Team Sonic Racing - Review

Denkt man an Fun-Racer, denkt man an Mario Kart - selbst in einem Jahr wie diesem, in dem anstelle von Mario Maskottchen wie Crash Bandicoot oder Sonic auf dem Fahrersitz Platz nehmen und um die Pole Position kämpfen. Für mich war, bei aller Liebe zu Mario Kart 8, in den letzten Jahren aber vor allem Sonic & SEGA All-Stars Racing: Transformed der König im Genre. Entsprechend gespannt war ich auf das neue Team Sonic Racing - und entsprechend skeptisch, als bekannt wurde, dass es das Konzept umkrempelt und nun auf Dreier-Teams setzt. Kann das funktionieren?

Die lange Antwort auf diese Frage findet ihr in den kommenden Absätzen. Die kurze Antwort ... nun, die gibt es nicht. Denn Team Sonic Racing ist trotz sehr spannender Ansätze und riesigem Potential letztendlich ein Spiel, bei dem der Spaßfaktor vor allem davon abhängt, auf welchen Teil des Gameplays man bei Fun-Racern den größten Wert legt - und davon, ob man Freunde hat, die bereit dazu sind, sich in eine Spielmechanik hineinzufuchsen, die deutlich komplizierter ist als in einem Mario Kart. Insofern gibt es also keine kurze Antwort und ich muss euch wohl oder übel auf die ausführliche Antwort in dieser Review verweisen.


Team Sonic Racing
Ein spannender Kampf um die Spitze? Von wegen: Sonic und Knuckles fahren im gleichen Team und arbeiten zusammen.


(Nur) Zusammen sind wir stark



Der Titel deutet es bereits an: In Team Sonic Racing geht es um Teamplay. Und Teamplay bedeutet nicht nur, dass die einzelnen Punkte aller Fahrer im dreiköpfigen Team am Ende des Rennens addiert werden, sondern es bedeutet tatsächlich Teamplay in Form von Zusammenarbeit - einem Novum im Genre, zumindest kenne ich keinen vergleichbaren Ansatz. Jedes Team setzt sich aus einem Geschwindigkeits-, einem Technik- und einem Kraft-Typen zusammen, welche jeweils eigene Fähigkeiten und sogar Items mitbringen. Um sich gegenseitig zu unterstützen, kann man - und spätestens jetzt wird es komplizierter - Items untereinander tauschen, durch Windschatten-Boosts gummiband-artig lospreschen und sich durch leichte Berührungen auch Starthilfe geben, wenn ein Teammitglied auf der Strecke einen Unfall hatte.

Ist das alles zu viel auf einmal? So ging es mir in der ersten Stunde mit Team Sonic Racing auch. Denn obwohl alle Features, Items und Tricks jederzeit eingesehen werden können, fehlt leider ein geeignetes Tutorial, das sich wirklich die Zeit nimmt, mich behutsam an das Spielprinzip heranzuführen. So selbsterklärend und intuitiv ein Mario Kart sein mag, Team Sonic Racing ist es nicht - und das ist in diesem Genre ein Problem.

Warum ich das so problematisch finde, erschließt sich spätestens im Online-Multiplayer, wenn man mit anderen Spielern in ein Team zusammengewürfelt wird. Denn wenn auch nur einer der drei seine Items partout nicht teilen möchte oder nicht bereit ist, zugunsten der anderen auch mal ein Stück zurückzufallen, wenn er also das grundlegende Team-Prinzip nicht verstanden hat oder nicht umsetzen möchte, driftet man unweigerlich auseinander - und ohne die Unterstützung der anderen durch Windschatten und Streifturbos sind gerade Kraft-Typen wie Knuckles oder Vector alleine auf weiter Flur hoffnungslos verloren. Gleiches passiert, wenn man mit Freunden zusammen spielt, die vorher nur Mario Kart & Co. kannten - dann ist das Teamplay ungewohnt und unbekannt und meist vergeht die Laune am Spiel, bevor man die Items und Funktionen so richtig begriffen hat.

Das ist jammerschade - weil Sumo Digital da eigentlich ein höchst spannendes Konzept entwickelt hat, das unter den richtigen Bedingungen und mit Abstrichen auch im Einzelspielermodus ganz hervorragend funktioniert und Team Sonic Racing zu einem anspruchsvolleren, aber auch interessanteren Arcade-Racer macht. Wenn man nämlich erst einmal als Team zusammenhält, beieinander bleibt und quasi als "Block" über die Piste prescht, dann ist das ein tolles Gefühl. Vor allem das ständige Pushen durch den Windschatten macht einfach Spaß und treibt die Tachonadel immer wieder in ungeahnte Höhen.


Team Sonic RacingTeam Sonic Racing
Ich bin sehr zwiegespalten, was das Strecken- und Fahrzeugdesign angeht - beides ist mir zu grell und zu künstlich.


Sonic All-Stars Racing, kein SEGA



Ich möchte Team Sonic Racing mögen, vor allem auch deshalb, weil es sogar die Extrameile geht und für Einzelspieler einen umfangreichen Story-Modus anbietet - mit abwechslungsreichen Rennen, vielen Sonderzielen und Abwandlungen wie Drift- oder Ringe-Herausforderungen. Sogar eine dünne Geschichte ist dabei, für deren Dialoge und Vertonung sich zwar selbst Kinder fremdschämen dürften, aber immerhin hat man es versucht - Big The Cat ("Magst du mein Windschatten-Freund sein?") hätte aber gerne in der Versenkung bleiben können. Trotzdem fällt es mir schwer, mich wirklich mit dem Spiel anzufreunden, weil das Team-Prinzip sich schlichtweg nicht mit der Erwartungshaltung des Genres nach leichtfüßigem, intuitiven Multiplayer-Spaß verträgt. Und auch, weil mir die ausgefallenen Fahrzeug-Verwandlungen aus Transformed, also Schiffe und Flugzeuge, fehlen und sich das Setting durch die Reduktion auf das Sonic-Universum gegenüber dem Vorgänger wie ein Downgrade anfühlt.

Wie cool waren damals die Strecken aus The House of the Dead oder Billy Hatcher and the Giant Egg, wie gern bin ich durch die Kurven der Samba Studios gedriftet - schon die Samba-de-Amigo-Strecke in Sonic & SEGA All-Stars Racing war ein Genuss! SEGA-Fans durften damals Fahrer wie Ryo aus Shenmue, Aiai aus Super Monkey Ball oder sogar Shinobi bejubeln. Lange bevor Link in Mario Kart 8 Deluxe mit um die Pole Position kämpfte, hat SEGA schon das hauseigene Crossover-Programm etabliert - um es dann mit Team Sonic Racing wieder zu verwerfen. Statt Shinobi gibt es also Big The Cat und anstelle der kuriosen Rennstrecken durch sämtliche großen Serien der SEGA-Geschichte rast man mal wieder durch Ocean Road, Lost Palace und das obligatorische Casino, das ich ganz persönlich noch weniger leiden kann als das todlangweilige Green-Hill-Level in jedem neuen Sonic-Spiel.

Das Streckenlayout ist per se nicht schlecht und die vielen Abkürzungen regen gerade bei Zeitrennen immer wieder dazu an, einen weiteren Versuch zu starten und den eigenen Highscore zu knacken. Aber wie schon unter den beiden oben eingebetteten Screenshots erwähnt: Ich tue mich persönlich sehr schwer mit der optischen Gestaltung der Strecken. Zum einen fehlt mir trotz immerhin 21 Pisten ein wenig die visuelle und gestalterische Abwechslung. Und zum anderen, was vielleicht noch schwerwiegender ist, finde ich einen Großteil der Strecken grafisch einfach nicht schön, weil die Farben und Kontraste schlichtweg zu grell oder zu aggressiv sind.

Mario Kart 8 Deluxe oder auch Crash Team Racing: Nitro-Fueled wirken viel organischer und runder. Das gilt auch für die Fahrzeuge, die man hier wie bei der Konkurrenz auch in der Garage bearbeiten kann - die verfügbaren Farben und Lacke sind allesamt unangenehm für die Augen, weshalb das Konfigurieren und Tunen einfach nicht so viel Spaß macht. Neue Teile bekommt man übrigens durch einen Spielautomaten (Lootboxen lassen grüßen), Echtgeld investieren kann man aber dankbarerweise nicht und doppelte Teile erhalten ist ebenfalls nicht möglich.


Team Sonic RacingTeam Sonic Racing
15 Fahrer sind in der Menge okay, das Fahrerfeld wird aber von Figuren wie den Chaos und Big The Cat unterminiert.


Was habe ich da gerade aufgesammelt?



Und an noch zwei anderen Dingen beiße ich mich. Nicht an der Steuerung - die ist zwar ein wenig schwammig, auch ein wenig schwammiger noch als in den Vorgängern, aber grundsätzlich gut gelungen und angenehm "arcadig". Ein Problem habe ich hingegen mit den Items, die man auf der Piste aufsammelt. Denn in einer der blödesten Entscheidungen der Entwicklung hat man die Gegenstände aus den Vorgängern durch 14 verschiedene Wisps getauscht - man erinnert sich: Wisps traten zum ersten Mal in Sonic Colors auf -, die man schlicht nicht auf Anhieb identifizieren und voneinander unterscheiden kann. Im Endeffekt blickt man auf eine bunte Silhouette, deren Funktion man nicht nur anfangs quasi erraten muss und im Zweifel immer daneben liegt. Natürlich darf Sonic keine Bananenschalen werfen oder blaue Panzer abfeuern, aber alles wäre besser gewesen als diese Wisps, die noch nicht einmal sonderlich kreative Fähigkeiten besitzen. Turbo, Fake-Itemblock, Rakete - man kennt das alles.

Und dann ist da noch die Nintendo Switch. Nicht die Konsole selbst ist das Problem, sondern die Umsetzung des Spiels für die Konsole. Erstens: Ein Spiel wie Team Sonic Racing braucht in meinen Augen eine Framerate von 60fps - die gibt es auf den anderen Plattformen, nur eben nicht hier, und die grafische Qualität ist kein gutes Argument, das Gameplay und Geschwindigkeitsgefühl dafür zu reduzieren.

Zweitens: Wenigstens diese 30fps sollte das Spiel konstant halten können, was leider nicht gelingt - immer wieder bekommt die Bildrate unangenehmen Schluckauf, sowohl im Handheld- als auch im TV-Modus und ganz besonders dann, wenn man im Splitscreen mit oder gegen Freunde antritt. Das geht beides nicht nur besser, wie Mario Kart 8 Deluxe beweist, sondern es muss auch besser sein, wenn man in diesem Genre auf Augenhöhe mit Nintendo und Crash Team Racing mitspielen möchte. Mit dieser reduzierten Umsetzung haben sich SEGA und Sumo Digital keinen Gefallen getan. Immerhin spielt der Netzcode bisher mit, sodass die Online-Rennen gut funktionieren.



Tim

Fazit von Tim:

Team Sonic Racing ist ein spannendes Experiment mit einem coolen Team-Konzept - das allerdings in der Praxis zumindest bei mir nur im Einzelspielermodus aufgeht. Auf der einen Seite möchte ich SEGA und Sumo Digital Respekt dafür zollen, sich so klar von Mario Kart & Co. zu distanzieren und das Prinzip des Fun-Racers auf eine neue, komplexere Ebene zu heben. Auf der anderen Seite aber fehlt dem Spiel genau dadurch eben auch die Leichtfüßigkeit und Einsteigerfreundlichkeit, die im Genre so wichtig ist und den Multiplayermodus so populär gemacht hat. Um wirklich Spaß mit Team Sonic Racing zu haben, reicht ein Abend mit Freunden schlichtweg nicht aus - dafür muss man sich einarbeiten und zusammentun, bis man tatsächlich als Team funktioniert. Wenn man dort angekommen ist, macht Team Sonic Racing gemeinsam Spaß, aber der Weg dahin dürfte den meisten wohl zu weit sein.

Und auch fernab des Team-Konzepts tue ich mich mit dem Spiel schwer: Die Strecken und Fahrzeuge gefallen mir nur bedingt, die Wisps halte ich für eine ganz schlechte Idee und vor allem vermisse ich die kunterbunte Vielfalt der SEGA-Geschichte, wie sie noch in den Vorgängern zelebriert wurde - stattdessen darf ich mich jetzt über Big The Cat und die Chaos ärgern. Unter dem Strich ist Sonic & SEGA All-Stars Racing: Transformed für mich nach wie vor der klar bessere und interessantere Racer und auf der Nintendo Switch bleibt Mario Kart aktuell klar der König im Genre. Ich bin gespannt, wie sich Crash Team Racing schlägt.

Im Vergleich mit den beiden Vorgängern ist Team Sonic Racing für mich klar der schwächste Teil der Serie - nicht wegen dem konzeptuell spannenden und cool umgesetzten Team-Konzept, sondern vor allem wegen seiner geringen Einsteigerfreundlichkeit und der Reduktion auf das langweiligere Sonic-Universum.

Besonders gut finde ich ...
  • interessantes Team-Konzept, das gut umgesetzt wurde
  • höhere Komplexität und mehr Anspruch als andere Fun-Racer
  • umfangreicher Story-Modus mit viel spielerischer Vielfalt
  • Multiplayer sowohl offline als auch online mit Optionen
  • gelungenes Geschwindigkeitsgefühl vor allem bei Slingshot
Nicht so optimal ...
  • geringe Einsteigerfreundlichkeit, kein Party-Spiel
  • Wisp-Fähigkeiten sehr undurchsichtig und unkreativ
  • Switch-Version nur mit 30fps und Framerate-Drops
  • Strecken und Fahrzeuge unschön, grell, aggressiv
  • peinliche Dialoge im Story-Modus, v.a. Big The Cat
  • Reduktion auf Sonic-Universum, keine SEGA All-Stars

Tim hat Team Sonic Racing auf der Nintendo Switch gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von SEGA zur Verfügung gestellt.


Team Sonic Racing - Boxart
  •  
  • Entwickler:Sumo Digital
  • Publisher:Sega
  • Genre:Arcade-Racer
  • Plattform:PC, PS4, Xbox One, Switch
  • Release:21.05.2019

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