Fallout 76 - Review

Den Hype-Train konnte man schon von weitem hören - das "ambitionierteste Fallout aller Zeiten", größer war noch nichts! Einen Multiplayer-Meilenstein versprach uns Todd Howard von den Bethesda Game Studios Mitte des Jahres. Im Gegensatz zu diesen Aussagen sieht es für Bethesda kurz nach dem Release überhaupt nicht rosig aus. Zornige Fans und schlechte Kritiken machen Fallout 76 zu dem Streitthema des Gaming-Jahres 2018. Und auch ich habe einiges am neuesten Ableger der Kultserie herumzunörgeln. Kann der RPG-Shooter denn gar nichts richtig?

Kurzum: doch! Man kann tatsächlich Spaß mit Fallout 76 haben ... wenn man die ganzen Bugs und Fehler und Problemchen am Wegesrand links liegen lässt. Das Prequel hat viele Schwächen und wenige Stärken seiner Vorgänger geerbt, die ich trotzdem leidenschaftlich gern gespielt habe. Damit bleibt der Shooter weiterhin ein zweischneidiges Schwert zwischen Spielspaß und Frustration. Aber erstmal zum Setting.


Fallout 76
Fallout 76 ist eines der großen Themen des Spielejahres - auch wenn sich Bethesda das wohl anders vorgestellt hatte.


Die Appalachen - Ein abwechslungsreiches Stück Land



Fallout 76 spielt serientypisch in einer alternativen Zeitlinie: Die Bomben fallen, jeder, der kann, flüchtet in einen Bunker und hockt dort erstmal fest. Die Einwohner von Vault 76 sind jedoch ganz frühe Vögel und kommen bereits 25 Jahre nach dem verheerenden Atomschlag aus der Erde gekrochen, um am "Reclamation Day" mit der Wiederbesiedelung zu beginnen und künftigen Generationen einen einfacheren Start ins neue Leben zu ermöglichen. Zu den Einwohnern des Kontrollbunkers gehört auch der Spieler-Charakter, den ich mir erstmal im Editor zusammenbastele. Dieser ist erfreulich umfangreich, aber du kennst das ja bereits aus Fallout 4. Nach ein paar Schritten durch den leergefegten Vault geben mir einige Mr. Handys rudimentäre Tipps zum Überleben und schicken mich raus, auf die Suche nach Nahrung, Unterkunft und etwaigen Gefahren. Die schwere Tür öffnet sich und kurze Zeit später stehe ich in West Virginia, meiner künftigen verstrahlten Heimat. Der Gang aus dem schützenden Berg fühlt sich noch immer nach etwas ganz Besonderem an, auch wenn mir diese Stelle in Fallout 3 den meisten Nervenkitzel bereitet hat.

West Virginia bzw. die Appalachen können kaum als richtiges "Ödland" bezeichnet werden: Dichte Wälder wie in Skyrim, schwarze, raue Berggipfel wie auf Sullust aus Star Wars: Battlefront, karge Landstriche wie in New Vegas und seltsame Pflanzenmutationen wie bei No Man's Sky - Abwechslung bietet die Umgebung allemal. Auf einer Karte, die viermal so groß ist wie in Fallout 4, muss Bethesda auch einiges unterbringen. Meine Entdeckungstour führt mich über Ruinen von Gebäuden zu Mutantenlagern, Flugplätzen, Einkaufszentren, einem Skigebiet, einem Vergnügungspark, Museen, anderen Vaults, einsamen Hütten und enggepackten Häuserschluchten zwischen Wolkenkratzern. Man kennt das. Zu bereits erkundeten Orten lässt es sich bequem per Schnellreisefunktion reisen, auch wenn das Spiel mittlerweile einen kleinen Obolus hierfür verlangt. Dieser ist aber nicht sonderlich hoch und vor allem im späteren Verlauf zu vernachlässigen.

Aber was genau mache ich jetzt mit dieser großen Welt und der ganzen Freiheit?


Fallout 76Fallout 76
Monotonie sollte vom Setting her eigentlich kein Thema sein.


Quests und Events



Die Hauptquest schickt mich auf die Suche nach unserer Aufseherin, die spurlos verschwunden ist. Doch natürlich ist das nicht die einzige Aufgabe, die mir im kommenden Spielverlauf aufs Auge gedrückt wird. Zahlreiche Nebenmissionen lenken mich immer wieder ab, ob es jetzt das Aufräumen auf dem Rummel oder die Beschaffung spezieller Waffen ist. Und auch die Umgebung trägt ihren Teil dazu bei, mich vom eigentlichen Weg abzubringen. Mir kommt es wirklich so vor, als ob ich mich in Fallout 76 noch mehr von meinen ursprünglichen Vorhaben ablenken lasse als in anderen Open-World-Spielen wie zum Beispiel Horizon: Zero Dawn oder Spider-Man. Das kann Bethesda einfach. Toll! Plötzlich stoße ich auf einen, mir als Fallout-Fanboy, unbekannten Marker: ein Event. Bei Mama Dolce's Lebensmittelvertrieb soll die "Speisung der Hungrigen" stattfinden.

Okay, dann geh'n wir mal da hin. Und auf einmal weiß ich wieder, was bei Fallout 76 anders ist als in jedem vorherigen Teil. Ich bin nicht alleine. Bei mir tummeln sich zahlreiche andere Spieler, Menschen ... Multiplayer? Richtig, da war ja was. Bis zu diesem Zeitpunkt, knappe 12 Stunden nach dem Austritt aus dem Vault, war ich mutterseelenallein. Niemand kreuzte meinen Weg und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Dieses Versprechen wurde also vom Entwickler eingehalten: Wer will, kann auch in den Appalachen den "Lone Wanderer" raushängen lassen und das Spiel solo genießen. Wichtiger Pluspunkt! Den solltest du im Hinterkopf behalten, bei dem, was noch kommt.

Das Event, welches wir mit knapp sechs Mann bestreiten, zeigte mir dabei etwas, das ich bei anderen Multiplayern vermisse: Zusammenhalt. Wir haben die Aufgabe gemeinsam bewältigt und in der Gruppe gelöst. Die Community ist unglaublich nett, zuvorkommend und hilfsbereit. Auch zufällige Aufeinandertreffen in freier Wildbahn verlaufen meist friedlich. Super, das fördert das Spielgefühl noch weiter! Leider konnte sich kein Crossplay durchsetzen, weshalb jede Plattform unter sich bleiben muss. Außerdem tummeln sich auf einem Server immer nur eine Handvoll Spieler - ist ja schließlich kurz nach der Apokalypse. Deshalb vergehen gern mal Stunden, ohne dass mir ein anderer über den Weg läuft. Nichtsdestoweniger kann ich ein Team erstellen und mit bis zu drei weiteren Gleichgesinnten durch die Lande ziehen. Die Reise macht in der Gruppe deutlich mehr Spaß und lockt stärkere bzw. mehr Gegner an.

Zwischen Missionen kannst du dich in deiner eigenen Hütte verbarrikadieren. Der Baumodus aus Fallout 4 ist zurück, funktioniert aber deutlich besser als zuvor. Gebaut werden darf nun auch (fast) überall, nicht nur an bestimmten Positionen. Dank der C.A.M.P. (Construction and Assembly Mobile Platform) kannst du eine Blaupause deiner Basis erstellen, sie per Knopfdruck einpacken und woanders aufstellen. Dein Fort verschwindet auch, wenn du nicht eingeloggt bist. Es kann also von Gegnern nicht angegriffen werden, solltest du offline sein, und die Karte ist nicht mit halb fertig gebauten Hütten überflutet.


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Abenteuer im Team oder solo - Fallout 76 kann trotz MMO-Dasein auch im Singleplayer genossen werden.


Der große Dump



Das klingt jetzt alles nach "Friede, Freude, Eierkuchen" und tatsächlich macht Fallout 76 Spaß. Doch an allen Ecken und Kanten merkt man, dass sich Bethesda lieber noch etwas Zeit mit dem Release hätte lassen sollen. Das fängt bei der veralteten Technik an, die das Grundgerüst des Spiels bildet. In Städten kommt es beispielsweise gern zu fatalen Framerate-Einbrüchen, die einem gehörig den Spaß versauen. Gerade Maschinen, die recht schwach auf der Brust sind, werden hier an die Grenzen der Spielbarkeit getrieben. Das gleiche gilt bei hohem Gegneraufkommen, was das Gefecht unnötig schwer macht. Der Nahkampf ist aufgrund der ständigen Lags auch eher ein Nah-Krampf und anstürmende Ghoule setzten immer noch Treffer, obwohl sie schon einige Meter zuvor von den Beinen geholt wurden. Auch auf die Entfernung spielen verschobene Hitboxen eine tragende Rolle. Wie oft habe ich mehrere Schüsse direkt auf die Brust eines Gegners abgegeben, aber die Patronen fliegen scheinbar irgendwo in die Walachei. Dazu kommt, dass das Spiel (gerade auf die Distanz) ziemlich hässlich aussieht. Wände und Texturen werden nicht geladen, ganze Gebäude erscheinen aus dem Nichts und Gegner spawnen, wo vor zwei Sekunden noch niemand unterwegs war.

Die generelle Performance von Fallout 76 ist schlichtweg unterirdisch.

Lediglich die Lichteffekte können sich sehen lassen. Gleißende Helle durch dunstigen Nebel malt ein tolles Bild ins Wasteland. Zu den Lags, die auch vor dem Sound nicht haltmachen, kommen noch Clippingfehler am laufenden Band. Arme oder Köpfe drücken sich durch Wände und Türen, Hände durch Kleidung, Ferngläser durch Brillen, Vegetation durch C.A.M.P.s und so weiter und so fort. Apropos Camps: Viele Spieler hatten nach einem Serverneustart den Verlust von ganzen Basen zu verkraften - ein absolutes No-Go, war dieses Feature doch bereits vor Release groß angekündigt worden. Mein Camp war glücklicherweise immer vollständig, auch bereits gebaute Werkstätten wurden beim Transfer in den "Stored"-Ordner gepackt. Wenn das Spiel selbst mal nicht ruckelt, tun es Gegnermodelle, die stotternd und zuckend durch die Gegend wanken, vor allem in der Entfernung. Zu allem Überfluss kam es bei mir bisher auch zu drei Serverabbrüchen, die mich aus dem Spiel schmissen und im Hauptmenü landen ließen. Gerade während einer aktiven Mission war das sehr störend, da ich einen kompletten Handlungsstrang erneut durchspielen musste. All diese Probleme versuchte Bethesda bisher mit einigen Patches zu beheben, welche gern mal größer waren als das Spiel selbst (knappe 45GB). Jedoch stellte sich nur eine minimale Verbesserung ein.


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Wenn du solchen Gegnern nicht einen Treffer nach dem anderen verpasst, bist du ganz schnell Geschichte.


Zu den oben genannten technischen Fehlern gesellen sich auch Gameplay-Mechaniken, die einen nur noch mit dem Kopf schütteln lassen. Die Gewichtsbeschränkung im Lager ist eine davon. Wer Fallout kennt, weiß, dass der Charakter nur ein gewisses Gewicht mit sich rumtragen kann. So weit, so gut. Das steigert die Immersion und sorgt für etwas Hirnaktivität beim Einsammeln von Gegenständen. Wer mehr mitschleppen will, erhöht beim Level-Up seinen Stärke-Wert oder skillt entsprechend. Wer kein Packesel sein möchte, kann die Beute auch in seiner Stashbox im Lager ablegen. Diese war bei mir jedoch nach gerade einmal 13 Stunden ebenfalls voll. Ein 400er-Limit in der Spielerbox? Also bitte. So verbringst du eine halbe Ewigkeit damit, Essen zu verwerten und Munition und Müll hin- und herzuschieben, um halbwegs effektiv den nächsten Beutezug starten zu können ... dabei kann man den Großteil auch einfach wegschmeißen, denn Roboter-Händler bieten so wenig für die Ware, dass der Verkauf an die Blechkameraden praktisch keinen Sinn macht. Selbst mit entsprechendem Skill und Charisma-Booster erhöht sich der Wert nur marginal.

Und da wir gerade beim Thema Roboter sind: Es gibt keine menschlichen NPCs. Auch das hatte Bethesda bereits angekündigt. Jede Person, die du im Spiel triffst, ist ein anderer Nerd an seiner Konsole. Das Fehlen von menschlichen Nicht-Spieler-Charakteren wird zwar durch die Geschichte halbwegs schlüssig erklärt, allerdings tragen Roboter, Mutanten und Computerlogs die Story nicht halb so gut voran wie ein einigermaßen zurechtgeschnittener KI-Kompagnon. Selbst über den Anblick eines Preston Garvey hätte ich mich nach Tagen allein im Ödland gefreut - auch wenn er mich nur zu einer anderen Siedlung schicken wollte. Es baut sich einfach keine emotionale Bindung zu Robotern oder Computern auf, positiv wie negativ. Auch die Quests erscheinen dadurch belanglos. Wenn ich die Aufgabe erhalte, ein vermisstes Kind zu suchen, weiß ich von vornherein, dass sämtliche Personen bereits tot sind und meine Aktionen praktisch keine Auswirkungen auf sie, mich, oder die Spielwelt haben. Demzufolge erhalte ich neue Missionen auch meist von Mr. Handys, über Holo-Tapes oder Computerlogs. Das Dialogsystem mit Antwortmöglichkeiten fehlt vollständig, auch das Lösen von Aufgaben auf kreative Weise funktioniert nur bedingt. Die spielerische Freiheit der Singleplayer-Teile ist hier nicht vorhanden. Zwar kann man mal einen Safe per Haarnadel knacken oder über einen Computer öffnen, aber das wars dann auch schon.

Weiteres Beispiel: In einer Quest bekomme ich eine Waffe ins Inventar gelegt, mit der ich bis zum Abschluss der Missionskette herumrennen muss (2kg im Inventar, die dauerhaft blockiert wurden). Ziel war es, mich mit einer Todeskralle "anzufreunden". Bei den ersten beiden Versuchen war das besagte Viech im Missionsgebiet bereits tot, nach einem Disconnect und dem Spawnen in einer neuen Welt hatte mein Gegenüber plötzlich Level 56 - 40 Level über mir. Als ich bei einem weiteren Versuch dann draufging, hatte ich keine Lust mehr und wollte meinem Questgeber den Hals umdrehen. Denkste: Unverwundbar heißt hier das Zauberwort. Ich laufe also noch immer mit diesem miesen Stück Ausrüstung herum, welches mir Lagerplatz stielt. Manchmal, wenn ich mich in bestimmte Gebiete verirre, bekomme ich plötzlich aus heiterem Himmel eine neue Quest oder werde einem Event zugeteilt. Ohne mein Zutun. Das nervt, weil die Leiste rechts am Bildschirmrand immer länger wird und ich sie händisch deaktivieren muss. Außerdem: Wer hat mir die Aufgabe zugewiesen? Hat der Pip-Boy sich selbstständig gemacht und einen kurzen Text verfasst? Woher kommen die Infos? Man merkt an allen Ecken und Enden, dass Bethesda während der Entwicklung bewusst wurde, dass fehlende NPCs zunehmend ein Problem darstellen könnten. Und oh ja, das tun sie ...

Das Spielen in der Gruppe hat ebenfalls so seine Eigenarten. Missionsfortschritte wie aufgesammelte Holotapes, angehörte Sounddateien oder aufgenommene Waffen werden unter Freunden in einem Team nicht geteilt. Sprich: Jeder muss den entscheidenden Button selbst nochmal aktivieren, um die Geschichte fortführen zu können. Das ist unnötig, rückständig und reißt aus dem Spielfluss. Camps können unter Freunden zwar genutzt, aber nicht wirklich miteinander verbunden werden. Ich kann im Lager meines Kollegen nicht auf meine Rohstoffe zugreifen oder umgekehrt. Der Workaround, sein eigenes C.A.M.P. direkt neben dem eines Teammitgliedes aufzuschlagen, funktioniert ebenfalls nicht: Das Spiel fordert mehrere 100m Platz zwischen einzelnen Bauten. Eine große, zusammenhängende Basis ist also nicht möglich. Schade.


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Die Powerrüstung bringt viele Vorteile im Kampf, aber ohne sie bist du deutlich unscheinbarer unterwegs.


Balancing und andere Spieler / PvP:



Das Balancing ist zumindest teilweise recht ausgeklügelt: Eine 50er Deathclaw bringt dich als Level-10-Spieler zwar im Handumdrehen um, gegen einen Level-50-Spieler hast du im direkten Kampf aber auch mit einem solch großen Erfahrungsunterschied eine Chance. Und vor Bullying musst du keine Angst haben: Schwache und niederlevelige Spieler lassen nur noch eine unwichtige Menge an Caps fallen, was die Attraktivität für hohe Spieler mindert. Bis Level 5 kannst du dank Buff sogar Pazifist bleiben, fügst also keinem anderen Spieler Schaden zu und sie dir auch nicht. Danach heißt es aber "Kill or be killed". Solltest du mal unter Feuer geraten, greift zuallererst der "Anti-Arschloch"-Mechanismus: Die ersten Treffer eines feindlichen Spielers funktionieren wie "die Backpfeife in einer Kneipe, wenn jemand Streit anfangen will". Schüsse auf unbehelligte Personen teilen also deutlich weniger Schaden aus. Willst du den Streit mit ihm austragen und eröffnest ebenfalls das Feuer, geht der Kampf richtig los. Aber Killing-Spree? Nicht im normalen Spiel. Wer wahllos andere Vaultbewohner tötet, wird zum gesuchten Mörder. Dann bekommst du die anderen Spieler nicht mehr auf der Karte angezeigt, wirst aber selbst mit einem fetten, roten Symbol gekennzeichnet. Wer dich dann tötet, erhält einen ganzen Haufen Kronkorken - aus der Tasche des Geächteten. Andere Spieler zu jagen lohnt sich also nicht wirklich. Es gibt keine XP und nur wenig Geld für einen gelungenen Mord.

Wer PvP dennoch ausreizen will, kann dem Hunter/Hunted-Modus einen Besuch abstatten. Das geht ganz einfach über den Pip-Boy und ist quasi direkt im Spiel integriert. Das Ganze läuft nach dem Last-Man-Standing-Prinzip. Wenn sich mindestens vier Player für den Modus angemeldet haben, gehts los und jeder bekommt seine "Beute" zugewiesen. Ringsum wird also jedem ein Killer auf den Hals gehetzt. Der kann sich aber auch gut und gerne mal auf der komplett anderen Seite der Map befinden. Eine Stunde hat man dann Zeit, um sein Ziel auszuschalten (und hoffentlich selbst zu überleben). Möchtest du richtig austeilen und die größte Waffe des Spiels zücken, musst du schon ein bisschen Laufarbeit in Kauf nehmen.

Immer mal wieder droppen spezielle Gegner übrigens Einzelteile eines Abschuss-Codes für nukleare Sprengkörper. Du kannst also, wie schon in Fallout 3, eine Atombombe zünden - mit dem Unterschied, dass du den Einschlagsort bestimmen darfst. Nach einer Explosion der dicken Ballermänner entsteht eine Art "Sonderzone", in der äußerst seltene Mutationen und Ressourcen vorkommen. Das ist gerade im Late-Game ganz lukrativ. Um Spieler zu trollen, sind die fetten Wummen aber zum Glück nicht geeignet: Man kommt nur recht schwer an sie ran und erhält auch vor Ankunft dieser Dinger eine Warnung. Dann kann man sein Hab und Gut zusammenpacken und an einen anderen Ort ziehen.


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Assaultrons gehören weiterhin zu den fiesesten Robotern, die das Wasteland zu bieten hat.


Ein Silberstreif am Horizont



Bei all den negativen Schlagzeilen, die Fallout 76 gerade einheimst, muss man aber auch die kleinen Lichtblicke erwähnen, die das Spiel zu bieten hat. Großartige Questreihen abseits der Story haben mich und meine Teammitglieder den neuen Teil durchaus feiern lassen. Dabei sind die Fire Breather und der "Orden der Mysterien" besonders hervorzuheben. Solltest du über diese Aufgaben stolpern: unbedingt miterleben. Das Arsenal ist für alle Aufgaben geeignet und noch immer schön umfangreich. Nahkampf mit Golfschlägern, Latten und Schwertern, kurze Reichweite mit Maschinengewehren, .50er Schwarzpulver-Pistole oder Schrotflinten, explosive Ballermänner wie Raketenwerfer oder Mini-Nuke und weit entfernte Ziele mit Scharfschützengewehr aufs Korn zu nehmen, das hat durchaus seinen Reiz. Denn wenn der Treffer mal richtig sitzt, ist das ein unglaublich gutes Gefühl. Besonders mit den selbstgebastelten Wummen. Das Crafting funktioniert wie in Fallout 4, die Suche nach Rohstoffen und neuen Plänen unterhält zunehmend. Diese Rezepte für Waffenmods und Ausrüstung findest du in der Spielwelt, kannst sie kaufen oder du nimmst Waffen an einer Werkbank auseinander. Dadurch lernst du quasi am lebenden Objekt, wie du größere Magazine, bessere Griffe oder längere Läufe zusammenknaubst.

Das S.P.E.C.I.A.L. System (Strength, Perception, Endurance, Charisma, Intelligence, Agility und Luck) ist ebenfalls wieder mit dabei dabei, wenn auch in etwas abgewandelter Form. Skill Points sagen an, wie viele Perks du in jedem der SPECIAL-Äste nutzen kannst. Perks sind auch nicht mehr dauerhaft verankert, sondern werden durch Karten dargestellt, die jederzeit getauscht und verbessert werden können. Das klappt besser als erwartet und bildet einen interessanten neuen Schritt. Eine Rundumerneuerung hat auch V.A.T.S.(Vault-Tec Assisted Targeting System) spendiert bekommen. Die Zeit hält das Tool aber nicht mehr an. Stattdessen wird die Trefferwahrscheinlichkeit durch Prozentzahlen in Echtzeit dargestellt und angepasst. Daran musste ich mich als Fallout-Veteran doch erstmal gewöhnen. Was mir anfangs tierisch gegen den Strich ging, habe ich mit wachsenden Spielstunden jedoch ganz gut gemeistert. Fallout 5 darf dann aber gerne wieder auf die altbewährte Variante zurückgreifen. Und den Soundtrack beibehalten. Der ist nämlich wieder vorzüglich gewählt.

Der Fotomodus, den ich bei anderen Spielen wie Assassin's Creed: Odyssey oder Watch Dogs 2 gern links liegen gelassen habe, macht im Koop mit Freunden nun tatsächlich mehr Sinn für mich, teilen sich erlebte Action-Kloppereien doch besser mit passender Pose und schönem Rahmen drumherum. Um auf jedem Foto auch das passende Outfit anhaben zu können, gibt es die Möglichkeit, Sondergegenstände und andere kosmetische Upgrades mit "Atomen" zu kaufen. Diese Währung wird im Spiel durch Achievements freigeschaltet - oder kann mit Echtgeld gekauft werden. Da man recht schnell an den Zaster dran kommt und ich in meiner gesamten Spielzeit nie das Bedürfnis hatte, im Atom-Shop einzukaufen, machen mir die Mikrotransaktionen auch keinen Strich durch die Rechnung - ist ja eh nur für die "Haute Couture" zu gebrauchen und bringt keinen Vorteil gegenüber anderen. Weitere Download-Inhalte, welche über die nächsten Jahre erscheinen sollen, werden komplett kostenlos verfügbar sein. Mal gespannt, ob die Server von Fallout 76 dann noch laufen ...



Energiekuchen

Fazit von Tobias:

Bereits zwei Wochen nach Release war Fallout 76 für ein Drittel des Originalpreises erhältlich. Das sagt einiges aus. Zu den spielerischen Schwächen kommen noch die ganzen Krisen drum herum: Der Skandal um die minderwertigen Taschen der Collectors Edition, die "No Refunds"-Politik (die dann doch gelegentlich gekippt wird) und ein Prozess wegen "False advertising" - Bethesda hat sich mit diesem unfertigen Stück Software ein ziemliches Ei ins Nest gelegt. Denn egal, an wie vielen Stellschrauben man jetzt noch dreht, um das Spiel im Nachgang zu verbessern: "You never get a second chance to make a first impression". Ich fühle mich in so vielen Dingen an No Man's Sky erinnert. Mittlerweile geht da auch etwas mehr als zum Release, aber außer den treuen Stammspielern tummelt sich dort keiner.

Schade drum, denn im Kern ist 76 noch ein echtes Fallout. Die wenigen tiefgehenden und sehr gut geschriebenen Quests gehen im Papier- und Terminal-Wirrwarr leider unter. Der Verlust von menschlichen NPCs ist ein herber Schlag für die Apokalypse. Aber die Spielwelt ist mit so viel Liebe, Details und kleinen Geschichten gefüllt, dass es ziemlich ignorant wäre, dem Shooter-RPG nicht doch nochmal einen Besuch abzustatten. Vielleicht in ein, zwei Monaten, wenn die gröbsten Fehler beseitigt wurden und der erste DLC erschienen ist. Ich hatte viel Spaß mit Fallout 76 und habe ebenso oft lauthals geflucht.

Hoffen wir mal, dass Starfield (Bethesdas nächste Entwicklung und neue IP) nicht zu stark unter der Negativ-Presse zu leiden hat. Immerhin basiert die Sci-Fi-Action auf der gleichen Engine.

Besonders gut finde ich ...
  • mein Entdeckerdrang wurde selten so gefördert wie hier
  • trotz Multiplayer solo genießbar
  • einige großartige Missionen
  • Story und Hintergrundinfos sehr detaiilert und lesenswert
  • kluges Craftingprinzip geht weiterhin auf
  • sehr hilfsbereite und nette Community
Nicht so optimal ...
  • unausgegorenes Spielkonzept
  • viele Lags, Bugs und Probleme
  • miese Performance
  • keine Cutscenes, menschliche NPCs
  • viel zu kleines Inventar bzw. Beschränkung im Lager
  • Basen können nicht zusammengelegt werden

Tobias hat Fallout 76 auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Bethesda Softworks zur Verfügung gestellt.

Fallout 76 - Boxart
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  • Entwickler:Bethesda Game Studios
  • Publisher:Bethesda Softworks
  • Genre:MMORPG
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One
  • Release:14.11.2018

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: HerrBeutel ... und 3 Gästen.
  • Tim
    #1 | 11. Dezember 2018 um 13:44 Uhr
    Schöne Review, die zeigt, dass das Spiel also wohl doch auch seine guten Seiten hat. Trotzdem natürlich einfach nur traurig, was Bethesda da mit Fallout fabriziert. Erst der missratene Launch, die Bugs, die Technik, die riesigen Patches, dann das Ding mit der Tasche und den Refunds ... für mich ist 76 ja gar nichts, aber so als Beobachter finde ich das doch alles sehr spannend. Bin gespannt, wie die Zukunft von 76 und Fallout nun ausschaut. Irgendwas muss man aus diesem Fiasko ja gelernt haben.

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