Final Fantasy XV - Review
Fantastischer Roadtrip bringt die Reihe zurück an die Spitze
Über zehn Jahre lang befand sich Final Fantasy XV schlussendlich in Entwicklung. Einst als Spinoff für Final Fantasy XIII geplant, gab es im Laufe der Zeit mehrere Konzeptänderungen und Neuausrichtungen, die dem Spielverlauf besonders gegen Ende hin anzumerken sind. Dennoch macht der Ausflug mit der völlig zu Unrecht verunglimpften Boyband erstaunlich viel Spaß und gibt einen Ausblick darauf, wie Rollenspiele in Zukunft aussehen könnten. Der Trip nach Eos war ein denkwürdiger, auf den ich euch gerne mitnehmen möchte.
Noctis schwört Rache!
Nach einer epischen Anfangssequenz, die ihren Vorgängern in nichts nachsteht, beginnt das Abenteuer ohne Umschweife und ohne größere Erklärung. In der Rolle von Prinz Noctis verlasse ich die Königsstadt Lucis, um mich mit Lunafreya zu trauen. Mit im Schlepptau habe ich stets meine besten Freunde Prompto, Gladiolus Amicitia und Ignis Scientia, die mich das ganze Abenteuer über begleiten und treu an meiner Seite kämpfen. Die Hochzeit hat vor allem politische Gründe und soll die Feindseligkeiten zwischen dem Königreich und dem Niflheimer Imperium beiseite schaffen. Doch schon kurz nach dem Verlassen des Königreiches stürmt das Imperium hinterhältig die Heimat des Prinzen, legt Lucis in Schutt und Asche und tötet obendrein den König und somit den Vater von Noctis. Dieser schwört selbsterklärend Rache und setzt sich das Ziel, das Imperium möglichst schnell zu Fall zu bringen.
Die große weite Welt ruft
Zwar klingt der Einstieg durchaus spannend und episch, mich als Spieler lässt er ohne emotionale Bindung zu den Charakteren zunächst einmal kalt. Stattdessen befasse ich mich in den ersten zwanzig Spielstunden mit der riesigen offenen Welt, die, untypisch für die Reihe, mit Dutzenden Nebenaufgaben, Minispielen und versteckten Dungeons genug bietet, um mich abseits der Story zu beschäftigen. Folglich schließe ich gerne kleine Botengänge ab, suche nach Autoteilen für das königliche Gefährt - den Regalia - oder versuche mein Glück bei einer der zahlreichen Jagdmissionen, die neben äußerst stark inszenierten Kämpfen bei Abschluss ehrenvoll entlohnen. Schnell versinkt man in einer Suchtspirale, aus der man nur schwer wieder entkommen kann.
Zwar sind einige der Nebenaufgaben recht stupide und langweilig, dennoch möchte ich meine Charaktere immer weiter aufleveln und die Grenzen weiter ausloten. Deshalb kam es gut und gerne mal vor, dass ich einen ganzen Spieltag nur damit verbracht habe, nach neuen Rezepten zu suchen, Monster zu erlegen oder eine wählerische Katze zu füttern. Dabei habe ich mich stets äußerst gut unterhalten gefühlt und nicht einen Gedanken an die Story verschwendet. Etwas zäh gestaltet sich hingegen die Reise zu einzelnen Punkten, da man sich primär mit dem Regalia, einer Art Auto, über die Straßen in Eos bewegt. Nun liegen diese Straßen durchaus abseits der eigentlichen Aufgabenziele, sodass oft nur der Griff zum Chocobo hilft - welches man allerdings erst in der Story freischalten muss - oder zwangsweise ein Fußmarsch an der Tagesordnung steht. Diese Sequenzen können sich je nach Ziel in die Länge ziehen und besonders in abgelegenen Gebieten, die teilweise nicht ganz so hübsch anzusehen sind, für Frust sorgen. Auf dem Weg zum Ziel werde ich außerdem immer wieder von Monstern überrascht, die ich gemeinsam mit meiner Boygroup ausschalten sollte - alternativ kann ich aber meist auch fliehen.
Action in Echtzeit
Selbstredend nehmen die Kämpfe am meisten Spielzeit ein. Anders als in anderen Ablegern der Serie setzen die Entwickler nun auf Kämpfe in Echtzeit, welche durch eine optionale Pausenfunktion unterbrochen werden können. Hier können der Kampf gestoppt und die Schwächen des Gegners genauer unter die Lupe genommen werden. Insgesamt erinnern die Kämpfe sehr an Final Fantasy Type-0, welches einem ähnlich rasanten Spielverlauf folgte. Dementsprechend warpe ich mich auf Bäume, um wichtige Magiepunkte zu regenerieren und einen Überblick über das Kampfgeschehen zu sammeln, wechsle zwischen vier Waffentypen über das Steuerkreuz hin und her und überrasche meinen Gegner mit einer Team-Kombo, die bei korrekter Ausführung massiven Schaden anrichtet. Stimmt mein Timing, kann ich außerdem Angriffe der Gegner parieren und so weiteren Schaden anrichten, um die bisweilen sehr starken Bestien zu erlegen. Meine Mitstreiter kämpfen währenddessen automatisch und rufen im Notfall nach Hilfe oder nutzen Heilitems durchweg selbstständig. Das sorgt für ordentlich Kampfatmosphäre und lässt mich ganz auf mein eigenes Können fokussieren.
Nicht zu vergessen sind die Spezialangriffe, die nach Aufladen der Leiste von einem meiner Mitstreiter ausgeführt werden können: Prompto greift so zu seiner durchschlagkräftigen Pistole und kann seine Gegner mit der Attacke Durchschuss enorm schwächen. So kann man verschiedene und meist herrliche Kombinationen ausprobieren. Mit an Bord sind auch die übermächtigen Bestia, die sich leider nicht wie gewünscht beschwören lassen. Erst wenn der Kampf einige Zeit andauert und die Energieleiste des Prinzen gegen Null läuft, gibt mir das Spiel die Möglichkeit, die monströsen Bestien einzusetzen und die liebevoll gestalteten Beschwörungssequenzen in vollen Zügen zu genießen. Dennoch ist es schade, dass ich nicht die freie Wahl habe ob ich eine Bestie einsetzen möchte oder nicht. Diese Designentscheidung nimmt etwas taktische Freiheit aus den Kämpfen, zumal der taktische Tiefgang ohnehin nicht mit dem eines Final Fantasy X mithalten kann.
Sphärobrett 3.0
Daran ändern auch die zahlreichen Skillbäume der verschiedenen Charaktere nichts. Angelehnt an das Sphärobrett aus dem zehnten Ableger sammle ich über die Reise hinweg immer wieder Fähigkeitspunkte, die ich dazu einsetzen kann, besondere Skills oder Kombos freizuschalten. Die dort angebotenen Fähigkeiten sind allerdings nicht elementar, sodass ein Durchlauf selbst dann, wenn man nicht einen einzigen Skill einsetzt, keine Probleme bereiten sollte. Die Punkte lassen sich dabei erst nach einer Übernachtung im Hotel, einem Lagerplatz oder einem Wohnwagen investieren. Diese sind immer wieder mit interessanten Anekdoten meiner Mitstreiter gespickt, sodass jede Übernachtung einen Einblick in das Zusammenspiel der Boyband bietet und man sie auf Dauer immer besser kennen lernt, inklusive ihrer Stärken und Schwächen.
Überhaupt funktioniert die Dynamik zwischen den Charakteren insbesondere in der ersten Spielhälfte hervorragend und gibt mir tatsächlich das Gefühl, ein Teil der Gruppe zu sein. Immer wieder interessant sind vor allem die Kochsequenzen mit Ignis, der aus vielerlei Rezepten, die man überall in der Spielwelt finden kann, leckere Speisen kocht und so der Gruppe für den Folgetag einige Buffs verschafft. Die Zutaten hierfür müssen indes zuvor selbstverständlich käuflich erworben oder gefunden werden. Hierfür dienen verschiedene Seen, Shops oder gar Nebenaufgaben, in welchen man Zugang zu besonderen Bestandteilen bekommt. Ferner begleitet Prompto die ganze Reise mit seiner Kamera und schießt selbstständig, sogar in Kämpfen, Bilder, die besonders gegen Ende einen hohen ideellen Wert darstellen. Daraus ergeben sich immer wieder lustige Momente und imposante Motive, die mich noch weiter in die Welt von Eos versinken lassen haben.
Überraschende Wendung
Vorwiegend in der zweiten Spielhälfte flacht das Spielerlebnis leider erheblich ab. In kürzester Zeit bereise ich einige Handlungsspielorte, ohne die Möglichkeit zu haben, diese wirklich zu erkunden. Die Story hetzt von A nach B und führt mich ohne große Geduld mit rasanter Fahrt in Richtung Finale. Hier wirkt das Spiel unfertig und passt nicht zu dem zuvor vermittelten Eindruck. Teilweise fühlen sich die recycelten und streng linearen Levelabschnitte so an, als wäre für einen würdigen Schlussabschnitt nicht mehr genug Zeit gewesen. Immerhin entschädigt die spektakuläre Endsequenz über das elendige Kapitel 13, welches kurzzeitig an die Schmach von Final Fantasy XIII zurückerinnert. Kurioserweise mischen die Entwickler hier verschiedene Gameplay-Elemente wild durcheinander, sodass kaum Spielspaß überbleibt. Ohnehin nerven die zahlreichen Stealth-Einlagen im Spiel und hemmen den Spielfluss enorm. An dieser Stelle hätte ich mir lieber eine zweite offene Welt gewünscht, ähnlich der Stillen Ebene aus Teil 10, die mich erneut herausfordert und mich trotzdem an einem roten Faden in Richtung Finale begleitet.
Das FFXV-Kompendium von Piggyback
Immerhin bot mir das von Piggyback verfasste überaus hochwertige Lösungsbuch stets einen roten Faden durch die Welt von Eos. Dank der dort angegeben Infos sowie der beiliegenden Karte war es mir möglich, alle Nebenaufgaben ohne größere Probleme zu erledigen. Jedes noch so versteckte Detail war auf den über 300 Seiten erklärt. Darüber hinaus finden sich im hinteren Teil des Buches interessante Artworks sowie die Geschichte von Eos. Weiterhin sind alle wichtigen Charaktere sowie deren Entstehungsgeschichte beschrieben. Wer wusste vorher schon, dass Prompto während der Entwicklungsphase als kleiner moppeliger Junge geplant war? Die zahlreichen Textboxen sowie die von herausragender Qualität illustrierten Screenshots bieten ein maßgeschneidertes Spielerlebnis sowohl für Einsteiger als auch Profis. Jeder Kampf, jeder Gegner, jeder mögliche Zauber, die über ein gesondertes System zunächst einmal hergestellt werden müssen, werden dort in aller Ausführlichkeit stets bebildert beleuchtet und erklärt. Nur so ist garantiert, dass einer stressfreien Platin-Trophäe nichts im Wege steht. An dieser Stelle kann ich das Buch jedem Fan ans Herz legen und wer bereits Final Fantasy X komplettiert hat, weiß den überaus hohen Standard der Piggyback-Lösungsbücher ohnehin zu schätzen.
Fazit von Kevin:
Der fünfzehnte Ableger der Final Fantasy-Reihe ist ein ambitioniertes Projekt gewesen. Die Macher haben versucht, einen neuen Meilenstein zu erschaffen, der die Spieler von Beginn an fesselt. Leider schien ihnen gegen Ende die Zeit einen Strich durch die Rechnung zu machen, sodass selbst zehn volle Jahre Entwicklungszeit nicht genug gewesen sind, um dieses wundervolle Werk zu vollenden. Entsprechend haben wir es hier leider nicht mit einem erhofften Meisterwerk wie Teil sieben oder zehn zu tun.
Dennoch bieten die Spielwelt von Eos sowie die Geschichte rund um den Prinzen Noctis genug, um Fans der Serie und Neueinsteiger zu begeistern. Angesichts der Neuausrichtung sowie dem Übergang zu einem gewöhnungsbedürftigen Kampfsystem in Echtzeit wird es mit Sicherheit aber auch genug Kritik gegenüber dem Spiel geben. Tatsächlich aber haben die Entwickler alles versucht, um Final Fantasy moderner zu machen und ein für mich zeitgemäßes Final Fantasy veröffentlicht, das insbesondere Fans von Type-0 sehr gefallen wird.
Das neueste Final Fantasy ist trotz kleinerer Schwächen jedem Fan der Serie zu empfehlen - sofern man sich mit einem Kampfsystem in Echtzeit anfreunden kann.
- imposante Optik
- wunderschöne Spielwelt
- super Soundtrack
- stark inszenierte Kämpfe
- flottes, dynamisches Kampfsystem
- glaubwürdige Städte & Orte
- interessante Gruppendynamik
- zahlreiche spannende Nebenmissionen
- ordentlich Tuningmöglichkeiten des Regalia
- etwas nervige Reisefunktion
- zu kurze Hauptstory
- zum Teil sehr wirre Erzählweise der Story
- zweite Spielhälfte wirkt unfertig und gehetzt
Kevin hat Final Fantasy XV auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Square Enix zur Verfügung gestellt.
#1 | 19. Januar 2017 um 16:02 Uhr
#2 | 19. Januar 2017 um 17:34 Uhr
#3 | 20. Januar 2017 um 04:56 Uhr
#4 | 21. Januar 2017 um 20:12 Uhr