Life is Strange - Review

Falls ihr uns regelmässig lest, werdet ihr euch sicherlich fragen, ob wir vergesslich sind oder ob uns keine anderen Themen einfallen und was überhaupt mit uns los ist: Nein, wir haben nicht etwa die Zeit zurückgedreht und Life is Strange erneut für uns gefunden. Viel eher ist es nach der finalen fünften Episode Zeit ein Fazit zu ziehen und zwar ein Endgültiges. Eines, was nicht danach schreit etwas anders zu machen oder im mysteriösen Dark Room verschwinden möchte. Ein trauriger Schritt, denn damit muss ich wohl mein Lieblingsspiel, was mich so tapfer und treu durch den Sommer begleitet hat, zur Seite legen und hoffen, dass Entwickler Dontnod Entertainment weiterhin auf diesem Weg bleibt und uns im nächsten Sommer eine ähnlich faszinierende Geschichte entdecken lässt.

Redet man über Life is Strange, muss man gezwungenermaßen auch über Telltale-Spiele reden, welche in der letzten Zeit aufgrund ihres einfachen, aber dennoch fesselnden Spielprinzips fast schon den Episoden-Markt beherrschen. Ganz zu schweigen natürlich von einem netten Konkurrenteneffekt - man denke nur an das (erst kürzlich) veröffentlichte King`s Quest. Doch während meine Lust und Motivation allein beim Namen Telltale langsam aber sicher nachlässt (The Walking Dead - Season 2 verstaubt schon seit Monaten im digitalen Spieleregal), konnten mich die Remember-Me-Entwickler bereits nach kurzer Zeit überzeugen. Ja gut, überzeugen ist vielleicht etwas hochgegriffen, wenn man bedenkt, dass ich in meinem damaligen Preview noch etwas skeptisch war. Aber je mehr Zeit verstrichen ist - was dank der Zeit-Manipulationsfunktion auch gern etwas länger als die reguläre Spielzeit sein kann - desto mehr habe ich mich in Life is Strange verliebt.


Life is Strange
Freundschaft ist nicht nur eine kitschige Komponente in der Geschichte von Max Caulfield.


Manche Sachen sollte man fotografieren



Wenn mich jemand fragen würde, was mich bei den Telltale-Spielen am meisten gestört hat, ist es wohl die Grafik. Gut, sie hat ihren eigene Charme und irgendwie war sie zu Beginn der ganzen "Reihe" auch noch interessant, aber spätestens nach Game of Thrones kann ich es nicht mehr ertragen. Viel erfrischender sind da die wunderschönen Gegenden von Dontnod`s Episodenabenteuer: Manch einer mag spekulieren, dass ich einfach von den technischen Unzulänglichkeiten der Konkurrenz gefrustet bin. Im Gegenteil, ich bin da wohl recht resistent im Vergleich zu meinem Partner. Doch mag ich es einfach, wenn meine Spielumgebung flüssig, lebendig und harmonisch ist. Im Vergleich zum großen Bruder fühle ich mich in der Welt von Arcadia Bay direkt zuhause, ja gar heimisch. Liegt vielleicht daran, dass man in der Welt spazieren kann und es verschiedene Szenerien gibt, die alle ihre ganz eigene Atmosphäre haben und nicht nur aus dergleichen Farbton-Kiste stammen. Mal geht es malerisch an einen Strand, mal kann ein chaotisches Wohnheim erkundet werden oder ein Wald voller Wildtiere möchte ihren Geheimnissen beraubt werden. Neben der reinen Kulisse sind die Lichteffekte wunderbar anzusehen und können einen die Dramatik in der Geschichte fast schon vergessen lassen.

Während all dieser verschiedenen Spieletappen dürfte einem zudem auffallen, dass der einzigartige Stil aus Realismus und Zeichnung nicht nur frisch ist, sondern auch durchweg gut funktioniert und zu keinen technischen Aussetzern führt. Gut, ich glaube auch nicht das der schlichte Telltale-Stil die Konsole überlastet, aber wenn man bedenkt, dass Life is Strange in Hinsicht Grafik viel mehr Charme, Realismus und Emotionen (nicht gerade in Bezug auf Mimik, aber in zwischenmenschlichen Schwingungen) zu bieten hat, erwähnenswert. Nicht zu vergessen ist übrigens die Geschichte, die sich um Foto-Künstlerin Max dreht, welche nach einer langen Zeit wieder zurück in ihre Heimatstadt gekehrt ist. Neben dem mehr oder weniger strengen Alltag an der hiesigen Highschool Blackwell, befindet sich Max zu Beginn in einer Art Vision über das Ende der Welt… naja, zumindest über die mögliche Zerstörung der Stadt. Gemeinsam mit ihrer alten besten Freundin macht sich Max auf die Suche nach einer Erklärung für die merkwürdigen Naturphänomene, die die Stadt heimsuchen. Gar nicht so einfach, wenn neidische sowie aggressive Mitschüler, alte Erinnerungen sowie Träume im Weg stehen. Da wünscht man sich oftmals, dass ein Zurückdrehen der Zeit nützlich wäre… oder man im geheimnisvollen Dark Room der Lösung des Problems näher kommt…


Life is Strange
Wer tiefer in die Geschichte eintauchen will, sollte sich das Tagebuch und die SMS durchlesen.


Butterfly-Effect



Einfach nur ein Story-Spiel, bei dem man wenig machen muss und einfach nur der Story folgt? Nein, ja und irgendwas dazwischen. Auf der Suche nach einer Lösung, um die Zerstörung von Arcadia Bay zu verhindern, muss Max immer wieder einzelne Rätsel lösen, Umgebungen untersuchen und mit Leuten reden. Action im Sinne von "Call of Duty" sucht man hier vergebens, aber es gibt weitaus mehr Freiheiten als es in Konkurrenzspielen gibt: Tagebücher anschauen, Fotos machen, SMS schreiben, Unterhaltungen führen oder einfach im abgesteckten Gebiet umherstreifen. Ein Open-World-Spiel wird LiS deshalb zwar immer noch nicht, dafür sind entsprechende Schranken und Barrieren viel zu deutlich, aber ich fühlte mich dennoch weitaus freier in meinem Spielfluss. Liegt vielleicht auch daran, die die in den einzelnen Episoden getroffenen Entscheidungen wirklich einen Einfluss auf das Geschehen und auf die später kommenden Szenen hat. Stirbt ein Charakter, bleibt er auch tot und taucht nicht mehr auf - eine entsprechende weitere Handlung mit ihm steht nicht mehr zur Verfügung. Rettet man ihn hingegen, kann er sich später noch als nützlich erweisen. Auch super: Ist man nett zu anderen, helfen sie einen vielleicht. Und man sollte definitiv einen Blick auf die Umgebung und die Gesichter von Passanten werfen - man sieht sich immer im Leben immer zweimal.

Apropos Rätsel, die heimlichen Highlights, die meiner Meinung nach leider viel zu wenig vorkommen. Während die generelle Handlung beziehungsweise die Aufgaben, um jene entsprechend voranzutreiben, stets klar sind, gehört bei den kniffligeren Aufgaben schon etwas Köpfchen zu. Es mag war im Nachhinein leicht sein zu sagen "Dreh die Zeit zurück und dein Problem ist gelöst", oftmals müssen aber Gesprächsaussagen mit Erinnerungen kombiniert werden, um vorwärts zu kommen. Max einzigartige Fähigkeit die Zeit zu manipulieren oder jene zu verändern helfen zwar, sind aber nur ein Grundstein, denn nur logisches Denken hilft Max aus der Patsche. Ich hoffe, dass in kommenden Spielen weitaus mehr "Detektivszenen" enthalten sind und stattdessen weniger langweilige Schleich-Szenen, denn hier muss man wirklich immer wieder die Zeit zurückdrehen und das war es dann auch schon.



Fazit von Lenela:

Life is Strange ist ein Spiel, welches mich seit langer Zeit sehr in seinen Bann gezogen hat - gut, zumindest nach der zweiten Episode. Seit dem Moment, an welchem sich die Geschichte immer mehr entfaltet und viele verschiedene Interpretationsmöglichkeiten offenlegt, fieberte ich dem Mehr entgegen. Selten war die Wartezeit auf eine neue Episode so lang wie hier. Dontnod hat bei Remember Me schon gute Ansätze präsentiert, zeigt aber hier, dass das episodenhafte Geschichten erzählen weit aus mehr sein kann als eine offensichtliche Story über mehr oder minder bekannte Charaktere: Life is Strange bietet nicht nur eine mysteriöse, spannende und witzige Geschichte, sondern ebenso viele verschiedene Möglichkeiten eben jene zu entdecken. Gepaart mit einem intuitiven sowie abwechslungsreichem Gameplay kann eigentlich kaum noch was schief gehen und so ist es auch hier. Zwar könnten die Charaktere in Bezug auf Synchronität besser animiert sein, die Highschool-Schüler greifen tief in die Stereotype-Kiste und manchmal wird vielleicht ein Tick zu wenig preisgegeben. Aber stört das? Eher weniger, wie ich finde.

Zum Schluss bleibt einem nur noch zu sagen, dass die zwei Enden von Life is Strange vielleicht wenig klingen, aber durch die unzähligen Möglichkeiten im Laufe des Spiels keine Wünsche offen lassen. Emotionen werden in den letzten Momenten groß geschrieben und so weinte sogar Darius beim Durchspielen und nicht ich als Mädchen - Wowser, wie Max es so schön sagte.

Besonders gut finde ich ...
  • Zugängliches Gameplay mit netten Rätseleinlagen
  • Spannende Geschichte
  • Wunderbare Umgebungen mit viel Atmosphäre
  • Liebevolle Details wie Max' passende Shirts zu jeder Situation
  • Stimmungsvoller, passender Soundtrack
Nicht so optimal ...
  • Stellenweise nimmt die Erzählgeschwindigkeit stark ab
  • Stereotype Charaktere
  • Keine deutschen Untertitel/Sprachausgabe

Lenela hat Life is Strange auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Square Enix zur Verfügung gestellt.


Darius

Fazit von Darius:

What If? Was wäre, wenn man die Zeit zurückdrehen könnte? Könnte man alles zum Besseren wenden, oder eher nicht? Die richtigen Entscheidungen treffen? Life is Strange ist für mich eines DER besten Spiele in diesem Jahr. Was zunächst wie eine Teenie-Soap beginnt, entpuppt sich von Episode zu Episode immer mehr zu einem wahren Thriller, mit unvorhersehbaren Wendungen, fiesen Cliffhangern und endlich mal dramatischen und Spiel-verändernden Entscheidungen. Dontnod Entertainment erzählen eine spannende und mitreißende Story über Freundschaft, Schicksal und das Leben - und das tun sie sehr gut. Wie Telltale Games setzen sie auf die Geschichte als Kernelement, garniert mit überzeugenden Sprechern und WTF-Momenten. Doch darüber hinaus bieten die Franzosen spielerisch ein wenig mehr Anspruch und Interaktion. Daneben machen ein stimmiger Soundtrack, kompromisslose Technik und eine angenehme Spieldauer (12h+) Life is Strange zu einem tollen Spielerlebnis, das man nur weiterempfehlen kann. Was für ein großartiges Finale! Da fällt es leicht über die mangelnde Lokalisierung hinwegzusehen, auch wenn zumindest deutsche Untertitel für viele wünschenswert wären.

Besonders gut finde ich ...
  • Story & Inszenierung
  • Artstyle
  • Sprecher und Soundtrack
  • Collectible Mode
  • Kurze Ladezeiten
  • Spielzeit (12 Stunden+)
  • Preis-/Leistungsverhältnis
Nicht so optimal ...
  • Keine deutschen Untertitel

Darius hat Life is Strange auf der PlayStation 4 gespielt.


Life is Strange - Boxart
  •  
  • Entwickler:Dontnod Entertainment
  • Publisher:Square Enix
  • Genre:Adventure
  • Plattform:PC, PS3, PS4, Xbox360, Xbox One, iOS
  • Release:30.01.2015
    (Retail) 22.01.2016
    (iOS) 14.12.2017

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: Kithaitaa, Predator, HerrBeutel, ATeC ... und 7 Gästen.
  • Tim
    #1 | 26. Oktober 2015 um 21:07 Uhr
    Ich habs leider auch noch nicht gespielt, habs aber schon ganz weit oben auf meiner ToDo-Liste stehen. "Spiele" mich ja gerade schon durch die Telltale-Stories und hab schon richtig Bock auf Life is Strange - allein schon, weil die Entscheidungen hier ja offensichtlich tatsächlich Auswirkungen haben und nicht nur Fake sind. Bin sehr gespannt!   
  • Marcos
    #2 | 26. Oktober 2015 um 21:08 Uhr
    Und der Weinbrecht hat's nicht gespielt. Junge, du verpasst was! Außerdem teile ich euer Fazit uneingeschränkt. Ein Meilenstein des Storytellings in Videospielen.
  • Darius
    #3 | 27. Oktober 2015 um 23:35 Uhr

    Tim: [...] richtig Bock auf Life is Strange - allein schon, weil die Entscheidungen hier ja offensichtlich tatsächlich Auswirkungen haben und nicht nur Fake sind. Bin sehr gespannt!


    Absolut! Ich habe dich ja schon indirekt zu den Telltales bewegt, hier bei LIS mag ich es mal direkt machen: Kaufen =P
    Dann können wir uns auch intern über Spoiler hinaus unterhalten.
  • Philipp
    #4 | 28. Oktober 2015 um 10:24 Uhr
    Ich muss es mir wohl doch mal anschauen...   
  • Tim
    #5 | 10. Oktober 2016 um 12:55 Uhr

    Tim: Ich habs leider auch noch nicht gespielt, habs aber schon ganz weit oben auf meiner ToDo-Liste stehen. "Spiele" mich ja gerade schon durch die Telltale-Stories und hab schon richtig Bock auf Life is Strange - allein schon, weil die Entscheidungen hier ja offensichtlich tatsächlich Auswirkungen haben und nicht nur Fake sind. Bin sehr gespannt!


    Fast ein Jahr später habe ich es nun endlich gespielt und ... wowser. Kann mich nicht erinnern, wann mich das letzte Mal ein Spiel derart mitgenommen und "gepackt" hat. Life is Strange wischt mit den meisten Telltales einfach den Boden auf. Wirklich ganz, ganz großes Kino (auch wenn es ein bisschen schadet, wenn man zuvor Butterfly Effect gesehen hat).

    Bin echt traurig, dass es vorbei ist  

    Ich hoffe, dass Dontnod nach Vampyr genau dort weitermacht und das Konzept noch ausbaut. Inszenierung und Musik waren super, die Rätsel fand ich auch immer gelungen und das einzige, was eventuell noch ein bisschen besser werden könnte, sind die Dialoge (manchmal übertreibt es Max mit ihrer Gefühlsduselei etwas). Ansonsten wünsche ich mir einfach nur mehr davon. Die Spielewelt braucht solche Erlebnisse. Hoffentlich knüpft auch Telltale dort an und lässt sich inspirieren.
  • Darius
    #6 | 12. Oktober 2016 um 01:18 Uhr

    Tim: [...] wowser. [...] Ansonsten wünsche ich mir einfach nur mehr davon. Die Spielewelt braucht solche Erlebnisse. Hoffentlich knüpft auch Telltale dort an und lässt sich inspirieren.


    Meine Rede =] #TFTB

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