Lego Marvel Avengers - Review
Avengers Assemble oder gemeinsam unbesiegbar!
Vielleicht gibt es da draußen immer noch jemanden, der noch nie in seinem Zockerleben mit einem Videospiel aus der Lego-Serie in Kontakt gekommen ist: Bravo! Du hast in den vergangenen elf Jahren ganze 17 Titel verpasst (oder sollte ich sagen: verschlafen!). Nun haben sich die Macher von TT Games mit Lego Marvel Avengers ein zweites Mal an die Superhelden rund um Iron Man und Captain America gewagt - 2013 erschien bereits Lego Marvel Super Heroes. Ob das Klötzchen-Abenteuer auch in seiner neuesten Auflage überzeugen kann oder die bewährte Lego-Formel lediglich ein weiteres Mal aufgekocht wird, erfahrt ihr in meiner Review.
Ein Lego-Kreislauf aus kindlicher Zerstörung und sofortigem Wiederaufbau
Das eigentliche Gameplay besteht darin, dass ich mich als putziger Lego-(Super)-Held durch Levelkaskaden bewege, die jeweils den Originalszenen der Filme nachempfunden sind, auf denen das Spiel basiert. Nach Herzenslust kann ich das Mobiliar zertrümmern, um daraus – wenn die klappernden Steine dies andeuten – etwas Neues entstehen zu lassen. Der Kreislauf aus kindlicher Zerstörung und sofortigem Wiederaufbau ist ein weiterer essenzieller Bestandteil jedes Lego-Spiels. Die Gegenstände, die daraus entstehen, rufen wiederum die Spezialkräfte eines meiner Helden auf den Plan. In Lego Marvel Avengers ist es zum Beispiel so, dass nur Captain America Flammen löschen oder eine bestimmte Schalter-Form mit seinem Schild aktivieren kann. Und wenn es darum geht, Energiequellen mit der nötigen Power zu versorgen, muss wiederum Thor's Hammer zum Einsatz kommen. Da ich jeweils im Team mit zwei oder mehr Charakteren antrete, muss ich zudem permanent zwischen den Superhelden hin- und herschalten, um die verschiedenen Aufgaben meistern zu können. Manchmal geht es einfach nur darum, eine Leiter auf einer höheren Ebene zu aktivieren, damit der Rest des Teams nachziehen kann oder Hulk und Black Widow erklimmen im Huckpack-Lauf eine Felswand. Die Kombination der Figuren und ihrer Fähigkeiten ist ein absoluter Plus-Punkt des neuen Lego-Spiels: nie war es cooler die beiden Zwillinge (hier bitte den eigenen Lieblingshelden einsetzen) spielen zu können.
Insgesamt lassen sich 200 Figuren aus dem Marvel-Universum freischalten
Dass im neuen Lego-Abenteuer nun auch Open-World-Elemente und Fahrzeuge zum Zug kommen und darüber hinaus ein Split-Screen für zwei Spieler eingebaut wurde, ist nur ein Aspekt. Viel wichtiger ist aber, welcher Filmstoff letztendlich für das Gameplay Pate gestanden hat. Im Fall von Lego Marvel Avengers sind dies neben den Handlungssträngen aus dem ersten Avengers-Film und dessen Nachfolger Age of Ultron noch Captain America: The First Avenger, Iron Man 3, Thor: The Dark World und The Return of the First Avenger. Insgesamt können innerhalb der Storykampagne und der acht frei begehbaren Areale, die sich im Anschluss an den Abspann erkunden lassen, rund 200 Charaktere freigeschaltet und gespielt werden. Die neuen, optionalen, Gebiete umfassen die Straßen von New York sowie Asgard, Bartons Farm, Malibu, das Äußere der S.H.I.E.L.D.-Basis, Sokovia, Südafrika und Washington, D.C. In New York lassen sich 41 neue Figuren freischalten. In den anderen Gebieten sind es jeweils zehn.
Der Einstieg in das Spiel ist genauso actiongeladen, wie seine cineastischen Vorbilder. Der Sturm auf die Festung des bösen Barons von Strucker aus Age of Ultron beginnt damit, dass ich mit dem Helden-Duo Hawkeye und Black Widow in die Handlung einsteige. Während Hawkeye Pfeile verschießt, scannt Black Widow nach verborgenen Lego-Steinen, die sich innerhalb des Levelabschnitts befinden. Wenn ich an einen Punkt komme, an dem die Spezialkraft eines Helden zwingend zum Einsatz kommen muss, um ein Rätsel zu lösen, ploppt ein übergroßes Avengers-Symbol auf dem Bildschirm auf, das wiederum ein Tutorial enthält und mir erklärt, welche Figur die passende Superkraft mitbringt. Im nächsten Abschnitt geht es mit Hulk und Iron Man weiter. An dieser Stelle mache ich erstmals Bekanntschaft mit den diversen Flug-Anzügen von Tony Stark und deren Laser-Beam-Eigenschaften, mit denen ich Wände auffräsen kann.
Neben laufen, springen, fliegen und kämpfen kommen auch noch andere Gameplay-Varianten zur Anwendung. Mehrmals wird das Spiel zu einem Arcade-Shooter à la R-Type und Gradius umfunktioniert. Wie entfesselt fliege ich zu Beginn um die Hydra-Festung und beharke die Gegner mit Dreifach-Schüssen, Energiefeldern, die mich einhüllen und die Feinde zerschmettern, und einem tödlichen Feuer-Ring. Dies ist alles sehr schnell, aber auch ein bisschen in over-the-top-Manier inszeniert. Will heißen: so groß das Gewusel auf dem Bildschirm auch sein mag, der Schwierigkeitsgrad ist und bleibt mehr als moderat. Hierzu passt auch, dass in Lego Marvel Avengers natürlich in keinster Weise gestorben wird. Stattdessen findet ein unendliches Respwan-Festival meiner Figur statt, wodurch die Action immer und immer weiter fortgesetzt wird und praktisch keine Unterbrechung kennt. Auch die dunkleren Töne der Filmvorlagen wurden entweder kindgerecht geglättet oder gleich ganz weggelassen.
An manchen Stellen regiert der Chaos-Faktor und die Frage: Wo geht es weiter?
An dieser Stelle, also relativ am Anfang, bin ich bei der von mir getesteten Version auf der PlayStation 4 auf einige Bugs gestoßen, die ich der Vollständigkeit halber erwähnen will. Nachdem ich wieder aus der Luft zu meiner Figur am Boden geschaltet hatte, blieb mein Klötzchen-Held in einer Sackgasse stecken, aus der ich mich nicht mehr befreien konnte. Die einzige Lösung war der komplette Neustart dieses Abschnitts. Ein zweiter Bug führte dazu, dass mein Kampfflieger in einer der Arcade-Sequenzen permanent explodierte, was auch hier eine Wiederholung der kompletten Sequenz erforderlich machte. Zudem gibt es hier und da ein paar kleine Grafikfehler, indem Gegenstände durch Wände ragen, etc. Dies fällt aber in der Gesamtbetrachtung kaum negativ ins Gewicht und wird sicherlich durch den ein oder anderen Patch behoben werden.
Mich stört nur eines: Manchmal ist das Gameplay-Design schlicht und einfach konfus und das Spiel sagt mir partout nicht, wo es weitergehen soll. Ich habe wirklich gedacht: "Hey, das ist ein Kinderspiel und es kann einfach nicht sein, dass du jetzt wirklich nicht weißt, wo es als nächstes hingeht". Trotzdem taucht dieser Chaos-Faktor gleich an mehreren Stellen im Spielverlauf auf. Viel wichtiger ist die Inszenierung der Handlung und die bietet Lego-Unterhaltung auf Top-Niveau und eine Menge "production value". Ich kämpfe auf einem durch die Landschaft rasenden Zug im Schnee, erkunde die S.H.I.E.L.D-Basis und den Helicarrier. Vor allem letzterer ist grafisch beeindruckend umgesetzt. Ich möchte fast sagen: Für ein Lego-Spiel, aber dies würde der Umsetzung in keinster Weise gerecht werden.
Nach den ersten Level-Abschnitten geht es in ein Stadt-Areal, womit die ersten Open-World-Elemente des Spiels (quasi ein Lego-GTA im Miniformat) eingeführt werden. Hier kann ich mich mit einem Fahrzeug frei bewegen. Ab hier hatte ich das Gefühl, dass das Tempo des gesamten Spiels merklich anzog und die Videospiel-Regisseure bis zum Hulkbuster-Finale, was im Übrigen auch eine geniale Spielsequenz darstellt, die volle Beschleunigung halten konnten. Es gibt einfach so viele Highlights, die Fans der Marvel-Serie jubeln lassen. Mir hat die Inszenierung der Flashbacks, entnommen aus Age of Ultron, am besten gefallen. Jeder Superheld wird darin mit einem weniger schönen Kapitel seiner Vergangeheit konfrontiert. Der Zusammenschnitt aus animierter Zwischensequenz und kurzen Spiel-Passagen ist grandios. Auch die von klassischer Musik unterlegte Konfrontation mit Loki auf dem Stuttgarter Schlossplatz (!) ist absolut kinotauglich. Am Ende nur noch eins: Marvel-Profis wissen natürlich, dass sie nach dem Ende der Storykampagne, wenn der Abspann über den Monitor läuft, noch geduldig dessen Ende abwarten.
Fazit von Jari:
Machen wir uns nichts vor: Würde man das allererste Lego-Spiel aus dem Jahr 2005, damals noch mit der Star Wars-Lizenz, neben den neuesten Ableger legen, der ja nun elf Jahre und zwei Konsolengenerationen später entstanden ist, wären die Unterschiede in Gameplay und Design marginal. Es gibt nun Fahrzeuge, ein bisschen Open-World und schärfere Texturen, doch der Kern der Lego-Idee blieb über die Zeit gesehen praktisch unverändert. Und ich sage euch noch was: Das macht mir überhaupt nichts. Solange die Macher von TT Games einen derart coolen Fanservervice abliefern und dabei auch noch ohne die ganz groben Schnitzer auskommen, mache ich den Spaß gerne auch zum 18. Mal mit. Immerhin ist die Serie jetzt volljährig. Das einzige, was mich kolossal nervt, ist die starre Kameraperspektive, die dazu führt, dass ich manchmal mit meinem Lego-Helden in Bereiche hineinlaufe, die hinter einer Wand verborgen und für mich nicht einsehbar sind. Hier bin ich von aktuellen Spielen einfach anderes gewohnt. Die Design-Entscheidung ist für mich umso unverständlicher, als dass es diese Freiheit ja in einigen Abschnitten gibt. Warum nicht überall? Beim Griff zum Controller fühle ich mich aber unter dem Strich fast so wie Drew Barrymore in „50 erste Dates“. Ich verliebe mich immer wieder aufs Neue in dieses Spiel. Egal, was früher war.
- tolle Umsetzung der Marvel-Film-Welt
- witzige Dialoge mit viel Humor
- liebevoll gestaltete Charaktere
- 1A-Soundtrack
- Stan Lee
- es gibt Hühner und Milchshakes
- immenser Fanservice durch 200 spielbare Figuren
- bewährte Lego-Formel
- ...wurde um Fahrzeuge und Open-World-Elemente erweitert
- die virtuelle Kamera lässt sich nur in einigen Abschnitten drehen
- keine automatischen Speicherpunkte
- starrer Kamerawinkel erschwert Orientierung
- wenige Bugs und Glitches
- Aktionspunkte nicht immer sofort ersichtlich
- bewährte Lego-Formel
- ...wurde lediglich um Fahrzeuge und Open-World-Elemente erweitert
Jari hat Lego Marvel Avengers auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Warner Bros. Interactive zur Verfügung gestellt.