Onrush - Review

Ihr pusht euch in Mario Kart & Co., weil ihr euren Freunden rasant davon gefahren seid, und feiert euch für den ersten Platz? Jagt womöglich in Gran Turismo oder der Formel-1-Reihe der Pole Position hinterher? Vergesst, was ihr bisher gesehen habt! Die ehemaligen Evolution Studios - Entwickler von DriveClub und Motorstorm - verfolgen mit Onrush einen völlig anderen Ansatz und stellen wilde Crashes, Teamarbeit und Style in den Vordergrund. Als eines der wenigen noch übrig gebliebenen Arcade-Rennspielen dieser Generation versucht sich Codemasters an einer entsprechenden Revolution inklusive eSport-Potenzial. Doch wie viel Schein steckt hinter dem Sein?

Ihr habt es geliebt, im Freundeskreis Mario Kart auf einem viel zu kleinen Fernseher zu spielen? Die Hatz nach dem Sieg und dem nächsten Item genossen? Dass das auch anders gehen kann, beweisen die Entwickler von Onrush. Schon im ersten Rennen wird klar, dass es sich hier um ein alternatives Konzept handelt, welches für ein einmaliges Spielerlebnis sorgt und so auch weniger spielaffinen Menschen den Zugang zu Rennspielen ermöglicht. Doch zunächst einmal von vorn: In einem Tutorial klärt mich eine völlig überdrehte Stimme, die genauso in etlichen Need-for-Speed-Spielen der 2005er Generation ihr Unwesen getrieben hat, auf, wie die Mechaniken des Spiels funktionieren. Spielerisch stets verständlich und gemächlich führt mich der Teufel der Vergangenheit durch das erste Rennen.


Lizenzierte Fahrzeuge? Weg damit! Hauptsache Wumms!



In jenem wird man auch auf den Fuhrpark aufmerksam gemacht, welcher sich in verschiedene Kategorien unterteilt. Damit für Abwechslung und spannende Action gesorgt ist, bedient man sich einer breiten Palette von superschnellen Motorbikes bis hin zu Monstertruck-ähnlichen Vehikeln, die mit ordentlich Kraft die Gegner von der Strecke pusten. Dabei ist es immer wichtig, die Boost-Anzeige nicht aus den Augen zu verlieren. Jeder Crash, jeder Trick und jeder Sprung sorgen für das stetige Aufladen eben jener, die dafür benötigt wird, das Punktekonto des eigenen Teams voranzutreiben. Als praktisches Kanonenfutter dienen zur schnelleren Aufladung die unzähligen Bots auf der Strecke, die mit dem direkten Renngeschehen zwar nichts zu tun haben, aber in der Action immer wieder spawnen, um nur darauf zu warten, gleich wieder ausgeschaltet zu werden. Die gestellten Challenges, die zum Teil darauf ausgelegt sind, möglichst viele der CPU-Kandidaten zu eliminieren, motivieren außerdem, sich immer im Getümmel zu halten, und bieten so fernab des eigentlich laufenden Spielmodus durchaus Abwechslung.

Ist meine Wut auf spektakuläre Zusammenstöße erst einmal gestillt und genug Boost eingesetzt worden, kann ich in den Onrush-Modus übergehen. Dieser lässt mein Vehikel superschnell, superempfindlich und vor allem superstark werden. Spätestens dann stellen auch größere Hindernisse kein Problem mehr dar. Ohne den Einsatz dessen und des normalen Boosts, der quasi durchgehend erforderlich ist, um sich in der Masse zu halten, wäre Onrush schlussendlich nur eine lahme Ente ohne Unterhaltungsfaktor. Damit dieser immer garantiert ist, wird man zudem immer zurück in die Action verfrachtet, sofern man den Anschluss an die Spitzengruppe doch einmal verlieren sollte.


Onrush
Gefahr von oben! Meist crashen gegnerische Fahrzeuge mein Vehikel nach einem Sprung.


Eine Runde Glück, bitte!



Die eigentlichen Konfrontationen gehen dabei aber leider nicht so leicht von der Hand wie beispielsweise in einem Burnout - das kürzlich nochmal als Remaster neu aufgelegt wurde. Das Gefühl, jemanden von der Piste zu hauen bzw. die Punkte zu sammeln, ist nicht so befriedigend wie erhofft, da das Trefferfeedback nicht wirklich ausgereift ist und man meist auch wieder zu schnell zurück in die Action geworfen wird. Getreu dem Motto "Nach dem Crash ist vor dem Crash" steigert sich die Spielgeschwindigkeit mit weiteren Rennen zunehmend, sodass gut und gerne mal die Übersicht verloren geht. So kann es passieren, dass das Team die Punkte holt, ohne dass man selbst wirklich daran beteiligt war. Dies ist ganz häufig der Fall, wenn man gerade dabei ist, die gestellten Herausforderungen zu erledigen, die benötigt werden, um im Turniermodus weitere Rennen freizuschalten. Entsprechend verkommen die Rennen teilweise zu einem Glücksspiel, worüber auch die sammelbaren Items nicht hinwegtäuschen können. Jene sind nämlich an das gerade verwendete Fahrzeug gekoppelt und können nicht wie gewünscht jederzeit eingesetzt werden. Denn was bringt mir ein Item, welches dem Gegner die Sicht raubt, wenn im Moment keiner in Reichweite ist? Hier hätte ich mir ein manuelles Einsetzen der Items gewünscht, da durch das aktuelle System ein mögliches Taktieren torpediert wird.


Und wie funktioniert ein Rennen ohne Ziellinie nun?



Diese Taktiken wären in den verschiedenen Spielmodi sinnvoll einsetzbar gewesen und hätten dem Spiel insbesondere im Online-Modus einen weiteren Boost verschafft. Diesen braucht es nämlich, um im Overdrive-Spielmodus zu gewinnen. Allein durch das Aufladen der Boostanzeige steigt die Punktzahl des jeweiligen Teams. Das Team, welches als erstes genug Punkte und damit auch Boost gesammelt hat, gewinnt die Runde. Meist finden solche Matches im klassischen Best-of-3-Modus statt, sodass schnelle, kurze Runden ermöglicht werden, die man zwischendurch immer mal wieder problemlos spielen kann. Weitaus interessanter gestaltet sich der Spielmodus Switch, der mich zunächst Platz auf einem Motorbike nehmen lässt. Nach einem Crash verliere ich Lebensenergie und wechsele auf das nächste Vehikel. Sind meine Leben verbraucht, muss ich mich auf meine Teamkameraden verlassen und hoffen, dass diese ohne mich das Match gewinnen können. Für Rennfeeling sorgt darüber hinaus der Modus Countdown, in welchem stets die Uhr im Nacken tickt. Durch das Durchfahren von Lichttoren, deren Breite variiert und die immer an anderen Spots auftauchen, sammle ich wichtige Zeitpolster, die wiederum dafür sorgen, dass das Rennen fortgeführt werden kann. Auch hier gilt: Es gewinnt das Team, welches am meisten Zeit auf dem Konto über hat.


OnrushOnrush
Egal ob bei Regen, Dunkelheit oder Schnee: Onrush läuft stets mit flüssiger Bildrate und sieht dabei immer gut aus.


Styling ist die Welt



Was wären all diese Möglichkeiten ohne den perfekten Look? Onrush bietet einige Personalisierungsmöglichkeiten: Egal ob Fahrer oder Vehikel, alle Veränderungen sind rein kosmetischer Natur und haben keinerlei Auswirkung auf die Leistung der Fahrzeuge. Ähnlich wie in Rocket League kann ich Schlüssel erspielen, die mir den Zugang zu Kisten verschaffen, in denen sich dann weniger besondere oder sehr seltene Items befinden. Die große Vielfalt des großen Bruders erreicht Onrush dabei allerdings nicht und das Gefühl, mit einem besonderen Outfit die Gegner zu verwirren, motiviert auch nur bedingt, da man bei all der Action kaum auf den Style der Online-Gegner achtet. Immerhin sind alle Items durch simples Spielen zu erreichen, da auf den Einsatz von Echtgeld verzichtet wurde - löblich!

Lobenswert ist zudem die technische Umsetzung des Action-Rennspiels. Selbst auf der normalen PlayStation 4-Konsole lässt sich im Menü unter dem Unterpunkt Grafik auswählen, ob ich meinen Fokus auf eine schnelle Bildrate oder eine hohe Auflösung setze. Eine entsprechende Funktion wünsche ich mir schon sehr lange und kann daher nur ein großes Lob an die Entwickler für die Implementierung eines solchen Features aussprechen. Überdies sieht das Spiel zwar nicht wahnsinnig gut aus, überzeugt aber durch seine Partikeleffekte und Lichtstimmungen. Insbesondere die Nachtrennen sind äußerst cool umgesetzt und laden geradezu ein, noch eine weitere Runde zu spielen. Eben jenem aus TrackMania bekannten Prinzip folgt Onrush: Eine kurze Runde bietet sich immer an, doch wie viel eSport-Potenzial steckt im Grundkonzept?


Onrush im eSport?



Grundsätzlich bringt das Spiel alle Eigenschaften mit, um im eSport bestehen zu können. Zu Release hat man es allerdings leider verpasst, den Ranglisten-Modus live zu setzen, sodass viele Spieler das Spiel wohl schon im Schrank verstaut haben dürften, bevor sie sich in die Competition gewagt haben. Wie ein solcher Ranglistenmodus aussehen sollte, ist zudem noch weitgehend unbekannt. Dennoch bringen die Spielmodi, die in der doch sehr monotonen Kampagne verfügbar sind, genug mit, um für spannende Multiplayermatches zu sorgen. Lediglich der große Glücksspielfaktor und das nicht mögliche Taktieren mit Items trüben das Gesamtbild. Zudem fehlt scheinbar der Mut seitens der Entwickler, da diese momentan noch keine Ambitionen gemacht haben, das Spiel in der Electronic Sports League, einer der größten eSport-Ligen weltweit, anzubieten.

Das Auslösen eines Hypes wie damals bei Rocket League hat man damit schon verpasst und sich selbst Steine in den Weg gelegt. Immerhin bietet man Casual-Spielern einen durchaus spannenden Onlinemodus, der es jedem ermöglicht, vor allem schnell und unkompliziert in die Action einsteigen zu können. Die nur zwölf verfügbaren Strecken und Spielmodi können die langfristige Motivation fernab der Möglichkeiten leider schnell trüben, sodass es an der Zeit wäre, die Rangliste live zu schalten und später auch Clanwars zu ermöglichen - denn erst in einer Gruppe entfaltet Onrush sein ganzes Potenzial.



Predator

Fazit von Kevin:

Das Grundkonzept von Onrush geht in weiten Teilen auf und motiviert durchaus einige Stunden am Ball zu bleiben. Leider verfliegt die Freude auf die nächste Hatz spätestens dann, wenn man die wenigen Spielmodi verinnerlicht hat und sich die immer gleiche Action wiederholt. Die Kampagne, die versucht, einen Zusammenhang zwischen den Turnieren herzustellen, ist ebenso lahm wie die immer gleichen Strecken. Lediglich im Online-Modus entfaltet Onrush vor allem langfristig sein Potenzial, sofern sich um weiteren Support seitens der Entwickler bemüht wird. Für zwischendurch bietet das Rennspektakel genug Freude und kann sicher den einen oder anderen weniger spielaffinen Menschen dazu bewegen, eine Runde mitzuspielen. Langfristig gesehen geht dem Spiel für Solisten zu schnell die Puste aus, da die immer wiederkehrenden Challenges und Turniere für die meisten wohl zu öde sein dürften.

Potenzial verschenkt! Ein solider Grundstock mit monotonem Streckendesign und immer gleicher Action trüben das Gesamtbild. Die Revolution des Genres bleibt aus.

Besonders gut finde ich ...
  • cooler Soundtrack
  • durchdachtes Grundprinzip
  • abwechslungsreiche Spielmodi
  • mehrere Fahrzeugklassen
  • Grafikeinstellungen (PS4)
  • guter Online-Modus
Nicht so optimal ...
  • wenige Strecken
  • wenige relevante Accessoires
  • uninteressante Story
  • hoher Glücksspielfaktor
  • Itemproblematik

Kevin hat Onrush auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Codemasters zur Verfügung gestellt.

Onrush - Boxart
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  • Entwickler:Codemasters
  • Publisher:Codemasters Racing
  • Genre:Arcade-Racer
  • Plattform:PS4, Xbox One
  • Release:05.06.2018

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: 6 Gästen.
  • Darius
    #1 | 6. Juli 2018 um 11:47 Uhr
    Hatte im Vorfeld nicht viel erwartet, auch wenn ich insgeheim auf ein neues BLUR gehofft habe. Nach ein paar Stunden übers Wochenende und Level 40+ war dann aber auch schon ziemlich die Luft raus. Und dabei hab ich mich nur mit der Kampagne beschäftigt - die KI-Fahrer fand ich ganz angenehm. Die Fahrzeuge fand ich eigentlich auch gut gemacht, also die unterschiedlichen Features.

    Insgesamt aber leider viel zu wenige Modi und Strecken - fand übrigens Lockdown ziemlich cool, also das Erobern der Bereiche während voller Fahrt - und stattdessen leider viel zu viel Sammelkram-Schnickschnack (Aufkleber, etc.pp.). Diesen Endscreen nach einem Rennen konnte ich dann auch nicht mehr sehen =D Schade. Zum Release war zudem der Preis von 60 Euro auch eher hart für den Umfang (und den nicht freigeschalteten Ranglisten) - jetzt ist das gerade schon mit 50% Rabatt im PSN-Store. Und ... an diesem Wochenende ist es wohl kostenlos spielbar.

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