Metal Gear Rising: Revengeance - Review

Dass ausgerechnet ein Spiel, in welchem selbst menschliche Gegner nach Belieben zerhackt und zersägt werden dürfen, ungeschnitten in Deutschland erscheinen würde, hätte vor ein paar Monaten wohl noch niemand geglaubt - aber irgendwie hat es Metal Gear Rising: Revengeance tatsächlich durch die USK-Kontrolle geschafft, ohne auch nur einen klitzekleinen Tropfen Blut zu verlieren. Nach all den Jahren geht eine gefühlt endlose Odyssee also zu Ende, Metal Gear Rising ist endlich fertig und wird seit ein paar Tagen auch offiziell im Handel verkauft. Selbstverständlich konnte ich es mir nicht nehmen lassen und habe das neue Werk von Platinum Games schnurstracks durchgespielt. Nach dem wirklich guten Devil May Cry 5 war ich natürlich gespannt, ob Cyborg Raiden mit seiner Hochfrequenz-Klinge noch anspruchsvollere, noch schönere, noch dynamischere Action inszenieren kann - schließlich stammt das Spiel von niemand geringerem als den kreativen Köpfen hinter dem großartigen Bayonetta. Mission erfolgreich? Das verrät die ausführliche Review.

Ganz ehrlich? Metal Gear Solid hat mich nie interessiert. Wird es wohl auch nie. Mich hat die Serie niemals angesprochen. Ich bin kein Fan von endlos langen Cutscenes, ausgiebigem Schleichen und einer furchtbar komplexen Story, für deren Verständnis man jeden bisherigen Teil gespielt haben muss. Ganz anders bei Metal Gear Rising: Revengeance - das Spiel hat mich mit seiner pausenlosen Action, den dynamischen Kämpfen, scharfen Katanas und jeder Menge Blut sofort neugierig gemacht. Dementsprechend bin ich ohne Vorkenntnisse der Serie an MGR herangegangen und kann euch damit wohl kaum eine sinnvolle Analyse bieten, ob und inwiefern sich das Spin-Off in die große Haupthandlung von Metal Gear einreiht. Was ich euch aber sagen kann: Auf seine Art und Weise ist MGR: Revengeance eine spektakuläre Achterbahnfahrt, die sich rundum gut anfühlt. Hier fehlt nichts, hier vermisst man nichts, außer ein paar zusätzliche Spielstunden und eine ordentliche Kameraführung. Der Rest des Spiels ist in jeder Hinsicht hochklassig und trägt deutlich die Handschrift der Entwickler. Es steht nicht nur Platinum Games drauf, es steckt auch Platinum Games drin. In jedem Pixel und jedem Charakter.

Metal Gear Rising: Revengeance


"After the Patriots, I thought I could walk off the battlefield & lead a normal life ..."



Alles der Reihe nach: Worum geht es überhaupt? Im Wesentlichen dreht sich die Story, die sich auf den zweiten Blick als deutlich gehaltvoller entpuppt als sie noch auf den ersten scheint, um Kindersoldaten, Kriegswirtschaft, Patriotismus und Größenwahn - irgendwas zwischendrin. Cyborg Raiden hat es sich zum Ziel gesetzt, die Schwachen vor den Starken zu schützen - in diesem Fall schnetzelt sich unser Protagonist durch zwielichtige Organisationen und machthungrige Politiker. Er selbst entwickelt sich während des Abenteuers weiter: Startet man zu Beginn noch als "Mitglied" einer Gruppe, findet man sich schnell auf einem persönlichen Kreuzzug wieder. Die Handlung ist jedenfalls auch für mich als Serien-Neuling verständlich und schafft es, das Interesse zu wecken. Selbst mit meinem oberflächlichen Vorwissen konnte ich einige Anspielungen auf die Hauptreihe ausmachen - ich kann mir gut vorstellen, dass Veteranen hier jede Menge Parallelen zwischen Revengeance und den großen, eher story-lastigen Ablegern ziehen können. Was für mich zählte, war aber in erster Linie die Eigenständigkeit des Spiels, und da haben Kojima Productions und Platinum Games definitiv gute Arbeit geleistet. Wen also das riesige Metal-Gear-Universum abschreckt, dem kann ich Entwarnung geben: Revengeance kann eigentlich jeder spielen, der halbwegs affin für spektakuläre Action, anspruchsvolle Bossfights und eine überzogene Inszenierung ist. Man muss Metal Gear nicht kennen, um mit diesem Spiel Spaß zu haben.

Im Mittelpunkt steht ja auch nicht die Story, sondern Raidens Hochfrequenz-Klinge - das Werkzeug, das während meines ersten Durchspielens ganze 480 Leben genommen und mehrere hundert Gliedmaßen abgetrennt hat. Insgesamt habe ich die Gegner in mehr als 5.000 Stücke zerschnippelt, 28 Köpfe habe ich sauber abgeschnitten (22 mehr und ich hätte ein Achievement abgeräumt ...), es ist jede Menge Blut geflossen. Das klingt auf dem Papier aber wesentlich schlimmer und brutaler als es im eigentlichen Spiel wirkt. Der Gore-Faktor des Free-Slice-Systems zündet nur in den ersten Minuten, danach hat man sich schnell an die Mechanik gewöhnt und hat nicht einmal mehr als ein müdes Lächeln für die zerfetzten Cyborg-Gegner übrig. In Kinderhände gehört Revengeance trotzdem garantiert nicht, aber der Gewaltgrad ist nicht ganz so hoch wie so manch einer vielleicht befürchtet hat - vielleicht hat die USK auch selbst Schlimmeres erwartet und dem Spiel deshalb ohne Theater die grüne Flagge gegeben.

Metal Gear Rising: Revengeance


Ein bisschen Metal Gear Solid ist dabei - aber der Großteil steht auf eigenen Beinen.



Zurück zum Thema. Wie erwähnt, steht die Hochfrequenz-Klinge im Fokus des gesamten Spiels. Anders ausgedrückt: Das Gameplay dreht sich ausschließlich um Kämpfe, andere spielerische Elemente gibt es (mit einer Ausnahme) nicht. Damit folgt Metal Gear Rising der Tradition von Devil May Cry und Bayonetta, mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass es in Rising auch eine Stealth-Mechanik gibt. Man muss manche Kämpfe nicht führen, sondern kann sie gezielt umgehen, indem man sich an seinen Gegnern vorbeischleicht. Alternativ kann man auch versuchen, sie von hinten (oder von oben) aus dem Hinterhalt zu eliminieren - geräuschlos und ohne Aufmerksamkeit bei den übrigen Feinden zu erregen. Selbstverständlich ist der Stealth-Part weit entfernt von Metal Gear Solid: Guns of the Patriots & Co., aber er funktioniert und ist eine feine Ergänzung. Was Snake kann, kann Raiden übrigens schon lange: Findet man einen Pappkarton, kann man in ihn hineinschlüpfen und heimlich an den Gegnern vorbei spazieren. Das ist eine der vielen netten Anspielungen, die ich oben schon angedeutet habe. Die eigentliche Action hingegen steht komplett auf eigenen Füßen und orientiert sich in meinen Augen kaum an der Konkurrenz. Ganz im Gegenteil: Das Kampfsystem ist eine echte Eigenentwicklung, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat und die man definitiv in einem Nachfolger noch ausbauen sollte.

Die Grundidee des Kampfsystems ist die, dass man seine Gegner nicht nur durch klassische einfache und schwere Angriffe sowie diverse Combos (von denen es nur relativ wenige gibt) besiegen, sondern sie auch gezielt zersäbeln kann - mithilfe eines innovativen 360°-Schneidesystems, bei dem man mit dem rechten Stick die Klinge elegant durch die feindlichen Körper zieht. Butterweich schneidet der Stahl durch Haut und Knochen, Holz und Metall und sogar durch Stein und Marmor hindurch. Ist ein Gegner besonders schwer verletzt, winkt für das Free-Slicing eine besondere Belohnung: Durch Absorption der gegnerischen Cyborg-Wirbelsäule laden sich Raidens HP und die Energie für das "Cut-as-you-will-System" automatisch wieder auf. Während der Kämpfe ist man also immer wieder daran gebunden, Gegnern ihre Energie zu entziehen. Doch Vorsicht: Die teure Wirbelsäule kann auch zerschnippelt werden und dann war's das mit der Regeneration. Eine andere neuartige Idee des Kampfsystems ist die Blockmechanik. In Revengeance wird nicht einfach auf Knopfdruck geblockt - hier muss man selbst im richtigen Moment angreifen, um die feindliche Attacke zu parieren. Das ist anfangs verdammt schwer und erfordert viel Eingewöhnungszeit - besonders die teils derben Bosskämpfe sorgen immer wieder für Frust, wenn man mit dem Parieren noch nicht ganz warm geworden ist. Doch selbst dann gibt das Spiel einem das Gefühl, dass man selbst zu schlecht war und mehr Übung braucht. Metal Gear Rising motiviert ungemein und wenn man es endlich einmal schafft, einen Boss zu knacken, fühlt sich das echt gut an.

Metal Gear Rising: Revengeance


Höhen und Tiefen: Tolle Bossfights, gutes Kampfsystem - schwaches Leveldesign.



Allerdings leiden die Kämpfe unter einem massiven Problem, das sich durch das gesamte Spiel zieht: Die Kameraführung ist größtenteils ziemlich unsauber, stellenweise sogar absolut katastrophal. Besonders in engen Räumen wie Büros ist es unmöglich, den Überblick zu behalten, weil sich die Perspektive von ganz alleine in alle möglichen Richtungen dreht, raus- und wieder reinzoomt und selbst manuelle Justierungen schwierig werden. Ich hoffe inständig, dass Platinum Games dieses heftige Manko mit einem Patch beseitigen, denn wenn die Kamera einmal stimmt, machen die Kämpfe unglaublich viel Spaß. Selbstverständlich sind vor allem die Bosskämpfe große Highlights und erfordern auch unterschiedliche Strategien. Bis man die einmal verinnerlicht hat, kann es aber schon einmal drei bis vier, im schlimmsten Falle zehn bis zwölf Versuche dauern. Irgendwann hat man aber auch die härteste Nuss geknackt und ist bereit, in das nächste Kapitel zu ziehen. Apropos: Mit gerade einmal sieben Kapiteln, von denen nur vier Stück über eine Stunde dauern, ist Revengeance wirklich sehr kurz ausgefallen. Andererseits geht damit einher, dass während der gesamten Spielzeit keine Langeweile aufkommt. Das Spiel hätte insgesamt aber doch etwas "spektakulärer" sein können. Für meinen Geschmack waren die normalen Passagen, in denen man durch Gebäude, Tunnel und Straßen streift, inszenatorisch recht schwach. Außerdem gibt es kaum Spielraum für Erkundung oder alternative Routen; alles ist streng linear. Für die nicht ganz so aufregende Präsentation entschädigt allerdings ein großartiges letztes Kapitel, in dem Platinum alle Geschütze auffährt! Ich hätte gerne mehr davon ...

Raiden nutzt zwar die meiste Zeit nur seine Hochfrequenz-Klinge, doch das bedeutet nicht, dass es nicht auch andere Waffen gibt. Ganz im Gegenteil: Man kann als Sekundärwaffen Handgranaten, EMP-Granaten sowie zweierlei Sorten von Raketenwerfern verwenden - außerdem hat man standardmäßig ab Kapitel 2 immer eine zweite Hauptwaffe dabei. Sowohl das Katana als auch die anderen Waffen lassen sich in mehrere Stufen upgraden und auch neue Angriffe und Combos kann man gegen Kampfpunkte erwerben. Kampfpunkte winken für hohe Ränge in Gefechten, Bossfights und saubere Abtrennungen von Gliedmaßen - aber auch eine ordentliche Exekution spült Punkte aufs Konto. Nach dem ersten Durchspielen kann man alle Kapitel außer dem Prolog noch einmal mit der neuen Ausrüstung von vorne angehen und die Bosse, die einem vorher ordentlich auf die Schnauze gegeben haben, plattwalzen. Außerdem gibt es noch eine Reihe an speziellen VR-Challenges und höhere Schwierigkeitsgrade, an denen selbst echte Profis verzweifeln dürften. Wer dann noch versucht, überall Rang S zu erreichen, wird kläglich scheitern - oder einige Wochen damit verbringen, sich in der Kampfkunst von Metal Gear Rising: Revengeance zu üben. Der Umfang ist klein, die Motivation hoch.

Technisch lässt Metal Gear Rising dagegen ordentlich Federn: Die Animationen im Kampf und das generelle Design sind zwar sehr gut, die Umgebungen sehen aber schrecklich aus und die Texturen innerhalb der Levels sind oft hoffnungslos veraltet. Man merkt schnell, dass sich Platinum nur wenig um die Szenarien gekümmert hat und das Augenmerk auf die Kämpfe gelegt hat. Die einzige kleine Ausnahme ist ein japanischer Garten, der mit einigen coolen Effekten daherkommt. Bayonetta und das grafisch herausragende Vanquish sahen ansonsten jedenfalls deutlich besser aus als das, was hier über den Bildschirm flimmert - schade. Dafür rockt der Soundtrack mit jeder Menge elektronischer Musik und Rocksongs gewaltig und verleiht dem actiongeladenen Gameplay genau den richtigen Pepp.

Wer noch skeptisch ist ob der Qualität und Spielzeit von Revengeance, kann sich übrigens sowohl im PlayStation Store als auch auf dem Xbox Marketplace eine spielbare Demo zu Metal Gear Rising herunterladen.




Tim

Fazit von Tim:

Auch Metal Gear Rising: Revengeance schafft es nicht, an das außergewöhnliche Niveau von Bayonetta und Vanquish heranzukommen - aber das ist nicht weiter schlimm. Denn selbst wenn die Grafik nur durchschnittlich, die Kamera teilweise miserabel und die Spielzeit ausgefallen sind, ändert das nichts daran, dass das Spiel mächtig Spaß macht. Ich habe Revengeance innerhalb kürzester Zeit zwei Mal durchgespielt und werde demnächst meinen dritten Lauf starten - dieses Mal möchte ich den schweren Schwierigkeitsgrad meistern! Klar, unter dem Strich war mehr drin. Aber zuallererst können wir uns alle freuen, dass das jahrelange Warten auf das Spiel endlich vorbei ist. Und außerdem ist es richtig schön, ein Actionspiel zu sehen, das sich an ein innovativeres Kampfsystem wagt - auch wenn das Blocken nicht einfach ist und das Free-Slicing mit einem hohen Gewaltgrad einhergeht. Mir hat das Abenteuer mit Raiden also trotz aller Kritik richtig gut gefallen und wenn die Kamera nicht so nervig gewesen wäre, dann gäbe es eigentlich kaum etwas, worüber ich wirklich motzen müsste. Aber das ist etwas, was man in einem potentiellen Nachfolger bereinigen kann. Ich wünsche mir, dass Platinum Games endlich einmal auch kommerziellen Erfolg mit einem ihrer Werke feiern darf, und dass es ein Sequel gibt! Mal schauen, wie sich das hauseigene Bayonetta 2 Ende des Jahres schlagen wird ...

Kein Spiel für Kinder: In Metal Gear Rising wird geschnitten, geflucht und gemetzelt, was das Zeug hält. Es ist kein klassisches Metal Gear, aber auf seine Art und Weise ein herrlich unterhaltsames Abenteuer mit einem coolen Protagonisten - und unnötigen Schwächen.

Besonders gut finde ich ...
  • flottes & schnell kapiertes Kampfsystem
  • innovative "Cut-as-you-will"-Mechanik
  • bombastisches Finale, guter Endboss
  • interessante Story mit coolen Cutscenes
  • stellenweise großartige Inszenierung
  • rockige Musikuntermalung passt perfekt
Nicht so optimal ...
  • z.T. schlimme Kamera, v.a. beim Kampf
  • unterdurchschnitliche Umgebungsgrafik
  • geringe Spielzeit von etwa 6-7 Stunden

Tim hat Metal Gear Rising: Revengeance auf der Xbox 360 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Konami zur Verfügung gestellt.

Metal Gear Rising: Revengeance - Boxart
  •  
  • Entwickler:Platinum Games
  • Publisher:Konami
  • Genre:Action
  • Plattform:PC, PS3, Xbox360
  • Release:21.02.2013
    (PC) 09.01.2014

Kommentare & Likes

Folgendem User gefällt der Beitrag: Phaz
  • Darius
    #1 | 1. März 2013 um 21:07 Uhr
    Wolle Melone? Den Trailer damals fand ich einfach zu krass. Spiel ansich spricht mich leider gar nicht an, ist halt nicht meins, muss ja nix heißen. Das mit der USK-Einstufung ist mal wieder ein Fall für Galileo Mystery.
  • Phaz
    #2 | 3. März 2013 um 13:28 Uhr
    Ich muss es haben. Alleine schon weil es von Platinum ist.

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