Wer hat Angst vorm bösen Clown?

Wenn man jemals eine unerklärliche Angst vor Clowns hatte, dann darf man einem Mann besonders danken: Stephen King. Mit seinem 1986 erschienenen Roman Es gelingt es King bis heute, Menschen bei dem Anblick von Clowns einen kalten Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Wenn dann noch der Name Pennywise erklingt, dürften nicht minder wenige Leser in Angstschweiß ausbrechen. Andrés Muschietti, Regisseur der neuesten Verfilmung der Romanvorlage, will diese Angst vor dem brutalen Killer-Clown nun auch auf die Leinwand transportieren und mit Pennywise ordentlich für Gänsehaut sorgen. Heraus kam eine wunderbar-gruselige Mischung aus dem Horror-Kino der 80er Jahre mit Coming-of-Age-Elementen - und einigen Schwächen der Moderne.

Wer will einen Ballon?



Dabei ist Muschietti nicht der erste Regisseur, der Pennywise auf Film bannt. Bereits 1990 wagte sich Tommy Lee Wallace mit dem zweiteiligen TV-Film an eine Verfilmung des Stoffs. Während der erste Teil, der sich um die Kindheit der Freunde aus dem Loser-Club dreht, noch immer einen gewissen Kultstatus genießt, ist der zweite Teil der Verfilmung rund um die Wiedervereinigung der Erwachsenen überwiegend in Vergessenheit geraten. Was aber positiv in Erinnerung blieb, war Tim Curry als mörderischer Clown, der Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um seiner Figur einen Wahnsinn einzuverleiben, der ihn bis heute zum Kult machen sollte. Trotzdem merkt man der TV-Produktion an, dass hinten und vorne das Budget fehlte, weshalb der Fokus der Filme vermehrt auf den Kindern bzw. Erwachsenen lag und weniger auf dem eigentlichen Horror, den sie dank Pennywise durchleben müssen. Genau hier setzt die Neuverfilmung an und erzählt eine kompaktere Coming-of-Age-Geschichte, die rund um einen Horror-Film aufgebaut wurde. Die Visionen, Schrecken und Albträume der Kids stehen dieses Mal deutlich mehr im Fokus und das sorgt für eine wohlige Grundanspannung über die gesamte Laufzeit von 135 Minuten.


Ne, danke. Ich will doch keinen Ballon! (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc.)


Pimmelwitze und Mutter-Disses



Dass die Spieldauer extrem schnell verfliegt, liegt vor allem an dem angenehmen Mix, den Muschietti dem Film verpasst hat. Wer damit rechnet, die gesamte Laufzeit über mit blankem Horror bombardiert zu werden, der irrt sich gewaltig. Im Kern ist Es ein waschechter Coming-of-Age-Film mit wunderbar aufgelegten Jungdarstellern, die sich gegenseitig hochnehmen, beschützen, streiten und ihre Gefühle für das jeweils andere Geschlecht entdecken. Wer Filme wie Stand by Me gesehen hat, wird definitiv Parallelen ziehen können. Beim Casting der Kids hat man dabei ein echtes Händchen bewiesen. Keiner der Kinderdarsteller nervt auch nur zu einer Sekunde, was bei "Kindern" ja durchaus mal passieren kann. Während man Finn Wolfhard, der Richie spielt, schon aus der Netflix-Serie Stranger Things kennt und auch für sein Talent schätzt, sind seine Leinwand-Freunde nicht minder talentiert, wenngleich eher weniger bekannt.

Herauszuheben sind hier noch Sophia Lillis als Beverly und Jaeden Lieberher, der den "Anführer" Bill spielt, dessen Leben durch das plötzliche Verschwinden seinen Bruders Georgie aus der Bahn geworfen wird. Die Eigenheiten und Defizite der jeweiligen Charaktere - wie Bills Stottern - sind, sofern ich das als Nicht-Leser beurteilen kann, sehr gut eingefangen. Auch die Dynamik innerhalb des Loser-Clubs funktioniert hervorragend. Überraschenderweise bekommt man bei den gemeinsamen Momenten auch recht viel zu lachen, da vor allem Richie mit seinen Witzen über Genitalien und derbe Seitenhiebe auf Mütter und Schwestern seiner Freunde unerwartet oft über die Stränge schlägt. Hut ab dafür! Generell bekommt man als Zuschauer genügend Hintergrundinformationen über die Figuren, um ihr Verhalten (auch das von Richie) und ihre Motivation zu verstehen, ohne dabei jedes noch so uninteressante Detail eingeprügelt zu bekommen. Jedes Mitglied des Loserclubs hat eigene, familiäre Probleme, die er (oder sie) neben dem Horror in der Stadt mit sich rumzuschleppen hat.


Die Kinder sind fantastisch besetzt und harmonisieren großartig! (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc.)


Wenn Pennywise auftaucht, ist Schluss mit Lustig



Denn auch wenn die Gruppendynamik und die Kinder ein wichtiger Aspekt von Es sind, so gibt es doch zwei Ebenen an Horror, die immer wieder für Zuschauer sorgen werden, die sich in die Kinositze drücken. Zum einen wäre da der reale Horror der Kleinstadt Derry, der in vielen Formen das Leben der Kinder zur Hölle macht. Egal ob Beverly, die mit ihrem missbräuchlichen Vater zu kämpfen hat, oder Eddie, dessen Helikopter-Mutter ihn mit Medikamenten vollstopft und von allem fernhalten will, das dafür sorgt, ihren Sohn nicht als Leibeigenen im Haus zu behalten. Die Kids haben kaum Möglichkeiten, eine angenehme Kindheit zu genießen. Ist der Club der Loser dann mal unterwegs und fern der häuslichen Probleme, dann sehen sie sich der Gefahr von Henry und seinem Schlägertrupp ausgesetzt, der es sich als Ziel gesetzt hat, den Club der Loser psychisch zu erniedrigen. Dabei schreckt der tyrannische Trupp auch nicht vor Gewalt zurück - alles im mehr oder minder tatenlosen Einverständnis der Erwachsenen. Treiben diese Szenen das mulmige Gefühl im Bauch schon voran, dann wartet noch ein weiterer, wesentlich furchterregenderer Horror in der Kanalisation auf die Freunde: Es - in Form eines mörderischen Clowns namens Pennywise, der sich von der Furcht seiner Opfer ernährt und sie mit ihren schlimmsten Ängsten konfrontiert.

Hiermit hört jeglicher Spaß, den man hin und wieder mit dem Film und der Gruppe hat, auch auf. Sobald Es die Leinwand betritt - was es im Gegensatz zur TV-Verfilmung erfreulich oft tut - kippt schlagartig die Stimmung. Da jedes der Kids mindestens eine Erfahrung mit dem mörderischen Clown macht, erleben wir als Zuschauer das volle Ausmaß an Horror und Psycho-Terror, der auch im Buch lauert. Bill Skarsgård, der das Erbe von Tim Curry als Pennywise antritt, erweist sich dabei als absoluter Glücksgriff: Nicht nur, dass das Kostüm wirklich großartig spooky ist und vom Design schon für Gänsehaut sorgt, auch sein mörderischer Wahnsinn ist jederzeit spürbar. Er sabbert, brabbelt, zuckt und tötet mit solch einer wahnsinnigen Lust, dass man selbst als Erwachsener plötzlich wieder Angst vor Clowns bekommt.


Bill Skarsgård geht in der Rolle als Pennywise komplett auf. (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc.)


Wohlige Erinnerungen an 80er-Creature-Horror



Damit der Horror komplett wird, schöpft Regisseur Muschietti bild- und tontechnisch aus dem Vollen. Hatte man durch die Trailer noch Grund zur Sorge, dass der Film dem modernen Horror-Klischee verfällt und ausschließlich auf billige Jumpscares setzt, kann man sich im Laufe des Films beruhigen. Auch wenn es natürlich nicht ganz ohne das beliebte Mittel der Effekthascherei funktioniert, so greift man angenehm oft den Creature-Horror der frühen 80er Jahre auf. Ähnlich wie bei Kult-Streifen wie Alien oder Das Ding bedient man sich langer, ruhiger Kamerafahrten mit sich drehenden Bildern oder sich verändernden Perspektiven. Dass der Regisseur ein Fan dieses 80er-Jahre-Horrors ist, merkt man auch an den direkten Anlehnungen an die Klassiker des Genres: Verneigungen vor Cravens Meisterwerken wie Nightmare on Elm Street sind im Film zu finden und vielleicht macht gerade das den Unterschied zu den sonstigen, uninspirierten 08/15-Horror-Ergüssen aus, die Hollywood gefühlt im Monatstakt auf die Leinwand loslässt und das Genre damit immer mehr sein eigenes Grab schaufeln lässt.

Dazu kommen viele praktische Effekte, die hier und da dezent mit CGI aufgebessert werden. Das gilt vor allem für Pennywise selbst. Das Kostüm ist hervorragend und wird an genau den richtigen Stellen durch den Computer verbessert. Generell ist die Inszenierung des Clowns das Highlight am Film, weil sich Bild- und Tonverantwortliche herrlich morbide austoben dürfen. Wo ich gerade von Ton spreche: Der Klangteppich ist, wie das restliche Sounddesign, überragend. Man schaffte es fast mühelos, für eine immens angespannte Grundstimmung zu sorgen, ohne überhaupt schon etwas gesehen zu haben. Tatsächlich wird im Film viel Stimmung vermittelt, indem man den Horror zeigt und mit ihm spielt, statt darauf zu setzen, ihn mit einem lauten Paukenschlag plötzlich ins Bild kommen zu lassen. Genau wie die Kids muss sich auch der Zuschauer den Ängsten und dem Horror stellen, den Pennywise vorbereitet hat. Zwar wird man nicht ständig schreien und sein Gesicht in den Händen verstecken, wie man es vielleicht erwarten würde, aber man sitzt doch ständig angespannt mit einem unguten Gefühl im Sessel und harrt der Dinge, die da noch kommen könnten.


Nicht perfekt



Trotz all der Lobeshymnen ist Es natürlich nicht frei von Makel. Wie erwähnt ist die Mischung aus Coming-of-Age, Comedy und Horror nicht für jeden Zuschauer geeignet. Man muss sich schon auf diesen unkonventionellen Mix einlassen und darf nicht erwarten, ständig mit Horror bombardiert zu werden, wie man es vielleicht durch die Trailer vermuten könnte. Wer das erwartet, wird am Ende vermutlich enttäuscht werden. Auch ist die Art der Inszenierung sehr eigen: Wer, wie ich, mit frühen Horror-Filmen aufgewachsen ist und noch "Masken und Prothese" etwas abgewinnen kann, der wird vermutlich mehr auf seine Kosten kommen als ein Publikum, das eventuell lieber gruselige Mädchen mit langen Haaren oder CGI-Kreaturen im Schatten gewohnt ist, die ständig ihre Knochen verbiegen und merkwürdige Geräusche machen. Ein Clown bei hellstem Tageslicht ist eben nicht zwingend für alle Zuschauer gleich furchteinflößend.

Auf der Strecke bleibt auch der menschliche Horror, der durch Henry und seine Gruppe halbstarker Idioten ausgestrahlt werden soll. Ihre Motivation, so zielgerichtet auf die Kids einzuprügeln, ist wenig bis gar nicht ersichtlich und wird auch fast nicht erläutert. Man muss das "Bully/Victim"-Schema einfach akzeptieren. Auch erwähnte Jumpscares sind teilweise zu durchschaubar und viele Horror-Szenen mit Pennywise folgen einem gewissen Muster, das mit der Zeit ein wenig repetitiv wirken kann. Ob und wie viele Änderungen es im Detail zum Buch gibt, kann ich an der Stelle leider nicht sagen, da ich Stephen Kings Roman nie gelesen habe. Einige Änderungen, gerade das Ende betreffend, weiß ich, möchte ich aus Spoiler-Gründen allerdings nicht verraten. Nur so viel: Die wohl kontroverseste Szene im Buch hat es, wie auch in der 1990er Verfilmung, trotz R-Rating nicht auf die Leinwand geschafft - das schadet dem Film aber nicht wirklich.



HerrBeutel

Fazit von Philipp:

Ist Es der gruseligste, krasseste, heftigste Streifen aller Zeiten? Nein, dieses Ziel verfehlt er meilenweit. Ist Es ein gelungener Horror-Film der unterhält und gruselt? Ja! Nachdem Hollywood das Genre mittlerweile fast zu Tode heruntergewirtschaftet hat, ist es angenehm, dass sich Andrés Muschietti gängigen Klischees zu weiten Teilen verweigert und einen handwerklich und inhaltlich runden, spannenden und teils überraschend lustigen Horror-Film gedreht hat, der sich die Zeit nimmt, eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte einer Gruppe Teenager zu erzählen, und auch Zeit findet, persönliche Probleme zu thematisieren und sie nicht im Jumpscare-Gewitter untergehen zu lassen. Auch ist schön zu sehen, dass der Film sich stark an dem Horror der 80er Jahre orientiert und Unbehagen über seinen Antagonisten, Kamera sowie Ton verbreitet, statt wie in modernen Filmen von einem lauten Jumpscare zum Nächsten zu hetzen. Das mag nicht jedem Kinogänger gefallen und viele werden enttäuscht sein, weil das Marketing aus Es mehr macht als Es ist. Freunde von guten Horror-Filmen werden aber ihre Freude mit der Verfilmung von Stephen Kings Kultroman haben und, wie ich, gespannt auf den geplanten zweiten Teil sein.


  • Es
  • Regie:Andy Muschietti
  • Schauspieler:Bill Skarsgård, Jaeden Lieberher, Finn Wolfhard & ...
  • Genre:Horror, Drama, Thriller
  • Kinostart:28. September 2017

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel, ATeC, Predator ... und 5 Gästen.
  • ATeC
    #1 | 12. September 2017 um 13:57 Uhr
    schön mal ne film review zu sehn danke für die mühe bin selbst sehr gespannt wie gelungen die 2te buchverfilmung geworden ist zuletzt der dunkle turm gesehn und muss sagen mal davon abgesehn das die zeit bei weitem nicht gereicht hat die ganzen bücher in nem "kurtzem" film reinzupacken war er ganz ok aber in den meisten fällen ist es leider bei stephen king so das das buch tausend mal besser ist als die verfilmung vor allem deshalb weil sich kaum bis gar nicht an die buchvorlage gehalten wird
  • Darius
    #2 | 12. September 2017 um 14:09 Uhr

    ATeC: schön mal ne film review zu sehn danke für die mühe


    Wir bringen schon öfters mal welche, aber weniger regelmäßig. Denken aber auch, dass es als Zusatz zu Games ganz gut passt =)
  • Philipp
    #3 | 12. September 2017 um 14:28 Uhr

    ATeC: zuletzt der dunkle turm gesehn und muss sagen mal davon abgesehn das die zeit bei weitem nicht gereicht hat die ganzen bücher in nem "kurtzem" film reinzupacken war er ganz ok


    Fand ich auch. Kenne die Bücher nicht, aber man merkte halt stark, wie sehr die Handlung gestrafft wurde, um das in 90 Minuten zu packen. Aber für "Mal schauen" war der schon ok.  
  • Kevin
    #4 | 12. September 2017 um 21:29 Uhr
    Den werde ich mir auch mal gönnen!  Schöne Review
  • Jari
    #5 | 26. September 2017 um 10:04 Uhr
    Stephen KIng scheint ja gerade wieder einem "Lauf" in Kino und Fernsehen zu haben. Ich bin in meiner Twitter-Timeline über eine Verfilmung von 1922 gestolpert, die mir vom Trailer her sehr gefallen hat. Keine Ahnung, ob das ein Roman, eine Kurzgeschichte oder irgendwas anderes ist.
  • ATeC
    #6 | 27. September 2017 um 14:57 Uhr

    Jari: Stephen KIng scheint ja gerade wieder einem "Lauf" in Kino und Fernsehen zu haben. Ich bin in meiner Twitter-Timeline über eine Verfilmung von 1922 gestolpert, die mir vom Tailer her sehr gefallen hat. Keine Ahnung, ob das ein Roman, eine Kurzgeschichte oder irgendwas anderes ist.


    nicht nur kino und film auch 2 neue bücher kommen da bald HYPE! und 1922 war glaub ich soweit ich mich noch richtig erinnere ne kurtzgeschichte ich kann noch die serie die momentan von ihm läuft empfehlen auch wenn ich nicht so fan von dem buch war MR Mercedes sehr gut gemacht.

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