Liar Princess and the Blind Prince - Review

Während nahezu alle Videospiele fiktiver Natur sind, selbst wenn man stellenweise mit immer realistischerer Grafikpracht die Grenzen zur Realität verwischen möchte oder vermeintlich wahre Geschichten erzählt, zählen klassische Märchenerzählungen wohl dennoch zur Minderheit. Die japanische Kreativschmiede Nippon Ichi Software präsentiert mit Liar Princess and the Blind Prince ein Märchen-Adventure, das durch seine Sprecherin, der Bilderbuch-haften Erzählung, dem Puzzle-Gameplay und nicht zuletzt der Geschichte selbst überzeugen möchte.

Märchen?! Das mag vielleicht zunächst nach einer jungen Zielgruppe klingen, doch wenn man sich mal die Klassiker der Gebrüder Grimm und andere Geschichten aus seiner Kindheit in Erinnerung holt, wird man durchaus feststellen, dass manche davon in der heutigen Zeit wohl kaum mehr unter die USK-16-Freigabe gelangen würden. Da wird in Rotkäppchen der böse Wolf doch direkt bei lebendigem Leibe aufgeschlitzt, Gefressene aus seinem Bauch befreit, dieser dann mit Steinen befüllt und wieder zugenäht, damit er anschließend tot umfällt. Sorry für den Spoiler. Hach, Märchen.

Was das alles mit der Liar Princess und dem blinden Prinz zu tun hat? Nun, das Videospielmärchen beginnt ganz ähnlich brutal. In einem dunklen Wald, der durch furchteregende und böse Monster bewohnt wird, heult jede Nacht ein Wolf den Mond an. Vielmehr singt sie ihn an. Mit einer wunderschönen Stimme sogar. Ein Gesang, bei dem sich wohl auch die Jury von Voice of Germany interessiert umdrehen würde.

Im Spiel tut das der kleine Prinz aus dem angrenzenden Königreich, der jede Nacht ohne Furcht zum Hügel des Gesangs vordringt und freudestrahlend den Klängen der Wölfin lauscht. Eines Nachts fängt er sogar an zu applaudieren und genau das soll ihm dann auch zum Verhängnis werden. Denn beim Applaus selbst wollte er es nicht belassen. Er steigt den Hügel empor, der Stimme folgend, um die Quelle der wohlklingenden und verzaubernden Töne zu finden. Der Wölfin selbst gefällt das nicht, verunsichert sie regelrecht. Denn was passiert, wenn er - ihr einziger Fan - erkennt, dass der wundervolle Gesang von einem Monster stammt?


Liar Princess and the Blind Prince
Die Märchengeschichte führt uns durch stimmungsvolle handgezeichnete Kulissen.


Der bittere Pakt mit der Hexe



Es passiert, was an dieser Stelle wohl passieren muss. Die Kombination aus Begeisterung und Neugier auf der einen Seite und Verzweiflung, Unsicherheit und Ungeschick auf der anderen Seite, provoziert einen Unfall, durch den der Prinz sein Augenlicht verliert und anschließend durch seine Familie weggesperrt wird. Die Wölfin bekommt ein schlechtes Gewissen und … dann kommt die böse Hexe im Wald ins Spiel. Ein Pakt wird geschlossen, ein Zauber gesprochen, ein hoher Preis bezahlt. Die Wölfin kann sich nunmehr jederzeit in eine kleine Prinzessin verwandeln und hier beginnt unser Abenteuer. Denn, die kleine Wolfwandlerin möchte nun ihr Ungeschick wieder gutmachen, das Leid des Prinzen beenden - und braucht unsere Hilfe.

Im Spiel werden die Erzählungen und Zwischensequenzen im Stile eines Bilderbuchs dargestellt, während die japanische Sprecherin Reina Kondo die Geschichte dazu vorliest. Das klingt toll, allerdings wäre es auch schön gewesen, wenn Publisher NIS die Bildschirmtexte neben englisch auch in deutsch übersetzt hätte. Der Stimmung tut dies indes keinen merklichen Abbruch, da auch die handgezeichneten Kulissen und Figuren zusätzlichen Charme versprühen.

Meine Aufgabe als Spieler wird fortan darin bestehen, den kleinen Prinzen mit seinen verbundenen Augen durch den düsteren Wald zur Hexe zu geleiten. Dadurch, dass wir die kleine Prinzessin jederzeit in einen Wolf und zurück verwandeln können, um entsprechende Vorteile zu nutzen, während der Prinz nahezu immer als handlungsunfähiger Begleiter fungiert, entsteht nicht nur beim Gameplay eine gewisse Herausforderung. Auch die Bindung zu den Charakteren erfährt eine gewisse Tiefe. Das schlechte Gewissen, die Hilfsbedürftigkeit, die offensichtliche Lüge, welche man immerzu zu verbergen versucht, sowie die spürbaren Gefühle füreinander.


Liar Princess and the Blind PrinceLiar Princess and the Blind Prince
Weiterkommen ist das Motto, gemeinsam oder in Form der Wölfin.


Angenehme Lernkurve mit stetiger Abwechslung & Herausforderung



Im Spielverlauf setzt man dabei weitestgehend auf Puzzle die gelöst werden möchten, während hin und wieder auch Feinde des Waldes im Wege stehen. Dabei spürt man nicht nur das Knistern, das zwischen dem kleinen Prinzen und seiner vermeintlichen Liebe liegt, sondern auch die wachsende Zuneigung und Besorgnis der Wölfin, die alles dafür gegeben würde, ihr Missgeschick wieder gutzumachen. Zunächst helfen mir diese Gefühle erstmal wenig, bis man beide Charaktere lächeln sieht, wenn sie einander Händchenhalten. Oder, wenn ich erfahre, dass der Prinz auf Blumen steht und ich fortan immerzu Ausschau nach ihnen halte und keine Anstrengung unterlasse, um selbige zu pflücken. Nur, um den Prinzen lächeln zu sehen.

Die spielerische Herausforderung liegt im Wechsel unserer Form und dem betreuten Führen des Prinzen, gepaart mit zahlreichen Puzzleaufgaben. Um das mal bildlich darzustellen: Während wir zu Beginn den Prinzen noch an einer Stelle stehenlassen, uns in unsere Wolf-Form verwandeln und Monster auf dem Weg vor uns erledigen, dann zurückkehren, in unser Prinzessinenkleidchen schlüpfen die kleine Krone zurechtrücken und den Prinzen wieder an der Hand nehmen, funktioniert das im weiteren Verlauf nicht mehr so linear. Puzzle- und Schalterrätsel erfordern dann meist eine Kombination aus diesem Wechsel, da die Wölfin höher springen, die Prinzessin jedoch auch Schalter bedienen und durch schmalere Gänge laufen kann.

Recht schnell lerne ich, dass ich dem Prinzen Befehle geben kann - erst ins Ohr flüsternd, später auch aus sicherer Entfernung -, um ihn in eine Richtung marschieren oder Steine aufheben zu lassen, die zum Beispiel als Gewicht für eine Mechanik dienen. Selbstredend, dass man diese hinzugewonnenen Spielmöglichkeiten dann auch im Verlauf der fünf Kapitel, die jeweils in vier Level unterteilt sind, auch anwenden muss - und hier auch der gezielte Wechsel der Charaktere selbst gefordert wird. Die klassischen Schalter-hier-drücken und dort-geht-was-auf Spielchen werden also schnell durch komplexere Varianten ersetzt.

Je näher wir an unser Ziel gelangen, je mehr wird Timing ein großes Thema, das aber grundsätzlich schaffbar ist und im rund fünfstündigen Abenteuer zu keinem Frust führt - auch wenn das Spiel stellenweise wenig Freiräume erlaubt und fast pixel- und sekundengenaue Präzision fordert. An manchen Stellen forderten mir zudem die Steuerung und Animationen zusätzlich Geduld ab und knabberten dezent am Nervenkostüm - ich meine euch, ihr Hüpfpilze! Dennoch bietet Liar Princess eine sehr gute und moderate Lernkurve, die kontinuierlich in kleinen Dosen ansteigt - jedoch nicht in ein Metroidvania wie Ori and the Blind Forest oder Hollow Knight ausartet.


Liar Princess and the Blind PrinceLiar Princess and the Blind Prince
Der Wald hält allerlei Gefahren und Rätsel für uns bereit.


Ein schönes Spiel mit Botschaft



Die abwechslungsreichen Gebiete, die stetig wachsende Gameplay-Kurve und vor allem die Geschichte um die beiden Akteure mit all ihren Facetten, lassen das Spiel auf einem gewissen Niveau immer interessanter werden, auch wenn die Puzzlemechaniken selbst keine innovative Neuerfindungen sind. Die vermeintliche Märchen-Kulisse wird dabei immer wieder durchbrochen, nämlich genau dann, wenn man die Ereignisse und das Erlebte in das Hier und Jetzt projezieren kann, sozusagen die "Message" dahinter ergründet.

Über die rund fünf-stündige Spielzeit wurde ich mit Liar Princess and the Blind Prince gut unterhalten, auch wenn es hier und da etwas knifflig wurde. Die Geschichte und dessen Entwicklung haben mir gut gefallen, auch und vor allem, da sie nicht unbedingt den Happy-End-Charakter anstrebt, den man vielleicht von einem Märchen erwartet - und nein, das war kein Spoiler. Die Checkpoints hätten für meinen Geschmack an manchen Passagen etwas großzügiger bzw. präziser verteilt werden dürfen, dennoch bleiben sie gut verteilt und lassen mich nach einem Fehler schnell wieder ins Spielgeschehen einsteigen. Nach dem Durchspielen solltet ihr euch im Übrigen unbedingt die Credits-Sequenz zu Ende anschauen, denn im Anschluss findet das eigentliche Ende der Geschichte statt - quasi wie in Marvel-Filmen, ruhig sitzen bleiben, bis alles dunkel ist.



Kithaitaa

Fazit von Darius:

Zugegeben, während mich die japanische Kultur in vielen Bereich interessiert, tun es japanische Videospiele bisher eher wenig - vor allem die unzähligen (für westliche Verhältnisse) abgefahrenen. Bei Liar Princess and the Blind Prince wurde ich irgendwie an das tolle Child of Light erinnert - in erster Linie durch den handgezeichneten Stil. Das reichte aus, um mich ins Spiel zu stürzen und schlussendlich wurde ich auch nicht enttäuscht, selbst wenn es darüber hinaus nichts mit dem UbiArt-Abenteuer gemein hat. Die Erzählung mit japanischer Vertonung wirkt zunächst erfrischend anders, die handgezeichneten Kulissen und Figuren liebevoll in Szene gesetzt. Die Geschichte birgt im Spielverlauf selbst keine Highlights, ist aber dennoch interessant erzählt und gibt sich mit der stetig wachsenden Herausforderung im Gameplay die Hand. Fans von Puzzle-Abenteuern sollten es im Auge behalten und spätestes bei einem Sale zuschlagen.

Liar Princess and the Blind Prince ist ein schönes Puzzle-Spielerlebnis, das mich über rund fünf Stunden gut unterhalten hat. Ein Blick hinter die handgezeichnete und japanisch vertonte Märchen-Geschichte offenbart eine schöne Message, die auch nach dem Spielende nachwirkt.

Besonders gut finde ich ...
  • gut erzählte, tragische Liebesgeschichte
  • liebevoll handgezeichnte Kulissen und Figuren
  • stetig steigendes Puzzle-Gameplay
  • abwechslungsreiche Kapitel
  • stimmige musikalische Begleitung
  • keine lästigen Sammelaufgaben
Nicht so optimal ...
  • keine deutschen Bildschirmtexte
  • Animationen und Steuerung stellenweise zu ungenau

Darius hat Liar Princess and the Blind Prince auf der PlayStation 4 Pro gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von NIS America zur Verfügung gestellt.

Liar Princess and the Blind Prince - Boxart
  •  
  • Entwickler:Nippon Ichi Software
  • Publisher:NIS America
  • Genre:Action-Adventure
  • Plattform:PS4, Switch, PSVita
  • Release:12.02.2019
    (Japan) 31.05.2018