The Crew: Wild Run - Review
Ein unvergesslicher Monstertruck-Trip durch das Land der Träume
Weihnachten rückt immer näher und ihr habt noch kein geeignetes Geschenk gefunden? Wie wäre es mit einem Roadtrip quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika? Zwar wäre ein Urlaub ganz schön, aber in der Kasse herrscht momentan Ebbe? Auch dieses Problem lässt sich mit The Crew: Wild Run durchaus lösen. Sollte euch euer Kontostand keinen realen Trip durch die USA gewähren, gibt es hier immerhin die Möglichkeit, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Gegenden im Land der großen Träume virtuell zu begutachten. In meiner Review kläre ich außerdem darüber auf, was die Reise von der Ost- zur Westküste zu bieten hat und ob die kürzlich erschienene Erweiterung wirklich so viel Neues bietet.
Racheaktion vom Feinsten
Zu Beginn der Story werde ich in die Haut des Hipsters Alex Taylor gepresst. Alex ist einer dieser typischen Rennfahrer in Videospielen, die eigentlich keiner braucht und die jederzeit austauschbar sind. Sein Bruder allerdings ist weniger austauschbar und wird schon nach kurzer Zeit auf die Bretter gelegt, weshalb Alex zunächst eine ganze Weile hinter schwedischen Gardinen verbringen darf, obwohl dieser nichts mit dem Mord zutun hat. Nach knapp fünf Jahren erhält Alex dann das Angebot des FBI, einen korrupten Polizeibeamten ans Messer zu liefern. Als Gegenleistung dafür darf sich dieser am mittlerweile zum Boss der Crew 5-10 aufgestiegenen Shiv für den Mord an seinem Bruder rächen. Klingt platt? Ist es auch. Die Dialoge sind stellenweise so dämlich und klischeebehaftet, dass man sich hin und wieder wirklich fremdschämen muss.
Darüber hinaus sind die gestellten Missionen teilweise sehr hanebüchen erzählt und konzipiert: So muss ich beispielsweise durch auf der Karte verteilte Kisten fahren, bei denen es sich um Schmuggelrware handeln soll. Diese zerstöre ich innerhalb eines bestimmten Zeitlimits und habe so einen Deal mit einer anderen Gang platzen lassen. Dass die Schmuggelrware dann aber mitten auf der Hauptstraße über mehrere Kilometer herumfliegt und auch sonst keinen der Menschen in der Spielwelt interessiert, wird nicht thematisiert. Klar, es ist ein Rennspiel und das Ziel einer solchen Mission liegt auf der Hand, dennoch wäre dem gegebenen Szenario wesentlich mehr zu entnehmen gewesen - besonders deshalb ist es schade, dass hier keine kreativeren Missionsansätze gefunden wurden.
Um aber erst einmal in die Crew aufgenommen zu werden, bedarf es eines bestimmten Tattoos, welches allerdings nur qualifizierten und talentierten Rennfahrern verpasst wird. Daher schickt mich das Spiel zunächst von Rennen zu Rennen, um mir im beschaulichen Detroit erst einmal einen Namen zu machen. Dabei lerne ich immer wieder wichtige Charaktere kennen, die mir weitere Türen zu bestimmten Tuning-Shops sowie Rennen öffnen. Während die Routen zum nächsten Rennen im ersten Drittel des Spiels recht überschaubar bleiben und ich nur die Nachbarstädte besuchen darf, öffnet sich gegen Ende des Spiels die komplette Karte, woraufhin ich gut und gerne mal mehr als 100 Kilometer zum nächsten Ziel unterwegs bin. Eine solche Reise kann, je nach Auto, mehr als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Besonders ärgerlich ist dies, wenn das eigentliche Rennen nur zwei bis drei Minuten in Anspruch nimmt und ich mich danach direkt wieder auf die Reise machen darf.
Roadtrip durch das Land der Träume
Im weiteren Verlauf des Spiels erhalte ich neben dem gewöhnlichen Straßenwagen, welchen ich mir zu Beginn des Spiels aus einer Handvoll zur Verfügung gestellter Vehikel auswählen darf, immer wieder sogenannte Bodykits. Diese geben mir die Möglichkeit, meinen Lieblingswagen den Anforderungen entsprechend auszurüsten. So ist es realisierbar, meinen eben gekauften Performance-Wagen BMW Z4 in nur wenigen Sekunden zum Rally-Fahrzeug umzubauen. Zwar büßt dieser dann einige Attribute ein, gibt mir aber die Chance, ebenfalls in Offroad-Rennen vorne mitzufahren. Diese Änderungen sind jederzeit umkehrbar und für die jeweilige Situation frei wählbar.
Dementsprechend erhalte ich mit den verschiedenen Fahrzeugen und Bodykits eine Vielfalt an Optionen, die es mir erlaubten, die USA nach meinen Vorlieben unsicher zu machen. Infolgedessen ist es möglich, mein Lieblingsfahrzeug ähnlich wie in Need for Speed optisch meinen Ansprüchen anzupassen. So kann ich die Farbe anpassen, schicke Decals auf die Motorhaube klatschen oder aus einer Vielzahl von verschiedenen Felgen wählen. Perfomance-Verbesserungen erhalte ich dagegen nur durch das Erledigen einer der Missionen. In diesen muss ich bestimmte Checkpoints passieren, verschiedene Ziele zerstören oder einfach nur möglichst schnell eine bestimmte Strecke hinter mich bringen. Je nach Leistung erhalte ich einen Bronze-, Silber-, oder Goldrang, welcher wiederum vorgibt, in welchem Maße das eben gewonnene Bauteil das Fahrzeug verbessert.
Das Konto bleibt leer
Überraschenderweise geizt The Crew extrem damit, das Konto mit den sogenannten Bucks zu füllen. Diese stellen die Ingame-Währung dar und erlauben es mir, die zuvor genannten Teile sowie verschiedene Bodykits zu erwerben. Besonders ärgerlich wird es, wenn das gewünschte Traumauto sogar nur für Echtgeld zu erwerben ist. Dies hat mich tatsächlich das eine oder andere Mal zu der Überlegung gebracht, ob das wirklich die Zukunft der Videospiele darstellen soll? Trotz alledem kann ich die Hauptstory mit den im Spiel zur Verfügung gestellten Fahrzeugen ohne Weiteres erledigen.
In der knapp zwanzig-stündigen Kampagne besuche ich neben Detroit und Miami in gleicher Weise die Städte Las Vegas und Los Angeles. Jede dieser Städte ist charakteristisch ihrem realen Vorbild nachempfunden worden. Hier und da gibt es zudem bestimmte Hotspots, die es möglich machen, verschiedene Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Ebenso wissen die Gebiete zwischen den größeren Städten zu Überzeugen und versüßen den Ausflug mit malerischen Waldgebieten, einem Ausflug an den Strand oder lassen mich sogar auf den Gipfel eines Berges fahren.
Was bringt die Erweiterung?
Neben der Verknüpfung von MMO-Elementen und einem Arcade-Racer mit riesiger Spielwelt rückt die Erweiterung "Wild Run" nun den kompetitiven Aspekt weiter in den Vordergrund. Mit einem Summit-Festival, ähnlich dem von Forza Horizon 2, gibt es derzeit wöchentlich immer neue Aufgaben zu erledigen. Dabei zieht das Festival von Zeit zu Zeit an verschiedene Orte und wartet mit zunehmend verrückteren Missionen auf mich. Stelle ich mich gut an und setze neue Rekorde in einer Bestenliste, in der alle aktiven Spieler der Welt gelistet sind, erhalte ich neue exotische Bauteile für mein Fahrzeug. Dieses Konzept lässt sich ähnlich mit dem aus dem Schmelztiegel von Destiny vergleichen. Um für ordentlich Abwechslung zu sorgen, sind neben den bereits aus dem Hauptspiel bekannten Bodykits obendrein Monstertrucks, Dragster-Rennen und Motorräder im Spiel verfügbar. Mit ersteren müssen in einem riesigen Stadion abseits der offenen Welt verschiedene Punktetafeln zerstört werden. Jenes Stadion ist natürlich mit waghalsigen Loopings, Rampen und allerlei Challenges gefüllt. Am Ende zählt hier nur der Highscore, der Woche für Woche in die Höhe getrieben werden möchte.
Abgesehen davon bieten die Dragster-Rennen besonders Need-for-Speed-Veteranen eine nette Abwechslung. Um möglichst viel Geschwindigkeit in möglichst kurzer Zeit auf kurzer Strecke zu erreichen, muss nach einem perfekten Start im richtigen Moment geschaltet werden. Nur wer hier die nötigen Nerven hat, auch im hohen Drehzahlbereich und jenseits der 400-km/h-Grenze einen kühlen Kopf zu bewahren, hat die Chance auf einen Platz an der Spitze der Highscores. Selbstverständlich sind die angebotenen Events alle frei wählbar und können nach Vorliebe gespielt werden. Insbesondere die Motorräder, die im Übrigen auch über verschiedene Bodykits verfügen, versprechen auch in der offenen Spielwelt jede Menge Spaß und einen wahren Geschwindigkeitsrausch. Wenngleich die Fahrphysik dieser weit von einem realistischen Fahrgefühl entfernt ist, macht es jede Menge Spaß, hier einen Rekord nach dem anderen zu brechen.
Jede Menge bunte Smarties, auch für jene, die nur das Hauptspiel besitzen.
Die schwammige Fahrphysik, welche insbesondere in der Beta und später im Hauptspiel von vielen bemängelt wurde, hat eine Generalüberholung erfahren und gibt mir diesmal die Möglichkeit, das Fahrzeug geschmeidiger um die Kurven zu lenken. Diese Änderung macht die mit der Erweiterung eingeführten Drift-Herausforderungen zu einem Fest für alle Liebhaber von quietschenden Reifen. Doch auch optisch hat sich einiges getan: Erstmals verfügt The Crew über ein dynamisches Wettersystem, das sich auf das Fahrverhalten der Autos auswirkt. Hat es vor einigen Minuten stark geregnet, ist die Straße voller Pfützen und lässt mein PS-Monster schneller ins Wanken geraten. Obendrein reflektiert die Sonne in jenen Wasserlachen natürlich stärker und lässt das Gesamtbild stimmiger wirken. Generell hat das Grafikupdate, welches ebenfalls für Spieler verfügbar ist, die nur das Hauptspiel besitzen, für eine verbesserte Weitsicht und einen detaillierten Straßenverkehr gesorgt. Während in der alten Version der Gegenverkehr oftmals einem farbig rollenden Klotz glich, sieht er jetzt zumindest annähernd einem Auto ähnlich. Insgesamt betrachtet kann die grafische Qualität trotz Updates anderen Genre-Vertretern nicht das Wasser reichen.
Fazit von Kevin:
The Crew: Wild Run ist für alle Besitzer des Hauptspiels ein zweischneidiges Schwert. Zwar motivieren die im Summit gestellten Herausforderungen durchaus für einige Stunden in der Woche, sie bieten aber gegenüber den bekannten Missionen zu wenig Neues. Die Motorräder, Monstertrucks und Drag-Rennen sind allesamt ordentlich umgesetzt, lassen jedoch neue Missionen in der freien Spielwelt vermissen - schade. Daher ist der hohe Anschaffungspreis des reinen Add-Ons eine Frage dessen, ob man den kompetitiven Wettkampf gegen andere Spieler über Bestenlisten überhaupt interessant findet.
Das Gesamtpaket für Neueinsteiger wie mich könnte allerdings nicht besser sein. Für einen fairen Preis bieten die Jungs von Ivory Tower ein Content-Monster mit riesiger Spielwelt und einer recht platten und vorhersehbaren Story. Wen das nicht stört und wer nur gemütlich einen Roadtrip durch die USA erleben möchte, ist bestens bedient. Ich hatte mit The Crew trotz oder gerade wegen der ewig langen Fahrwege jede Menge Spaß und nur selten Frustmomente, weshalb mir das Spiel in guter Erinnerung bleiben wird. Ob die wöchentlichen Summits allerdings für monatelangen Spaß sorgen werden, bleibt für mich eine offene Frage.
The Crew: Wild Run bietet allen Neueinsteigern ein solides Rennspiel mit jeder Menge Inhalt. Besitzer des Hauptspiels sollten sich über den Kauf und den damit verbundenen hohen Anschaffungspreis des Add-Ons Gedanken machen, ob der kompetitive Wettkampf Grund genug darstellt, um erneut in die Brieftasche zu greifen.
- neue Fahrzeugklassen
- riesiger Fuhrpark
- abwechslungsreiche große Spielwelt
- dynamisches Wetter
- grafisches Update
- wöchentlich wechselnde Herausforderungen im Summit
- netter Soundtrack
- Ingame-Transaktionen für Autos
- Kollisionsabfrage mangelhaft
- Gummiband-KI
- teils nervige Verfolgungsjagden
- vorhersehbare Story
- deutsche Synchronisation
Kevin hat The Crew: Wild Run auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Ubisoft zur Verfügung gestellt.
#1 | 12. Dezember 2015 um 06:32 Uhr