The Last Story - Review

Viel zu lange haben wir in Europa auf die drei großen Japan-Rollenspiele warten müssen, die Nintendo in Nippon bereits vor langer, langer Zeit veröffentlicht hat. Okay, uns geht es immer noch besser als den Amerikanern - trotzdem ist ein Jahr Wartezeit eine ganz schön lange Zeitspanne. Mittlerweile ist diese aber vorbei und The Last Story offiziell hierzulande erschienen - als vermutlich letztes Rollenspiel-Highlight für die sterbende Wii-Konsole, da Pandora's Tower auf den ersten Blick eher an ein Action-Adventure erinnert. Mit Namen wie Sakaguchi und Uematsu sowie cleveren Design-Ideen wie Deckungssystem und Ablenkungsmanövern spricht eigentlich alles für einen Erfolg des Mistwalker-Rollenspiels. Doch ist die letzte Geschichte wirklich so spannend wie Xenoblade Chronicles oder scheitert das ambitionierte Projekt auf der Zielgeraden?

Ich erinnere mich mit Freude zurück an den letztjährigen August. An die Zeit, in der Xenoblade Chronicles exklusiv für Nintendos Wii erschienen ist. Ich habe Wochen mit Shulk, Reyn & Co. verbracht und jeden Winkel der riesigen Spielwelt erkundet - ja, Xenoblade war ein richtig tolles Spiel! Farbenprächtig, sympathisch, offen, spannend. Und sogar die Charaktere wirkten authentisch, was man nicht zu jedem JRPG sagen kann. Nach all dieser Schwärmerei traf mich das Anzocken von The Last Story umso härter, denn die beiden Spiele könnten unterschiedlicher kaum sein. War Xenoblade noch bunt und weitläufig, ist The Last Story nun trist und eng. Auch die beiden Kampfsysteme lassen sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Eines war also schon von Anfang an klar: So oft man Xenoblade und The Last Story auch in einem Atemzug nannte, so verschieden sind die beiden eigentlich. Das Schöne: Beide sind auf ihre eigene Art und Weise ganz hervorragende Rollenspiele. Und fast makellos.

The Last Story


Ihr sagt, gute Rollenspiele für Wii sind selten? Korrigiere: Sie waren selten.



Worum geht es in The Last Story? Hier eine kurze Zusammenfassung: Man schlüpft in die Rolle vom jungen Söldner Zael, der auf der Insel Lazulis mit der Hauptstadt Lazulis-Stadt durch das Abschließen von Aufträgen sein Tagesgeld verdient. Dabei agiert er nicht alleine, sondern in einer sympathischen Gruppe, der fünf weitere Charaktere beigehören: Syrenne, Lowell, Myrania, Dagran und Calista. Jeder von ihnen hat seine eigenen spezifischen Vorlieben und Eigenschaften und es gestaltet sich sehr interessant, die Beziehungen zwischen den Figuren kennenzulernen. Ähnlich wie schon in Xenoblade Chronicles schafft es hier ein weiteres Japan-Rollenspiel, die Protagonisten authentisch und lebendig wirken zu lassen, ohne dabei in die typische Klischee-Kerbe zu schlagen. Zael, der die Hauptrolle in The Last Story einnimmt, ist zwar nur ein einfacher Söldner, er träumt aber von größeren Zielen: Irgendwann einmal möchte er ein Soldat in der kaiserlichen Armee sein. Ob das gelingt oder nicht, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht, aber eines ist klar: Euch erwartet eine spannende Handlung, die viel mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun hat und ebenfalls Platz für reichlich Action lässt. Irgendwann findet ihr euch im Krieg zwischen den Menschen und den Gurak wieder, mysteriösen Monstern, die wieder einmal alles Leben bedrohen. So unspektakulär die Geschichte auf dem Papier auch klingt - in der Praxis ist sie sehr gut erzählt und weiß über die gesamte Spielzeit zu uterhalten.

Im Gegensatz zum Monolith-Rollenspiel aus dem letzten Jahr schlägt The Last Story allerdings einen anderen atmosphärischen Ton an. Während Xenoblade größtenteils farbenprächtig wirkt und eher selten Melancholie anstimmt, erscheint der Titel von Mistwalker von Anfang an als ein eher finsteres, dramatisches Abenteuer. Auch der grafische Stil trägt hierzu seinen Teil bei, da The Last Story bevorzugt dunkle Farbtöne zeigt und nur selten mit prächtigen Effekten aufwartet. So entsteht eine häufig bedrückende Atmosphäre, die auch hervorragend zum Geschehen passt. Optisch wirkt das Spiel dadurch längst nicht so imposant wie Xenoblade und auch die Umgebungen sind niemals so weitläufig und faszinierend. Angesichts der toll gezeichneten Charaktere und der Liebe zum Detail muss man jedoch auch The Last Story zugestehen, dass es nahezu alles aus der Wii rauskitzelt, was technisch eben möglich war. Schade ist aber, dass damit in manchen Situationen auch nervige Ruckel-Attacken verbunden sind und die Framerate in den Keller sinkt - angesichts dieser technischen Probleme wurde ich lange Zeit nicht den Eindruck los, dass das Spiel der Wii zu viel abverlangt. Ich kann mich sonst an kaum einen Titel erinnern, der auf der Wii geruckelt hat. Immerhin sind diese Ausbrüche eher die Seltenheit und damit kein K.O.-Kriterium, aber dennoch unnötig. Genau wie die langen Ladezeiten ...

The Last Story


Deckungssystem und Flankieren? Klingt ja gar nicht nach Rollenspiel ...



Was dagegen verdammt gut geworden ist, ist das Kampfsystem, das im Gegensatz zu anderen aktuellen Japan-Rollenspielen wie Final Fantasy XIII-2 oder eben Xenoblade Chronicles komplett in Echtzeit stattfindet. Man selbst kontrolliert immer nur den Helden Zael, während die anderen Party-Mitglieder automatisch agieren, was über die meiste Zeit hinweg auch sehr gut funktioniert. Der Kniff am Kampfsystem ist aber, dass man nicht einfach auf Combos und unterschiedliche Angriffe wie bei jedem anderen Actionspiel zurückgreift, sondern gezielt taktisch vorgehen muss. Vor jedem Kampf kann - und sollte - man seine Umgebung genauer analysieren und sich überlegen, wie und wo man den stärksten Gegner der Feindesgruppe am besten ausschaltet. Im Optimalfall sind die ersten Opfer die gegnerischen Heiler. Also schleicht man sich zunächst mit Zael um das gewählte Schlachtfeld herum, kundschaftet die Deckungsmöglichkeiten und feindlichen Staffierungen aus und gibt dann, wenn es soweit ist, mit dem ersten Angriff das Signal an die Kumpanen, loszuschlagen. Wenn man besonders geschickt vorgeht, überrascht man die Gegner und schafft es, ihre komplette Taktik über den Haufen zu werfen - dann hat man leichtes Spiel damit, sie nacheinander zu eliminieren. So sollte möglichst jeder Kampf ablaufen!

Doch Vorsicht: Sollten die Gegner euren Plan durchschauen und sich rechtzeitig in Stellung bringen, habt ihr ein Problem. Denn ohne gezieltes Taktieren geht eure Party schnell unter und ihr seid die ganze Zeit damit beschäftigt, die Verwundeten zu heilen. Praktisch ist aber, dass Zael durch eine besondere Kraft die Fähigkeit besitzt, die Aufmerksamkeit der Gegner uneingeschränkt auf sich zu richten. Dadurch wird er selbst zwar anfälliger für Angriffe, die Mitstreiter können jedoch präzise zuschlagen und den Feinden ordentlich eins auswischen. Außerdem ist es wichtig, die Schwachpunkte der Gegner zu erkennen und freizulegen sowie die Umgebung mit einzubeziehen. Ab und zu kann man zum Beispiel durch den Einsatz von Magie Brücken zerstören und darunter stehende Feinde zerschmettern - und das ist nur eine Möglichkeit, wie man mit der Umgebung interagieren kann. Aber insgesamt hätte ich mir doch mehr Möglichkeiten gewünscht. Trotzdem zählt das Kampfsystem mit zum Besten, was man im Genre finden kann - obwohl es einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt als die meisten J-RPGs. Man könnte sogar sagen, dass The Last Story eher ein Action-Adventure ist als ein waschechtes Rollenspiel wie Xenoblade Chronicles, da der Fokus klar auf den Kämpfen liegt. Trotzdem gibt es genug Rollenspiel-Elemente, um das Genre zu rechtfertigen. Ähnlich wie Final Fantasy XIII ist übrigens auch The Last Story sehr linear.

The Last Story


Da ist sie, die Kunst von Nobou Uematsu! Der Komponist kann es immer noch!



Dass die strenge Linearität The Last Story nicht wie Final Fantasy XIII auf Dauer langweilig wirken lässt, liegt daran, dass das Mistwalker-Rollenspiel nicht ständig die gleichen Mechaniken abspult, sondern sich neue Szenarien ausdenkt und darüber hinaus auch eine befriedigende Menge an Nebenmissionen bietet, die man neben der Hauptstory angehen kann. Dadurch steigt natürlich auch die Stufe der Helden - und ganz klassisch geht die Charakter-Entwicklung automatisch vonstatten, ohne dass man selbst als Spieler irgendeinen Einfluss darauf nehmen kann, wie sich die jeweiligen Statistiken verbessern. Hier lässt The Last Story wieder einmal durchscheinen, dass es mehr ein Action-Rollenspiel-Hybrid als ein reines RPG geworden ist. Womit man viel Zeit verbringen kann, ist natürlich das Verbessern und Aussuchen der eigenen Ausrüstung - und zudem kann man die Farbe der Klamotten der Protagonisten ändern, was interessanter ist als es in der Theorie klingt. Hat man seine Party perfektioniert und seinen eigenen Vorstellungen angepasst, macht man sich auf, die Spielwelt zu erkunden - und wird erneut in seiner Freiheit eingeschränkt, weil das Spiel eben sehr linear ist. Hier zeigt sich wieder, dass Xenoblade der letzten Geschichte doch ein Stückchen voraus ist, gerade was die Spielwelt angeht.

Begleitet wird das Abenteuer von Zael und seinen Freunden von einem bezaubernden Soundtrack aus der Feder von Nobou Uematsu, der zusammen mit Hironobu Sakaguchi für The Last Story zuständig ist. Die Namen werden J-RPG-Veteranen mit Sicherheit bekannt vorkommen und das völlig zurecht, denn beide sind durch Final Fantasy berühmt geworden und haben die Serie über viele Jahre hinweg geprägt. Mittlerweile wenden sie sich neuen Ufern zu und ihr aktuellstes Projekt ist ebenjenes The Last Story, welches sich - welch Überraschung! - durch einen hervorragenden Soundtrack auszeichnet, der gekonnt melancholische Melodien mit dynamischer Actionmusik verbindet. Die Kombination stimmt und erzielt den gewünschten Effekt, das Spielgeschehen stimmungsvoll zu untermalen. Was The Last Story übrigens neben der zu kurzen Kampagne von etwa 18-20 Stunden noch mitbringt, ist ein vollwertiger Multiplayer-Modus für bis zu sechs Spieler, in dem man entweder gegeneinander oder gemeinsam gegen einen Boss antritt. Hier kann man durchaus noch einige Stunden verbringen, aber es fehlen wirkliche spielerische Anreize, um die Arena mehrmals zu besuchen. Von mir aus hätte man auch darauf verzichten können und stattdessen die Kampagne verlängert.




Tim

Fazit von Tim:

Wenn The Last Story wirklich die letzte große Geschichte für die alternde Wii ist, dann ist es Sakaguchi und seinem Mistwalker-Team gelungen, ein tolles Finale zu inszenieren - die Wii verabschiedet sich damit mit einem sehr guten Rollenspiel aus der aktuellen Konsolengeneration. Okay, es kommt ja noch Pandora's Tower, aber da scheinen die Zeichen deutlich schlechter zu stehen, dass es sich wirklich um einen potentiellen Toptitel handelt. The Last Story ist jedenfalls ein großartiges Spiel, das sich Wii-Besitzer nicht entgehen lassen sollten, wenn auch nur das geringste Interesse an Rollenspielen und Action vorhanden ist. Mich hat der Titel vor allem durch seine sympathischen Charaktere, die spannende Geschichte und das taktisch hervorragende Kampfsystem begeistert, auch wenn Ruckel-Attacken und Linearität verhindern, dass The Last Story an Xenoblade Chronicles heranreicht. Außerdem hätte die Spielzeit gerade für ein Rollenspiel länger ausfallen können. Unter dem Strich wurde ich aber knapp 20 Stunden auf hohem Niveau unterhalten und würde mich über einen Nachfolger sehr freuen.

Sakaguchi und Uematsu inszenieren ein dramatisches, spannendes und spielerisch unterhaltsames Action-Rollenspiel, das sich kein Wii-Besitzer entgehen lassen sollte - auch wenn unter dem Strich (und ohne Ruckler ...) noch viel mehr drin gewesen wäre.

Besonders gut finde ich ...
  • fantastisches, taktisches Kampfsystem
  • Coversystem & Überraschungsangriff
  • authentische Figuren & Story-Spannung
  • sehr guter Soundtrack von N. Uematsu
  • interessante, recht vielseitige Spielwelt
  • Inszenierung mal ruhig, mal brachial
  • unterhaltsamer Online-Multiplayer
Nicht so optimal ...
  • teils frustrierende Ruckel-Attacken
  • insgesamt zu linearer Spielverlauf
  • automatische Charakter-Entwicklung
  • "nur" ca. 18-20 Stunden Spielzeit

Tim hat The Last Story auf der Nintendo Wii gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt.

The Last Story - Boxart
  •  
  • Entwickler:Mistwalker
  • Publisher:Nintendo
  • Genre:Rollenspiel
  • Plattform:Wii
  • Release:24.02.2012
    (Japan) 27.02.2011

Kommentare & Likes

Deine Meinung ist gefragt.
  • MangoDjango
    #1 | 29. März 2012 um 11:57 Uhr
    Xenoblade ist/war echt toll. Ich habe es nur bis heute noch nicht durchgeschafft, weil es einfach so viel zu tun gibt.
    Allein die Anzahl der Sidequests ist erschreckend hoch. Es müssen ja hunderte sein. Dabei sind die meisten eher langweilig, außer man findet eingie der "Epic-Monster".
    Und dann noch das Frundschafts-System. D.h. man kann nicht nur jeden der vielen Charaktere leveln ( Rikki ist der beste!!!!), nein, man kann auch noch die verschiedenen Kombinationen an Charakteren im Frunschafts-Level verbessern.

    Und das Gem-Schmieden....

    und wahrscheinlich habe ich gereade die Hälfte vergessen. Wenn ich das Spiel nochmal anfasse werde ich mich wohl auf die Main-Quest konzentrieren müssen. Zuviel ablenkung ist auch nicht gut.  

    Vielleicht gefällt mir The last Story dann besser.  

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