Rainbow Six: Siege - Review

Viele Jahre haben wir von Team Rainbow nichts mehr gehört. Nach den letzten Rainbow-Six-Spielen, die noch für die letzte Konsolengeneration entwickelt wurden, sollte Rainbow 6: Patriots folgen, dessen Entwicklung jedoch nach drei Jahren eingestellt wurde. Stattdessen hat sich das Entwicklerteam von Ubisoft neu orientiert und liefert nun mit Rainbow Six: Siege einen "reinen" Multiplayer-Shooter. Der neuste Ableger der Reihe orientiert sich wieder mehr am Original und setzt auf taktisches Vorgehen, statt auf Hollywood. Hierbei steht Teamwork an erster Stelle und Einzelkämpfer werden schnell den Spaß am Spielen verlieren. Doch geht das Konzept auch auf?

Es ist ungewöhnlich still vor dem Motorradclub "Die Vier Reiter". Keine Männer in Lederkutte, die den Zweizylinder ihres Choppers aufheulen lassen; kein lautes Gelächter und zusammenstoßende Bierflaschen und selbst die Rockmusik ist außerhalb der Gemäuer verstummt. Es handelt sich um eine Geiselnahme. Die Terroristen sind Profis – gut trainiert und militärisch bewaffnet. Team Rainbow wird angefordert. Während die Einsatzkräfte – sogenannte Operator – Drohnen nutzen, um einen Blick in das Clubhaus zu werfen, verbarrikadieren sich die Geiselnehmer. Wände werden verstärkt, Fenster zugenagelt und Störsender aufgestellt. Zusätzlich werden Sprengfallen an einzelnen Türen angebracht. Derweil konnte eine Drohne die Position der Geisel aufklären und Sprengfallen ausfindig machen. Team Rainbow bekommt grünes Licht erteilt und beginnt die Stürmung.


Rainbow Six: Siege
Verstärkte Wände können mit regulären Sprengladungen nicht zerstört werden.


Kein Spiel für Solisten ...



Wie bereits erwähnt liegt der Schwerpunkt bei Rainbow Six: Siege auf dem Multiplayer. Für Solisten gibt es zwar die Möglichkeit, Szenarien zu spielen, die gleichzeitig als Tutorial fungieren und den Spieler mit verschiedenen Gadgets vertraut machen, allerdings ist bereits nach zwei Stunden die Luft raus. Das letzte Szenario wird dann wiederum im Team gespielt und anschließend verweist das Spiel auf den eigentlichen Multiplayermodus. Eine zweite Möglichkeit ist die Terroristenjagd, bei der – alternativ zum Gruppenspiel – auch als einsamer Wolf gegen Terroristen vorgegangen werden kann.

Komisch an der ganzen Sache ist, dass im Intro und später in den Szenarien sogar ein Plot aufgebaut wird, nach dem eine terroristische Organisation weltweit Anschläge verübt und die regulären Einsatzkräfte überfordert sind, weswegen Team Rainbow reaktiviert wird. Im eigentlichen Multiplayer spielen wir jedoch keine Terroristen mehr sondern kämpfen als Operator gegeneinander, was die Frage aufkommen lässt, ob entweder eine Kampagne geplant war, oder noch Überreste aus dem gecancelten Rainbow 6: Patriots wiederverwertet wurden. Das Ganze hat auf jeden Fall einen komischen Beigeschmack.


… und auch nicht für Einzelkämpfer



Im Multiplayer tretet ihr dann in Teams von jeweils fünf Spielern gegeneinander an. Rainbow Six: Siege orientiert sich hierbei am Platzhirsch Counter-Strike (Global Offensive). Entweder muss das Verteidigerteam zwei Bomben schützen, oder verhindern, dass eine Geisel durch das angreifende Team befreit wird. Alternativ muss hin und wieder ein Giftgasbehälter geschützt werden, allerdings unterscheiden sich die Spieltypen ohnehin nur geringfügig voneinander. Nur selten wird wirklich eine Geisel gerettet und auch nur hin und wieder die Bombe entschärft. Das liegt vor allem daran, dass fast jede Runde darauf hinaus läuft, dass sich das Verteidigerteam in ein oder zwei Räumen komplett verbarrikadiert und ohnehin jeder Verteider ausgeschaltet werden muss, um überhaupt an die Geisel oder die Bombe zu gelangen. Ohne die effiziente Nutzung unterschiedlicher Ausrüstung läge der Vorteil hier ganz klar bei den Verteidigern, wodurch Koordination und Teamwork – ganz besonders für die Angreifer – unverzichtbar sind. Einzelkämpfer werden schnell als Kanonenfutter enden.

Falls ihr euch nun gefragt habt, warum ich immer Angreifer und Verteidiger schreibe und nicht Team Rainbow und Terroristen, dann liegt das an der Kuriosität, dass im Multiplayer alle Spieler Operator aus Team Rainbow spielen. Demnach kämpfen Mitglieder von Team Rainbow gegen Mitglieder von Team Rainbow und da das Ganze mit Tötungen und Splattereffekten einhergeht und demnach nicht als Training gewertet werden kann, stellt sich mir die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Vielleicht saß ich die letzten Wochen aber auch nur auf der Leitung und jemand möge mich in den Kommentaren aufklären.


Rainbow Six: Siege
Jeder Operator verfügt über andere Ausrüstung, die effizient kombiniert werden will.


Ich wähle dich, Thermite!



Zu Beginn jeder Runde stehen euch verschieden Operator zur Verfügung, die jedoch erst mit Credits gekauft werden müssen. Credits erhaltet ihr wiederum durch das erfolgreiche Abschließen von Szenarien oder durch Siege (an dieser Stelle ein gefährliches Wort) im Multiplayer. Der Preis für Operator innerhalb einzelner Spezialeinheiten steigt hierbei von 500, über 1000 bis hin zu 2000 Credits. Außerdem könnt ihr damit die Waffen der einzelnen Operator modifizieren und verschiedene Visiere oder Griffstücke anbringen. Am besten ihr schaut euch zu Anfang die drei Tutorialvideos an, wodurch ihr die ersten 600 Credits – praktisch – geschenkt bekommt.

Zur Auswahl stehen fünf verschiedene Spezialeinheiten mit jeweils vier Operator, darunter der britische SAS, das französische GIGN, das SWAT des amerikanischen FBI, die russische SpezNas und die deutsche GSG9. Jeder der 20 Operator hat seine eigene Ausrüstung. Während Thermite (FBI) verstärkte Wände sprengen kann, erkennt IQ (GSG9) elektronische Apparaturen hinter Wänden jeglicher Stärke. Eine gute Kombination dieser Fähigkeiten ist der Schlüssel zum Erfolg. Es empfiehlt sich entweder in der Gruppe, oder im Buddyprinzip (zu zweit) vorzugehen. So kann Montagne (GIGN) sich selbst und dem Kameraden hinter sich mit seinem ballistischen Schild Schutz bieten und durch langsames, aber stetiges vordringen die Verteidiger unter Druck setzen, während Glaz (SpezNas) die Verteidiger beim Deckungswechsel mit seinem Scharfschützengewehr ausschaltet. Vorgehensweisen gibt es viele, die jedoch allesamt viel Übung erfordern.

Mich persönlich stört die Beschränkung der einzelnen Operator auf bestimmte Waffen. Warum nicht jedes GSG9-Mitglied dieselben Waffen zur Auswahl hat ergibt für mich keinen Sinn. Wer ein ballistisches Schild trägt, kann natürlich nicht nebenbei noch einhändig das G36 abfeuern (wobei selbst das gehen würde, da spreche ich aus Erfahrung) aber zumindest eine kleine Maschinenpistole wäre eine taktische Abwechslung zur Pistole gewesen. Zudem ist die Beschränkung der Ausrüstung relativ groß. Eine Kampfmittelweste sollte ohnehin Granaten tragen können, selbst wenn noch Sprengladungen mitgeführt werden.


Rainbow Six: Siege
Frauen bei den Einsatzeinheiten des GSG9? Zumindest in Rainbow Six: Siege.


Festungen bauen und einreisen



Die Karten in Rainbow Six: Siege sind durchdacht und abwechslungsreich gestaltet, wonach eine gute Kenntnis über das Einsatzgebiet viele Vorteile mit sich bringt. So verfügen die Gebäude über mehrere Türen und Fenster, die als Eingang dienen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einzelne Wände und Böden komplett zu sprengen, um weitere Zugänge zu schaffen. Andere Wände können hingegen soweit zerstört werden, dass die entstandenen Löcher als Schießscharten genutzt werden können. Deckungen sind relativ, zerstörbar und mit einem Loch in der anliegenden Wand schon wieder nutzlos. Dadurch entsteht eine einzigartige Dynamik, die es so in ähnlichen Shootern noch nicht gegeben hat.

Es ist stellenweise unglaublich spannend, ja schon fast aufregend, wenn ihr euch zu fünft in einem Raum verbarrikadiert habt, sämtliche Wände verstärkt wurden, die Fenster mit Sprengfallen versehen sind, der Stacheldraht hinter den Türen unter Strom steht und ihr nur auf die ersten Anzeichen wartet, die Angreifer ausfindig zu machen. Was wird auf euch zukommen? Ein lauter Knall am Fenster, Schweißgeräusche an der Wand? Oder es kommt die große Überraschung und der Feind kommt von oben, weil ihr nicht bedacht habt, dass es noch ein Stockwerk und möglichen Zugang über euch gibt.



Fazit von Kai:

Rainbow Six: Siege stößt Counter-Strike vom Thron der Taktik-Shooter. Das neue Spiel von Ubisoft Montreal überzeugt mit solider Technik, neuen Innovationen und – vor allem – viel Abwechslung. Hinzu kommen die taktischen Elemente, die es so bei der Konkurrenz noch nicht gegeben hat. Die zerstörbare Umgebung und die unterschiedliche Ausrüstung der einzelnen Operator sorgen gemeinsam für ein neues Spielprinzip und eine noch nie zuvor dagewesene Dynamik. Selbst der Sound gewinnt als taktisches Element unglaublich an Relevanz; so sehr sogar, dass ich über ein neues Headset mit Surround-Sound nachdenke. Probleme durfte ich selbst nur bei der Erstellung von Onlinepartien erfahren, da es (noch) häufig zu Verbindungsabbrüchen kommt und die Zeit zwischen den Partien einfach zu lange dauert.

Ich hatte jedenfalls meinen Spaß mit Rainbow Six: Siege und werde sicherlich auch weiterhin als Ash aus sicherer Entfernung Wände sprengen oder mit Mute die Räume mit Jammern bestücken, um gegnerische Drohnen unbrauchbar zu machen. Für mich bleibt lediglich der Wermutstropfen der angefangenen, aber nicht gänzlich umgesetzten Story.

Besonders gut finde ich ...
  • unterschiedliche Spezialausrüstung
  • zerstörbare Umgebung
  • Teamplay ist unerlässlich
  • Sounddesign taktisch orientiert
Nicht so optimal ...
  • Probleme bei der Spielerstellung
  • seltsame Storyinszenierung
  • Team Rainbow vs. Team Rainbow?
  • keine freie Waffenwahl

Kai hat Rainbow Six: Siege auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Ubisoft zur Verfügung gestellt.


Rainbow Six: Siege - Boxart
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  • Entwickler:Ubisoft Montreal
  • Publisher:Ubisoft
  • Genre:FPS
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One
  • Release:01.12.2015

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel ... und 5 Gästen.
  • Jari
    #1 | 17. März 2016 um 11:47 Uhr
    Angesichts des Rekord-Starts von The Division muss ja mal die Frage erlaubt sein, ob überhaupt noch jemand Rainbow Six spielt. Da hat sich Ubisoft meiner Meinung nach ein bisschen selbst kanibalisiert, oder?

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