Wann ist ein Remaster ein Remake?

Im Grunde spricht wenig dagegen, wenn ein älteres Spiel doch noch den Sprung auf eine neue Generation an Konsolen schafft. Release-Lücken werden gestopft, die Umsetzung ist nicht allzu teuer, der Preis für den Verbraucher oft niedrig - und natürlich ist das eine tolle Chance zum Nachholen für alle, die das Original verpasst haben. Aber das "Remastering" ufert seit Jahren aus - und es vernichtet Remakes. Dabei sind Remakes etwas Wichtiges und weit mehr als nur eine Erinnerung an die gute alte Zeit. Lasst mich erklären, warum ich mir mehr Remakes und weniger Remasters wünsche.

Das Problem fängt ja schon bei der Begriffsbestimmung an. Wann ist eine Neuauflage ein Remaster, wann ist sie ein Remake? Ab wann darf man generell von einem Remaster sprechen? Was unterscheidet ein Remaster von einem Port? Käme es nur auf die Technik an, dann müsste die Crash Bandicoot: N. Sane Trilogy ein Remake sein - aber wie passt das dazu, dass Activision selbst damit wirbt, die Originalspiele seien "neu gemastered" worden? Was zum Teufel soll das überhaupt heißen, neu gemastered?

Das Begriffswirrwarr ist freilich nicht neu, nein, denn schon in der letzten Konsolengeneration haben zig "HD Editions" bei mir für Kopfschütteln gesorgt. Aber so undurchschaubar, so wüst wie heute mit PlayStation 4, Xbox One und Nintendo Switch war die Remaster-Orgie noch nie. Ich möchte mich aber gar nicht allzu sehr damit herumplagen, für Ordnung und Definitionen zu sorgen - auch wenn ich das weiter unten versuche. Mir geht es um etwas ganz anderes. Ich wünsche mir mehr Remakes, die diesen Namen verdienen - und weniger von alldem, was heutzutage als Remaster, Definitive Edition oder HD Edition durchgeht. Oder um es an konkreten Beispielen zu demonstrieren: Ich möchte mehr Resident Evil 2 und weniger Darksiders Warmastered.


Resident Evil 2Shadow of the Colossus
Auf der PSOne bzw. PlayStation 2 sahen die Vorlagen dieser Spiele noch ganz anders aus. Sind sie also Remakes?


Nicht jedes Spiel braucht eine Neuauflage und nicht alle Remasters sind schlecht!



Das Problem, das ich mit vielen dieser Remasters habe - unter diesem Titel möchte ich einfach mal alles zusammenfassen, was im Wesentlichen einer minimal erweiterten und quasi-hochskalierten Portierung entspricht -, ist nicht, dass sie häufig ganz offensichtlich nicht mehr sind als eben genau das: eine uninspirierte Umsetzung des Originalcodes für eine neue Plattform, die man um eine Handvoll neuer Texturen und den bestehenden DLC erweitert hat.

Das ist grundsätzlich ja okay und immer noch um Klassen besser als der unfertige und bis heute teilweise ungepatchte Mist, den man mitunter auf der PlayStation 3 vorgesetzt bekommen hat - ich erinnere mich da etwa an die Silent Hill HD Collection, die nicht so sehr mit ihren tollen Spielinhalten, sondern vor allem mit der schaurigen Performance und dem stark reduzierten Nebeleffekt gruselte. Von God of War III Remastered über Darksiders 2: Deathinitive Edition bis zur Hyrule Warriors: Definitive Edition sind die Remasters in der Regel weitestgehend originalgetreu und gut spielbar. Aber, und das ist für mich der entscheidende Knackpunkt: Jedes Remaster senkt die Chance auf ein echtes, großes, spannendes Remake, das für manche Spiele vielleicht auch der bessere Ansatz wäre.

Natürlich gilt das längst nicht für alle Spiele da draußen und das merke ich gerade in den vergangenen Tagen und Wochen wieder an Okami HD, welches trotz einer überschaubaren Überarbeitung auch heute noch ganz fantastisch aussieht und sich auch sehr gut spielen lässt - schlicht und ergreifend deshalb, weil der Grafikstil eben zeitlos scheint und das Spieldesign à la The Legend of Zelda und die damit verbundenen Gameplay-Mechaniken kaum gealtert sind. Dass genau dieses Okami schon 13 Jahre auf dem Buckel hat, ursprünglich sogar für die PlayStation 2 erschien, merkt man dem Remaster kaum an. Dagegen fragt man sich bei einem Blick auf die Devil May Cry HD Collection, warum man nicht gleich zu den Originalen für die alten Konsolen greifen sollte - oder welchen Sinn das Remaster überhaupt hat, wenn es doch schon auf der PS3 altbacken aussah und auf der PS4 und Xbox One, wenig überraschend, im Kontext moderner Spiele noch steinzeitlicher wirkt. Wäre es nicht viel schöner, wenn Capcom stattdessen auch nur einem der drei Teile ein ähnliches Comeback spendiert hätte wie jüngst Resident Evil 2?


Das perfekte Remake ist ein modernes Spiel, das das Original ersetzen kann



Logisch: Nicht jedes Spiel kann ein solch aufwendiges Remake erhalten und auch nicht jedes Spiel braucht eine Neuerfindung, die auch das Gameplay und die Levels anpasst. The Legend of Zelda: Wind Waker HD ist aber ein gutes Beispiel dafür, wie ein Remake zwar die Quintessenz der Vorlage beibehalten kann, aber gleichzeitig auch ein besseres Spiel daraus macht - dort zum Beispiel durch das ersatzlose Streichen der Triforce-Teile, die man vorher noch mühselig aus dem Ozean fischen musste. Dazu kamen eine bessere Navigation und Item-Verwaltung durch das Wii U GamePad und ein neues Segel, mit dem man schneller von A nach B gelangte. All das machte aus Wind Waker ein besseres Erlebnis, obwohl der Kern unangetastet blieb: Spielmechanik, Dungeon-Design und Story blieben ganz genau so, wie man sie vom Original für den Nintendo GameCube kannte.

Eine ähnliche Weiterentwicklung erwarte ich auch von Xenoblade Chronicles: Definitive Edition für die Nintendo Switch. Fernab von der grafischen Neugestaltung sind es vor allem die neuen Inhalte, die mich interessieren, und ich hoffe, dass das Spiel dort angepasst wird, wo es dringend nötig ist: Menüs, Interface, Wegführung, Kampfsystem. Denn auch wenn ich das Original für das beste JRPG halte, das ich gespielt habe, hat sich in fast zehn Jahren und mit neuen Konsolen so einiges geändert.


Xenoblade ChroniclesXenoblade Chronicles: Definitive Edition
Xenoblade Chronicles war ein tolles Spiel - aber das UI muss in der Neuauflage (rechts) dringend verbessert werden.


Eine Diskussion über Remakes lässt sich nicht führen, ohne den Begriff zu erklären



Eigentlich möchte ich mich nicht in eine Diskussion um die wahre Bedeutung von "Remake", "Remaster" und "Port" stürzen - am Ende ist das sowieso Wortklauberei und es wird sich immer irgendein Argument finden, um ein Spiel doch als ein Remake statt Remaster zu klassifizieren, zumal der Mehrwert ohnehin gering bleibt. Aber zumindest für diesen Text ist es doch angebracht, wenigstens eine grobe Orientierung zu geben, was ich unter diesen Begriffen verstehe und wonach ich hier differenziere:

  • Eine Portierung bzw. ein Port ist für mich eine inhaltlich unveränderte und technisch angepasste Umsetzung eines Spiels für eine andere Plattform - der Code wird dabei so weit wie möglich übernommen, Texturen und andere Assets bleiben identisch. Technisch angepasst wird da, wo es nötig ist, in vielen Fällen auch "nach unten". In diese Kategorie fallen für mich u.a. die Nintendo-Switch-Version von The Witcher III: Wild Hunt oder Zombi für PC, PlayStation 4 und Xbox One.

  • Ein Remaster ist für mich eine technisch (leicht) verbesserte Umsetzung eines Spiels für eine andere Plattform, die u.U. auch inhaltlich erweitert wird - allerdings nur um die Inhalte, die dem Original meist per Patch oder DLC nachgereicht wurden, oder minimale neue Features. Ein Remaster ist also oft eine "Complete Edition" mit leicht besserer Technik. Weiterhin wird der modifizierte Original-Code verwendet und Assets werden hochskaliert oder nur hier und da ersetzt. Als Remaster zählen für mich The Last of Us: Remastered, Darksiders Warmastered oder New Super Mario Bros. U Deluxe.

  • Ein Remake ist in meinen Augen eine Nachbildung eines Spielerlebnisses in seiner Gesamtheit in Form eines neuen Spiels mit völlig neuen Assets. Wichtig ist für mich: Das Originalspiel wird nicht angepasst, sondern rekreiert. Das Motiv ist es nicht, das Spiel 1:1 nachzubauen, sondern das Spielgefühl und die Spielidee zu modernisieren - dafür können sich die Entwickler auch neue Freiheiten im Leveldesign und Gameplay nehmen, müssen es aber nicht. Remakes sind für mich u.a. Shadow of the Colossus, Resident Evil 2, The Legend of Zelda: Majora's Mask 3D und Crash Bandicoot: N. Sane Trilogy.

Nun habe ich es also doch getan und mich an einer eigenen Definition versucht, die hoffentlich das transportieren kann, was ich persönlich unter Remaster und Remake verstehe. Freilich ist hier nichts in Stein gemeißelt - jedem steht seine eigene Interpretation offen. Worum es mir aber geht, ist folgendes: Ich wünsche mir, dass sich das Motiv hinter einer Neuauflage ändert. Dass viel öfter im Fokus steht, eine Spielidee neu aufzulegen, weil sich das Original einfach nicht mehr gut gehalten hat und jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist. Dass man Neuauflagen ansieht, dass nicht das "schnelle Geld", sondern die kreative Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Idee eine Rolle gespielt haben. Denn das geht mir heutzutage viel zu oft verloren.


Ghostbusters: The Video Game RemasteredGhostbusters - The Videogame
Das ist Ghostbusters: The Video Game - ja, auch davon gibt es eine Neuauflage. Wer kann das Original identifizieren?


Es gibt mehr Spiele als je zuvor und für jeden ist etwas dabei - aber ...



Der Trend zu Remasters ist nicht neu und mag über die Jahre und auf die alten Tage von PS4 und Xbox One schon wieder abgeflaut sein - vielleicht nimmt man sie auch einfach nicht mehr so sehr wahr wie zu Beginn der Generation, als die Bibliothek noch überschaubar war. Heute gibt es für jeden Geschmack eine breite Auswahl und da ist es eigentlich gar nicht nötig, sich über "zu viele" Remasters zu beklagen, zumal diese in der Regel nicht, wie oft beschworen wird, teure Ressourcen fressen und damit neue Spiele blockieren - stattdessen senken sie für Publisher die wirtschaftlichen Risiken und werden oft ausgelagert, wodurch intern neue Kapazitäten frei werden. Das hat u.a. NPD-Group-Analyst Mat Piscatella bei gameindustry.biz klargestellt.

Aber ich denke weiterhin, dass jedes Remaster die Chance auf ein echtes Remake in der gleichen Generation schmälert, und dass viele Spiele von früher in der heutigen Zeit nicht mehr so funktionieren wie damals. Dass diese einen Neuanstrich, eine Neuinterpretation verdient und auch nötig hätten. Und genau deshalb bin ich kein Freund der mittlerweile bald zehn Umsetzungen von Resident Evil 4, aber freue mich umso mehr über das neue, alte Final Fantasy VII. Das wird übrigens nicht nur von Square Enix persönlich als Remake bezeichnet, sondern wird auch mit dem Anspruch entwickelt, die Originalversion von 1997 "neu zu denken". Und damit bringt es Shinji Hashimoto, Executive Producer für die Final-Fantasy-Reihe, auch ziemlich gut auf den Punkt (frei übersetzt, Original-Interview bei The Hollywood Reporter):

In einem Remake denkt man das Originalspiel von Grund auf neu. Es ist ein sehr anstrengender Prozess und nichts, was man für mehrere Spiele gleichzeitig machen kann.

Wie es wohl mit PlayStation 5 und der nächsten, noch unbetitelten Xbox (Codename Scarlett) weitergehen wird? Der Trend zu Neuauflagen dürfte jedenfalls so schnell nicht abreißen - auch dann nicht, wenn die neue Sony-Konsole per Abwärtskompatibilität PS4-Spiele unterstützt, was Mark Cerny ja bereits zusammen mit ersten Details zur PlayStation 5 bestätigt hat. Dafür sind die Vorteile von Remasters und Portierungen einfach zu bedeutend und alleine der technologische Sprung, so klein oder groß er am Ende auch sein mag, wird immer gute Argumente dafür liefern, ein Spiel nochmal neu zu verkaufen.
TimÜber den Autor:

Tim hat schon so oft mit dem Team und in Foren darüber diskutiert, was der Begriff "Remake" eigentlich bedeutet, dass es irgendwann einfach an der Zeit war, einen eigenen Artikel darüber zu schreiben. Angefangen hat er den Text tatsächlich schon einige Monate zuvor - erst die Ankündigung der Neuauflage von Xenoblade Chronicles brachte das Thema wieder auf den Tisch. Er wartet (und hofft) schon lange auf ein Remake der Metroid Prime Trilogy.


RemasterRemakeNeuauflageGedankenspiele

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: Kithaitaa, HerrBeutel ... und 3 Gästen.
  • Darius
    #1 | 21. Oktober 2019 um 16:25 Uhr
    Ist Darksiders Warmastered auf der Switch eigentlich ein Remaster-Port? Hihi, sorry.

    Finde Remaster-Versionen auf der einen Seite eine gute Sache, da man gerade bei der Fülle an Spielen nicht alles interessante zeitnah spielen kann und so ein Nachholen ganz praktisch ist. Schade allerdings, dass manche dann wirklich nur auf den schnellen Taler aus sind und halbherzige Umsetzungen auf den Markt werfen und damit dann auch noch die Erinnerung oder generell das Original eher in den Dreck ziehen. Oder in der gleichen Generation mit "Definitive Editions" (erneut zum Vollpreis) locken wollen, bei denen 08/15-DLC beigepackt sind.

    Bin gespannt, ob uns in der kommenden Konsolen-Generation wieder so eine Flut blüht, diesmal halt als 4K-Remaster oder was auch immer, trotz Abwärtskompatibilität. Schön wäre ja, wenn man die neue Technik ähnlich wie bei Xbox One X Enhanced nutzen könnte - wo selbst das alte Red Dead Redemption wieder klasse ausschaut, ganz ohne Zusatzkosten für den Spielbesitzer.

    Der Begriffswirrwarr und die gelegentlich fließenden Grenzen zwischen Remaster, Remake, Neuauflage & Co. bieten natürlich oft Diskussionsstoff, aber bei deinem Punkt "das Motiv hinter einer Neuauflage" bzw. dem Absatz gehe ich absolut mit. Ratchet & Clank wäre für mich so ein Beispiel, gibt bestimmt noch weitere =)
  • Chris
    #2 | 27. Oktober 2019 um 14:01 Uhr
    Mir gefällt deine Definition eines perfekten Remakes, das das Originalspiel ersetzen kann. Link's Awakening für die Switch kam da leider aufgrund der häufigen Frame-Einbrüche für mich nicht dran. Aktuell schaue ich gerade, wie sich MediEvil in der Hinsicht schlägt.