Unravel - Preview
Erste Eindrücke von Yarnys Erkundungsreise durch Nordschweden
Manchmal fühlt man sich in den Messehallen der gamescom wie auf einem Rockkonzert. Selbst durch die Ohrmuscheln der Kopfhörer donnerten die Bässe - teilweise so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Nirgends war das dieses Jahr so extrem wie am Stand von Electronic Arts. Für Spiele wie Star Wars: Battlefront oder Need for Speed mag das nur bedingt ein Problem sein, doch wer sich wie ich auf das idyllische und charmante Unravel einlassen wollte, für den ging zwangsläufig fast die komplette spielinterne Soundkulisse im Messelärm unter. Bezieht man diese äußeren Umstände mit in die Einschätzung der Demo ein, ist es also umso beeindruckender, wie sehr ich mich in der märchenhaften Welt Skandinaviens verloren habe!
Unravel sollte nicht nur ein gewöhnliches Spiel sein, mit dem man eben seine Zeit verbringt - es sollte eine tiefere Bedeutung haben, Herz besitzen. So schreibt es Sahlin auf dem Unravel-Blog und so hat er es auch auf der E3-Bühne beschrieben. Schon während der gamescom-Demo schienen dieser Gedanke, dieses grundlegende Konzept und die eingangs erwähnte Leidenschaft durch. Alleine das Intro, bei dem Yarny aus einem aus einem Korb gefallenen Garnknäuel entsteht, ist herzerwärmend! Und auch die ersten vorsichtigen Schritte aus der Tür der Blockhütte, das Hinabsteigen der Treppe und das langsame Spazieren durch den Vorgarten sind wahnsinnig liebevoll inszeniert. Detailarbeit ist Sahlin und Coldwood sehr wichtig - das erkennt man nicht zuletzt an den butterweichen Animationen und den fast fotorealistischen Umgebungen, aber auch am Springbrunnen im Hintergrund, aus dessen Wasserdampf sich kleine Geschichten formieren. Auch wenn die Grafik natürlich nicht das Einzige ist, was Unravel so besonders macht, muss ich an dieser Stelle aber schon ein großes Kompliment aussprechen: Das Spiel sieht einfach wundervoll aus und hätte so auf der alten Konsolengeneration vermutlich nicht funktioniert. Seien es die sanft im Wind wippenden Grashalme, die fein zerkratzten Holzdielen oder das physikalisch korrekt fließende Wasser - alles ist aufwendig in Szene gesetzt.
Generell ist die realitätsgetreue Physik auch spielerisch das Kernelement Unravels. Während Yarnys Odyssee durch die märchenhaft schönen Landschaften Nordschwedens (die übrigens alle realen Orten nachempfunden sind!) gilt es nämlich immer wieder, kleinere und größere Rätsel zu lösen und Hindernisse zu umgehen. So wirft man Yarnys Arm wie ein Lasso aus und schwingt sich daran über Abgründe hinweg oder verbindet zwei Knotenpunkte, um Brücken zu bauen, über die man dann nicht nur selbst laufen, sondern auch schwere Gegenstände wie Dosen oder Steine schieben kann. Oder aber man zieht mithilfe des Lassos am Griff der Pumpe, um das kleine Vorgartenbecken mit Wasser zu füllen - anschließend schiebt man die vom Apfelbaum weiter vorn heruntergefallenen Äpfel in das Becken und nutzt sie als Floß, um auf die andere Seite zu gelangen.
Bei all diesen Rätseln ist Yarny selbst Teil der Lösung, da er als Garnmännchen mit seinem Garn die entsprechende Ressource liefert, die man zum Bauen der Brücken, Kletterseile und Floße benötigt. Doch Vorsicht: Geht das Garn aus, geht es nicht weiter und man muss ein paar Meter zurück und schauen, ob nicht irgendwo in der Umgebung ein weiteres Knäuel versteckt ist, an das sich Yarny anknoten kann. Desto weiter man im Spiel fortschreitet, umso komplexer werden freilich auch die Rätsel: In der gamescom-Demo gelangte man beispielsweise an einen kleinen Strand, an dem man zusätzlich zum Brückenbau auch noch darauf achten musste, nicht von der eintretenden Flut weggeschwemmt zu werden. Was wohl später noch passiert?
Rein aus spielerischer Sicht betrachtet wird Unravel dennoch "nur" ein Puzzle-Platformer - ein sehr guter zwar, der Demo und den Videos nach zu urteilen, aber nichts, was das Genre auf den Kopf stellen wird. Das muss es allerdings auch gar nicht und die Stärken dieses Spiels liegen ganz offensichtlich nicht unbedingt nur in den Spielmechaniken, sondern vor allem im Drumherum. Schon das wenige, was ich in der Demo gesehen habe, hat mich inszenatorisch und atmosphärisch geradezu begeistert! Unravel wird bestimmt ein gutes Spiel, aber vor allem wird es allem Anschein nach ein zauberhaftes, faszinierendes Erlebnis, eine Geschichte mit ganz viel Charme und Herz. Dass man das aus einem Sidescroller herausholen kann, ist beeindruckend.
Einschätzung: Ich hatte Unravel schon vor dem Anspielen in mein Herz geschlossen - nicht nur wegen seiner Originalität und Liebenswürdigkeit, sondern vor allem wegen Martin Sahlin, der auf der großen Bühne echte, reale Leidenschaft verkörperte und dem man richtig anmerken konnte, wie nervös er dabei war, sein "Baby" der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es ist schön, dass es solche Entwickler gibt. Das macht nicht nur ihn und sein Studio, sondern auch das Spiel selbst auf Anhieb sympathisch, und es ist super, dass ein Branchengigant wie EA, der sich in den letzten Jahren fast komplett aus der Entwicklung kleinerer Spiele zurückgezogen hat, Unravel nicht nur aufnimmt, sondern es auch intensiv bewirbt. Was ich auf der gamescom spielen konnte, hat mich - trotz der donnernden Bässe im Hintergrund - überzeugt, dass Unravel all diese Wertschätzung auch verdient. Zwar steht noch nicht fest, wann Yarnys Reise beginnt. Aber für mich steht jetzt schon fest, dass sie eine ganz besondere wird, und ich kann es kaum erwarten, sie anzutreten.
#1 | 16. August 2015 um 18:25 Uhr
#2 | 16. August 2015 um 18:48 Uhr
#3 | 16. August 2015 um 19:12 Uhr
#4 | 16. August 2015 um 19:47 Uhr
#5 | 17. August 2015 um 11:55 Uhr
#6 | 17. August 2015 um 20:57 Uhr