Resident Evil 2 - Review

Nach dem fürchterlichen Resident Evil 6 glaubte vermutlich kaum jemand mehr daran, dass die Reihe in ihrer ursprünglichen Form noch lange überleben wird. Erst mit der Veröffentlichung des siebten Teils, der einen Fokus zurück zu den Wurzeln legte, eroberte Capcom die Fanherzen zurück und machte Hoffnung auf weitere vollwertigen Ableger. Mit dem Remake zu Resident Evil 2, welches von vielen nach wie vor als bester Teil der Serie angesehen wird, hat man sich eine große Last auferlegt und hohe Erwartungen geschürt. Ich habe mir die Neuauflage 20 Jahre nach dem Original genauer angesehen.

Juli 1998: Berichte über Überfälle und vermisste Personen in den Arklay Mountains häufen sich. Die Stadt reagiert mit dem Einsatz des S.T.A.R.S. Teams, welches die Zustände dort aufklären soll und mit der Zerstörung der Spencervilla und des geheimen Untergrundlabors hofft, dem schrecklichen T-Virus ein Ende zu setzen. Nur zwei Monate später wird jener Virus, der Menschen zu Zombies verwandelt, durch eine Rattenplage in der Stadt verbreitet. Neue Berichte weisen auf Kannibalismus in Raccoon City hin - der vermeintlich letzte sichere Ort scheint die Polizeistation zu sein.

Anders als im Originalspiel von 1998, in welchem Protagonist Leon S. Kennedy sich aufgrund einer Trennung am Vorabend hemmungslos bentrank, deshalb zu spät zur Arbeit erschien und daher von den neuen Umständen überrascht wurde, sitzt Leon im Remake als frisch gebackener Polizist daheim auf Abruf. Da sich niemand bei ihm meldet und er das Gefühl bekommt, dass hier irgendwas nicht stimmt, reagiert er und macht sich auf eigene Faust in die zugeteilte Polizeistation - und wird damit sein Leben für immer verändern.


Rückkehr nach Raccoon City



Schon auf dem Weg dorthin stoppt Leon sein Auto an einer Tankstelle. Ein zerstörter Wagen, Blutspuren auf dem Asphalt und ein lautes Klirren aus dem Inneren der Tankstelle - diese Situation muss er sich genauer anzuschauen. Schnell sammle ich die Taschenlampe auf dem Boden auf und leuchte das dunkle Gebäude aus. Im Inneren treffe ich auf eine Person, die sich eine blutende Wunde am Hals festhält. Das Gefühl war richtig: Hier stimmt etwas nicht. Aber was ist passiert?

Weiter geht es in Richtung Lager, aus dem ein Poltern kommt. Drinnen kämpft ein Polizist gegen ... irgendetwas oder irgendjemand anderes; genauer kann Leon es nicht erkennen. Dass die Auseinandersetzung allerdings kein normaler Streit ist, wird schnell klar, als der Kollege vor seinen Augen zerfleischt wird. Trotz mehrmaliger Aufforderung stoppt der Unbekannte nicht und wird daher mit Pistolengewalt niedergestreckt. Kaum ist die Situation gelöst, knallt es wieder im Laden und es gibt nur noch ein Ziel: bloß weg hier! Also schnell den Schlüssel vom Schlüsselbrett geschnappt, die Tür geöffnet und den Laden verlassen, der mittlerweile von einer ganzen Horde Zombies überrannt wird.

Draußen wartet schon Claire Redfield, die Schwester von Chris Redfield, der im ersten Ableger in die Zwischenfälle der Spencervilla involviert war. Sie ist auf der Suche nach ihrem Bruder, der schon länger als verschollen gilt. Um der grauenvollen Situation zu entkommen, machen sich die beiden auf den Weg in die vermeintlich sichere Polizeistation, werden aber durch widrige Umstände voneinander getrennt.


Resident Evil 2Resident Evil 2
Der Waffenshopbesitzer, der im Original gleich zu Beginn zerfleischt wird, spielt nun eine größere Rolle.


Zwei Kampagnen, unterschiedliche Ziele



Bereits hier unterscheiden sich die Kampagnen von Leon und Claire, welche schon von Beginn anwählbar sind. Beide Charaktere haben wie im Original ihre eigene Storyline mit individuellen Abschnitten. Selbst ganze Rätselketten unterscheiden sich teilweise stark voneinander, sodass ich nur empfehlen kann, beide Kampagnen zum Abschluss zu bringen - es lohnt sich. Ergänzt wird das Ganze noch durch einen zweiten Durchgang, der das wahre Ende von Resident Evil 2 offenbart.

Dabei handelt es sich aber nicht um das bekannte B-Szenario aus dem Original: Ich kann also keine Waffe etwa im Schrank lassen, damit sie Leon im späteren Durchlauf finden kann. Solche Entscheidungen, die auf der PlayStation damals auch kampagnenübergreifend Auswirkungen hatten, gibt es leider nicht mehr. Dafür bietet das Remake aber eine weitere Kampagne, die mich nach Abschluss beider storyrelevanter Teile in die Rolle von Hunk schlüpfen lässt und eine erweiterte Sicht auf die Hintergründe der Epidemie liefert.


Starker Einstieg



Serientypisch liefert auch das Remake wieder eine Portion Rätselspaß, gepaart mit der gewohnten Action und spektakulär inszenierten Bosskämpfen. Immer wieder müssen bestimmte Objekte gefunden werden, um einen Mechanismus auszulösen, der wiederum für das Fortkommen sorgt. Wer in den alten Ablegern damit große Probleme hatte, kann nun aufatmen: Im Remake hat Capcom alle Objekte auf der Karte verzeichnet und sogar alle Räume der Station beschriftet, sofern man diese betreten hat. Räume, in denen alles erledigt ist, leuchten entsprechend blau auf der Karte auf. Hat man hingegen noch etwas vergessen oder übersehen, färben sie sich rot, sodass man nicht lange suchen muss, um das Item zu finden, welches man zum weiteren Fortschritt benötigt.

Auch die Speicherfunktion wurde überarbeitet. Zwar wird noch immer fleißig an der Schreibmaschine gespeichert, vor wichtigen Situationen im Spiel sichert das Spiel den Spielstand aber zumindest auf den Schwierigkeitsgraden Assistiert und Standard automatisch. Selbstredend ist natürlich auch das Inventar beschränkt, kann aber wie im Original mit gefundenen Taschen großzügig erweitert werden. Dies ist auch dringend nötig, da man im Remake wesentlich mehr Gegenstände erhält. Diese kann man nun übrigens jederzeit wegwerfen, wenn man etwas davon nicht braucht und es nur unnötig Platz wegnimmt. Ein Beispiel wäre ein Schlüssel, der bereits alle Türen geöffnet hat. Indem er im Inventar mit einem roten Haken markiert wird, weiß man gleich, dass man ihn ohne größere Bedenken wegwerfen kann. Dies war im Originalspiel aus dem Jahre 1998 nur an bestimmten Stellen möglich und erleichtert daher das Spielerlebnis erheblich.


Resident Evil 2
In der Leon-Kampagne darf natürlich auch Ada Wong nicht fehlen.


Glaubhafte Schussmechanik



Überhaupt spielt sich das Spiel wesentlich fluffiger als noch damals. Begünstigend dürfte hier auch die neue Kameraperspektive sein, die mir mehr Überblick gewährt als die festen Perspektiven des Vorbilds. Ferner ist die Schussmechanik äußerst realistisch umgesetzt und das Trefferverhalten der Zombies jederzeit glaubhaft in Szene gesetzt. Entsprechend muss gut überlegt werden, in welche Körperteile meine wertvollen Pistolenkugeln geschossen werden. Ein paar wenige Kopftreffer garantieren nämlich nicht den Tod des Untoten.

Besser schießt man seine Munition, die man mit Schießpulvern, ähnlich wie im dritten Teil der Reihe, aufstocken kann, in die Beine, sodass die Untoten auf dem Boden krabbeln und daher leicht umgegangen werden können. Denn wie schon in den alten Ablegern ist es nicht sinnvoll alle Gegner zu eliminieren, da man sonst vor einem Bossgegner durchaus mit zu wenig Munition steht und diesen nicht bezwingen kann. Daher rate ich für Neulinge dringend verschiedene Spielstände anzulegen, damit von einem früheren Punkt des Spiels geladen werden kann.


Terror statt Horror?



Besonders der zweite Ableger der Reihe war schon damals für das Unbehagen, das er während des Spielens auslöste, bekannt. Jeder wird sich an den Soundtrack von damals erinnern und sein ganz eigenes Gruselgefühl entwickelt haben. Leider schafft es das Remake nur bedingt, diese Atmosphäre wieder aufleben zu lassen. Trotz wirklich großartiger Beleuchtungseffekte und der herrlich nachgebauten Polizeistation, die bis auf einige wenige Änderungen im Großen und Ganzen tatsächlich dem Original entspricht, hat das Gruseln bei mir leider nur die ersten beiden Stunden angehalten. Grund dafür: Der Verfolger Mr. X, der Leon und Claire das ganze Abenteuer immer wieder über den Weg läuft, erscheint im Spiel leider viel zu früh.

Ähnlich wie in Alien: Isolation kündigt er sich durch lautes Poltern und Trampelgeräusche an. So muss ich während dem Lösen oder Bearbeiten eines Rätsels in ständiger Angst leben, dass Mr. X hinter mir auftaucht und mir eine abräumt. Das ist anfangs noch angenehm nervenaufreibend, wird aber bald eher lästig - vor allem dann, wenn man nicht fliehen kann. Denn anders als damals - Mr. X war dort dem B-Szenario vorbehalten - gibt es jetzt kaum noch sichere Räume, in die man sich zurückziehen kann. Selbst die Haupthalle bleibt im Remake nicht vor ihm verschont. Entsprechend rennt man aus Panik oder Unwissenheit gerade zu Beginn mehrmals quer durch die Polizeistation, um den Angreifer erfolgreich abzuschütteln, nur um ihn wenige Sekunden später wieder am Hals zu haben.

Dass sich dann auch noch alle Gegner auf den Gängen aufhalten, die zuvor nicht ausgeschaltet wurden, brauche ich hier natürlich nicht erwähnen. Als effektiv hat sich deshalb herausgestellt, möglichst leise im RPD unterwegs zu sein. Zumindest erschien Mr. X dann nicht ganz so oft vor meiner Nase. Leider hat er mir mein Spielerlebnis trotzdem ziemlich zerstört, sodass ich mich nicht mehr gegruselt, sondern zwischenzeitlich ziemlich genervt gefühlt habe. Besser hätte ich es gefunden, wenn Mr. X wie im Original nur im B-Szenario zum Einsatz kommt und ich meinen ersten Durchgang störungsfrei und voller Horror hätte erleben können.


Resident Evil 2Resident Evil 2
Der Alptraum aller Spieler: Mr. X kann man nur ärgern, indem man ihm den Hut vom Kopf schießt.


Dass das nämlich durchaus noch funktioniert, beweist besonders der Beginn des Spiels, der nahezu perfekt inszeniert wurde. Die Stimmung hat sich direkt auf mich übertragen und ich wurde innerhalb weniger Momente in den Bann gezogen. Trotzdem wurde ich durch die veränderten Gänge und Rätsel gefordert und erlebte endlich wieder das alte Resident-Evil-Feeling, das ich in Resident Evil 6 noch so vermisst habe. Ich hatte vor jedem Gang Respekt, habe zuerst alles ausgeleuchtet, um sicherzugehen, dass mich kein Untoter erwartet, und dennoch wurde ich immer mal wieder eiskalt erwischt. Jedes Klirren, jedes Poltern und jeder Schrank, den ich geöffnet habe, waren glaubhaft inszeniert, sodass man wirklich das Gefühl bekommt, vor Ort dabei zu sein und den Schrecken live mitzuerleben. Insbesondere die Splatterszenen, von denen es leider gar nicht so viele gibt, sind atemberaubend dargestellt und knüpfen herrlich an die Todessequenzen aus Until Dawn an.


Der beste Titel der Reihe!



Natürlich wirkt Horror auf jeden Menschen anders. Sehr schreckhafte Spieler werden mit dem Remake wohl bestens bedient und dürften nicht nur einmal laut aufschreien, alleine Mr. X garantiert - so nervig er hin und wieder auch ist - so einige Schreckmomente. Grafisch bewegt sich das Spiel auf einem sehr hohen Niveau: Die Rauch- und Partikeleffekte im ersten Bosskampf sehen sehr glaubhaft aus und werden perfekt in den Kampf eingebunden, die Lichteffekte sind ebenfalls äußerst realistisch dargestellt und auch die Bewegungsmuster der Zombies könnten kaum besser aussehen. Die Gesichter der Protagonisten sind teilweise jedoch noch etwas steif animiert - das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Der neue Soundtrack schafft es nicht ganz in mein Herz, wenngleich dieser nie störend oder unpassend aufgefallen ist. Besitzer der Deluxe-Edition können ohnehin den alten Soundtrack hinzuschalten und so für Horroratmosphäre erster Klasse sorgen.

Dass Capcom auch an die Hardcore-Fans gedacht hat, sollte nicht unerwähnt bleiben: Im Modus Veteran wird wieder ganz klassisch an der Schreibmaschine mit Farbbändern gespeichert, außerdem sind alle Hilfen deaktiviert und der Schwierigkeitsgrad wirklich extrem knackig. Einen S-Rang zu erhalten, stellt sich als wahre Herausforderung dar. Lediglich die Erzählweise der Geschichte kann kritisiert werden. Während Kenner der Serie genau wissen, was gerade passiert, wird für Neulinge meiner Meinung nach viel zu wenig erklärt, sodass nach dem ersten Verlassen der Polizeistation die meisten nur ein großes Fragezeichen im Kopf haben dürften.



Predator

Fazit von Kevin:

Das Remake zu Resident Evil 2 bietet alles, was Fanherzen höher schlagen lässt: eine komplett überarbeitete Optik, neue Storylines, neue Rätsel, neue Abschnitte. Capcom hat der Branche gezeigt, wie ein Remake auszusehen hat und nahezu alles richtig gemacht. Mit der überarbeiteten Version bietet man Neulingen und Serienveteranen Horror auf höchstem Niveau, wenngleich man auf die Einflüsse eines The Evil Within gut hätte verzichten können. Der erneute Ausflug nach Raccoon City zeigt, dass die Reihe noch lange nicht am Ende ist und es eine Renaissance des Horrorgenres geben kann. Nicht nur ich, sondern zahlreiche Fans da draußen wünschen sich jetzt noch ein Remake des dritten Teils. Erst dann kann auf der aktuellen Konsolengeneration wirklich jeder Hauptteil der Reihe gespielt werden. Capcom, please go for it!

Besonders gut finde ich ...
  • eindrucksvoll überarbeitetes RPD
  • neue Abschnitte passen gut ins Setting
  • sehr dichte Atmosphäre, besonders zu Beginn
  • glaubhafte Schussmechanik
  • Kartenfunktion, die das Fortkommen erleichtert
  • erstklassige Splattereffekte
  • originaler Soundtrack in der Deluxe-Edition anwählbar
  • hoher Wiederspielwert durch verschiedene Enden
  • hoher Spielfluss durch kaum Ladezeiten (ohne Türanimation)
  • kaum Backtracking
  • tolle Licht- und Schatteffekte
  • sammelbare Objekte durch alle Kampagnen hinweg
Nicht so optimal ...
  • zu frühes Erscheinen von Mr. X
  • fehlende Gegnertypen des Originals (Spinnen, Raben etc.)
  • neuer Soundtrack kommt nicht ans Original heran
  • deutsche Vertonung wirkt recht holprig

Kevin hat Resident Evil 2 auf der PlayStation 4 gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Capcom zur Verfügung gestellt.

Resident Evil 2 - Boxart
  •  
  • Entwickler:Capcom
  • Publisher:Capcom
  • Genre:Survival-Horror
  • Plattform:PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series
  • Release:25.01.2019
    (PS5, Xbox Series) 14.06.2022

Spiele-Reviews und Blogartikel, die dich interessieren könnten

Resident Evil Village - Review

Resident Evil Village - Review

Nachts heulen die Werwölfe | Die wilde Mischung aus den Vorgängerspielen und der actionreichere Ansatz sorgen für einen hohen Wiederspielwert, weshalb das Spiel nahezu uneingeschränkt zu empfehlen ist.

Resident Evil 7 - Review

Resident Evil 7 - Review

Meine erste Berührung mit der Resident-Evil-Reihe hatte ich als gerade mal achtjähriger Knirps. Damals waren meine Hosen schneller voll als ich bis drei zählen konnte. Die herausragende ...

Resident Evil 5 - Remastered Review

Resident Evil 5 - Remastered Review

Stark auf Koop-Gameplay ausgerichtet, ist Resident Evil 5 einer der Titel, welcher unter Fans noch heute stark umstritten ist. Während bereits der vierte Teil der Grusel-Reihe erhebliche Änderungen ...

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: ATeC, CookieMonster, HerrBeutel ... und 8 Gästen.
  • Tim
    #1 | 8. Februar 2019 um 10:20 Uhr
    RE4 und Revelations mochte ich ja sehr gerne, deshalb sollte ich wohl doch irgendwann mal in RE2 reinschauen. Teil 7 wäre mir wohl schon zu gruselig, da bin ich nach der Demo zu Alien: Isolation, was ja auch First-Person-Horror ist, lieber vorsichtig    an sich würde ich aber vorher gerne auch mal in RE4 reinschauen ... wird Zeit, dass Capcom da endlich die Switch-Version bringt. Finde es auf jeden Fall ziemlich beeindruckend, wie sich Capcom in den letzten Jahren gefangen hat und Serien wie RE, Monster Hunter oder nun auch Devil May Cry Stück für Stück mit großem Budget modernisiert. Scheint sich ja auch auszuzahlen, wenn man sich die Zahlen anschaut.

Hinweis: Der Beitrag ist über 5 Jahre alt, die Kommentarfunktion ist daher mittlerweile geschlossen.