Shadwen - Review

In den vergangenen Jahren hat uns das finnische Studio Frozenbyte mit dem märchenhaften Jump'n'Run Trine verwöhnt. Das sympathische und ungleiche Helden-Trio rund um Zoya, Amadeus und Pontius wagte im dritten Teil der Reihe sogar den Schritt in die dritte Dimension und begeisterte stets mit seiner farbenfrohen Pracht. Mit dem Stealth-Adventure Shadwen präsentieren die Finnen nun eine neue Welt in einer deutlich düstereren Atmosphäre. Schleichen und Meucheln stehen nun statt Hüpfen und Rätseln auf dem Programm.

Dass ich mir nach meiner Preview zu Trine 3: The Artifacts of Power vor ziemlich genau einem Jahr noch immer keine Zeit für das finale Spiel genommen habe, ist schon etwas traurig. Aber überall locken so viele Versuchungen und die verfügbare Freizeit ist begrenzt – ihr kennt das ja. Vielleicht waren es das schlechte "Trine-Fan"-Gewissen oder die Frage "Warum ist das Fachpresse-Feedback zu Shadwen eher mittelmäßig?", die mich dazu getrieben haben, am vergangenen Wochenende das Stealth-Spiel der Finnen einzulegen und direkt in einer rund 10-stündigen Session zu verschlingen. Ganz gleich was es war, bereut habe ich meine Entscheidung nicht und nun kann ich euch außerdem von meinen Erlebnissen erzählen.


Shadwen
Die düstere Atmosphäre passt prima zur mittelalterlichen Kulisse.


Fürsorgliche Meuchelmörderin



Das Abenteuer startet mit einer Rückblende und versetzt mich zunächst in die Rolle des kleinen Mädchens Lily, das sich an den zahlreichen Wachen in der Stadt vorbeischleichen muss, um an einen Apfelbaum zu gelangen. Dabei lerne ich die Steuerung und verschiedene Techniken kennen, die mir dabei helfen, unentdeckt an die hungerstillenden Äpfel zu gelangen. Zeitgleich versucht die namensgebende Meuchelmörderin Shadwen, in die Burg zu gelangen, um "einen Job zu erledigen". Ihr wisst schon: Dolch, Kehle und so. Die Geschichte hat dabei ein Zusammentreffen der beiden vorgesehen, wodurch wir fortan in die Rolle von Shadwen schlüpfen, während uns das kleine Mädchen im Schutz der Schatten folgt.

In den insgesamt 15 Kapiteln arbeiten wir uns so durch zahlreiche Bereiche der mittelalterlichen Stadt, vorbei an etlichen Wachen und Hindernissen, bis zum König vor. Der Weg ist dabei das Ziel. Während man neuerdings auch in Uncharted heimlich an seinen Widersachern vorbeikommt und uns mit Dishonored 2: Das Vermächtnis der Maske bald ein weiteres großes Stealth-Action-Abenteuer erwartet, ist Shadwen wohl eher als "reiner Schleicher" für zwischendurch zu verstehen und am ehesten mit dem Goblin Styx zu vergleichen, der in Styx: Shards of Darkness ebenfalls bald erneut die Bühne betritt.

Neben ihrem Dolch und Enterhaken kann Shadwen auch verschiedene Gadgets nutzen, die sie, sofern die notwendigen Blaupausen und Handwerks-Utensilien vorhanden sind, jederzeit herstellen kann. Explosive Gerätschaften, allerlei Fallen oder eine tödliche Kombination sind einsetzbar – eine rollende Ablenkfalle mit einer montierten Haftmine zum Beispiel. Ein weiterer Clou ist das Verhalten der Zeit. Ganz ähnlich wie in Superhot bewegt sich die Welt um uns herum nur, wenn wir uns ebenfalls bewegen, und auch die Möglichkeit des Vor- und Zurückspulens ist gegeben.


ShadwenShadwen
Stets den Überblick behalten - alte Assassinen-Weisheit.


Taktische Schleichscharmützel



Insbesondere durch das jederzeitige Zurückspulen kann man etwaige Fehler schnell korrigieren oder verschiedene Optionen durchprobieren. Außerdem entfallen dadurch auch lästige Speicher- und Ladeunterbrechungen sowie fiese Checkpoints. Meiner Meinung nach wirkt sich das äußerst positiv auf den Spielfluss aus und saugt einen auch direkt tiefer in die jeweilige Situation.

Die einzelnen Level sind dabei so gestaltet, dass wir stets verschiedene Wege und Möglichkeiten einschlagen können. Außerdem steht es uns natürlich frei, die jeweilige Herausforderung noch weiter zu steigern, zum Beispiel, indem wir uns vornehmen, alle Wachen am Leben zu lassen. In meinem ersten Spieldurchgang habe ich mich allerdings zunächst für die Variante "Töte alle Wachen in jedem Kapitel" entschieden. Dadurch wird das Spiel jedoch nicht automatisch einfacher, zumal uns jede der Wachen beim ersten Entdecken direkt zum "Game-Over"-Bildschirm befördert.

Und dann wäre da noch Lily. Sie wartet stets geduldig und gut getarnt, bis wir den Weg vor ihr frei machen. Sobald die Luft rein ist, kann sie problemlos zum nächsten Versteck schleichen. Dabei kann sie natürlich weder klettern noch einen Enterhaken einsetzen. Entdeckt sie auf ihrem Weg eines unserer Meuchelopfer, wirkt sich das auf den weiteren Verlauf und den Ausgang der Story aus. Daher musste ich stellenweise schon richtige Anstrengungen unternehmen, um ihr dieses Trauma zu ersparen. Wie lästige "Escort-Missionen" hat sich das Ganze allerdings nicht angefühlt. Trotz der stetig anwachsenden Länge der einzelnen Kapitel und des Schwierigkeitsgrads bewegt sich das Spiel auf einem sehr moderaten Herausforderungslevel. Die KI-Soldaten reagieren zwar äußerst sensibel auf Geräusche sowie Bewegungen und auch erledigte Wachen sollte man nicht einfach rumliegen lassen, sie wundern sich aber zum Beispiel nicht weiter, wenn ein Kollege aus einer Gruppe plötzlich verschwindet, selbst wenn sie sich eben noch mit selbigem unterhalten haben.


ShadwenShadwen
Beute in Sicht - das gilt gleichermaßen für Truhen und Soldaten.


Kurzweiliger Spaß für Schleich-Fans



Insgesamt hat mir Shadwen gut gefallen und Spaß gemacht, auch wenn die Steuerung (Enterhaken schwingen) zu Beginn durch das Zeitfeature zunächst holprig und ungewohnt erschien. Mit etwas Übung ging das Ganze im späteren Verlauf wesentlich angenehmer von der Hand. Dass sich der Ablauf in den einzelnen Kapiteln im Grunde stets nach dem fast gleichen Muster wiederholt, klingt auf dem Papier zwar recht eintönig, wirkt sich im Spiel aber dennoch nicht negativ aus. Die Grundidee ist immer, die Wachen in irgendeiner Form abzulenken (oder aus dem Weg zu räumen) - wie dies geschieht, ist dabei jeweils situationsbedingt und auch die Umgebung spielt natürlich eine Rolle.

Optisch ist Shadwen nicht mit den farbenfrohen und detailreichen Kulissen eines Trine zu vergleichen, die düstere Kulisse ist jedoch schön anzuschauen und passt prima in das mittelalterliche Szenario. Zudem hatte ich immer wieder das Gefühl, ich bewege mich in einer Art Foto-Modus – was auch ziemlich cool wirkt. Clipping-Fehler und teils abrupte Animationen fühlen sich hingegen eher nicht so schön an. Auch die Story wirkt dünn und wenigstens die kurze Ladesequenz zwischen den Kapiteln hätte man mit verschiedenen statt mit dem immer gleichen Artwork schmücken können. Durch die unterschiedlichen Wege und Möglichkeiten der Herausforderung entstehen zwar nicht ansatzweise eine Tiefe und Vielfalt wie beim Meister-Assassinen Hitman, dennoch erhalten Schleich-Fans ein kurzweiliges, solides Spiel und sollten spätestens bei einem guten Angebot einen Blick wagen.



Kithaitaa

Fazit von Darius:

Nicht zuletzt mit dem ersten Trine hat sich Frozenbyte einen festen Platz auf meiner Liste der Lieblingsentwickler gesichert, gleich neben Supergiant Games, Amanita Design und ein paar weiteren. Dass Trine 3 scheinbar nicht so erfolgreich war und finanziell ein großes Loch verursacht hat, ist daher umso trauriger. Mit Shadwen erwartet euch nun ein kurzweiliges Schleich-Abenteuer, an dem ich insbesondere durch den angenehmen Spielfluss Gefallen fand. Freies Erkunden der Level und verschiedene Möglichkeiten sowie Gadgets sind sicherlich nichts außergewöhnliches, auch das Zeitmanipulations-Feature nicht. Durch die Kombination davon, das Leveldesign und unser Anhängsel Lily entsteht dennoch ein rundes Gesamtwerk, das als Stealth-Spiel für zwischendurch prima funktioniert. Die düstere Atmosphäre wirkt authentisch und bietet durch den "Slow-Motion-Effekt" tolle Foto-Momente. Auch wenn die Story nicht sonderlich viel hergibt und man stellenweise mehr Feinarbeit in die Animationen hätte stecken können: Shadwen bietet für Schleich-Fans ein solides Spielerlebnis.

Besonders gut finde ich ...
  • Atmosphäre
  • Spielmechanik und Spielfluss
  • weitestgehend freies Spielen
  • Möglichkeiten und Herausforderung
  • Spielzeit (über acht Stunden)
Nicht so optimal ...
  • dünne Story, blasse Charaktere
  • Clipping-Fehler und teils holprige Animationen
  • dümmliche KI-Soldaten

Darius hat Shadwen auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Frozenbyte zur Verfügung gestellt.

Shadwen - Boxart
  •  
  • Entwickler:Frozenbyte
  • Publisher:Frozenbyte
  • Genre:Stealth-Action
  • Plattform:PC, PS4
  • Release:17.05.2016

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Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel, Evoli ... und 5 Gästen.
  • Philipp
    #1 | 24. Mai 2016 um 13:07 Uhr
    Schade, dass das Ding international zu zerrissen wird. Klingt wie ei netter Stealth-Titel für zwischendurch.

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