Rive - Review

In den vergangenen 15 Jahren hat sich Two Tribes mit kreativen kleinen Download-Titeln - wie Toki Tori und Swords & Soldiers - einen respektablen Namen gemacht. Es ist schade, dass diese Ära zu Ende geht, doch mit Rive verabschieden sich die Niederländer endgültig aus der Videospielbranche. Und oft kommt das Beste zum Schluss. Anstatt mit Tränen und Erinnerungen über diese lange Zeit zu sinnieren, ist der Abschiedsgruß ein fettes, lautes "Bang!", eine Goodbye-Party mit Feuerwerk und Projektilgewitter: Rive ist ein Arcade-Shooter mit Style, Substanz und einem Aber.

Das heißt allerdings nicht, dass es nicht auch bei Rive an so mancher Stelle hapert. Tatsächlich ist mir noch kein anderes Spiel für die PlayStation 4 so oft abgestürzt - insgesamt bereits drei Mal. Und ich hätte mehr als nur ein Mal vor Frust gerne in meinen DualShock oder die Tischkante gebissen, konnte mich aber zum Glück für meine Zähne gerade noch zurückhalten. Wenn Rive seine Probleme offenbart, dann richtig! Andersherum gilt aber auch: Wenn es funktioniert, dann macht es verdammt viel Spaß. Schade, dass dem nicht immer so ist.


Rive
Gewöhnt euch schon mal an den Anblick: Sind Feinde in der Nähe, ist es das Effektgewitter auch.


Ein Best-Of der Arcade-Shooter



Rive ist ein Arcade-Shooter. Aber diese Beschreibung alleine wird dem Spiel kaum gerecht, denn streng genommen ist es eher ein Hybrid aus verschiedenen Typen von Arcade-Shootern. Egal ob Sidescroller oder Top-Down, egal ob die Kamera die Spielfigur verfolgt oder das Level "anschiebt" - wenn es im Genre schon einmal gemacht wurde, dann gibt es das auch in Rive.

So wechselt das Spiel immer wieder die Perspektive und den Style - was sich nicht nur cool anhört, sondern auch cool ist und ihm extrem viel Abwechslung verleiht. Dabei ist das Interessanteste eigentlich, dass das Grundgerüst selbst im Genre schon ziemlich einzigartig ist: Anders als in den meisten Arcade-Shootern "schwebt" man die wenigste Zeit im Raum, sondern ist mit seinem spinnenartigen Kampfroboter an die Schwerkraft gebunden. Was wiederum bedeutet, dass man wie in einem traditionellen 2D-Platformer am Boden entlangläuft und über Abgründe hopst. Zwischendurch gibt es aber auch immer wieder Ausflüge unter Wasser, wobei man dort nicht feuern kann - hierfür müsste erst eine unterstützende Drohne gehackt werden. Und regelrecht spektakulär sind diejenigen Levels, in denen man auf einem fahrbaren Untersatz (zum Beispiel einem Zug) unterwegs ist und mit enormem Tempo durch die Umgebung rast. Nur, dass dabei eben auch in alle Richtungen geballert wird, was das Zeug hält - schließlich gilt es, wieder einen Weg aus der Raumstation herauszufinden, in die man eingebrochen ist. Diese ist nämlich eine monströse Todesfalle, gespickt mit brodelnden Lavaflüssen, Sägerädern und jeder Menge schießwütiger Drohnen.


Wreck! Hack! Die! Retry!



Der Bildschirmtod ist folglich nie allzu fern. Und das nicht nur in der Theorie: Innerhalb vieler Abschnitte, die jeweils gut und gerne 15 Minuten dauern können, bin ich häufiger gestorben als mir lieb war. Natürlich ist es ein Leichtes, dieses Versagen alleine mir als Spieler anzukreiden - und zu einem gewissen Grad ist das auch richtig. Aber oft ist Rive auch hochgradig unfair, wenn urplötzlich und wie aus dem Nichts 20 Gegner von beiden Seiten angeflogen kommen, Fallen ausgelöst werden, die man vorher nicht erkennen konnte, oder man einfach von einem herunterfallenden Felsbrocken zermatscht wird, für den man inmitten des Effektgewitters gerade kein Auge frei hatte. Viele der Drohnen halten zudem enorm viel Beschuss aus und bewegen sich in einer spiralförmigen Linie auf mich zu. Ja, die Checkpoints sind großzügig gesetzt, Sterben ist kein großes Thema - man hat unbegrenzt viele Leben - und im fünften, sechsten oder zehnten Anlauf kriegt man meist auch die schwierigste Passage im Level irgendwie gebacken. Aber diese häufigen Überraschungsangriffe und Projektil-Overkills sind stellenweise unglaublich frustrierend. Vor allem dann, wenn das Leveldesign mich mit meinem kleinen Kampfbot in eine schmale Ecke drängt, in der es kaum Platz zum Ausweichen gibt.

Wenn alles schief läuft - was zum Glück nur selten passiert -, dann macht Rive regelrecht aggressiv: Für den dritten Bossgegner habe ich unzählige Versuche gebraucht und als ich endlich kurz davor war, ihm die finale Kugel reinzudrücken, ... ist das Spiel abgestürzt. Der DualShock hat gerade so noch überlebt und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich Rive wieder genähert habe. In solchen Momenten könnte ich das Spiel verfluchen!


RiveRive
Dieser Kerl hat mir das Leben ganz schön schwer gemacht und ich hasse ihn immer noch.


Der Tanz der Zerstörung



Gäbe es diese Probleme nicht, wäre Rive locker einer der besten Genre-Vertreter seit Jahren, definitiv aber unter den besten dieser jungen Generation. Zumal es sein arcadiges Gameplay charmant in eine kleine Geschichte verpackt und man bereits bekannte Levels manchmal in gänzlich neuen Rahmenbedingungen nochmals besucht. An Kreativität mangelte es Two Tribes beim Entwickeln von Rive offensichtlich nicht und dass der bunte Mischmasch so vieler verschiedener Mechaniken und Spielstile schlussendlich aufgeht, ist bemerkenswert - wären da eben nicht die genannten Kritikpunkte, die einfach zu schwer wiegen, als dass man sie ignorieren oder darüber hinwegschauen könnte. Der "Dance of Destruction", wie die Holländer ihr Effektfeuerwerk nennen, ist die meiste Zeit spannend, spaßig, enorm abwechslungsreich und hochgradig fordernd, bleibt aber unter dem Strich unter seinen Möglichkeiten.

Das ist vor allem deshalb schade, weil immer wieder, eigentlich sogar ständig, das Potential zu mehr aufblitzt - etwa dann, wenn Rive dem Kampfbot einfach mal die Waffen entzieht und man wehrlos vor den Drohnen fliehen muss. Oder wenn man einen Smashbot auf einen Felsen lockt, damit er diesen zerstört und den Weg tiefer ins Level frei macht. Aber oft überwiegen Frust und Unverständnis - und die vielen bösen Überraschungsmomente sind vor allem für die Highscore-Jagd schädlich, die ja gerade für dieses Genre ganz essentielle Bedeutung hat.



Tim

Fazit von Tim:

Das Beste kommt oft zum Schluss, aber eben nicht immer - und im Fall von Rive sind es nur Kleinigkeiten, die es von diesem Status fernhalten. Denn eigentlich ist alles da, was ein sehr guter Arcade-Shooter braucht: starkes Leveldesign, eine enorme Herausforderung, Highscore-Listen, coole Bosskämpfe und verdammt viel Abwechslung. Rive bringt sogar noch mehr mit als das: Es sprüht geradezu vor Ideen, erzählt eine kleine Geschichte und bindet Puzzle- und Platformer-Elemente ein. Dieses Spiel hätte locker einer der besten Arcade-Shooter seit Jahren sein können! Und mit einem oder mehreren Patches ist das immer noch drin, denn die Probleme sind vergleichsweise einfach zu beheben. Hier und da ein paar Feinde weniger, besser getimte (oder vorhersehbare) Attacken aus dem Hinterhalt, weg mit den Abstürzen und das war's - Rive wäre ein deutlich besseres Spiel. Es ist wahnsinnig schade, dass relativ kleine Mankos häufig eine so große Wirkung auf den Spielspaß haben können. Nichtsdestotrotz können sich Two Tribes auf die Schulter klopfen, denn die Holländer haben einfach mal so einen der außergewöhnlichsten und interessantesten Genre-Vertreter abgeliefert. Ein würdiger Abschied, würde ich sagen.

Frust und Spielspaß lagen selten so nah beieinander, dazu kommen nervige Abstürze - aber wenn Rive funktioniert, dann richtig! Ein Patch könnte hier Wunder bewirken.

Besonders gut finde ich ...
  • hohe Abwechslung durch verschiedene Spielstile
  • effektgeladene Präsentation mit viel "BANG!"
  • cooles Leveldesign mit einzigartigen Ideen
  • enorme Herausforderung für Highscore-Jäger
  • nette Rahmengeschichte mit witzigen Figuren
Nicht so optimal ...
  • viele unvorhersehbare Überraschungsangriffe
  • teilweise unsagbar schwer bis gar unfair
  • gelegentliche Abstürze mitten im Spiel

Tim hat Rive auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Two Tribes zur Verfügung gestellt.

Rive - Boxart
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  • Entwickler:Two Tribes
  • Publisher:Two Tribes
  • Genre:Arcade-Action
  • Plattform:PC, PS4, Switch
  • Release:13.09.2016
    (Switch) 17.11.2017