Mutant Year Zero: Road to Eden - Review

Die Schweden haben einfach ein Händchen für tolle Videospiele. Das beweist aktuell auch das in Malmö ansässige Entwicklerstudio The Bearded Ladies, deren Debüttitel Mutant Year Zero: Road to Eden mich in den vergangenen Tagen an den PC gefesselt hat. Darin schlägt sich ein quirliges Trio von Mutanten durch die Endzeit und erkundet dabei unbekanntes Gebiet. Wer rundenbasierte Action im Stile von XCOM und witzige Dialoge zu schätzen weiß, macht mit dieser Softwareperle eindeutig nichts verkehrt. Auch wenn die Spielzeit gerne etwas länger hätte sein dürfen.

Basierend auf dem gleichnamigen schwedischen Pen-and-Paper Rollenspiel aus dem Jahre 2014 entführt dich Mutant Year Zero: Road to Eden in ein postapokalyptisches Szenario. Naturkatastrophen und Kriege haben die Menschheit nahezu ausradiert. Eine der letzten Zufluchtsstätten ist die sogenannte Arche, welche Heimat für wenige Menschen und umso mehr Mutanten bietet. Als der Chefmechaniker dieser einzigartigen Stadt von einer seiner Expeditionen nicht zurückkehrt, machen sich zwei unerschrockene Stalker auf die Suche nach ihm.


Mutant Year Zero: Road to Eden
Mit Dux und Bormin starten wir ins Spiel, doch weitere Teammitglieder lassen nicht lange auf sich warten.


In Echtzeit erkunden ...



Ich übernehme zum Spielstart die Rolle von Bormin und Dux, meinem Mutanten-Team. Bormin ist ein riesiges und brutales Warzenschwein, das im Gegensatz zum eher schmächtigen Dux einige Treffer einstecken kann, bevor es zu Boden geht. Trotzdem hat es genug Grips, um seine Kameraden nicht in den sicheren Tod laufen zu lassen. Die Wutz ist demzufolge kein Spaßvogel wie beispielsweise Pey'j aus Beyond Good and Evil. Bormin ist ein Haudrauf. Den gesprächigen Part übernimmt Dux, die Quasselstrippe in Form einer Ente.

Die Unterhaltungen zwischen den beiden sind meist recht einseitig, aber Dux ist der geborene Entertainer und es macht Spaß, dabei zuzuhören, wie Bormin sich über den redseligen Kollegen aufregt. Gemeinsam steuere ich die zwei aus der Iso-Perspektive mit WASD durch die in Levelabschnitte aufgeteilte "Zone", wie der unsichere Bereich außerhalb der Arche genannt wird - S.T.A.L.K.E.R. lässt grüßen. Während dieser Erkundung kann ich mir die Map genauer anschauen, Schrott zum späteren Verwerten aufsammeln, Waffenteile zum Craften finden und Artefakte aufstöbern. Der Schrott dient quasi als Zahlungsmittel, denn auf der Arche bietet eine Händlerin Waren wie Medipacks, Zielfernrohre und Granaten feil, die ich mir mit dem Altmetall aneignen kann. Mit Waffenteilen kann ich vorhandene Schießeisen aufrüsten und durch Artefakte schalte ich besondere, passive Fähigkeiten frei (Waffen machen mehr Schaden, Medipacks heilen mehr usw.).

Es dauert jedoch nicht lange, bis mein kleines Duo auf Feinde trifft. Die Ghoule sind noch keine große Gefahr für mich, sollten aber trotzdem mit Vorsicht behandelt werden. Also schleiche ich mich um sie herum, suche mir entsprechend Deckung und beginne mit dem Kampf. Das Ganze verhält sich ähnlich wie bei Divinity: Original Sin. Erst wenn der Kampf losgeht, verlangsamt sich der Spielablauf.


Mutant Year Zero: Road to Eden
Was ich beim freien Erkunden der Zone aufklaube, darf ich auf der Arche für neues Equipment wieder versetzen.


... und rundenstrategisch angreifen.



Sobald ich meine Gegner angreife, wird Mutant Year Zero zu einem waschechten XCOM-Klon, wobei das hier durchaus als Kompliment gemeint ist. Meine Teammitglieder verfügen jeweils über zwei Aktionspunkte. Diese kann ich verwenden, um mich fortzubewegen, Granaten zu werfen, Waffen abzufeuern oder Spezialfähigkeiten einzusetzen. Positionieren solltest du deine Kämpfer aber immer in Deckung, da Feindbeschuss dich sehr schnell außer Gefecht setzen kann. Selbst die dicke Haut der Wutz hält den blauen Bohnen nicht ewig stand und meist bist du auch deutlich in der Unterzahl. Ich hatte Dux als Sniper angelegt, der aufgrund seiner passiven Fertigkeit mehr Schaden von erhöhten Positionen anrichten kann. Nimmt man dann noch seine Mutation mit in die Rechnung auf, die es ihm erlaubt, kurzzeitig zu fliegen, macht die ganze Taktiererei doppelt Sinn und sorgt für tiefes Gameplay.

Apropos Mutationen: Jeder spielbare Charakter steigt nach und nach im Level auf und schaltet neue Fertigkeiten frei - passive wie Aktive. Bormin kann unter anderem den "Sau-er Lauf" erlernen, bei dem er wie eine Dampfwalze durch Deckungen bricht und Gegner für zwei Runden ausknockt - das ist ein wichtiges Feature, also unbedingt frühzeitig freischalten und am besten für den Rest des Spiels aktiv lassen. Auf seinem Weg zum Gegner durchbricht er so Barrikaden, Ziegelsteinmauern und Betonpfeiler, die wunderhübsch auseinanderfliegen und in ihre Einzelteile aufgelöst über die Map verteilt werden. Ein sehr schöner Effekt! Das können eigentlich nur die Mechs toppen, auf die man im späteren Spielverlauf trifft. So ein Gigant macht ohne Probleme kurzen Prozess mit ganzen Häuserfassaden und reißt halbe Wohnblocks ein, um zu seinem Ziel zu kommen.

Das Gegner-Portfolio hat einiges zu bieten, von niederen Ghoulen, die mit Äxten auf dich zustürmen, über Pyromanen, welche Molotov-Cocktails werfen, bis hin zu Schamanen, die dank Tuba Verstärkung rufen können. Dazu kommen noch dicke Brocken wie die sogenannten Panzer: Muskelbepackte und schwere Rüstung tragende Soldaten, die große Waffen abfeuern und nicht K.O. gesetzt werden können. Davon dürfen sich die CreativeForge Games mit ihrem Nachfolger von Phantom Doctrine gerne eine Scheibe abschneiden.


Mutant Year Zero: Road to EdenMutant Year Zero: Road to Eden
In luftigen Höhen kann Dux zeigen, was in ihm steckt - oder dem Feuer auf dem Boden entgehen.


Master the stealthy approach



Der Trick und das eigentlich Besondere an Mutant Year Zero ist es, die Gegnermassen im Vornherein auszudünnen. Wer "guns blazin'" einfach so in die Meute rennt und wild um sich ballert, wird keine Chance gegen die Übermacht haben. Hier heißt es taktieren. Da ich mich vor dem Kampf ja frei bewegen kann, untersuche ich die Karte genau, studiere die Routen von patrouillierenden Wachen und stelle ihnen einen Hinterhalt, um sie einzeln auszuschalten. Denn wenn sie weit genug von ihren ghoulischen Freunden entfernt sind, kann ich sie mit lautlosen Waffen wie schallgedämpften Pistolen oder der Armbrust aus dem Verkehr ziehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Das klappt vor allem später noch besser, sobald ich ein weiteres Teammitglied freischalte. Die Gruppe von Stalkern besteht nämlich aus bis zu drei Individuen, jede mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen.

Zu Bormin und Dux gesellen sich so noch die aus den Trailern bekannte Selma mit der Steinhaut und Füchsin Farrow, welche tierartbedingt eine Leisetreterin ist. Im späteren Verlauf triffst du sogar auf einen fünften Kompagnon ... aber wer das ist und was seine Fähigkeiten sind, möchte ich hier nicht spoilern. Sobald ein Gebiet gesäubert ist und ich meine erbeuteten Waffen upgraden will, kann ich per Schnellreise über die Karte fix zurück zur Arche reisen, die Schraubarbeiten erledigen und bin nach drei Minuten wieder für den nächsten Einsatz bereit.


Mutant Year Zero: Road to EdenMutant Year Zero: Road to Eden
Mit steigender Erfahrung können neue Mutationen und Skills entwickelt werden.


Riesenspaß trotz kleinerer Bugs



Mutant Year Zero: Road to Eden verfügt über eine hervorragende englische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln. Für eine komplette Lokalisierung ist das Studio einfach zu klein, wir wollen es ihnen also nachsehen. Die Grafik kann dafür aber durchaus überzeugen. Stimmiges Setting, zerfallene Buden, die bereits angesprochene zerstörbare Umgebung und tolle Lichteffekte machen einiges her. Leider macht die Kamera uns gern mal einen Strich durch die Rechnung und wackelt wild umher - gerade in engen Räumen oder wenn viele Schilder und Ampeln über einer Straße hängen. Habe ich mich im ersten Stock eines Gebäudes verschanzt und möchte eine Granate in Richtung meiner Feinde auf der darunterliegenden Straße schleudern, erfordert das auch ein wenig Fingerspitzengefühl und Kamerahandling.

Das ganze gestaltet sich etwas mühseliger als es sein müsste. Zu diesen kleineren technischen Schwächen kommen gelegentliche Hänger. Das Spiel ist dann kurz eingefroren und erst drei, vier Sekunden später wird die zuvor ausgewählte Aktion ausgeführt. Das kommt aber zum Glück nicht sonderlich häufig vor und hat mich auch nie zum Neustart gezwungen.

Was ich ebenfalls hervorheben muss, ist der Schwierigkeitsgrad. Den kann man nämlich selbst auf "Normal", der niedrigsten Stufe, getrost als "knackig" bezeichnen. Gerade zu Beginn, wenn die Charaktere noch keine guten Waffen oder Fähigkeiten haben, sind Feindberührungen immer purer Nervenkitzel und benötigen gute Planung. Die freie Speicherfunktion ist also dein bester Freund. Sehr löblich: Das Spiel sichert deinen Fortschritt nach jedem Kampf automatisch. Ich habe insgesamt etwa 13-14 Stunden für die Kampagne gebraucht. Das ist im Vergleich zu einem XCOM natürlich ziemlich mickrig, aber dafür ist die Story die gesamte Zeit über hochinteressant, spannend erzählt und man hat nie das Gefühl, irgendwelchen Hinhaltetaktiken der Entwickler zum Opfer zu fallen.

Wer auf den höheren Schwierigkeitsgraden zockt, wird deutlich länger brauchen. Alles wirkt in seiner Größe gut durchdacht, sinnig platziert und für den Umfang angepasst. Dazu muss auch erwähnt werden, dass die Entwickler jeden Gegenstand händisch platziert, jedes Gebäude einzeln zusammengestellt und alle Bäume selbst gepflanzt haben. Hier waren keine Generatoren am Werk und das merkt man. Das ganze Spiel strotzt vor Liebe zum Detail und ich kann es kaum erwarten herauszufinden, wie es nach dem doch recht offenen Ende weitergeht!



Energiekuchen

Fazit von Tobias:

Mutant Year Zero: Road to Eden ist ein tierisch gutes Strategiespiel, mit dem ich die ganze Spielzeit über viel Spaß hatte. Die Kämpfe sind anspruchsvoll (auch für Kenner des Genres), die Geschichte interessant und das Erkunden der Zone belohnt mit neuen Waffen sowie besserer Ausrüstung. Das einzige, was ich mir vom nächsten Teil der Serie wünsche, wäre etwas mehr Inhalt. Außer der Kampagne und ein paar gelegentlichen Ausflügen in Nebengebiete gibt es leider nicht viel zu holen.

Doch abgesehen davon machen "die bärtigen Damen" alles richtig. Deshalb hoffe ich, dass Bormin, Dux, Selma und Co. gut von der Gaming-Community aufgenommen werden. Ich will unbedingt wissen, wie es weiter geht! Da steckt noch reichlich Potenzial und jede Menge Lore hinten dran.

Das durchdachte Gameplay und die liebevoll gestalteten Zwischensequenzen sowie Artworks machen Mutant Year Zero: Road to Eden zum perfekten Spiel, um das Gamingjahr 2018 ausklingen zu lassen.

Besonders gut finde ich ...
  • viel Liebe zum Detail
  • tolle Synchro und unterhaltsame Dialoge
  • zerstörbare Umgebung
  • fordernd, aber immer fair
  • taktische Tiefe
Nicht so optimal ...
  • Story bleibt etwas kurz (ca. 14h Spielzeit)
  • kleinere, technische Mängel
  • hakelige Kameraführung

Tobias hat Mutant Year Zero: Road to Eden auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Funcom zur Verfügung gestellt.

Mutant Year Zero: Road to Eden - Boxart
  •  
  • Entwickler:The Bearded Ladies
  • Publisher:Funcom
  • Genre:Strategie-Adventure
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One, Switch
  • Release:04.12.2018
    (Switch) 30.07.2019

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: Kithaitaa, ATeC, HerrBeutel ... und 4 Gästen.
  • Darius
    #1 | 14. Dezember 2018 um 19:00 Uhr
    Tierisch gut! 5-Euro ins Phrasenschwein werf, haha. Das sah schon im Vorfeld und auf der gamescom verdammt vielversprechend aus. Schön, dass es auch gut geworden ist, wenn auch dezent kurz - wobei die Entwickler das ja eher als Taktik-Abenteuer sehen. Bleibt bei mir auf der Liste und wird im kommenden Jahr sicherlich mal nachgeholt =)
  • Frank
    #2 | 22. Dezember 2018 um 19:02 Uhr
    Hallo
    Das Spiel ist wirklich klasse und hat sehr großes Suchtpotenzial. Man will einfach die Karte weiter erkunden und sehen was es an Loot gibt. Vielen dank an die Entwickler.

    An alle hier..wünsch ich noch ein paar schöne Festtage und einen guten Rutsch

    Gruß Frank

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