Through the Woods - Review

Basierend auf dem gleichnamigen Taschenbuch der Autorin Emily Carroll, greifen die norwegischen Entwickler Antagonist das Abenteuer Through the Woods eindrucksvoll auf und entführen mich in einen düsteren Wald, in dem es nur so vor schrecklichen Kreaturen wimmelt. Während des Ausflugs werde ich immer tiefer in den Sumpf der nordischen Mythologie gezogen und erlebe ein ums andere Mal, wie sich meine Nackenhaare vor Angst aufstellen. Through the Woods schafft eines, dass viele andere Genre-Vertreter nicht geschafft haben: Ich habe endlich wieder ein mulmiges Gefühl im Bauch.

Sind wir mal ehrlich: Wer nicht ein absoluter Naturfreak ist, kann mit so einem Stück Wald nicht viel anfangen: Bäume, Büsche, Tiere und abermals Bäume. Dennoch bietet eben jene Umgebung, die jeder Mensch abseits seines Gaming-Bildschirms schon einmal gesehen haben sollte, ein durchaus interessantes Setting und dient nicht umsonst immer wieder als Schauplatz diverser Horrorfilme.


Kurztrip mit Tücken



So auch die Wälder in Through the Woods, die mich immerhin etwas über zwei Stunden in ihren Bann gezogen haben. In der Handlung übernehme ich die Rolle der jungen Mutter Karen, welche in ihrem Job völlig überfordert ist und daher in eine Waldhütte fernab des Alltagsstress geflüchtet ist. Im Schlepptau hat sie stets ihren Sohn Espen, der von der Überforderung und ständigen Müdigkeit seiner Mutter wenig begeistert ist. Folglich langweilt sich der Junge über den ganzen Tag hinweg in der Waldhütte und kann seinem Entdeckungsdrang kaum nachgeben. Als Karen mal wieder den ganzen Tag geschlafen hat, weckt er sie zu Nachteinbruch. Da die Waldhütte nur spärlich ausgestattet ist und Espen den Drang verspürt das stille Örtchen zu besuchen, begleitet ihn seine Mutter unter sternenklaren Himmel zum abseits liegenden Toilettenhäuschen. Vor Scham schickt er seine geliebte Mutter kurz darauf aber wieder weg und folglich passiert das Unmögliche: Ein Moment der Unachtsamkeit und schon ist Espen verschwunden.

Klingt billig? Das dachte ich auch - doch es stellte sich heraus - dass der Junge uns nur einen kleinen Streich auf Kosten der Mutter gespielt hat. Zurück in der Waldhütte läuft alles wie immer ab. Karen verschläft den Tag und Espen langweilt sich und begibt sich auf eigene Faust auf eine Reise durch die sonnendurchfluteten Wälder. Er hinterlässt eine Notiz auf dem Tisch, die Karen erst zu Sonnenuntergang bemerkt. Selbstverständlich ist die Sorge um den Sohn bei der jungen Mutter groß, weshalb sie sich direkt mit Taschenlampe ausgerüstet in die magischen Wälder begibt.


Through the Woods
Bei Nacht lehrt der einsame Wald das Fürchten.


Die Reise ins Ungewisse beginnt...



Voller Adrenalin schaue ich mich um: Wo kann Espen nur sein? Noch scheint die Sonne am Himmel - doch der Gedanke, dass es in wenigen Minuten stockfinster sein könnte, treibt mich noch schneller an, Espen so schnell wie möglich zu finden. Ich folge den linear vorgegebenen Waldwegen, vorbei an Wasserfällen, den immer gleichen Büschen und Bäumen, die schon einige Blätter verloren. Schließlich spielt die Handlung an einem überaus kalten Herbsttag, der schöner eigentlich nicht hätte sein können. Minütlich wird es dunkler und ich bin gezwungen meine Taschenlampe mit unendlicher Batteriekraft einzuschalten. Infolge wird es zunehmend ruhiger im Wald, die Äste krachen und es legt sich ein unheimlicher Nebel zwischen die Bäume, die das Blut schon beim Anblick gefrieren lassen.

Da stehe ich nun: Völlig verlassen, absolut orientierungslos inmitten eines unheimlichen Waldes auf der Suche nach einem kleinen Bengel, der nur Unsinn im Kopf hat. Begleitet wird die Reise mit interessanten Geschichten aus dem Off, die von der Hauptprotagonistin selbst eingesprochen wurden. Diese beleuchten die Familienverhältnisse und zeigen besonders gegen Ende menschliche Abgründe auf, die niemand für möglich gehalten hätte. Um die Geschichte weiter voran zu treiben finde ich immer wieder Notizen, die sich mit den früheren Bewohnern der verlassenen Dörfer befassen und nach und nach aufzeigen, an welchem Ort ich mich eigentlich befinde ...


Through the WoodsThrough the Woods
Die Geschichte führt mich durch allerlei interessanter Orte.


Eingeschränktes Gameplay



Ständig liegt eine gewisse Spannung in der Luft, die durch die furchtbaren Kreaturen, die im Wald leben, zusätzlich auf die Spitze getrieben wird. Jenen gehe ich aber besser aus dem Weg: Karen verfügt weder über Waffen, noch über sonstige besondere Fähigkeiten. Sie kann lediglich schleichen und mit einer Fackel, die man erst spät im Spiel findet, die Gegner vertreiben. Durch dieses doch sehr beschnittene Gameplay fühle ich mich stets unterlegen und habe unheimlichen Respekt vor den gefährlichen Bewohnern. Stets begleitet von dem Angst einflößenden Grunzen der Kreaturen beginne ich manchmal fast schon panisch durch den Wald zu laufen und hoffe nur auf den nächsten Checkpoint.

Zugegeben: Sind die Routen erst einmal bekannt, lassen sich diese, ähnlich der Clicker in The Last of Us, einfach aushebeln. Dennoch kann es immer wieder sein, dass sich ein Gegner hinter einer dunklen Ecke versteckt die man einfach nicht einsehen kann und schwupps folgen die schmerzerfüllten Schreie der jungen Mutter. Das macht Laune und lässt die gewünschte Gruselatmosphäre stets auf einem ordentlichen Niveau verweilen. Unterfüttert wird diese noch durch den äußerst guten Soundtrack, der sehr an die Anfänge der Silent Hill-Reihe erinnert und seinen ganz eigenen Charme versprüht.


Technisch leider nur Mittelmaß



Um sich auf die starke Geschichte der beiden Hauptprotagonisten einlassen zu können, muss man über zahlreiche Makel hinweg sehen können: Die Texturen sind äußerst schwach aufgelöst und die Animationen der Charaktere wirken extrem hölzern und unausgereift. Die Abmischung der ohnehin schon sehr schwachen Sprachausgabe lässt ebenso zu wünschen übrig wie die schwache Ausleuchtung einzelner Elemente: Laufe ich mit der Taschenlampe in einem geschlossenen Raum gegen die Wand, verlässt das Licht den Raum und ich stehe plötzlich komplett im Dunkeln. Ebenso kämpft das Spiel stets mit Performanceproblemen und nervigen Popups im Hintergrund, die das Spielerlebnis auf Dauer durchaus schmälern können. Ebenfalls nervig sind die Ladezeiten zwischen den einzelnen Abschnitten, nach denen meine eingestellten Settings immer wieder zurückgesetzt werden und ich erneut im Menü dazu angehalten werde diese aufs Neue einzustellen.



Predator

Fazit von Kevin:

Ich bin überrascht und enttäuscht zugleich: Through the Woods hat ein unglaublich spannendes Setting und eine durchaus ordentliche Rahmenhandlung, nutzt aber die gegebenen Bedingungen nur bedingt. Durch das sehr beschnittene Gameplay kommt in der ohnehin nur sehr kurzen Spielzeit immer mal wieder Langeweile auf und zieht die Handlung gefühlt unnötig in die Länge. Gerne hätte ich mir mehr Geheimnisse und mehr Details zu den Mythen rund um die Wälder gewünscht.

Dafür stimmt die Atmosphäre und lässt mich endlich wieder das mulmige Gefühl in der Magengegend finden. Der an die Silent Hill-Reihe angelehnte Soundtrack lässt darüber hinaus sogar noch ein Stück Nostalgie mitschwingen, weshalb der Titel Fans von seichtem Psycho-Horror mit einer Brise Herzschmerz durchaus zu empfehlen ist.

Besonders gut finde ich ...
  • starke Geschichte
  • interessante Rahmenbedingungen
  • glaubwürdige Umgebung
  • sehr guter, minimalistisch eingesetzter Soundtrack
  • Atmosphäre
  • überraschendes Ende
Nicht so optimal ...
  • beschnittenes Gameplay
  • Performanceprobleme
  • mangelhafte Soundabmischung
  • sehr steife Animationen

Kevin hat Through the Woods auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von 1C Company zur Verfügung gestellt.

Through the Woods - Boxart
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  • Entwickler:Antagonist
  • Publisher:1C Company
  • Genre:Horror-Adventure
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One
  • Release:27.10.2016
    (PS4, Xbox One) 02.05.2018

Kommentare & Likes

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  • Darius
    #1 | 8. Dezember 2016 um 23:52 Uhr
    Schade, das sah so geil aus und die Story wirkt ja scheinbar, dass sie es beim Rest verkackt haben ist echt bitter. Zwei Stunden ist jetzt auch nix. Naja, "im Sale halt" ... oder so =)

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