Sinner: Sacrifice for Redemption - Review

Bei Spielen aus China dürfte man in erster Linie an MMORPGs oder - wie auch bei Klamotten und Elektronik - an Plagiate, Fakes oder billig produzierten Abklatsch denken. Es mag nicht alles schlecht sein, was aus China kommt, aber Produkte wie Sinner: Sacrifice for Redemption werden sicher nicht dazu beitragen, diese Reputation zu verbessern. Sinner ist nicht nur ein dreister Dark-Souls-Klon; es ist ein Souls für Arme. Und das nicht nur, weil es frech Ideen und Designs kopiert - auch technisch und inhaltlich gehört es mit zum Schlechtesten, was ich seit Jahren gespielt habe. Kurz: Das ist eine ganz misslungene Kopie.

Lasst mich überlegen, wo ich anfangen soll. Bei den dreist geklauten Bossen? Immerhin bekämpft man in Sinner den Tower Knight aus Demon's Souls und Lady Maria aus Bloodborne; der alte Eisenkönig aus Dark Souls II ist auch mit von der Partie. Oder sollte ich lieber beim misslungenen Kampfsystem starten? Ich habe lange versucht, mich an die merkwürdige Leichtigkeit der Waffen und die abgehackten Animationen zu gewöhnen - Distanzen einschätzen, das klappt übrigens auch nach dem Durchspielen immer noch nicht so richtig. Ich könnte stattdessen aber auch bei der technischen Seite beginnen und mich über die Ruckler, die unzuverlässige Bildrate, die hässlichen Texturen und die, warum auch immer, komplett fehlende Sprachausgabe auslassen - und das, obwohl die Trailer doch sogar mit einer brauchbaren Stimme untermalt worden waren. Es gibt so vieles, über das ich mich bei Sinner ärgere, dass ich vielleicht einen ganz anderen Startpunkt für diese Review wähle und euch lieber erzähle, was ich an der Souls-Serie so toll finde - um damit gleichzeitig aufzuzeigen, was an Sinner alles fehlt.


Sinner: Sacrifice for Redemption
Ist das nicht der Tower Knight, unser guter alter Freund aus Demon's Souls? Nicht nur er hat in Sinner einen Auftritt.


Level Down statt Level Up - je weiter du kommst, desto schwächer sollst du werden



Keine Angst: Das soll keine weitere Liebeserklärung an die Souls-Formel von From Software werden; dass die Spiele großartig sind, habe ich ja schon in meinen Reviews häufiger ausgeführt. Ich möchte an dieser Stelle auch auf einen Gedankenflug hinweisen, in dem ich erklärt habe, warum bei Souls das Sterben nur das Salz in der Suppe ist. Es geht nämlich nicht nur um die berühmt-berüchtigte Challenge - es geht vor allem um die bedrohliche Atmosphäre, um das langsame Aufdecken einer verschachtelten Welt ganz ohne Minimap, es geht um clever positionierte Feinde, Fallen und Geheimnisse und darum, wie man sich seinen eigenen Spielstil durch verschiedene Waffen, Rüstungen und Klassen persönlich zurechtschneiden kann.

Und nun schauen wir uns Sinner: Sacrifice for Redemption an. Hier gibt es nichts von alledem: keine interessante Geschichte, keine offene Spielwelt, keine Geheimnisse, keine regulären Gegner, keine Fallen, kein Rollenspiel, keine Combos, nicht einmal verschiedene Waffen. Sinner ist reduziert auf kümmerliche acht Bosskämpfe in je einem einzigen, abgetrennten Areal. Es ist quasi der Boss-Rush-Modus als vollwertiges Spiel - mit dem netten Feature, dass man sich die Reihenfolge, in der man die Bosse bekämpfen möchte, selbst aussuchen kann. Dabei muss unser Held für jeden Bosskampf eine Opfergabe leisten, wodurch man vom anfänglich starken Krieger langsam, aber sicher zum Schwächling mutiert, indem man nach und nach HP, Ausdauer, Items, Heilmittel und weitere Fähigkeiten abgibt. So werden die eigenen Skills am Controller mit jedem Boss, den man besiegt, wichtiger - und das Spiel zunehmend schwieriger. Das ist - aufgepasst - eine coole Idee, die mir zusammen mit der freien Boss-Auswahl auch wirklich gut gefallen hat. Schade nur, dass das Spiel, das um diese Idee gestrickt wurde, miserabel ist.


Sinner: Sacrifice for RedemptionSinner: Sacrifice for Redemption
Zwei HP-Anzeigen und nur ein Boss im Bild? Das liegt wohl an der Kamera. Rechts: der Asylum-Dämon aus Dark Souls.


Gehen die Bosse aus den From-Software-Spielen fremd oder was ist hier los?



Sinner reduziert die Souls-Formel auf ihre Bosskämpfe und das ist, das möchte ich noch einmal betonen, völlig okay. Aber wenn das das einzige Spielelement ist - dann muss man es verdammt nochmal auch richtig machen! Denn das, was die Dark Star Game Studios hier vorsetzen, ist ein Armutszeugnis von einem Actionspiel. Nicht mal für zwei (!) Waffen haben es die Entwickler geschafft, ein ordentliches Trefferfeedback zu generieren: Jeder Schlag fühlt sich "leer" und stumpf an, die Waffen wirken geradezu leicht, obwohl das kämpfende Männchen sich träge bewegt wie eine Schildkröte. Selbst wenn man selbst einen Treffer einsteckt, bekommt man das nicht mit, weil Angriffe teilweise gar nicht unterbrochen werden - erst ein Blick auf die HP-Leiste liefert die wichtige Information. Und Distanzen einzuschätzen, das klappte bei mir selbst beim achten Boss nicht richtig, weil die Kamera so tief steht, dass man ständig ins Leere schlägt. Achja, apropos Kamera - die lässt sich nicht drehen, nicht einen Zentimeter weit. Stattdessen ist man gezwungen, das Lock-on-System zu nutzen. Das ist vor allem dann ganz großes Kino, wenn man gegen zwei Bosse gleichzeitig antritt und diese sich so im Raum aufteilen, dass nur einer im Bild eingefangen wird.

Diese billige Souls-Kopie, die übrigens fast alle acht Bosse aus der From-Software-Vorlage übernimmt, ist nicht amateur-, sondern einfach nur stümperhaft umgesetzt, obwohl in der Theorie ja eigentlich nichts gegen ein Spiel dieser Machart spräche - mal abgesehen von der dreisten Artdesign-"Inspiration". Auch Titan Souls (nicht zu verwechseln mit den Werken von From Software) dreht sich ausschließlich um Bosskämpfe. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied: Titan Souls macht Spaß. Sinner dagegen stellt sich, zu allen oben beschriebenen Problemen, auch noch mit einer unzuverlässigen Bildrate und einer permanenten Eingabeverzögerung von etwa einer halben Sekunde selbst ein Bein - zumindest in der von mir gespielten Version für die Nintendo Switch. Ich glaube nicht, dass es noch vieler weiterer Worte bedarf, um Sinner zu beschreiben. Tun wir uns lieber allen gemeinsam einen Gefallen und widmen uns wieder besseren Spielen. Wie wäre es mit Dark Souls Remastered?

Eine Anmerkung noch zum Schluss: Es scheint, als würde ein Großteil der technischen Probleme, darunter die fehlende Sprachausgabe, die Eingabeverzögerung und die starre Kamera, auf anderen Plattformen nicht oder nicht so ausgeprägt existieren wie in der von mir gespielten Version für die Nintendo Switch. Vielleicht läuft Sinner also am PC oder auf den anderen Konsolen flüssiger und runder - der spielerische und inhaltliche Kern dürfte jedoch über alle Systeme hinweg gleich misslungen sein.



Tim

Fazit von Tim:

Warum sollte man Sinner: Sacrifice for Redemption spielen, wenn man auch Dark Souls Remastered haben kann? Sinner ist eine dreiste Kopie ohne eigenen Charme und ohne Seele, dazu zumindest auf der Nintendo Switch in einem ganz schwachen technischen Gewand. Alleine mit dem frechen Ideenklau fast aller Boss-Designs hat sich Sinner eigentlich schon selbst disqualifiziert (ich glaube nicht, dass die Bosse von alleine fremdgehen), aber dass nicht einmal das Gameplay Laune macht, das hat mich dann tatsächlich doch überrascht - bei gerade einmal acht Bossen und sonst keinerlei Spielinhalten hätte ich doch erwartet, dass zumindest das bisschen, das man für sein Geld erhält, ordentlich funktioniert. Weit gefehlt. Ich kann euch nur davon abraten, diesen billigen Abklatsch zu spielen, zumal Sinner in meinen Augen alleine schon für die freche "Inspiration" durch die Dark-Souls-Bosse abgestraft gehört. Auch für den günstigen Preis gibt es mittlerweile mehr als genug weitaus bessere Alternativen - zum Beispiel Nioh, The Surge oder Salt & Sanctuary.

Sinner klaut dreist Ideen und Artdesign bei From Software und scheitert auch auf fast allen anderen Ebenen mit einem trägen, verzögerten Kampfsystem, einer miserablen Kamera und mieser Technik. Diese billige Kopie braucht niemand.

Besonders gut finde ich ...
  • interessante Idee mit "Downleveling" durch Opfergaben
  • selbst über die Reihenfolge der Bosse entscheiden
Nicht so optimal ...
  • unglaublich dreiste Kopie von Spielmechanik und Artdesign
  • Bosse wurden teils fast 1:1 aus Dark Souls übernommen
  • Kampfsystem fühlt sich träge und doch zu "leicht" an
  • miserables Feedback bei Angriffen und denen des Gegners
  • starre, unbewegliche Kamera sperrt Blick auf Wichtiges
  • nur zwei Waffen, nur acht Bosse, kein anderer Inhalt
  • trauriger Versuch, Bossen eine Geschichte zu verleihen
  • schlechter Sound, schlechte Effekte, null Sprachausgabe
  • häufige Ruckler, hässliche Texturen (Nintendo Switch)

Tim hat Sinner: Sacrifice for Redemption auf der Nintendo Switch gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Another Indie zur Verfügung gestellt.


Sinner: Sacrifice for Redemption - Boxart
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  • Entwickler:Dark Star Game Studios
  • Publisher:Another Indie Studio
  • Genre:Action-RPG
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One, Switch
  • Release:18.10.2018
    (PC) 19.02.2019

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: 3 Gästen.
  • Darius
    #1 | 22. Oktober 2018 um 14:28 Uhr
    Schade. Die ursprüngliche Idee und auch diese Filter-Optik fand ich bis dato gar nicht mal so schlecht. Dass das am Ende nur dreiste Bosskopien sind und am Ende die Switch auch noch so eine vermurkste Version verpasst bekommt, ist schon frech.

    Microsoft hat das aktuell auch im Xbox-Game-Pass, sobald das dort auch mal für PC verfügbar ist (derzeit noch Discord-exklusiv) schaue ich vielleicht mal, ob die PC-Variante auch so ein Mist ist. Dass das eingefleischte Souls-Fans (wie dich) dann noch umso mehr ärgert, ist verständlich.

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