F1 2015 - Review

Schon seit einigen Jahren hat die Formel 1 mit dem abnehmenden Interesse der Zuschauer zu kämpfen. Die TV-Quoten sinken, die Ränge der Rennstrecken bleiben leer und trotzdem veröffentlicht Codemasters Jahr für Jahr einen neuen Ableger der dazugehörigen Videospielreihe - so auch dieses Mal mit F1 2015. Dieser lässt mich wahlweise in die Rolle eines echten Rennfahrers schlüpfen oder mit einem eigenen Fahrer auf Punktejagd zu gehen. So war das zumindest in der Vergangenheit. Mit dem aktuellen Ableger und dem Wechsel der Engine fehlte Codemasters allerdings wohl einiges an Zeit, weshalb einige Features dem Rotstift zum Opfer gefallen sind. Ob die Rennsimulation trotzdem Spaß machen kann?

Als Codemasters im Jahre 2009 die offizielle F1-Lizenz erworben hat, war ich sicher nicht der einzige, der Freudensprünge machte. Endlich gab es auch ohne PlayStation-Konsole wieder die Chance, in der bekanntesten Rennserie der Welt sein Unwesen zu treiben. Es folgte ein Ableger nach dem anderen - leider mit nur minimalen Veränderungen. Im Jahr 2013 führte man den Classic-Modus ein, der es damals ermöglichte, in klassischen Rennwagen aus den 80er und 90er Jahren Platz zu nehmen. Leider wurde dieser mit dem letzten Ableger, der erst vor rund neun Monaten veröffentlicht wurde, wieder abgeschafft. Und diesem Trend folgte Codemasters nun auch mit Formel 1 2015: Der wohl beliebteste Spielmodus, mit einem eigens erstellten Fahrer um die Gunst der Zuschauer zu kämpfen, wurde ebenso gestrichen wie der Online-Coop-Modus.

Schade, denn die Rennen mit einem Freund über das Internet hatten eine Menge Spaß gemacht. Aber hey, immerhin kann ich noch mit einem der rund 21 lizenzierten Fahrer, welche inklusive 3D-Modell ins Spiel integriert worden, eine normale Meisterschaft bestreiten. Zwar erkennt man im Menü die Fahrer wieder, dennoch wirken die Modelle ziemlich plastisch und wenig lebensecht. Wenn ich mich in dem sehr übersichtlich angeordneten Menü nun zwischen der Meisterschaftssaison, dem Zeitfahren, dem Online-Modus oder der Profi-Saison entschieden habe, geht es direkt auf die Piste.


F1 2015
Der Trubel vor dem Start ist gut inszeniert.


Mogelpackung



Besonders bei letzterem handelt sich um eine dreiste Mogelpackung. Im Profi-Saison-Modus sind alle Hilfen abgeschaltet, das Rennen muss in voller Distanz zu Ende gebracht werden und der volle Schaden ist aktiviert. Dafür hätte es allerdings gar keinen gesonderten Spielmodus geben müssen! All diese Einstellungen lassen sich auch in einem ganz normalen Rennen über das Optionsmenü vornehmen. Hier soll der Spieler absichtlich geblendet werden und die Armut an verfügbaren Spielmodi ganz klar kaschiert werden. Anders als beispielsweise in Project Cars werde ich im Übrigen dazu gezwungen, vor dem Saisonstart alle wichtigen Einstellungen vorzunehmen. Dabei bekomme ich drei festgelegte Modelle aufgezwungen. Möchte ich beispielsweise die volle Qualifikation fahren, muss ich auch das Rennen in voller Distanz absolvieren. Eine flexible Einstellung, welche es mir möglich macht, auf das Training zu verzichten, dafür das Qualifying in voller Länge, das Rennen allerdings nur in zehn Runden zu erledigen, gibt es nicht. Immerhin kann ich während des Rennens zu jeder Zeit speichern, sodass die im Hintergrund meckernde Freundin nicht mit anderen Mitteln ruhig gestellt werden muss.

Dank der offiziellen FIA-Lizenz starte ich nun mit Sebastian Vettel in die neue Saison. Vor dem Rennen begrüßen mich die beiden Kommentatoren Heiko Wasser und Stefan Römer, welche ihre Sprüche vor dem Rennen gewohnt langweilig abspulen und schon nach dem zweiten Rennen nerven. Immerhin werden während dieser manchmal unfreiwillig komischen Einlagen Szenen aus der Boxengasse eingeblendet. Ebenso werden auf die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Teams eingegangen sowie nette Anekdoten aus der Vergangenheit erzählt. Bevor es also auf die Piste geht, wird das optimale Setup für die Strecke gewählt - zwar gibt es hier nicht ansatzweise so viele Einstellungsmöglichkeiten wie bei Project Cars, dennoch können sich Freaks durchaus lang genug in der Werkstatt austoben. Die strengen Regeln der Formel 1 müssen hier natürlich zu jeder Zeit beachtet werden.


F1 2015
Die Fahrzeugmodelle sind ihrem originalen Abbild ordentlich nachempfunden.


Raus aus der Box, ab auf die Strecke!



Die ersten Runden auf der Strecke fühlen sich ähnlich wie in den Vorgängern an. Dabei wurde auch diesmal ein guter Mix aus Arcade und Simulation erreicht, welcher es auch Einsteigern möglich macht, vorne im Feld mitzufahren. Die Autos liegen gut auf der Piste, jeder Schlenker fühlt sich realistisch an, weil die Masse des Boliden glaubwürdig integriert wurde. Lediglich das Heck verhält sich insbesondere während Kurvenausfahrten ziemlich nervös, wenngleich das kein Vergleich zu Project Cars ist, bei dem man für jeden Fehler direkt mit einem Dreher bestraft wird. Indes lassen sich die Rennwagen selbst mit einem Gamepad sehr direkt und glaubwürdig über die Strecken manövrieren. Am besten lässt sich das Spiel jedoch mit einem Lenkrad spielen, auch wenn hier das Force-Feedback leider etwas schwach ist und somit die Rückmeldung an den Spieler verbesserungswürdig ist. Sollte ich trotz aller Fahrhilfen dann doch mal in der Bande landen, hilft mir die aus den Vorgängern bekannte Rückspulfunktion aus der Patsche. Diese lässt mich das Rennen bis zu 30 Sekunden in die Vergangenheit zurücksetzen und lässt sich, je nach Schwierigkeitsgrad, sogar unendlich oft aktivieren.

Doch was wäre ein Rennen ohne Kontrahenten auf der Rennpiste? Vermutlich ziemlich langweilig, obgleich die KI-Fahrer meistens für recht wenig Spannung sorgen. Zwar versuchen die Kollegen, ihre Position ziemlich aggressiv zu verteidigen, fahren aber den Rest des Rennens weitestgehend auf der Ideallinie herum und wagen nur selten ein Überholmanöver. Und genau deshalb fahren die Gegner mir auch gerne mit voller Wucht ins Heck und verursachen so eine Zeitstrafe. Naja, eigentlich sollte die der Verursacher kassieren. Irgendwie funktioniert das Strafsystem hier anders, weshalb ich oftmals völlig grundlos eine Strafe erhalte. Zum Glück kann ich dieser aber mit der Rückspulfunktion entgehen.

Ebenso lässt das neue Schadensmodell zu wünschen übrig. Wenn ich mit meinem Boliden doch einmal mit knapp 250 km/h mit der Front aufschlage, fliegt das Heck weg. Fährt mir ein Gegner hinten rein, fliegt gut und gerne mal der Frontflügel fort. Zudem lässt sich das Fahrzeug trotz komplett aktiviertem Schaden nicht komplett zerlegen. Es erscheint im Ernstfall lediglich ein Textfenster, in welchem mir mitgeteilt wird, dass das Fahrzeug einen Motorschaden hat und nicht weiter am Renngeschehen teilnehmen kann. Hier hätte ich mir eine klare Weiterentwicklung gewünscht.


Grafischer Fortschritt



Optisch bewegt sich der neueste Ableger dagegen auf ordentlichem Niveau. Die Szenen vor dem Rennen sind nett inszeniert und wollen ein Mittendrin-Gefühl vermitteln. Ebenso kann ich aus der Box über das TV-Signal anderen über die Schulter schauen. Außerdem gibt es nun nach jedem Rennen eine Champagner-Dusche der drei Bestplatzierten zu beobachten. Diese ist zwar gut gemeint, wirkt dank der etwas hölzern wirkenden Animationen aber unfreiwillig komisch. Insgesamt läuft das Spiel flüssig mit 60fps und in 1080p. Die Wettereffekte überzeugen und insbesondere die Pfützen beim Abtrocknen der Strecke können sich sehen lassen. Ebenso kann ein Wetterwechsel schon Runden vorher gut an den Wolken nachvollzogen werden. Dieser dynamische Wechsel ist realistisch ins Spiel umgesetzt worden und lässt durchaus die Muskeln der aktuellen Konsolengeneration spielen. Dafür fällt das Publikum leider sehr eckig und kantig aus. Insgesamt wirken die Strecken zwar sehr gut ihren originalen Pendants nachempfunden, vermitteln aber auch eher einen statischen Eindruck.



Predator

Fazit von Kevin:

Abseits von Project Cars kommen Formel 1-Fans sicher auch mit dem neuesten Ableger auf ihre Kosten. Leider hat man es dem Spiel durch das unnötige Streichen wichtiger Spielmodi unnötig schwer gemacht. Unter der Haube versteckt sich nämlich eine konsequente Weiterentwicklung, die auf der Piste durchaus für mehrere Stunden fesseln kann. Dank der Option, die letztjährige Saison erneut zu bestreiten und deren Ausgang neu zu schreiben, ist für den Hardcore-Fan trotz fehlender Spielmodi genug Content geboten, um die eine oder andere Meisterschaft mit voller Freude zu Ende zu fahren. Enttäuschend hingegen ist der Online-Modus, der mittlerweile keine offenen Lobbys mehr bietet und mich zufällig in irgendein Rennen wirft. Zudem laufen diese Rennen oft asynchron und es kommt vermehrt zu Verbindungsabbrüchen. Multiplayer-Fans sei daher vom Kauf des Spiels abgeraten. Generell ist der diesjährige Ableger nur Hardcore-Fans zu empfehlen. Alle anderen können sicher noch ein weiteres Jahr auf ein Komplettpaket warten.

Formel 1 2015 hat dank der gestrichenen Spielmodi einiges an Potenzial verspielt. So bleibt der Titel nur etwas für Hardcore-Fans, die sich zumindest an der neuen Optik erfreuen dürfen.

Besonders gut finde ich ...
  • stabile Bildrate
  • schicke Automodelle
  • Hitzeflimmern/Funkenflug
  • präzise Gamepadsteuerung
  • gutes Geschwindigkeitsgefühl
  • Fahrhilfen frei wählbar
  • alle aktuellen Daten inkl. Saison 2014
  • angenehmer Austausch mit der Box
Nicht so optimal ...
  • keine Coop-Karriere
  • kein Karrieremodus
  • keine Splitscreenrennen mehr
  • instabiler Online-Modus
  • Schadensmodell
  • Strafensystem greift nicht richtig
  • kein Safety-Car
  • nervige Kommentatoren
  • teils deplatzierte Sprüche
  • Profi-Modus eine Mogelpackung
  • keine Telemetriedaten
  • schlechtes Force-Feedback

Kevin hat F1 2015 auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Bandai Namco Games zur Verfügung gestellt.

F1 2015 - Boxart
  •  
  • Entwickler:Codemasters
  • Publisher:Bandai Namco Games
  • Genre:Rennsimulation
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One
  • Release:10.07.2015

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Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: 2 Gästen.
  • Philipp
    #1 | 18. August 2015 um 15:02 Uhr
    Gestrichen. Gestrichen. Gestrichen. Gestrichen. Gestrichen. Immerhin haben es noch die Fahrzeuge und Strecken ins Spiel geschafft o_O

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