Puppeteer - Review

Ein Raunen geht durch das Publikum, als sich der Vorhang öffnet und die kunterbunte Kulisse Stück für Stück aufgebaut wird - das sieht einfach fantastisch aus! Was Sony Japan unter der kreativen Federführung von Gavin Moore hier erschaffen hat, ist schlicht atemberaubend und ohne Frage einer der heißen Kandidaten für das schönste Spiel des Jahres. Der Puppenspieler bzw. Puppeteer heißt das ästhetische und auch akustische Meisterwerk, das vor kurzem für die PlayStation 3 erschienen ist. Und auch wenn es spielmechanisch eher konventionell bleibt, so ist Kutaros Mondreise doch eine Erfahrung, wie es sie nicht noch einmal gibt - nicht früher, nicht heute und wohl auch nicht innerhalb der nächsten 3-4 Jahre. Mit einem langsamen "Willkommen im Theater des Unglaublichen und Fantastischen" leitet die markante Stimme des Erzählers das Abenteuer ein.

Ich kann mich noch genau an die gamescom 2012 erinnern. Damals hatte ich einen Termin bei Sony ausgemacht, um mir dort entweder Tearaway oder Puppeteer anzuschauen. Da ich die Pressekonferenz am Vortag nicht gesehen hatte, sagten mir beide Namen nichts - spontan entschied ich mich für die Präsentation von Puppeteer. Ich ging also hinein in den Vorführungssaal, suchte mir einen Platz, wartete gespannt darauf, was mich wohl erwarten würde, und als der Termin vorbei war, hatte ich mein gamescom-Highlight gefunden. Denn Puppeteer, das hierzulande zu Der Puppenspieler eingedeutscht wurde, war bereits letztes Jahr wunderschön anzuschauen mit all seinen prächtigen Farben, den stimmungsvollen Licht- und Schatteneffekten und seinem beeindruckenden Bühnenaufbau. Und es sah auch spielerisch gehaltvoll aus, als Gavin Moore den kopflosen Kutaro durch die zweidimensionalen Levels scheuchte, fiese Feinde mit der gigantischen Schere zerschnippelte und gähnende Abgründe übersprang. Ich sah in Puppeteer schon das nächste Jump'n'Run-Juwel nach dem ähnlich konzipierten LittleBigPlanet! Nach über einem Jahr der Wartezeit, in der ich den Release herbeigesehnt habe, ist es nun endlich hier und dreht fleißig seine Runden in meiner PlayStation 3. Was wohl von der Vorfreude und der anfänglichen Faszination übrig geblieben ist? Einiges - aber letztendlich einfach nicht genug.


Puppeteer



Dramatik und Theatralik, Tragödie und Komödie, Puppeteer bietet von allem etwas



Dabei sind vor allem die ersten Szenen des Abenteuers ein wahrer Augenschmaus und mehr als nur beeindruckend. Denn obwohl die Geschichte nur in einer dunklen Küche voller Töpfe und Kessel beginnt, tritt die Kulisse sogleich in dem Mittelpunkt und mausert sich von da an zum offensichtlichen Star des gesamten Spiels. Mit einer einzigartigen Technik werden sämtliche Sets Stück für Stück aufgebaut, teilweise mit mehreren hintereinander stehenden Ebenen, immer mal wieder gar als 2,5-dimensionaler Turm, den man von links nach rechts langsam hinaufsteigt. Und überall in diesem prächtigen Bühnenbild stecken kleine, liebevolle Details, die man mit Druck auf die rechte Schultertaste untersuchen kann. Hier kann man zum Beispiel den Topf eines Kessels öffnen, dort eine Rüstung zum Wackeln bringen, an einer anderen Stelle Skelette zum Tanzen bewegen. Schon der allererste Akt des Spiels ist ein visueller Genuss - und dabei ist das lediglich der Anfang und nur die Spitze des kreativen Eisberges. Schon bald durchstreift unser Held Kutaro auf dem Weg zur Rettung der Erde nicht einfach nur ein düsteres Schloss, sondern saftig-grüne Wälder. Er klettert riesige Bäume hinauf und schleicht sich durch einen finsteren Halloween-Wald voller grässlich grinsender Kürbisse. Er hüpft über die Dächer einer in der Zeit gefangenen Stadt, er erkundet asiatische Schreine, er erklimmt steile Canyons in einer glühend heißen, gottverlassenen Einöde. Ganz gleich, wo er auch hinkommt, die Umgebungen sind wunderschön und selbst beim 500. Mal ist der Aufbau der Bühne noch ein tolles Erlebnis. Und all das geschieht mit einer technischen Brillanz vollkommen ohne Flimmern, Ruckler oder sonstiges lästiges Gedöns. Großartig!

Aber wieso reist der kleine Junge Kutaro überhaupt durch diese unwirtlichen und gefährlichen Gebiete? Was ihn antreibt, ist das Schicksal, das ihm die Mondhexe auferlegt hat. Denn seit der Mondbärenkönig alle Mondsteine und damit die Herrschaft über die Milchstraße an sich gerissen hat, schickt sie permanent unschuldige Kinder zu ihm ins Schloss, die sich ihm im Duell stellen - die Seelen der Kinder sperrt der selbsternannte König dann wiederum in widerliche Kreaturen. Kutaro ist der erste und einzige Überlebende des Selbstmordkommandos und nachdem er es geschafft hat, dem Bären die magische Schere Calibrus zu stehlen, ist es seine Aufgabe, die Mondsteine zusammenzubringen, den Fiesling zu stürzen und die Seelen der Kinder zu befreien. Unterstützt wird Kutaro auf seiner langen Reise durch sieben völlig unterschiedliche Akte nicht nur von der mysteriösen Hexe, sondern auch von der schwebenden Sonnengöttin und der Stimme des Erzählers, welche immer wieder für gute Laune in den ansonsten oft überraschend düsteren Umgebungen sorgt. Generell ist es aber nicht nur der Erzähler, der mit seiner Stimme für Atmosphäre sorgt - auch der Rest der Schauspieler plappert viel und oft auch extrem lange. Hier und da kann ein Dialog schon mal bis zu fünf Minuten dauern, in denen der Spieler selbst zum Zuschauer degradiert wird. Die überlangen Gespräche, denen häufig auch ein tieferer Sinn fehlt, bremsen das Spieltempo manchmal aus, nehmen aber glücklicherweise gegen Ende hin ab.


Puppeteer



Ein audiovisuelles Meisterwerk - doch spielmechanisch bleiben Wünsche offen ...



Umso erstaunlicher ist es eigentlich, dass sich hinter diesem kreativen Feuerwerk und dieser fantastischen Fassade ein im Kern nur sehr konventionelles Jump'n'Run verbirgt, dessen Mechaniken auch noch einiges zu wünschen übrig lassen. Ähnlich wie auch bei LittleBigPlanet scheinen die Entwickler etwas den Fokus verloren zu haben; der Kulisse wurde so viel Aufmerksamkeit und Konzentration gewidmet, dass das eigentliche Gameplay vernachlässigt wird. Zum einen in seiner Balance, denn durch die vielen Unterbrechungen durch Dialoge und Bühnenaufbau wird man immer wieder aus dem Spielfluss gerissen. Zum anderen aber leider auch in seiner Tiefe: Anders als zum Beispiel in Rayman Legends oder Donkey Kong Country Returns ist Kutaro nämlich recht träge unterwegs, er springt immer gleich hoch und gleich weit, er kann sich zwar rollen, aber keinen Sprung an die Rolle anhängen, und er beherrscht keinen Sprint. Ein Sprung über ein Abgrund fühlt sich nicht so an, als ob ich als Spieler die Macht darüber hätte - es wirkt eher wie ein erfolgreiches Quick-Time-Event.

Das Ganze macht trotzdem viel Spaß und vor allem die Scheren-Schneide-Passagen, bei denen sich Kutaro durch knifflige Hindernis-Parcours schnippelt, sind tolle Ideen. Auch das Wechseln der Köpfe, von denen man immer drei gleichzeitig im Gepäck haben kann, ist gut gedacht, ebenso wie die Bomben- und Haken-Mechanik, mit denen man Hindernisse aus dem Weg räumen und Geheimgänge freischalten kann. Doch nahezu alle dieser Ideen außer dem Scheren-Geschnippel sind in ihrer Umsetzung bestenfalls solide. Dass man mit unterschiedlichen Kopf-Aktionen die Umgebung beeinflussen kann, ist in der Theorie gut, in der Praxis hat man aber fast nie den richtigen Kopf zum richtigen Zeitpunkt parat, schließlich gibt es über hundert davon - und wieso kann man überhaupt den gleichen Kopf mehrfach im Inventar tragen? Hier hat man eindeutig Potential verschenkt, zumal man dem Spiel bei besserem Einsatz des Hakens sogar ein bisschen Metroidvania-Touch hätte verleihen können. All diese Kritikpunkte stehen in ihrer Gesamtheit sinnbildlich für das größte Problem des Spiels: Im Vergleich zu so vielen anderen Jump'n'Runs da draußen wurde hier nicht die Kulisse um das Spiel gebaut, sondern das Spiel um die Kulisse. Wie auch Sackboys Abenteuer ist Kutaros Mondreise in erster Linie ein audiovisuelles Erlebnis mit relativ begrenztem spielerischen Angebot, das so keinem Mario, Rayman oder Donkey Kong Konkurrenz machen kann. Okay, vielleicht war das auch nicht das Ziel - trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass mit mehr Hingabe für das Spiel selbst ein echter Hit möglich gewesen wäre.

Auf jeden Fall schafft Der Puppenspieler aber eines ganz hervorragend: Es fängt den Geist des Theaters so gut ein wie nie zuvor ein anderes Videospiel. Es will Kunst zwar nur zitieren, hat sich gleichzeitig aber selbst auf eine künstlerische Ebene gehievt, von der viele andere Spiele nur träumen können. Die gesamte Inszenierung ist ganz großes Kino, die Leistungen der deutschen Sprecher sind spitze, der Soundtrack von Patrick Doyle (der unter anderem auch die Musik für Harry Potter komponiert hat) gehört zum Besten, was das Jahr bisher zu bieten hatte. Auch wenn das Spiel selbst nicht ganz zur Créme-de-la-Créme des Genres gehört - das gesamte Drumherum tut es definitiv. Und das ist ja auch was!



Tim

Fazit von Tim:

Seit ich Puppeteer das erste Mal vor knapp 14 Monaten auf der gamescom gesehen habe, war ich Feuer und Flamme für dieses außergewöhnliche Jump'n'Run. Und tatsächlich: Die Faszination und Vorfreude, die ich damals im Präsentationssaal verspürte, ist auch mit dem finalen Release nicht vergangen. Knapp acht bis zehn Stunden hat das Abenteuer gedauert und ich habe fast jede Minute davon genossen. Okay: Hier und da hätte ein Dialog kürzer sein können, die Sprungsteuerung ist schwammig und gerade im Vergleich zu Rayman & Co. alles andere als gelungen, das ganze Spiel ist zu einfach und einige Gameplay-Mechaniken sind eher mittelprächtig umgesetzt. Als Jump'n'Run macht Puppeteer nicht unbedingt die beste Figur, das ist wahr. Dennoch: Das Ticket für dieses Theaterstück zu lösen, war eine der besten Entscheidungen, die ich dieses Jahr getroffen habe, da mich kaum ein anderes Spiel audiovisuell so verzaubert und mein Herz so erwärmt hat. Puppeteer ist trotz seiner spielerischen Schwächen ein einzigartiges und unvergleichliches Erlebnis, das den Geist des klassischen Theaters nahezu perfekt eingefangen hat. Es ist ein inszenatorisches Juwel, das leider ausgerechnet über sein eigenes Gameplay stolpert. Trotzdem kann ich jedem nur raten, mindestens die Demo auszuprobieren und dem Spiel eine Chance zu geben - denn so etwas wie Puppeteer habt ihr garantiert noch nicht erlebt und könnt es sonst auch nirgends tun.

Ein wunderhübsches, herrlich detailverliebtes Abenteuer vor bildschöner Kulisse, dem ausgerechnet spielerisch Feintuning und Finesse fehlen. Als Theaterstück grandios, als Jump'n'Run leider "nur" solide - in jedem Fall ist es aber ein einzigartiges Erlebnis!

Besonders gut finde ich ...
  • ästhetisch und akustisch ein wahres Meisterwerk
  • beeindruckender Aufbau von Kulissen & Setpieces
  • steckt voller kreativer Ideen & Liebe zum Detail
  • sympathische Charaktere und nett erzählte Story
  • sehr viel (spielerischer) Abwechslungsreichtum
  • technisch makellos und läuft jederzeit flüssig
Nicht so optimal ...
  • Jump'n'Run-Mechaniken nicht ganz ausgereift
  • Sprunghöhe und -distanz nicht kontrollierbar
  • teilweise übertrieben lange Dialoge ohne Sinn

Tim hat Puppeteer auf der PlayStation 3 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Sony CEE zur Verfügung gestellt.


Fazit von Lenela:

Auch ich habe mich riesig auf Puppeteer gefreut, wurde aber leider enttäuscht. Während der Anfang noch Spaß macht und unterhält, verkommt der Titel viel zu schnell in einer reinen Cutscene-Kiste. Stetig warten Dialoge auf einen, und zwar leider auch viel zu oft solche, die kaum etwas zum Spiel beitragen. Es gab bisher wirklich kein Spiel, bei dem ich Zwischensequenzen geskipped habe, hier erwischte ich mich leider gleich zu Beginn dabei. Ansonsten macht es durchaus Laune mit der Schere durch die Gegend zu schneiden und passende Köpfe auswählen. Wenn doch nur die Steuerung nicht immer so unpräzise wäre und man oftmals das Gefühl hat, es macht nicht das, was man will. Man hätte definitiv mehr rausholen können, auch im Hinblick auf den Artstyle: die Bühnen-Präsentation ist wirklich was Besonders und ist spannend, aber irgendwie steht sie für sich allein da und wird nicht direkt im Spiel verwendet. Ich denke, dass man dieses Element echt mehr hätte einbauen können.

Generell ist Puppeteer ein unterhaltsames und kurzweiliges Spiel, welches vor allem durch seine Präsentation punkten kann. Dennoch steckt mehr Potenzial drin, als ausgeschöpft wurde, was sehr schade ist. Ein Blick auf den Titel schadet nicht, gerade für den relativ günstigen Preis.

Besonders gut finde ich ...
  • Theaterbühnen eine schöne Idee
  • Atmosphäre kommt gut rüber
  • Gameplay-Elemente machen Spaß
  • viele schöne Ansätze
Nicht so optimal ...
  • Dialoge, Dialoge, Dialoge
  • nicht alles ausgeschöpft, was der Artstyle hergibt
  • Steuerung schwammig
  • Spannung geht zwischen durch verloren

Lenela hat Puppeteer auf der PlayStation 3 gespielt.

Puppeteer - Boxart
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  • Entwickler:SCE Japan Studio
  • Publisher:Sony CEE
  • Genre:Jump'n'Run
  • Plattform:PS3
  • Release:11.09.2013