Monster Boy - Review

Auch außerhalb des Nintendo-Universums bleiben 2D-Plattformer voll im Trend, ob nun Hollow Knight, Battle Princess Madelyn - von welcher ich erst vor kurzem in meiner Review berichtet habe - oder auch Wonder Boy: The Dragon's Trap, die Neuauflage des gleichnamigen Klassikers aus dem Jahre 1989. Und um letzteres kommt man nicht herum, wenn man über Monster Boy und das verfluchte Königreich sprechen möchte, schließlich hat Serienvater Ryuichi Nishizawa selbst am neuen Abenteuer um den blauhaarigen Jin mitgewirkt.

Nach dem wunderschön gezeichneten Anime-Intro beobachte ich Jin, wie er angestrengt sein Abendessen angelt – doch plötzlich zischt ein wildgewordener Gartenzwerg auf einem Fass durch die paradiesischen Lüfte, verwandelt das nahrhafte Meeresgetier am Strand in fiese Monster und stellt sich ganz nebenbei als Jins Onkel Nabu heraus. Kurz darauf wird klar, dass Nabu wohl unter dem Einfluss einer fremden Macht steht und sämtliche Inselbewohner in Tierwesen verwandelt hat. Mit Schwert und Schild bewaffnet versuche ich mein Möglichstes, um dem Mysterium auf den Grund zu gehen, nur um nach dem ersten Boss unfreiwilligerweise selbst in eine Tiergestalt zu schlüpfen. Denn kaum habe ich dem rotköpfigen Riesen-Oktopus auf die Nase gegeben, werde ich von Onkel Nabu in ein Schwein verwandelt!

Zugegeben: So stark im Vordergrund wie in der ersten halben Stunde steht die Story im weiteren Spielverlauf nicht mehr. Trotzdem kann die einfache Geschichte um die magischen Orbs ausreichend motivieren und schafft fließende Übergänge zwischen den einzelnen Dungeons und einigen kleineren Nebenquests. Der wahre Star des Spiels sind jedoch die verschiedenen Tierformen, die Jin mithilfe der gesammelten Orbs annehmen kann. Schnüffelt und zaubert man sich anfangs noch als Augenklappen tragendes Schwein durch das Startgebiet, dürfen bereits wenig später Schlange, Frosch, Löwe oder Drache die Levels bestreiten.


Monster Boy
Jede der charmanten Tierformen hat eigene Fähigkeiten.


Frosch oder Prinz?



Die Tierformen werden lehrbuchartig eingeführt: Kaum hat man sich einen Orb geschnappt, muss man die dadurch neu gewonnenen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Als ich mich beispielsweise erstmals im Körper des Frosches wiederfand, erstreckte sich vor mir ein gähnender Abgrund - eine scheinbare Sackgasse. Die Lösung des Rätsels lag gleich in der neuen Tierform: Mithilfe der Zunge des Frosches konnte ich mich an Bögen an der Wand, die ich zwar schon vörher öfters erspäht hatte, aber zuvor noch nicht nutzen durfte, entlang durch die Level katapultieren, was beinahe Erinnerungen an Spider-Man weckte. Kurz darauf musste ich die Fähigkeit des Froschs mit der Schlangenform kombinieren, indem ich Jin noch während des Flugs zur Schlange transformierte, um an einer Mooswand emporklettern zu können. Dieses clevere Design bietet einen gemächlichen Einstieg und findet seinen Höhepunkt in Rätselpassagen, in denen teilweise innerhalb eines Raumes sämtliche Tierformen miteinander verbunden werden müssen.

Im Herzen ist Monster Boy und das verfluchte Köngreich mit den verschiedenen Fähigkeiten, die man sich im Laufe des Abenteuers erspielt, und den neuen Möglichkeiten in bereits besuchten Umgebungen ein Metroidvania. Jin bewegt sich von einem Dungeon zum nächsten, welche wiederum durch die Hub-Welt verbunden sind. Durch die Gestaltung der Dungeons und deren teilwese fließenden Übergänge zum Rest des Königreichs fällt dies oft jedoch kaum auf, auch wenn komfortable Funktionen wie eine Schnellreisefunktion vorhanden sind. Tatsächlich erfindet das Spiel das Rad nicht neu - meistert aber mit Bravour sämtliche Grundsätze des Genres und schafft es nebenbei noch, Features wie zum Beispiel das Verbessern des eigenen Charakters spaßbringend und motivierend einzubauen.

Jede Fähigkeit kann man außerdem weiter entwickeln und verbessern – das Schwein lernt beispielsweise neue Zauber, der Frosch kann im weiteren Verlauf Gegenstände einsaugen und ausspucken und der Löwe haut Blöcke kurz und klein. Damit nicht genug: Sowohl Jin als auch die meisten seiner Tierformen können Ausrüstungsgegenstände anlegen, die ebenfalls unterschiedliche Attribute und Fähigkeiten beinhalten und beim Schmied verbessert werden dürfen. Trotz der Fülle an Möglichkeiten wirken diese nie überfordernd, sondern werden in einem sinnvollen Tempo eingeführt, wodurch man als Spieler permanent am Lernen, Ausprobieren und Herausfinden ist. Hierzu passt auch das hervorragende Design der Welt. Die Karte ist riesig, aber nie unübersichtlich. Und am laufenden Band findet man kleine Hinweise, die man bei einer späteren Rückkehr in einer anderen Form oder mit einer neuen Fähigkeit nutzen kann, um an versteckte Gegenstände zu kommen oder Nebenaufgaben der Dorfbewohner zu erfüllen.


Monster BoyMonster Boy
Die Kulisse ist wunderschön und lädt zum mehrmaligen Erkunden ein.


Alles greift gut ineinander



Der letzte von mir gespielte 2D-Plattformer war das in der Einleitung bereits angesprochene Battle Princess Madelyn. Und wer meine Review gelesen hat, der weiß, wie sehr ich dort geflucht habe. Ehrlich gesagt hatte ich bei Monster Boy die Befürchtung, dass angesichts der angekündigten Features ein ähnliches Frustfest ins Haus steht. Doch das ist nicht passiert, denn Monster Boy verbindet Eigenschaften von Jump'n' Runs und Action-Adventures mit Bravour. Die Sprungpassagen sind herausfordernd, aber immer fair - und machen mit der zunge-schleudernden Froschform einen irrsinnigen Spaß!

Selbst die Kämpfe sind mehr als nur "Füllmaterial": Nicht nur werden teils spezielle Gegenstände benötigt, die Gegner sind auch abwechslungsreich und verfügen über eigene sowie völlig unterschiedliche Fortbewegungs- und Angriffsarten, was neben den Rätseln hin und wieder zu ratternden Zahnrädern über meinem Kopf führte.

Große Freude bereiteten mir auch die Bossgegner, die allesamt fantasievoll gestaltet und vom Schwierigkeitsgrad her knackig sind, aber nie frustrierend werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Genrekollegen waren die Endgegner der jeweiligen Dungeons auch vom Zeitaufwand her optimal - ich benötigte zwar hier und da einige Anläufe, bis ich die Bewegungsmuster erlernt hatte, anschließend waren die Bosse jedoch mit wenigen Treffern besiegt. Ebenfalls schön: Bei keiner einzigen Gegnerkonfrontation hatte ich das Gefühl, irgendetwas sei hier gestreckt, um die Spieldauer künstlich nach oben zu bleiben.


Lebhafte Welt voller Charme und Charakter



Habe ich schon erwähnt, wie schön dieses Spiel ist? Handgezeichnete Spiele sind zwar mittlerweile keine Exoten mehr, besitzen jedoch nach wie vor einen speziellen Charme. Doch Monster Boy hat mich von den Socken gehauen. Hier sind nicht etwa nur die wichtigsten Charaktere hübsch gezeichnet und animiert – jedes Grasbüschel sieht wunderschön aus und wackelt fröhlich vor sich hin. Im Hauptdorf unterhalten sich Bewohner angeregt miteinander, während im Hintergrund ein Hase auf einem Stein sitzt und Laute spielt und im Vordergrund kleine Staubwolken durch die Luft fliegen.

Nicht nur hatte ich das Gefühl, mich durch einen Zeichentrickfilm zu bewegen, sondern erwischte mich immer wieder bei dem Gedanken, dass diese Welt lebt. Nichts wirkt hier statisch oder lieblos platziert. Die Liebe zum Detail ist überall sichtbar, ohne mit pompösen Effekthaschereien zu blenden.

Auch die Soundkulisse überzeugt, was bei den engagierten Komponisten kein Wunder ist: Unter anderem Y?z? Koshiro, Motoi Sakuraba und Michiru Yamane durften sich in Monster Boy verewigen, womit Entwickler FDG so etwas wie ein Best-of der japanischen Videospielmusik-Komponisten erschaffen hat. Die einzelnen Stücke reichen von beflügelnd über mystisch bis bedrohlich, wiederholen sich selten und lassen sich auch gut abseits des Spiels hören.


Monster BoyMonster Boy
Ob bei schwierigeren Passagen oder Bosskämpfen: Durch das faire Design kommt nie Frust auf.


Ein würdiger Nachfolger



Die Steuerung von Jin ist direkt und analog, das heißt, man kann den Protagonisten je nach Stellung des Joysticks schneller oder langsamer bewegen, wobei sich auch die Animationen Jins und der Tierformen fließend ändern - sehr erfreulich! Während der gut 15 Stunden Spielzeit kam bei mir nicht ein einziges Mal Frust wegen der Steuerung auf. Die Bewegung mit Jin macht Spaß, das Interface ist logisch und aufgeräumt, die Karte ist übersichtlich und versorgt den Spieler mit allen notwendigen Informationen.

Der einzige Punkt, an dem man etwas meckern könnte, ist wohl, dass das Wechseln der einzelnen Verwandlungen etwas fließender von der Hand gehen könnte. Hin und wieder war ich schlichtweg zu langsam oder verklickte mich hektisch, wodurch ein entscheidener Sprung daneben ging. Dafür sind die automatischen Speicherpunkte fair und zahlreich platziert, sodass langatmige Wiederholungen ausbleiben und man für Neugierde oder Unvermögen nicht überhart bestraft wird.

Monster Boy und das verfluchte Königreich wird der Wonder-Boy–Reihe nicht nur gerecht, sondern verbessert das bekannte Spielkonzept in vielen Bereichen. Das Spiel hat mich von der ersten bis zur letzten Minute durchgehend überzeugt und es ist eine Freude, mit Jin durch das wunderschöne Königreich zu hüpfen, Rätsel zu lösen und anspruchsvolle Bossgegner zu besiegen. Es ist ein Pflichttitel für jeden, der auch nur ansatzweise Freude an Jump'n'Runs oder klassischen Action-Adventures hat.



Lichtspieler

Fazit von Steffen:

Monster Boy und das verfluchte Königreich hat bei mir nicht nur einen, sondern gefühlt alle Nerven getroffen. Seit The Legend of Zelda: Breath of the Wild hat mich kein Spiel mehr auf solch einem durchgehend hohen Niveau unterhalten. Sicher, Monster Boy bietet nur einen Bruchteil der Spielzeit von Nintendos Open-World-Brocken. Vielleicht ist das aber auch eine Stärke des Spiels: Lieber nehme ich 15-20 qualitativ hochwertige Stunden voller Freude, Erlebnis und Spaß, als eine längere Dauer, die jedoch mit etlichen Fillern, Fetchquests und zusätzlichen, aber langweiligen Dungeons erkauft wurde. Jin und seine Tierformen haben mir derart viel Spaß bereitet, dass ich richtig Lust bekommen habe, die alte Wonder-Boy-Serie erneut durchzuspielen. Und kann man einem spirituellen Nachfolger ein größeres Kompliment machen, als wenn ich sage, dass es in derselben Liga wie das Vorbild spielt?

Besonders gut finde ich ...
  • wunderschöne Grafik
  • charmante Animationen
  • überzeugender Soundtrack
  • die Lernkurve ist stets fair
  • ausgereiftes und durchdachtes Gameplay
Nicht so optimal ...
  • manche Steuerungslösungen sind suboptimal
  • die Story hätte etwas prominenter sein dürfen

Steffen hat Monster Boy auf der Nintendo Switch gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von FDG Entertainment zur Verfügung gestellt.


Monster Boy - Boxart
  •  
  • Entwickler:Game Atelier
    FDG Entertainment
  • Publisher:FDG Entertainment
  • Genre:Jump'n'Run
  • Plattform:PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series, Switch
  • Release:04.12.2018
    (PC) 25.07.2019
    (PS5) 02.12.2021

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: ATeC, HerrBeutel ... und 11 Gästen.
  • Darius
    #1 | 25. Februar 2019 um 16:35 Uhr
    Klingt gut, das wird ja regelrecht mit Lob überhäuft. Mich hat seinerzeit Wonder Boy: The Dragon's Trap nicht so recht gepackt, eventuell nochmal eine Chance geben, während ich auf einen guten Preis für Monster Boy warte =)

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