Street Fighter V - Review

Es ist soweit. Mit Street Fighter V schickt Capcom DEN Beat-'em Up-Klassiker schlechthin in die offiziell fünfte Runde. Nach einigen weniger erfolgreichen Ablegern zu Anfang dieses Jahrtausends schaffte der Vorgänger, Street Fighter IV, den Anschluss an die Klassiker aus den 90ern. Mit vertrauter 2D-Mechanik bei gleichzeitig zeitgemäßer Grafik konnte das Spiel nicht nur die Fachpresse, sondern auch viele alte und neue Fans für sich gewinnen. Ist das überhaupt noch zu toppen? Nun, der neuste Ableger der Reihe sieht nicht nur einen Ticken besser aus, sondern spielt sich auch angenehmer, womit die Antwort klar zu sein scheint. Wäre da nicht die Sache mit dem Inhalt ...

Street Fighter wird immer einen besonderen Platz in meinem Gamerherzen haben. Das liegt aber nicht daran, dass ich der große Wettkampfspieler bin, denn der bin ich ganz gewiss nicht. Ehrlich gesagt besitze ich noch nicht einmal einen Fightstick. Grund dafür ist, dass mich Street Fighter schon von klein auf begeistert hat. Meine erste Begegnung mit dem Spiel hatte ich bereits mit sieben Jahren auf einer Rollerblade-Indoor-Bahn in München (ja, sowas gab es in den 90ern). Dort stand er, der Street Fighter II Arcade-Automat.

Nachdem ich bei den Eltern etwas Kleingeld ergattern konnte, ging es los. Ich entschied mich für Chun-Li und mit "Round One – Fight" wurde mein erster Kampf eingeleitet. Dem Schwierigkeitsgrad der Arcade-Automaten geschuldet ging die Runde nicht besonders lange und Ken entschied den Kampf mit einem Shoryuken für sich. Da war sie geboren, meine Begeisterung für Street Fighter II, und da weder ich noch meine Eltern im Besitz eines Super Nintendos waren, folgten viele, viele Kämpfe bei Freunden zuhause. Ein besonderes Highlight war dann, als ich zum ersten Mal Street Fighter II Turbo spielen durfte und endlich als Vega kämpfen konnte, der mir bis dato die größten Probleme bereitet hat. Das konnte nur durch Super Street Fighter II – The New Challengers getoppt werden. Die 16 Kämpfer haben es sogar in die Anime-Verfilmung Street Fighter II - The Animated Movie und die Anime-Serie Street Fighter II Victory geschafft.

Anschließend ging es mit der Popularität jedoch bergab. Zu versuchsfreudig waren die Herrschaften bei Capcom. Die Wende kam 2008 mit Street Fighter IV und hier bin auch ich wieder mit eingestiegen. Nun möchte Capcom den Erfolg des Vorgängers toppen und schickt sein jüngstes Kind mit der Nummer 5 in den Ring. Ob mich das Spiel ebenso begeistern kann?


Street Fighter V
Laura ist eine der vier neuen Kämpfer und zählt zu den Grappling-Charakteren.


Prinzipiell makellos!



Street Fighter V hat nicht ganz unverdient vieles an Kritik erfahren müssen, doch bevor ich mich den Kollegen in einigen Punkten anschließe, möchte ich auf alles Positive eingehen. Bereits der Vorgänger konnte mit sauberer und zeitgemäßer Grafik bei einem ganz persönlichen Artstyle überzeugen. Darauf baut Street Fighter V auf und bekommt neben Full-HD-Auflösung (PS4) auch schönere Texturen und vor allem Schatten und Belichtungseffekte spendiert. Ich selbst bin zwar kein großer Fan davon, dass Karins Gesicht mindestens zwei Mal in ihre riesigen Hände passt, Chun-Lis Oberschenkel Ausmaße haben, bei denen Profiradfahrer neidisch werden, und Ryus Füße wirken wie diese Betonklötze, die zum Halt von Straßenschildern dienen. Letzten Endes bleibt es aber Geschmackssache und sicherlich hat auch der Comic-Look seine Fans.

Im Sounddepartment hatte ich meine größte Freude nicht nur daran, dass der nervige Ringsprecher in den Ruhestand geschickt wurde (vielen Dank dafür!), sondern vor allem an den Themes. Ich konnte zwar bereits beim letzten Teil mit sehr viel Fantasie die Originalthemes aus Street Fighter II heraushören, allerdings waren sie – ganz nach Manier elektronischer Musik – nahezu zur Unkenntlichkeit "verremixt". Bei Street Fighter V spendiert Capcom den Kämpfern hingegen würdige Neuauflagen, wovon besonders Kens Theme hervorsticht. Wenn ihr erst einmal mit Ken gegen Ryu kämpft und der passende Sound die Szenerie untermalt, ist das Nostalgie pur!


Neue Kämpfer, neue Kampftechniken



Insgesamt stehen euch (bislang) 16 Kämpfer zur Auswahl. Neben Ryu, Ken, Chun-Li, Cammy, Zangief, Dhalsim, Vega und M. Bison aus der Street-Fighter-II-Reihe sind auch bekannte Gesichter wie Birdie, Nash, Karin und R. Mika mit von der Partie. Natürlich kommt ein neues Street Fighter nicht ohne neue Kämpfer aus und so wurden dem Roster insgesamt vier Neuzugänge spendiert. Rashid stammt vermutlich aus den Arabischen Emiraten, trägt traditionelle Kleidung und hat einen einzigartigen Kampfstil, der an den Sport Parkour erinnert. Laura ist Brasilianerin und nutzt ein persönlich abgewandeltes Brazilian-Jiu-Jitsu, womit sie zusammen mit R. Mika und Zangief zu den Grappling-Charakteren gehört. F.A.N.G. ist ein schlaksiger Gauner mit unbekannter Herkunft, der mit chinesischem Kempo eine große Reichweite bei überschaubarer Stärke hat. Der letzte Kämpfer heißt Necalli. Über ihn ist nur wenig bekannt, er scheint jedoch alter, aztekischer Herkunft zu sein und mit roher Gewalt zu kämpfen, ohne dabei auf traditionelle Kampfkunst zurückzugreifen. Optisch erinnert er an eine Kreuzung aus Akuma und Blanka. Wer weiß, was der kommende Storymodus alles aufdeckt?!

Es bringen jedoch nicht nur die neuen Charaktere wieder mehr Schwung in die Arena. Auch an den Kampftechniken bereits bekannter Gesichter wurde gefeilt. So unterscheiden sich Ryu und Ken viel stärker als es bisher der Fall war. In den Vorgängern hatte Ryu ein stärkeres Hadouken, während Ken mit seinem Shoryuken-Uppercut mehr Schaden verursacht hat. Zudem unterschieden sich die Würfe der beiden befreundeten Rivalen. Ansonsten hielten sich die Unterschiede – zumindest für Casual-Gamer – in Grenzen. Mittlerweile erinnern nur noch die grundsätzlich ähnlichen Spezialattacken und die Kampfhaltung an den gemeinsamen Lehrer. Auch bei Vega hat sich einiges getan. Er kann jetzt zwischen zwei komplett unterschiedlichen Kampfstilen hin- und herwechseln. Dabei macht er entweder (klassisch) von seiner Kralle Gebrauch oder hängt sie an seine Schärpe und kämpft mit seinen Fingernägeln, die eigentlich mal wieder eine Maniküre nötig hätten.


Street Fighter V
Zwei alte Rivalen treffen aufeinander: Ryu vs Ken.


Technik in Perfektion



Vom technischen Standpunkt her gibt es am Kampfsystem von Street Fighter V absolut nichts auszusetzen. Die vertraute Mechanik aus den 90ern wurde bereits beim Vorgänger wieder übernommen, nachdem die 3D-Ansätze Anfang der 2000er gefloppt sind. Ihr bewegt euch auf der X- und Y- Achse über das Bild, Sidesteps wie bei Tekken oder Dead or Alive gibt es nicht. Die Steuerung ist eingängig, bekannte Tastenkombinationen für Spezialattacken wie Hadouken (unten, unten rechts, rechts + Schlag) oder Shoryuken (unten, rechts, unten rechts + Schlag) gehen leicht von der Hand und auch die Super-Moves bzw. Critical Arts, die bei komplett aufgeladener EX-Leiste eingesetzt werden können, wirken gut platziert und durchdacht. Zusätzlich wurde der sogenannte V-Trigger hinzugefügt. Über die V-Leiste lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Manöver ausführen, die jeweils nochmal auf jeden Kämpfer speziell zugeschnitten sind und sich stark voneinander unterscheiden. Wer sich dafür interessiert, sollte die passenden Charakterguides auf YouTube ansehen. So viel sei gesagt: Sie bringen einen völlig neuen taktischen Aspekt mit in den Kampf und können – richtig eingesetzt – das Blatt schnell wenden.


Der Kern des Spiels



Der Fokus von Street Fighter V liegt ganz klar im kompetitiven Bereich und hierbei noch mehr auf den Online-Duellen. eSports wird großgeschrieben und das hat durchaus positive Folgen. Während Multiplayerkämpfe beim Vorgänger noch häufig unter Lags litten, die mit Slowdowns kompensiert werden mussten, laufen Online-Kämpfe mittlerweile butterweich. Leider war es zu Anfang schwierig, überhaupt einen Gegner zu finden. Trotz der erfolgreichen vorausgegangenen Beta kam es in der ersten Woche nach Release zur Überlastung der Server. Mittlerweile hat Capcom das Problem weitestgehend in den Griff bekommen und das Ganze ist Schnee von gestern, weshalb ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Allerdings gibt es - abgesehen davon - auch einen weiteren Wermutstropfen den Multiplayer betreffend: Inhalt! Ähnlich wie auch beim Singleplayer mangelt es auch dem Multiplayer an Inhalten. Momentan ist es nur möglich, entweder in Freundschaftsduellen gegeneinander anzutreten oder eben in der Liga um Punkte zu kämpfen. Darüber hinaus gibt es (noch) nichts zu tun. Keine Turniere, keine privaten Ligen, keine Team-Kämpfe. Zumindest bisher. Was die Zukunft bringt, ist jedoch ungewiss.


Street Fighter V
Bisher ersetzt der magere Prolog den richtigen Storymodus


Neue Formel



Mit Street Fighter V geht Capcom neue Wege. Bisher wurde eine nummerierte Version gerne ausgeschlachtet und so folgte auf Street Fighter # meist ein Turbo, es ging ein Super bzw. Hyper oder Ultra voraus und häufig wurde auch ein Alpha, EX, Plus oder eine Kombination daraus zwischen Name und Nummerierung gesetzt. Nach dem alten Muster wäre praktisch ein "Ultra Street Fighter EX Plus Alpha V Turbo" denkbar gewesen, bevor der Nachfolger veröffentlicht wird. Mit Street Fighter V soll sich das jedoch komplett ändern. Statt ständig neue Versionen auf den Markt zu werfen, wird das Spiel monatlich mit jeweils einem neuen Kämpfer versorgt, der entweder mit Ingame-Geld oder eben Echtgeld gekauft werden kann.

Weitere Inhalte, die bereits bestätigt wurden, sind ein Herausforderungsmodus, der im März zusammen mit dem Onlineshop folgt und ein richtiger Story-Modus, der für Juni geplant ist und zu welchem es bisher keine genaueren Informationen gibt. Gerüchten zufolge soll das Hinzufügen eines Arcade-Modus in Betracht gezogen werden. Ja, ihr habt richtig gelesen: Der Arcade-Modus und der "eigentliche" Story-Modus sind im Spiel (noch) nicht integriert.


Ganz schön schwach auf der Brust!



Street Fighter V wird als Vollpreisspiel verkauft, fühlt sich jedoch überhaupt nicht danach an. Damit möchte ich dem Spiel nicht unterstellen, dass es wie ein Early-Access-Titel bei Steam wirkt, denn dafür sind Kampfsystem, Grafik und Sound viel zu hochwertig und fehlerfrei. Trotzdem wirkt es unrund, lückenhaft und einfach nicht fertig. Wenn ihr das Spiel startet und im Menü angekommen seid, fällt erstmal auf, dass der Shop noch nicht funktioniert. Auch der Arcade-Modus ist nicht aufgeführt (weil es ihn schlicht und ergreifend nicht gibt) und selbst der sogenannte Story-Modus ist die reinste Lachnummer im Vergleich zu den hochwertigen Animes aus Street Fighter IV. Allerdings soll er auch nur als Prolog für die kommende Story-Erweiterung dienen, die bereits im Juni kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Stellt sich also die Frage, warum ein so lückenhaftes Spiel überhaupt veröffentlicht wird. Die Antwort lautet: eSports. Wäre das Spiel erst im Juni veröffentlicht worden, hätte es an den diesjährigen Turnieren nicht teilnehmen können. Trotzdem zweifle ich an, dass es die richtige Entscheidung war.



Fazit von Kai:

Bei Street Fighter V habe ich gemischte Gefühle. Einerseits fällt es mir nicht leicht, dem Spiel ein schlechtes Fazit zu verpassen. Andererseits: Ließe ich mich durch die gute Präsentation blenden, würde der Text hier in einem euphorischen Sturm der Begeisterung ausarten. Klar, im Kern ist Street Fighter V ein sehr gutes Spiel. Die Mechanik ist nahezu makellos, die audiovisuelle Präsentation sehr gut gelungen und der Nostalgiefaktor wirkt wie das Sahnehäubchen auf dem Fünf-Dollar-Milchshake. Nur leider ist das Glas gerade einmal halbvoll und dabei haben wir den vollen Preis bezahlt. Das ist dann doch irgendwo unbefriedigend und so muss ich bei aller Liebe zum Street-Fighter-Franchise leider sagen, dass ich momentan mit dem Spiel noch nicht zufrieden bin. Vielleicht hätte Capcom mit der Veröffentlichung doch bis Juni warten sollen, denn die bis dahin erscheinenden Charaktere, die Challenges und vor allem die Story-Erweiterung hätten das Spiel vollwertiger erscheinen lassen. Doch hier hat man sich für eSports entschieden und das Spiel schon im Februar veröffentlicht, um letzten Endes bereits 2016 in der Liga mitzuwirken.

Wenn ihr euch sowieso nur online mit anderen duellieren wollt, werdet ihr auch jetzt schon eure Freude an Street Fighter V haben. Gehört ihr aber eher zur Casual-Gemeinde, solltet ihr besser bis Juni warten. Andernfalls werdet ihr das Spiel sehr schnell wieder zur Seite legen.

Besonders gut finde ich ...
  • Kampfsystem leicht zugänglich, gleichzeitig aber anspruchsvoll und schwer zu meistern
  • optisch anspruchsvolle Präsentation mit konstanter Framerate
  • Soundtrack stellenweise mit Nostalgiefaktor
  • plattformübergreifende Duelle
Nicht so optimal ...
  • der richtige Storymodus wird erst im Juni als konstenloser DLC nachgereicht
  • der Ingame-Store war zum Release noch nicht verfügbar (März-Update)
  • viele bekannte Kämpfer von Anfang an (noch) nicht dabei
  • kein klassischer Arcade-Modus! WTF?

Kai hat Street Fighter V auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Capcom zur Verfügung gestellt.


Street Fighter V - Boxart
  •  
  • Entwickler:Capcom
  • Publisher:Capcom
  • Genre:Beat 'em up
  • Plattform:PC, PS4
  • Release:16.02.2016

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Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel, CookieMonster ... und 4 Gästen.
  • Philipp
    #1 | 14. März 2016 um 20:59 Uhr
    UNGESPIELT: KACKSPIEL!1111 #XboxOneHate
  • CookieMonster
    #2 | 15. März 2016 um 23:45 Uhr
    Kann dem so eigentlich zustimmen: Street Fighter V ist ein gutes, aber inhaltlich schwaches Spiel.

    Viel mehr als die fehlenden Modi für Solo-Spieler stören mich persönlich dabei aber Dinge wie die fehlende Bestrafung für das vorzeitige Beenden eines Spiels. Dem geht man mittlerweile zwar nach, aber noch nicht automatisiert. USF4 kam zwar auch ohne Bestrafung aus, die Anzahl der Rage Quitter (teilweise waren es aber auch sicher Verbindungsabbrüche) nahm in den ersten Wochen aber absurde Ausmaße an.

    Eine absolut vertane Chance ist natürlich, dass das Spiel Neueinsteigern keinerlei Hilfe bietet. Das Tutorial ist spärlich und erklärt nicht einmal das Nötigste. Natürlich reicht man die Youtube Videos nach, im Spiel hätte das aber durch Interaktion noch einmal viel viel besser vermittelt werden können. Hoffentlich kommt das noch.
  • Jari
    #3 | 17. März 2016 um 10:32 Uhr
    Selbst wenn ich Prügelspiele mögen würde, wäre Street Fighter nicht meine erste Wahl. Wenn Publisher meinen, halbfertige Spiele unbedingt an einem bestimmmten Datum auf den Markt werfen zu müssen, dann muss dies nicht auch noch unterstützt werden.

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