur E3 vor zwei Jahren, habe ich mit Spannung auf das Spiel gewartet. Das Steampunk-Setting im viktorianischen London, mit einer alternativen Zeitlinie und allerhand coolen Gadgets, sowie eine möglicherweise spannenden Story mit kernigen Charakteren, ließ den Titel direkt auf meine Beobachtungsliste wandern. Skepsis trat seither eigentlich kaum auf, weder bei der Verschiebung zum Launch der PlayStation 4, noch bei einer kurzen Anspielsession auf der letztjährigen gamescom. Kurz vor der Veröffentlichung hatte sich das ein klein wenig geändert. "Viel zu kurz!", sagen die einen, "Großartiges Spiel!", die anderen. Die Wahrheit liegt bekanntlich meist irgendwo dazwischen, meine Eindrücke erfahrt in dieser Review.
Einmal ein Ritter, immer ein Ritter
Im Spiel schlüpft ihr in die Rolle von Sir Galahad, einem Ritter der Tafelrunde und gleichzeitig dem Oberhaupt einer kleinen Gruppe des uralten Ritterordens. Besonders ritterlich geht es im Prolog-Kapitel jedoch noch nicht zu, doch darauf will ich aufgrund von Spoilergefahren jetzt nicht näher eingehen. Immerhin lernt man hier bereits den Einsatz der Quick Time Events kennen und auch, was die Ready at Dawn Studios unter einem "filmischen Erlebnis" verstehen. Der nahtlose Übergang von Zwischensequenzen und Gameplay ist von Anfang an beeindruckend, ohne Ladezeiten oder einem Blendeffekt wechselt das Spiel zwischen Film und Spiel hin und her und sieht dabei jederzeit großartig aus.
Eben stehe ich noch auf einem Balkon und blicke auf London und die umherschwebenden Luftschiffe - einen Moment später bekomme ich auch schon über Funk die Order für einen Einsatz. Dank der alternativen Zeitlinie erwarten uns in The Order 1886 allerhand nützliche Gadgets, das fängt beim eben erwähnten Funkgerät an und geht über zahlreiche Waffen weiter. Dafür zeigt sich Nikola Tesla verantwortlich, der Erfinder, Physiker und Elektroingenieur übernimmt im Spiel die Rolle des Q aus James Bond. Praktisch und keineswegs kitschig, denn jede Ausrüstung kommt nicht nur im authentischen Steampunk-Design daher, sondern ist zudem auch noch äußerst detailreich. Die Befehle von Sebastian "Sir Percival" Malory, unserem Mentor und langjährigem Freund, sind klar. Wir sollen mit unseren Partnern Isabeau "Lady Igraine" D'Argyll und dem noch nicht zum Ritter geschlagenen Marquis de Lafayette einen möglichen Aufstand untersuchen.
Die Story braucht etwas um an Fahrt aufzunehmen und zu Beginn hatte ich mehr Fragezeichen über dem Kopf als der Riddler auf seinem Anzug, aber, das legt sich - oder eben auch nicht. Schnell wird jedoch klar, dass London eine Rebellion bevorsteht und sogenannte Halbblüter wohl der Grund allen Übels sind. Das alles noch viel schlimmer ist, werden wir erst im Laufe des Spiels herausfinden. Euch erwartet eine Geschichte aus Verschwörung, Werwölfen und Mythen.
Ein Ritter ohne Schwert und Pferd
Die Geschichte ist sicherlich klasse inszeniert und sehr gut in Szene gesetzt, auch wenn sie schlussendlich für mich leider nicht die erhoffte Spannung und Tiefe liefert, wie man es von anderen Blockbuster in diesem Bereich kennt. Das liegt sicherlich auch am Gameplay, das sich auf schlauchige Deckungs-Shooter Abschnitte mit gelegentlichen Schleich- und Klettereinlagen beschränkt und dadurch die Erzählung immer wieder aus dem Rhythmus reißt. Die Baller-Passagen funktionieren jedoch sehr gut und sehen - wie das gesamte Spiel - auch noch klasse aus. Dank einer üppigen Auswahl an Waffen wirkt das Ganze zudem auch noch recht abwechslungsreich, auch wenn man im Grunde immer wieder nur auf eine Horde von Rebellen ballert und es im gesamten Spiel nur eine Hand voll unterschiedlicher Gegner gibt. Die angekündigten Werwölfe, im Spiel Lykaner genannt, trifft man leider viel zu selten. Mit der künstlichen Intelligenz der Widersacher ist es zudem nicht sonderlich gut bestellt. Einzig in einem größer angelegten Schleichkapitel, das an das Leben als Thief erinnert, können Frustmomente aufkommen. Spätestens hier liegen die sonst sehr gut gelegten Speicherpunkte vielleicht etwas zu weit auseinander, könnte aber auch an meiner Unfähigkeit liegen. Bosskämpfe im eigentlichen Sinne gibt es hingegen nicht, zumindest erkenne ich einen QTE-Kampf mit einem größeren Einzelgegner nicht als solchen an.
Um das Erlebnis in diesem spielbaren Film stets zu kontrollieren, nutzt Ready at Dawn demzufolge auch viele Scripts und natürlich verläuft daher auch alles ziemlich linear. Euren Erkundungsdrang müsst ihr leider hinten anstellen und für andere Spiele aufheben, denn auch wenn hier und da die Hoffnung aufkeimt, hier könnte es doch etwas interessantes geben, sie wird leider nie befriedigt. Die Entwickler haben lediglich ein paar Objekte und zahlreiche Photografien und Zeitungen in den Levels verteilt, die ihr für eine komplette Trophäensammlung entdecken müsst. Die meisten liegen ganz offensichtlich vor eurer Nase, während ihr das Spiel spielt, ein paar wenige sind etwas besser versteckt. Unabhängig davon, ist leider keines dieser Objekte irgendwie spielrelevant - hier fühle ich mich an die sagenhaften Thermoskannen aus Alan Wake erinnert. Man sammelt sie, um sie gesammelt zu haben, nützliche Infos über die Hintergründe der Situation oder ähnliches gibt es leider nicht. Ebenfalls schade, dass man die Tonträger - hallo Bioshock - die man im Spiel findet, nicht direkt abspielen kann, sondern dafür ins Menü muss. Hier sind nämlich sehr wohl Hintergrundinfos enthalten, die zwar nicht direkt im Spiel weiterhelfen, aber gelegentlich einen tieferen Einblick gewähren.
Während unseres Abenteuers erfahren wir zumindest, dass die Ordensritter bereits seit Jahrhunderten für Recht und Ordnung im Vereinigten Königreich sorgen, denn dank der geheimnisvollen Flüssigkeit, "Schwarzwasser", aus dem Heiligen Gral, werden Wunden und Verletzungen wie von Geisterhand geheilt und ein längeres Leben ermöglicht. Warum man dennoch alt und grau wird, ist eine andere Frage. Überhaupt bleiben während des Spiels und am Ende viele Fragen offen, vielleicht erwartet uns ja eine Fortsetzung die etwas Licht ins Dunkel bringt?
Großartige Optik, tolle Sprecher und ein schnelles Ende
Die Grafik habe ich bereits mehrfach gelobt und tue es an dieser Stelle gerne noch einmal. Besonders der nahtlose Übergang zwischen Gameplay und Zwischensequenzen und natürlich die Liebe zum Detail bei Ausrüstung und Waffen, sowie die Mimik und Animationen der Charaktere wissen zu gefallen. Das ist wirklich toll gemacht und zeigt natürlich auch wunderbar, was man aus der PlayStation 4 herausholen kann. Dank verschiedener Schauplätze gibt es in der relativ kurzen Spielzeit eine gute Portion an Abwechslung und auf jeden Fall auch tolle Momente, die einem in Erinnerung bleiben - wie damals, die Szene im Zug bei Uncharted 2. Wirklich gut sind auch die Sprecher, nicht nur in der englischen Originalfassung, die im übrigen auf der Disc enthalten ist, auch in der deutschen Version überzeugt die Synchronisation der Charaktere.
Doch auch die schönste Grafik, die durch das Szenario leider sehr oft düster und trist gehalten ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man hier viel Potential verschenkt hat. Daher bleibt das Spiel ein zweischneidiges Schwert, super inszeniert und optisch ohne Zweifel erhaben, aber mit einem anspruchslosen Gameplay. In den rund 8 Stunden Spielzeit habe ich zwar viel interessantes gesehen und auch erlebt, aber nur wenig davon verstanden. Sechzehn Kapitel und dazu noch ein Prolog und Epilog, das klingt nach viel, schlussendlich sind das aber nur Zahlen. Was man will sind Antworten und irgendwie will ich auch mehr von The Order 1886, spätestens nach dem Cliffhanger ...
Fazit von Darius:
Aller Kritik und dem Geschrei zum Trotz, das in der Launchwoche über The Order 1886 hereinbrach, mir hat der Spielfilm gut gefallen. Aber, es wurde leider auch unglaublich viel Potential verschenkt. Die Story kommt nur langsam in Fahrt, klingt interessant, bleibt aber immer eine gewisse Tiefe und vor allem viele Antworten schuldig - insbesondere am Ende des rund 8 stündigen Ritter-Dramas. Eine großartige, detailreiche Grafik und abwechslungsreiche Schauplätze, sowie die tollen Synchronsprecher und die passende Musikuntermalung kann man dem Spiel auf der Habenseite nicht absprechen. Dafür wirkt das recht anspruchslose Deckungs-Shooter-Gameplay, welches zwar gut funktioniert und mit interessanten Waffen und Gadgets garniert ist, sowie die häufigen QTE-Einlagen, nicht sonderlich innovativ und spannend. Möglicherweise ist eine Fortsetzung geplant, denn schlussendlich fühlt sich The Order 1886 an, als würde etwas fehlen. Nicht nur deswegen würde ich mir mehr Geschichten aus dem viktorianischen London wünschen, denn ein unverbrauchtes Steampunk-Szenario mit allem Drum und Dran, sieht man leider viel zu selten. Besitzer einer PlayStation 4 sollten sich das Spiel dennoch nicht entgehen lassen und spätestens bei einem guten Angebot zugreifen.
- Interessantes Steampunk-Szenario
- Großartige, detailreiche Grafik und Effekt
- Tolle filmnahe Inszenierung und Atmosphäre
- Gute und überzeugende Synchronsprecher
- Ansprechende Musikuntermalung
- Abwechslungsreiche Schauplätze
- Kaum Ladeunterbrechungen
- Anspruchsloses Deckungs-Shooter-Gameplay und lineares Level-Design
- Story-Unklarheiten und offene Fragen
- Ständige Tutorial-Hilfs-Texte
- Sinnfreie Sammelobjekte
- Recht kurze Spielzeit (ca. 6-8h)
Darius hat The Order: 1886 auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Sony CEE zur Verfügung gestellt.
#1 | 28. März 2015 um 22:56 Uhr