Apples Appstore. Die millionenschwere Glaskasten-Evolution

Vor etwas mehr als einem Jahr war es soweit und Apples hauseigener Store für die Distribution von "Apps", also Programmen, Spielen und sonstigen Tools für iPhone und iPod Touch, ging online. Die Idee war simpel - Apple bietet eine zentrale Vertriebsfläche für erfahrene, innovative aber auch angehende Entwickler, ein passendes SDK zum angepassten entwickeln und nutzen der iPhone/iPod Touch Möglichkeiten und kassiert dabei 30% des Verkaufspreises. Zu Beginn ging das Konzept auch auf und förderte viele talentierte Entwickler. Doch der Geruch des Geldes lockt auch viele Trittbrettfahrer, was zur Folge hat, dass der AppStore in nur einem Jahr das schaffte, wofür eine ganze Industrie mehrere Jahrzehnte benötigte...

Da ich mein iPhone 3G nun schon einige Zeit habe, habe ich die Geburt des AppStores fast live mitbekommen. Trotz einiger kleinerer Startschwierigkeiten war ich zu Beginn sehr angetan von dem Konzept. Für umsonst bis knapp 5€ rauf konnte man sich dort nach Herzenslust mal mehr mal weniger sinnvolle Programme auf sein Handy schaufeln. Diese waren zu Beginn spärlich, aber unterhaltsam. Einige Spiele waren auch dabei, die vor allem Gebrauch von der Steuerung des iPhone machten - Stichwort Super Monkey Ball. Gut, das war weniger innovativ aber zeigte zumindest mal die Möglichkeiten des Gerätes. Hübsche Grafik, Accelerator-Steuerung und tagelanger Spielspaß für wenig Geld. Soweit das Konzept - wobei ich anmerken möchte, dass es Sega bis heute nicht auf die Reihe bekommt, eine Funktion bei Monkey Ball einzurichten, um sein Gerät zu kalibrieren...

Vom zaghaften Aufstieg...



Wie dem auch sei - das Konzept fand schon relativ bald Anklang und neben einigen Programmen, die wichtige soziale Dienste wie Skype und diverse Instant Messenger abdeckten, wurde der Store vor allem durch immer mehr Spiele gefüllt. Diese waren grafisch zwar meist weniger anspruchsvoll, konnten jedoch mit geschickter Nutzung der Steuerungsmöglichkeiten unterhalten - als Beispiel sei hier Zen Bound genannt, welches auch in der Presse hoch gelobt wurde. Hier musste man durch geschickte Bewegungen des Gerätes eine Holzskulptur mit einem Seil umschlingen. Klingt deppert, war aber absolut fesselnd (hoho!). Entsprechend verkaufte sich das Spiel auch sehr oft und dürfte dem damals noch jungen Entwicklerstudio Secret Exit einiges an Gewinn gebracht haben. Doch auch andere Spiele, wie das klassische Holzlabyrinth nutzen die Möglichkeit des iPhones komplett aus und überzeugen mit perfekter Integration von Bewegungserkennung und Physikverhalten. Dies sollte jedoch erst der Anfang von etwas großem werden.

...jungen Talenten...



Wer den AppStore regelmäßig im Auge hatte und immer die "Neueste Apps" und "Empfohlene Apps" Listen überprüfte, bekam schnell mit, dass binnen weniger Wochen und Monate immer mehr Entwickler Spiele und Programme für Apples Geräte entwickelten. Egal ob neue Spielmechanismen wie oben genanntes Zen Bound oder die Portierung von gefeiertem PC- und Konsolen-Gameplay. Die Zahl der Programme wuchs rasant, ohne jedoch spürbar an Qualität zu verlieren. Einige Beispiele dieser Phase sind das nach wie vor unschlagbare Fieldrunners, welches das klassische Tower Defense Spielprinzip in erfrischend neuer Optik und zahlreichen Updates und Gameplay-Modi auf dem iPhone zu einer Wiedergeburt verhalf. Endlich musste man nicht mehr WarCraft III installiert haben, um in den Genuss dieser spaßigen Spielvariante zu kommen.

Spiele wie Crayon Physics Deluxe waren es dann, die auch die (Multi-)Touchfunktionen beanspruchten und dabei innovative Spielkonzepte förderten. Doch auch klassisches Gameplay wie die damals im Aufschwung befindlichen Musiktitel fanden schnell ihren Weg auf die mobile Plattform - nach wie vor absolutes Highlight dieser Zeit ist Tap Tap Revenge, welches kostenlos die Spielerschaft begeisterte. Nicht nur die steigende Zahl an Songs konnte dabei über Monate hinweg unterhalten, auch die Chance für junge Künstler, deren Titel direkt zum Kauf angeboten wurden, öffnete neue Wege für Vertriebsmöglichkeiten. So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis die Liste an Künstlern, die in das Spiel aufgenommen werden wollten, rapide anwuchs. Vorteile bot dies allen - sowohl den Musikern, als auch den Entwicklern und den Spielern. Logisch, dass bald neben diversen, kostenpflichtigen Band-Versionen auch ein kostenloser, zweiter Teil folgte.

...Stagnation auf Hohen Niveau...



Zu diesem Zeitpunkt der war AppStore schon mit weit über 30.000 Apps gefüllt und wir alle erinnern uns, dass nur kurz darauf der Milliarden-Download-Countdown lief. Natürlich haben aber nicht nur kleinere Entwickler(studios) das schnelle Geld gewittert. EA, Sega, Capcom und wie sie alle heißen, zogen schon bald nach und verfrachteten große Kassenschlager in den AppStore. So fanden sich alsbald Resident Evil, Die Sims, Need for Speed oder auch Assassin's Creed bei den Spielen ein - natürlich mit Preisen, die teilweise jenseits von Gut und Böse anzusiedeln waren. Knapp 10€ zahlte man anfangs für den Undercover-Ableger von Need for Speed, der nicht einmal eine Demo-Version bieten konnte. Die Chance, hier etwas zu kaufen, was einem nicht gefällt, war immens - und immer mehr Entwickler sprangen auf diesen Zug auf. Erst im Nachhinein, als die Verkäufe nachließen, schob man eine Demoversion nach - wenn überhaupt. Trotz dieser Unsitte waren die Titel jedoch nach wie vor qualitativ anspruchsvoll - meist auch dank der großartigen Grafik, die für iPhone-Verhältnisse begeistern konnten.


Trotz der plötzlich Flut an "großen" Games kamen immer wieder kleinere Perlen hindurch, die begeistern konnten. Titel wie Knights Onrush oder Flight Control konnten nicht nur mit billigen Preisen, sondern auch mit angemessener Grafik und erfrischend neuem Gameplay den mittlerweile überfüllten AppStore für sich gewinnen. Jedoch war schon zu dieser Zeit erkennbar, dass die Titel zwar qualitativ nach wie vor überwiegend gut sind, es jedoch an Überfliegern fehlte, die sich wochenlang in den Spitzenpositionen der App-Listen aufhielten. Zu groß war für den gemeinen User das Angebot an Downloadmöglichkeiten, welche mittlerweile die Grenze von 60.000 überschritten haben. Auch die Filter- und Suchlisten waren zu dieser Zeit schon lange ausbaufällig. Das lag vor allem daran, dass immer mehr Klone auf den Markt kamen, die bereits vorhandene Apps dreist (und meist schlecht) kopierten und dafür auch noch immens mehr kosteten - sich aber dennoch gut verkauften. Wenn man nur einmal bedenkt, wie viele Tower Defense-Klone es mittlerweile im AppStore gibt, würde ich hier wohl den Rahmen sprengen.


... und dem schleichenden Zerfall.



Diese Klone waren es auch, die bis heute das Browsen durch den AppStore fast unmöglich machen. Konnte man zu Beginn durch wenige Klicks einen interessanten Titel finden, benötigt es mittlerweile richtige Arbeit, sich in der Flut an Programmen zu den spaßigen Spielen durchzuklicken. In die Apps habe ich schon lange nicht mehr geschaut. Mittlerweile sind die meisten Messenger offiziell erhältlich und außer Skype benötige ich in der Richtung nichts mehr. Onlinebanking, Shazam, Navisoftware und ein App für mein vertelefoniertes Budget, dazu Geburtstagsreminder und ein nettes Tool, welches mir interessante Locations in meiner Umgebung zeigt... mehr hat es nicht geschafft, erhalten zu bleiben. Das mittlerweile drölfzillionste Kamera-Verbesserungs-App juckt sowieso nicht mehr. Wenn eine Kamera scheiße ist, ist es einfach so. Punkt. Und Spiele? Nachdem erst gestern fünf Space-Shooter und drei Autorennen auf der Startseite um Aufmerksamkeit buhlten, konnte ich nur kopfschüttelnd iTunes wieder verlassen. Haben sich all die kreativen Köpfe zu Beginn auf einer einsamen Insel abgesetzt und lassen sich von den Inselschönheiten die Kokosnüsse kraulen oder was ist los?

Der letzte große, nennenswerte Wurf war Real Racing, welches von den Machern des oben genannten Flight Controls kreiert wurde. Das Spiel war nicht nur grafisch eine absolute Revolution, sondern zeigte all den gescheiterten Rennspiel-Versuchen davor, dass man Steuerung, Physik, Spielspaß, Abwechslung und Umfang sehr wohl unter einen Hut bekommen kann. An letzten Punkten scheiterte das nicht minder schlechtere, aber eben nicht ganz so spaßige Need for Speed: Undercover nur wenige Wochen zuvor. Habe ich früher wöchentlich fast schon meinen Geldbeutel leergeblutet für gute Apps und Spiele, bin ich momentan sehr sparsam geworden. Brauche ich wirklich den drölfzigsten Tap Tap oder Tower Defense Klon?


Das Ende vom Lied?



Wer sich jetzt denkt - "Hey, das kommt mir bekannt vor. Das ist doch aktuell auf dem Spielemarkt nicht anders" der wird verstehen, weshalb ich den AppStore als Glaskasten-Evolution sehe. Was hier Apple bzw. die Entwickler innerhalb eines Jahres "geschafft" haben, dafür benötigte die gesamte Spieleindustrie mehrere Jahrzehnte. Vom innovativen Markt bis zum sich selbst ständig selbst kopierenden Spielesumpf. Man bewegt sich im Kreis, bringt Aufgüsse und Fortsetzungen am laufenden Band und wagt sich nicht an etwas neues. Muss ich es wirklich toll finden, dass momentan alle "großen" Spieleserien auf das iPhone gequetscht werden? Ein Civilization auf dem iPhone ist eine Vergewaltigung für jeden Strategen, ein abgespecktes Sims ohne Hausbaufunktion ist nutzlos und Monkey Island mit missratener Steuerung kann mir sowieso gestohlen bleiben. Da wäre dann noch Worms, welches bis heute auf fast keinem Gerät flüssig läuft. Achja, die fünfzig neuen Spiele, die gestern erschienen sind, müsste man auch noch alle durchsichten ...

Wer bei so einem unübersichtlichen Store mittlerweile noch als "Gewinner" dasteht? Eigentlich fast nur einer - Apple. Denn Apple macht mit dem AppStore knapp eine Million Dollar Umsatz. Pro Tag. Tendenz steigend. Das ist natürlich gut für den Geldbeutel - doch für den geneigten Spieler, der durchaus potential gesehen hat und hoffte, endlich eine Alternative zur PSP oder dem Nintendo DS zu haben, der wird sich so langsam Fragen, ob er sich hier nicht gewaltig geschnitten hat. Vielleicht liegt die Lösung ja aber gar nicht so fern, wie man es vielleicht vermuten würde. Eine einfache Überarbeitung des AppStore oder eine etwas striktere Filterung des Angebots würde ja schon helfen. Bis es soweit ist, werde ich mein iPhone wohl mal für etwas ganz revolutionäres verwenden - zum Telefonieren.

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel ... und einem Gast.
  • Darius
    #1 | 16. August 2009 um 22:01 Uhr
    Ja, ziemlich unübersichtlich der Mist und teilweise auch echt krank was für "sinnfreie" Apps dort noch verkauft werden. Ein neue Appstore UI wird dann das Highlight auf der nächsten Applekonferenz   
  • DarkRaziel
    #2 | 17. August 2009 um 17:53 Uhr
    Ja um Sinnvolle App's zu finden muss man schon Suchen.

    Und Geld aus geben muss man auch nicht immer, denn wer warten kann spart auch noch.
    Wie Doom habe ich jetzt auch für 2,39 Euro bekommen statt für 7,99.

    Und wie "Hero of Sparta" wollte ich auch für 1,59 € laden weil mir die Demo so zugesagt hatte. Doch wo ich es laden wollte stand immer das an diesen App (Spiel) gearbeitet wird und sie da einen Tag später kostete es nur noch 0,79 Cent und für diesen Preis wurde ich einige Stunden sehr gut Unterhalten.

    Aber jeden Müll lade ich mir auch nicht nur um mal zu schauen, denn einen Sinn müssen sie auch schon haben damit sie auch Langfristig auf dem iPhone bleiben.
  • Benü
    #3 | 18. August 2009 um 02:12 Uhr
    Beste "Sicherheit" für ein System: Eine offene Platform.
    Hat Sony ja auch mit der PS3 gemacht und man sucht heute noch vergeblich Piraterie auf deren Konsole.
    OK, es gibt da diese "J*ilbreak" geschichte, verstehe aber auch nicht was das bringt.
    Mehr offene Platformen braucht das Land und dann am besten noch in C#, dann bin ich auch mit von der Partie ^^
  • Sören
    #4 | 5. August 2011 um 16:49 Uhr
    teilweise fragt man sich wirklich, warum sich ein Entwickler die Mühe macht und Stunden und Tage damit verbringt eine total sinnlose App zu programmieren. Der Store gehört mal kräftig aufgeräumt. Eine Möglichkeit wäre das Apps bevor sie regulär in den Shop aufgenommen werden eine kurze Bewertungsphase durchlaufen müssen. Sollte in einem geewissen Zeitrahmen die App nicht die gewünschten Bewertungen erhalten darf sie nicht weiter im Store angeboten werden.

    Hier findet ihr noch eine kleine Zusammenstellung sinnloser Apps, das ist echt schon wieder lustig teilweise 8-).
  • Appstar
    #5 | 5. August 2011 um 16:51 Uhr
    Bin absoluter Fan von verrückten Apps  

Hinweis: Der Beitrag ist über 5 Jahre alt, die Kommentarfunktion ist daher mittlerweile geschlossen.