Lego City Undercover - Review

Wer erinnert sich noch an die E3 2011? Damals wurde die Nintendo Wii U das erste Mal offiziell vorgestellt. Die Präsentation war alles andere als gelungen: Abseits eines GamePad-Prototypen zeigte man lediglich ein paar Techdemos. Das einzige echte Spiel, das angekündigt wurde, war LEGO City Stories. Kein Mario, kein Zelda, kein Metroid, nur ein ödes kleines LEGO-Spiel, von denen es ohnehin schon viel zu viele gibt. Genau aus diesem Spiel ist das heutige LEGO City: Undercover geworden - und aus dem öden kleinen LEGO-Spiel wurde ein Höhepunkt des gesamten Wii-U-Lineups für das Jahr 2013. Denn: Es ist nicht nur der erste große LEGO-Titel ohne Lizenz im Rücken, es ist gleichzeitig auch die Premiere einer großen, frei begehbaren Welt voller Möglichkeiten, in der Traveller's Tales all seine Kreativität einfließen lassen konnte. Tretet ein!

Hättet ihr mich vor zehn Jahren gefragt, wie ich mir meine LEGO-Traumstadt vorstelle und wie sie aussehen sollte, dann hätte ich vermutlich genau die Stadt beschrieben, in der ich die letzten Tage so viel Zeit verbracht habe. Sie sollte groß sein, sehr groß sogar! Sie sollte abwechslungsreich sein: hohe Wolkenkratzer, ländliche Felder, eine farbenfrohe Kirmes mit Riesenrad und Achterbahn, ein riesiger Flughafen, dazu noch Bahnhöfe, Banken, Springbrunnen, Parks, Strände und lange Brücken mit vielen schnellen Autos - all das muss hinein. Und überall muss es etwas zu tun geben: Man sollte mit der Achterbahn fahren können, Körbe auf dem Basketballplatz werfen und im Fitnesscenter trainieren. In jedes der über hundert Autos soll man hineinsteigen und damit durch die Gegend fahren können. Es sollte eben einfach alles möglich sein! Letzteres kann die offene Welt von LEGO City: Undercover selbstverständlich nicht bieten. Aber in jedem anderen Aspekt ist sie das, was sich Kinder damals und heute wünschten: ein gigantischer Spielplatz voller Möglichkeiten. Eine Open-World, die mehr ist als nur statische Kulisse. Eine Stadt, in der Spieler nahezu jeder Generation enorm viel Spaß haben können.


Lego City Undercover


Wann hattet ihr zuletzt das Gefühl, jeden Stein der Spielwelt umdrehen zu müssen?



Wirklich: Für Kinder ist LEGO City: Undercover einfach perfekt! Und auch für das Kind im Manne gibt es mehr als genug, was das Spielerherz zum Lachen bringt. Es ist der erste Versuch für Traveller's Tales, eine komplett lizenzlose, offene Welt zu kreieren, in der der Fantasie der Entwickler kaum Grenzen gesetzt sind. Man spürt in jedem Pixel, dass die Jungs und Mädels richtig viel Spaß daran hatten, dieses LEGO City Stein für Stein aufzubauen und zusammenzusetzen. An allen Ecken und Enden gibt es liebevolle Details, etliche Beschäftigungen neben der Story, unzählige Referenzen an Nintendo und die Spiele des Kultkonzerns - zum Beispiel geheime Bob-Ombs und Fragezeichen-Blöcke. Besonders cool ist es aber, riesige Powerstern-Luftballons auf der Kirmes zu sehen, die im Wind schwanken. Es macht einfach irrsinnig viel Spaß, dieses LEGO City zu erkunden und all die Gags und Möglichkeiten auszukundschaften. Und mehr noch, denn gibt es ja auch Berge an kleinem und großem Sammelkram!

Millionen Studs (die Währung im Spiel) liegen überall in der Stadt herum, an schwer erreichbaren Orten warten Supersteine, kreuz und quer in der Spielwelt verteilt findet man Baustellen, auf denen man Superbauten platzieren kann. Außerdem kann man wieder einmal einen Großteil der Umgebung kaputthauen. Dann gibt es noch Kostüme, Geheimgänge, die man nur mit besonderen Verkleidungen betreten kann, und die gesamte vertikale Ebene mit allerlei Parcours. Die Stadt ist riesig, abwechslungsreich und lädt immer und überall zum Erkunden ein. Um es noch deutlicher zu machen: Nach dem Durchspielen der Story habe ich gerade einmal 9% des Spiels erledigt. Reicht das zur Veranschaulichung? Der Umfang von LEGO City: Undercover ist wahrlich gewaltig - im allerbesten Sinne.

Undercover ist aber nicht nur wegen seiner offenen Welt anders als die allseits bekannten Action-Adventures mit Lizenz-Background wie LEGO Harry Potter oder LEGO Der Herr der Ringe. Es gibt in Undercover wesentlich mehr spielerische Vielfalt. In den eher linear angelegten Versoftungen standen Rätsel und Kämpfe im Fokus, hier kommen jede Menge Jump'n'Run-Passagen, Fahrzeug-Rennen und Minispiele dazu. Rätsel und Kämpfe bleiben deshalb trotzdem nicht auf der Strecke, auch von ihnen gibt es mehr als genug. Besonders in den 15 großen Story-Missionen, die in eigens angelegten Levels abseits der offenen Welt stattfinden, muss man immer wieder Schalterrätsel und Puzzles lösen, die Umgebung nach bestimmten Gegenständen erkunden, einen Weg in Gefängnisse oder Minen finden. Dabei bedient sich das Spiel einem coolen Kniff, nämlich den Verkleidungen. Im Laufe der Story erhält man Zugriff auf weitere Kostüme für Held Chase McCane, die ihm zusätzliche Fähigkeiten verleihen: Als Cop kann er mit der Hakenpistole Objekte heranziehen oder höhere Ebenen erreichen, mit dem Bergarbeiter-Kostüm kann er Dynamit nutzen und Felsblöcke zerschlagen, als Feuerwehrmann wiederum kann er Feuer löschen - und so weiter und so fort. Man muss immer wieder bequem per Tastendruck oder Radialmenü die Klamotten wechseln. Dadurch gewinnt das Spiel auch an Komplexität, sodass später sogar ein wenig Herausforderung aufkommt - über weite Strecken ist es sehr leicht.


Lego City Undercover


Geklotzt bei Humor und Inszenierung - gekleckert bei den Hardware-Features.



Ich kreide dem Spiel den niedrigen Schwierigkeitsgrad allerdings nicht negativ an. Warum? Weil er zu keiner Zeit den Spielspaß senkt! Ganz egal, wie einfach die Kämpfe gegen Gangster und Clown-Bankräuber auch sind, wie schnell man auf die Lösung der meisten Rätsel kommt, wie wenig Probleme man dabei hat, ein Fahrzeug sicher von A nach B zu bringen - es macht immerzu Spaß. LEGO City: Undercover kommt nahezu ohne Längen aus und selbst die Geschichte schafft es, neugierig zu machen. Als Undercover-Cop Chase McCane soll man verschiedene Gangsterbanden in LEGO City infiltrieren, um dem entkommenen Schwerverbrecher Rex Fury auf die Schliche zu kommen. Das alleine klingt zwar wenig spannend, aber die Inszenierung der Zwischensequenzen und die auch im Deutschen hervorragenden Dialoge sind so gelungen, dass man die Charaktere tatsächlich lieb gewinnt. Außerdem ist der Humor einmal mehr ein Stützpfeiler des Spiels: Dieses Mal gibt es nicht nur urkomische Figuren wie Frank Honey, sondern auch zahllose Anspielungen auf Filme und Spiele aller Art. Bereits das Intro glänzt mit einer herrlichen Referenz an Titanic von James Cameron. Wer die Augen und Ohren aufhält, entdeckt Gags, die an Sherlock Holmes oder Dirty Harry angelehnt sind. Kinder lachen über die komische Präsentation, die ältere Generation über den clever versteckten Humor und genannte Anspielungen.

Als Wii-U-Exklusivtitel unter der Haube von Nintendo macht sich das LEGO-Spiel selbstverständlich auch verschiedene Eigenheiten der Hardware zunutze - und derer gibt es auf der Wii U bekanntlich viele. So kann man beispielsweise Anrufe über das GamePad annehmen, wobei der Gesprächspartner immer über die Lautsprecher des Controllers ertönt - keine schlechte Idee, bei lauten Umgebungen kann es jedoch auch vorkommen, dass man wenig von den Dialogen versteht. Dafür gibt es zwar Untertitel; die verlaufen aber fast mittig über den Fernsehbildschirm, was fast noch mehr störend ist. Glücklicherweise braucht man die Untertitel aber so gut wie nie, da die deutsche Sprachausgabe sehr gelungen und meist gut verständlich ist, im Normalfall auch über das GamePad. Ähnlich wie in ZombiU von Ubisoft wird das GamePad gelegentlich auch als eine Art Scanner verwendet: So bewegt man den Controller an bestimmten Punkten im Spiel in Echtzeit in der Gegend herum und visiert durch den Bildschirm verschiedene Objekte und Personen an, um sie zu analysieren. Das funktioniert prinzipiell zwar gut, es ist allerdings sehr lästig, dass man nicht alternativ auf einen der Analogsticks zurückgreifen kann - befindet sich das GamePad gerade am Ladekabel (was dank des niedrigen Akkus bekanntlich oft der Fall ist), ist das Drehen und Bewegen sperrig bis nervig. WiiMote & Pro Controller werden nicht unterstützt.

Ebenfalls nicht möglich ist Off-TV-Play, was ich etwas schade finde, da der zweite Bildschirm in LEGO City: Undercover wirklich nicht essentiell ist und zumeist eher überflüssig implementiert wurde; die meiste Zeit über sieht man darauf sowieso nur eine Karte. Lieber hätte man ein oder zwei dieser "Features" gestrichen und dafür das Spielen ohne Fernseher ermöglicht. Auch das Miiverse-System hätte man direkt ins Spiel einbinden können. Es wäre zum Beispiel eine Idee gewesen, Screenshots der Freunde direkt auf der Karte anklicken und betrachten zu können, quasi als Sightseeing-Tour.


Lego City Undercover


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LEGO City: Undercover leidet trotz aller seiner positiven Seiten aber unter einem großen Problem, was - so leid es mir tut - deutlich für Abzug sorgt und dringend mit einem Patch beseitigt werden sollte: Es ruckelt fast permanent. Besonders im Gebiet rund um die Kommandozentrale der Polizei läuft das Spiel einfach nicht flüssig und das stört ganz massiv. Erstaunlicherweise ist es allerdings nur dort so schlimm, während belebtere Umgebungen etwas weicher über den Bildschirm fließen. Man gewöhnt sich relativ schnell an das Problem, das sollte speziell bei einem Exklusivtitel aber nicht passieren. Generell ist ausgerechnet die technische Seite immer wieder ein Stolperstein: Manchmal verhindern Bugs das Weiterkommen - zum Beispiel steckte bei mir ein Gegner mit seinem Auto halb im Boden, sodass ich sein Gefährt nicht zerstören konnte; erst ein Neustart hat geholfen - und die Ladezeiten dauern oft bis zu einer Minute. Selbst beim ersten Start lädt das Spiel erst einmal 30 Sekunden oder mehr nur für das Hauptmenü, nach dem natürlich ein weiterer Ladebildschirm folgt. Fast schon ironisch ist es da, dass einer der ersten Sprüche von Chase McCane lautet: "Ich hasse Ladebalken!". Immerhin gibt es innerhalb der offenen Welt und der Levels keinerlei Ladepausen, sodass man ungestört zocken kann.

Im Gegensatz zu anderen LEGO-Spielen der Gegenwart und Vergangenheit verzichtet Undercover übrigens komplett auf einen Multiplayermodus. Richtig gelesen: Es kann immer nur ein Spieler durch LEGO City streifen. Das kommt dem Spiel- und Leveldesign sowie der Abwechslung im Gameplay natürlich zugute, da sich vieles mit zwei Spielern nur schwer umsetzen lässt, dennoch ist es schade, dass es nicht etwa separate Coop-Modi im Stil von LEGO Indiana Jones & Co. gibt. Damit können Vater und Sohn nun nicht mehr zusammenspielen - der arme Papa muss zuschauen, wie der Sohn das bisher beste und eindrucksvollste LEGO-Spiel alleine durchspielt. Aber das machen die lieben Eltern ja gerne!

Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Wundert euch nicht darüber, dass im Spiel ständig die Vorgeschichte von Chase McCane, Natalya & Rex Fury thematisiert wird und ihr kaum etwas darüber wisst - die wird nämlich erst im 3DS-Prequel LEGO City Undercover: The Chase Begins erzählt. Das Spiel erscheint am 26. April, also in rund zwei Wochen. Es ist kein Port, sondern ein eigenständiges Spiel.




Tim

Fazit von Tim:

Warum hat es dieses Spiel nicht schon früher gegeben? Ein LEGO-Abenteuer in einer offenen, frei begehbaren Welt voller Möglichkeiten, keine Bindungen an Universum und Story einer Lizenz, keine kreativen Grenzen für die Entwickler - das kann doch nur genial sein! Und wahrlich, LEGO City: Undercover ist ein ganz, ganz großes Spiel. Traveller's Tales hat gleich im ersten Versuch eine hervorragende Spielwelt kreiert, in die man immer wieder zurückkehrt, nur um die Umgebung zu betrachten, ein bisschen Chaos anzurichten oder ein paar Gegenstände zu sammeln. LEGO City sieht zudem sehr hübsch aus. Zwar ist es schade, dass nur ein Spieler durch die Stadt ziehen kann, dafür hat sich das generelle Spiel- und Leveldesign aber wunderbar weiterentwickelt: Neben Rätseln und Kämpfen gibt es jetzt auch gelungene Jump'n'Run- und Fahrzeug-Elemente und die Stadt selbst ist gefüllt mit Leben und Nebenbeschäftigungen. Zu Beginn des Spiels war ich noch skeptisch, allerdings steigert sich Undercover von Stunde zu Stunde und Mission zu Mission - es wird inhaltlich immer und immer besser und ist zweifelsohne das eindrucksvollste und kreativste LEGO-Spiel, das es bisher gab. Wenn die technischen Ärgernisse wie Ladezeiten und Ruckler nicht wären, würde ich einmal mehr die Maximalwertung zücken. Trotzdem: Wer LEGO-Spiele mag, wird Undercover lieben! Und: Eure Kinder (vermutlich nicht nur die ...) werden es vergöttern. Versprochen!

Viel Humor, viel Herz und leider auch ein paar nervige technische Ärgernisse. Inhaltlich ist LEGO City: Undercover aber das bisher beeindruckendste, umfangreichste und kreativste Bauklötzchen-Spiel - ein Titel, den sich absolut kein Wii-U-Besitzer entgehen lassen sollte!

Besonders gut finde ich ...
  • lebendige Stadt mit vielen Möglichkeiten
  • zig Nebenschäftigungen & Sammelkram
  • riesiger Umfang mit 20h Story-Spielzeit
  • abwechslungsreiche Spielmechanik
  • charmante Inszenierung der Handlung
  • hervorragender Humor, etliche Gags
  • 15 gelungene traditionelle Missionen
  • sehr gute deutsche Sprachausgabe
Nicht so optimal ...
  • permanentes, zu oft starkes Ruckeln
  • lästige & gefühlt endlose Ladezeiten
  • etwas überflüssiger GamePad-Einsatz
  • keinerlei kooperative Spielmodi mehr

Tim hat Lego City Undercover auf der Nintendo Wii U gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Lego City Undercover - Boxart
  •  
  • Entwickler:TT Games
  • Publisher:Nintendo
  • Genre:Action
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One, WiiU, Switch
  • Release:28.03.2013
    (PS4, Xbox One, Switch, Steam) 06.04.2017

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Kommentare & Likes

Folgendem User gefällt der Beitrag: HerrBeutel
  • DarkRaziel
    #1 | 11. April 2013 um 07:37 Uhr
    Mein Sohn und ich lieben dieses Game, denn es ist mal etwas anderes als die bisherigen LEGO Spiele. Die offene Welt macht Spaß zu erkunden, aber die Ladezeiten sind wirklich zuuuuuu langgggg und sollten schnellstens behoben werden.
    Jeder der eine WiiU hat sollte sich das Spiel mal geben und den Witz von LEGO spielen geniesen, weil LEGO City Undercover hat genug Witz und Anspielungen im Programm.

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