NBA 2K16 - Review

Der Spruch "Aller guten Dinge sind drei" ist nicht nur eine nett gemeinte Aufmunterung, sondern hat beim Basketball im Bezug auf den erstrebenswerten Dreipunktewurf eine weitere Bedeutung. Relevant ist er aber auch für das Entwicklerstudio Visual Concepts, die mit NBA 2K16 ihren dritten Anlauf in der aktuellen Konsolengeneration wagen, um zur Größe vergangener Tage zurück zu finden. Wie sie dieses Vorhaben trotz eines großen Stolpersteins mit Bravour gemeistert haben, erkläre ich euch in meiner Review.

Obwohl die 2K-Reihe in den letzten Jahren kommerziell immer größere Erfolge verbuchen konnte, zeigten sich Fans und Kritiker gleichermaßen dezent enttäuscht über die ersten beiden Gehversuche auf der PlayStation 4 und der Xbox One. Es waren zweifelsohne solide Sportpiele, jedoch vom Spielgefühl her weit entfernt von NBA 2K11, dem wohl besten Sportspiel aller Zeiten. Während die Entwickler die Zusammenarbeit mit Prominenten zuvor größtenteils auf die Auswahl des Soundtracks beschränkten, gingen sie dieses Jahr einen Schritt weiter und engagierten Regisseur und Emmy-Preisträger Spike Lee, um das Herzstück der 2K-Serie, den MyCAREER-Modus, stilgerecht in Szene zu setzen.


Stereotypen auf und neben dem Basketballplatz



Die Idee, den herausragenden Karrieremodus in eine Geschichte zu verpacken und dies dann auch noch von einer echten Größe realisieren zu lassen, klingt fantastisch, entpuppt sich aber bereits in den ersten Spielstunden als Flop. Spike Lee wirft mich in eine virtuelle Welt hinein, die vor Klischees und Oberflächlichkeiten leider nur so strotzt: Der Protagonist Frequency Vibrations, kurz genannt Freq, wächst als Teil einer armen, ihn allerdings liebenden Familie in Harlem auf und lernt von seiner ihn scheinbar auf Schritt und Tritt verfolgenden Stiefschwester Cee-Cee das Basketball spielen. Pikant ist herbei, dass sich das Setting unabhängig von der Erstellung meines Spielers in keiner Weise ändert. Selbst als weißer 2,10 Meter-Hüne, der aus Deutschland stammt, wachse ich als Freq im Ghetto auf.

Im Verlauf der Story absolviere ich zunächst ein paar Spiele in der High School, woraufhin ich aufs College wechsle, bis ich es nach einer kurzen Saison endlich als Rookie in die NBA schaffe. Begleitet wird der langwierige Weg zum NBA-Superstar von teils über zehn Minuten andauernden Zwischensequenzen, in denen die Leute in meinem bzw. Freqs Umfeld ständig Drama provozieren. Der schmierige und geldgeile Italo-Agent Dom Pagnotti gerät mit meinen Eltern und meiner Schwester aneinander, während das rätselhafte Verhalten meines Kindheitsfreundes Vic Van Lier den Teambesitzer erzürnt und meine Freundin Yvette, in die ich Hals über Kopf verliebt bin, versteht sich nicht gut mit meiner Schwester. Stress pur! Darüber hinaus fällt hier die trotz Motion Capturing schlechte Lippensynchronisation negativ auf und auch die Hintergründe können grafisch keinen Blumentopf gewinnen. Das sah selbst in NBA 2K14 schon wesentlich besser aus!

Zum Glück ist die Geschichte nach der Rookie-Saison beendet und ich kann die zuvor von mir vermisste Entscheidungsfreiheit voll ausleben. Als Free Agent bestimme ich in knallharten Vertragsverhandlungen, für welches Team ich in Zukunft den Ball durch den Korb jagen werde. Des Weiteren kann ich selbst wählen, wie ich die freien Tage zwischen den einzelnen Spielen verbringe. Treffe ich mich mit bekannten Gesichtern der NBA-Welt, um so etwaige Boni freizuschalten, besuche ich lieber das Mannschaftstraining, um mir in Drills nützliche temporäre Attributsteigerungen zu erarbeiten oder absolviere ich öffentliche Auftritte für Sponsoren, um mir etwas Virtual Currency, kurz VC, dazu zu verdienen?


NBA 2K16
Stephen Curry wird von den Zuschauern fanatisch angefeuert.


Letzteres ist besonders zu Beginn der Karriere eine gute Wahl, denn mit VC werden nicht nur die Attribute des eigenen Spielers verbessert, sondern Wurf- bzw. Dribbel-Animationen von NBA-Stars gekauft, der Kleiderschrank des eigenen Spielers gefüllt sowie kosmetische Veränderungen an der eigenen Basketballhalle, dem Schaltzentrum des Karrieremodus, bezahlt. Da die Käufe von Gegenständen und Attributsteigerungen nicht rückgängig zu machen sind, sollte man diese mit Vorsicht und Bedacht in Erwägung ziehen. VC erhält man in verhältnismäßig geringer Menge nach Beendigung jedes Spiels , durch das Schauen der jeden Freitag neu erscheinenden Folge von NBA2kTV oder mit Hilfe der Smartphone-App MyNBA2k16. Ungedulgige Spieler können jedoch den realen Geldbeutel zücken, um sich mit VC einzudecken und so den Prozess des Grindens zu überbrücken.

Ein hochgezüchteter MyPLAYER ist nämlich in den Spielmodi Pro-Am und MyPARK stark von Vorteil. Ersteres ist die 2k-Variante vom Pro Clubs-Modus des jüngst von mir getesteten FIFA 16 -in richtig gut. Mit bis zu vier Freunden, die allesamt ebenfalls ihre MyPLAYER-Kreation verwenden, kann man seine eigene Mannschaft gründen, inklusive Erstellung eigener Trikots und einer bis ins kleinste Detail editierbaren Arena, um sich darauf hin mit Teams aus aller Welt zu messen, um die Spitze der Ranglisten zu erklimmen. Sind gerade mal keine Kumpanen vorhanden, stürzt man sich dank Instant Matchmaking ohne lange Wartezeit mit neun anderen Spielern in einem Freundschaftsspiel ins Parkett-Gefecht. Im MyPARK-Modus dagegen entscheidet man sich zunächst dafür, welcher der drei in Rivalität stehenden Stadtbezirke von Rivet City repräsentiert werden soll. Jeder Sieg in den für Street Basketball typischen Pick-Up-Games mit bis zu drei weiteren Mitspielern geht dann auf das wöchentliche Konto des eigenen Stadtbezirks und ist relevant für den Showdown am Ende der Saison. Das Aufsteigen in einem Prestige-System motiviert indes zusätzlich.

Allein diese beiden Spielmodi garantieren jeweils Spielspaß für mindestens ein ganzes Jahr weitüber das Ende der aktuellen NBA-Saison hinaus, was für Veröffentlichungen in dieser Konsolengeneration fast schon fremdartig zu sein scheint. Ferner stehen ebenfalls reguläre Online-Ligen und einige verschiedene Manager-Modi zur Auswahl. Während einem im MyGM-Modus die volle Kontrolle über die Leitung des Vereins inklusive finanzieller Organisation und Ausstattung der Arena gegeben wird, beschränkt man sich im MyLEAGUE-Modus traditionell eher auf die Aufgaben des Trainers wie beispielsweise die Kadergestaltung und sorgt dafür, dass in erster Linie auf dem Platz Erfolge verbucht werden können. Letzteres lässt sich in der diesjährigen Iteration wieder online mit Freunden erleben, was den Kampf um die Krone noch spannender und intensiver werden lässt. Visual Concepts kann außerdem so wie die Sportspiele von EA mit einem Sammelkartenspiel-Modus namens MyTEAM aufwarten, in dem man, wie von der Konkurrenz gewohnt, sein Team primär durch den Einsatz des eigenen Taschengeldes aufwerten kann. Besonders bei NBA 2K16 ist der Einstieg ohne den Aufwand finanzieller Spritzen unglücklicherweise sehr zäh und langwierig. Hat man aber vor allem durch die Freischaltung der Boni im MyCAREER-Modus erste Goldkarten gesammelt, ist hier ebenfalls zeitlich schier unbegrenzter Spielspaß zu genießen.


NBA 2K16
Selbst die "Monobraue" von Anthony Davis ist originalgetreu dargestellt.


Der Platzhirsch schwingt die Hufe



Eine der größten Stärken der NBA-Reihe ist nicht erst seit dieser Konsolengeneration die visuelle Präsentation des Spielgeschehens. Diese lässt sich dieses Jahr wohl mit keinem anderen Wort als atemberaubend bezeichnen und sucht wohl auch außerhalb des Sportgenres ihresgleichen. Bei einem Freundschaftsspiel zwischen den letzten Finals-Kontrahenten der Cleveland Cavaliers und der Golden State Warriors kommentieren nach Auswahl der Teams zuerst die vom Fernsehsender TNT bekannten Experten Shaquille O'Neal, Kenny Smith und Ernie Johnson die anstehende Partie. Die drei haben nicht nur stets einen flotten Spruch auf den Lippen, sondern überbrücken so die generell schon kurzen Ladezeiten.

Auch in der Halbzeit und nach dem Spiel melden sich die Experten nochmals zu Wort. Nach der Analyse wird das Spiel dann durch einen TV-reifen Zusammenschnitt der Fähigkeiten von einem der Star-Spieler, in diesem Fall Stephen Curry, eingeleitet. Untermalt werden diese Clips vom hervorragenden Soundtrack, der von DJ Premier, DJ Mustard und DJ Khaled zusammengestellt wurde, insgesamt über rund 50 Songs verfügt und von Oldschool Hip Hop bis zu aktuellen Dance-Hits alles abdeckt und keine Wünsche offen lässt. Anschließend gleitet der Blick in die gefüllte Arena, in der sich die fotorealistisch aussehenden Akteure vor Beginn der Partie aufwärmen, während sie von den Fans frenetisch bejubelt werden. Letztgenannte schreien vor allem dann auf, wenn King LeBron James sein gewohntes Ritual ausführt und eindrucksvoll etwas Kreide in die Luft wirbelt.

Kaum ist dies geschehen, verkündet das Kommentatoren-Team um Kevin Harlan, Clark Kellogg und Greg Anthony die Startaufstellung der beiden Mannschaften. Generell können diese drei allezeit eine nette Anekdote einwerfen und kommentieren die Begegnung stets passend und spannend. Schließt LeBron James beispielsweise nach einem Ballgewinn den Konter mit einem spektakulären Dunking ab, so wird dies von den Fans und den Kommentatoren gleichermaßen gefeiert. Die Interaktion der Konkurrenten auf dem Spielfeld wiederum ist ein Resultat insgesamt tausender, individueller Animationen und einfach nur eine Augenweide. Komplettiert wird der fantastische Eindruck von der mit zunehmender Spieldauer stärker auftretenden Schweißbildung auf der Haut der Spieler. Der Schweiß rinnt an Gesicht und Armen herunter und wird durch die imposante Arenabeleuchtung famos gespiegelt. All dies zusammen natürlich in gestochen scharfen 1080p und mit konstant flüssigen 60 Bildern pro Sekunde!

Auf dem Platz selber behält man dank der überaus präzisen Steuerung stets die Kontrolle über das Spielgeschehen, solange man diese verinnerlicht hat, versteht sich. Leider bietet das Spiel für Einsteiger kaum Tutorials oder Möglichkeiten, die mitunter sehr facettenreiche Steuerung effizient zu trainieren. Da bleibt einem dann nichts übrig, außer Überstunden in der Trainingshalle zu verbringen oder Lehrstunden von der KI erteilt zu bekommen. Es ist aber nichts zufriedenstellender als nach einer gewissen Einarbeitungszeit Dribbling-Move an Dribbling-Move reihen zu können und so den Verteidiger schwindlig zu spielen. Ebenfalls erwähnenswert ist die Integration des neuen Pick&Roll-Systems. Dies ist einer der Standard-Spielzüge im Basketball und funktioniert in NBA 2K16 fast schon zu gut. Zumindest meistens, denn hin und wieder kommt es vor, dass der abrollende Spieler nicht geradewegs auf den freien Korb zuläuft, sondern etwas diagonal versetzt und damit dem Verteidiger oft in die Arme. Das kann sehr ägerlich sein, kann aber wohl durch einen Patch ohne großen Aufwand behoben werden.



Predator

Fazit von Kevin:

Visual Concepts hat mit NBA 2K16 das wohl beste Spiel der Serie seit NBA 2K11 auf die Beine gestellt. Die visuelle Aufmachung sucht ohnehin ihresgleichen und das Spielgeschehen wurde an den richtigen Stellen entscheidend verbessert. Zwar ging die Rekrutierung von Spike Lee nach hinten los, zeigt aber auf, in welche Richtung sich Storytelling in Sportspielen in den nächsten Jahren entwickeln kann. Sicherlich wird sich das Entwicklerstudio die Kritik zu Herzen nehmen und nächstes Jahr mit einem noch besseren Karrieremodus aufwarten können. An der Anzahl und dem Umfang der restlichen Spielmodi lässt sich hingegen wenig kritisieren und diese können für unzählige Stunden an den Bildschirm fesseln.

Jeder, der sich auch nur im Ansatz für Basketball interessiert, sei der Kauf wärmstens empfohlen, wobei Anfänger aufgrund der fehlenden Tutorials etwas Frustresistenz mitbringen sollten.

Besonders gut finde ich ...
  • fantastische Grafik
  • volles NBA-Lizenzpaket samt Euroleague-Teams
  • Langzeitspielspaß aufgrund unzähliger Spielmodi
  • hervorragender Soundtrack
  • TV-nahe Präsentation
  • wunderbare Kommentatoren
  • butterweiche Steuerung
  • neues Pick&Roll-System
  • humane Ladezeiten
Nicht so optimal ...
  • Geschichte durchweg schlecht umgesetzt
  • gelegentliche KI-Probleme
  • kaum Tutorials für Einsteiger
  • teils instabile Server

Kevin hat NBA 2K16 auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von 2K Games zur Verfügung gestellt.

NBA 2K16 - Boxart
  •  
  • Entwickler:2K Sports
  • Publisher:2K Games
  • Genre:Sportspiel
  • Plattform:PC, PS3, PS4, Xbox360, Xbox One
  • Release:29.09.2015