Daemon X Machina - Review

Menschen, Mechs und Endzeitstimmung? Das ist nicht erst seit Neon Genesis Evangelion eine hervorragende Combo. Auch in der Welt der Games bin ich ein Freund dieser Metallkolosse - Armored Core habe ich trotzdem nie gespielt. Dort, wo From Software im Jahr 2013 mit dem letzten Teil aufgehört haben, macht nun Daemon X Machina unter den Fittichen von Marvelous und Nintendo sowie der Regie von Kenichiro Tsukuda, selbst Ex-Produzent von Armored Core, weiter. Mit Erfolg? Das kommt auf die Sichtweise an: Der Mech-Baukasten ist ein Traum - alles andere dagegen eine Blamage.

Wenn man an Daemon X Machina denkt und etwas mit dem Spiel vertraut ist - oder die gelungenen Trailer verfolgt hat -, dann denkt man vor allem an eines: krachende Mech-Action. Aber es gibt ja noch mehr. Lasst mich deshalb mit einem Zitat einsteigen:

"Eine Welle aus dem gewaltigen Oean der Erinnerungen bricht an der Küste. Eine Erinnerung an mich ... verfließt wie Tränen im Regen. [...] Die zerschnittenen Fäden werden gesammelt und gesponnen, vernäht und geflochten. Aber wie werden sie gewebt?"

Viel mehr Anime-Klischee als dieses Zitat geht nicht mehr? Dann habt ihr - aufgepasst! - Johnny G, Brigadier General, Crimson Lord, Rose Queen und Gun Empress noch nicht kennengelernt. Daemon X Machina dreht nicht nur im Kampf alle Regler bis zum Anschlag hoch, sondern auch in Zwischensequenzen und Dialogen. Ich habe lange kein Spiel mehr erlebt, das sämtliche Anime-Klischees derart schamlos bedient, ja regelrecht zelebriert; vom gorilla-ähnlichen Muskelprotz über den Untergang der Welt bis hin zu Charakteren, die derart "edgy" sind, dass keine deutsche Übersetzung es besser beschreiben könnte. Und diese philosophische Metaphorik erst, die so geheimnisvoll bleibt, dass man ihren tieferen Sinn gar nicht erst erfasst - brillant! Zumindest für diejenigen, die sich an diesen Eskapaden ergötzen können. Ich kann das nicht. Ich liebe Animes und habe viel für japanische Unterhaltungskultur übrig, aber was Daemon X Machina hier auffährt, finde ich einfach nur peinlich.

Zumal die Geschichte auch völliger Unsinn ist: Der Mond ist auf die Erde gefallen, die Menschheit irgendwie mit Cyber-Technologie verwachsen und als charakterloser "Rookie" schließe ich mich, wie viele andere Söldner auch, irgendwelchen Fraktionen für irgendwelche Missionen an, deren Hintergrund ich in 99% der Fälle nicht verstanden habe. Mir erschließt sich weder, warum die Kameraden, mit denen ich gerade noch Seite an Seite gekämpft habe, plötzlich meine Feinde sind und wir danach erstmal gemeinsam Eis essen gehen, noch wofür wir all das überhaupt machen. Es geht um irgendwelche Ressourcen, manipulierte KI und ... ach, was soll das Geschwätz: Es ist alles Unfug! Und leider kein besonders amüsanter. Immerhin ist der Charaktereditor fantastisch und hat es mir erlaubt, den perfekten kriminellen Endzeit-Kommunisten der Zukunft zu kreieren.


Daemon X MachinaDaemon X Machina
Die Söldner im Spiel kämpfen, weil sie kämpfen müssen. Wirklich gute Erklärungen gibt es für den Großteil der Story nicht.


Build-a-Mech



Die Story ist also ein Griff ins Klo. Geschenkt, darum geht es nicht. Oder etwa doch? Jedenfalls ist das Spiel geradezu erpicht darauf, mich permanent mit Dialogen zu befeuern - erst im Briefing, dann vor der Mission, nach der Mission und sogar während der Mission. Dafür wird tatsächlich die Action auf dem Schlachtfeld unterbrochen, damit ich mir belanglose und dumpfbackene Gespräche anhören darf, die zu allem Überfluss auch noch richtig gut auf Englisch und Japanisch vertont sind. Wären die Sprecher wenigstens ähnlich schlecht wie das, was sie sagen, hätte das Zuhören vielleicht Spaß gemacht. Langes Gelästere, kurzer Sinn: Irgendwann beginnt man, das alles zu überspringen und wegzuhören, um ganz in den Kampf eintauchen zu können.

Ohnehin sind nicht die Piloten die Stars, sondern die Mechs bzw. Arsenals, um in der Sprache des Spiels zu bleiben. Und hier trifft Marvelous voll ins Schwarze. Wer sich auch nur ansatzweise für Mechs interessiert, findet in Daemon X Machina ein kleines Paradies: Von mehrstufig konfigurierbaren Komponenten über eine riesige Auswahl an Primär- und Sekundärwaffen bis hin zum individuell modifizierbaren Handling ist das Zusammenstellen des eigenen Arsenals ein Traum. Schrotflinten, Sturmgewehre und Raketenwerfer sind nur die Spitze eines Eisberges, der erst mit Laserklingen, Flammenwerfern und Säurepistolen so richtig spannend wird.

Für jedes Rüstungsmodul gibt es zig Bauteile mit unterschiedlichen Eigenschaften, die sich allesamt bis ins Kleinste färben lassen. Stunde über Stunde kann man in diesem Baukasten versenken und sich in den feinsten Details verlieren, um den perfekten Mech zu konstruieren. Wer Microsoft Excel mag, darf sich sogar über hochkomplexe Tabellen und Statistiken freuen - oder, wie ich, angesichts dieser überwältigenden Datenmasse geistig abschalten. Wirklich notwendig ist es sowieso nicht, dieses Zahlendickicht zu durchschauen: Auf dem Schlachtfeld ist davon nämlich kaum etwas spürbar.


Daemon X Machina
Im Hangar darf man seinen Arsenal bestaunen, den man zuvor mühsam zusammengestellt und optimiert hat.


"WELCOME TO YOUR BATTLEFIELD"



Das Schlachtfeld ist nicht einfach irgendein Schlachtfeld. Es ist nach den Worten des Spiels mein Schlachtfeld, gewissermaßen mein ganz persönlicher Sandkasten. Hier darf ich nach Lust und Laune herumzischen und -fliegen und alles aufs Korn nehmen, was vor meinem Arsenal vorbeiflitzt - und zwar so lange, bis nichts mehr übrig ist. Das macht Spaß, weitaus mehr, als man bei dieser trockenen Beschreibung vermuten würde. Denn Daemon X Machina trifft das, was es im Kern ausmacht, perfekt auf den Punkt: das Gefühl, einen mächtigen Mech zu kontrollieren, der sich je nach Ausstattung mal schwerfälliger und kraftvoller, mal flinker und eleganter lenkt.

Wie in Vanquish kann man per Turbo am Boden "sliden" oder wie in Xenoblade Chronicles X durch die Lüfte gleiten. Jede Schultertaste bedient eine Waffe, dazu kann man große Objekte aufnehmen und auf Feinde werfen oder auch Schilde anlegen. Manches auf dem Schlachtfeld ist zudem zerstörbar - ist ja nicht so, als wäre das Spielgeschehen sowieso schon hektisch genug. Aber es macht wirklich viel Laune, mit seinem eigenen Mech die Horden an kleinen und großen Drohnen, Panzern und Arsenals zu verschrotten und sich dabei herrlich dynamisch über die meist leider viel zu kleinen Maps zu bewegen.

Der Haken: Man hat sich wahnsinnig schnell daran sattgesehen und auch sattgespielt, weil Daemon X Machina mit allem geizt, was es für langfristigen Spielspaß gebraucht hätte: Abwechslung, Anspruch, strategische Möglichkeiten und ein interessantes Missionsdesign. Selbst die Gegnertypen, in der Regel ohnehin dümmliches Kanonenfutter, wiederholen sich wahnsinnig schnell.


Daemon X MachinaDaemon X Machina
Gekämpft wird an Land und in der Luft, wobei man die engen Kartengrenzen nicht verlassen darf - sonst heißt es Game Over.


Der ewige Kreis



Während der Kampagne fühlte ich mich wie in einer Endlosschleife, die maximal noch von den wenigen, aber dafür spektakulären Bosskämpfen unterbrochen wird. Ansonsten ist es aber die ewige Wiederkehr des Gleichen, was den großartigen Mech-Konfigurator und das eigentlich so gelungene Spielgefühl stark abwertet. Wozu stundenlang am Arsenal tüfteln, wenn die Auswirkungen auf den Kampf so gering sind? Wenn man am Mech bastelt, dann zum Spaß an der Freude, nicht deshalb, weil es irgendwie notwendig oder vorteilhaft wäre. Auch der an sich so stylishe Comic-Look mit seinen prägnanten Konturen und etlichen Effekten verliert in dieser spielerischen Einöde schnell an Reiz. Ich liebe Daemon X Machina als Mecha-Baukasten, aber es ist ein Jammer, wie sehr seine starken Editoren und seine gelungene Kampfmechanik im schlechten Spieldesign untergehen.

Wird all das besser, wenn man sich nicht in der Kampagne, sondern am Multiplayer-Terminal einloggt? Jain. Keine Frage, es ist wesentlich interessanter, mit menschlichen Partnern zu kooperieren als den KI-gesteuerten Kumpanen. Aber zum einen kann man im Mehrspielermodus nicht die Missionen der Kampagne spielen, sondern nur isolierte, meist noch stumpfere Sonderaufträge gegen Massen an Gegnern oder hin und wieder einen größeren Boss-Roboter. Und zum anderen sind die Server gähnend leer - ich hatte das Gefühl, mich mit einem Spiel zu beschäftigen, bei dem die Community längst zum Nachfolger übergegangen ist. Auch die Belohnungen sind überschaubar. Was dann noch bleibt, ist der PvP-Modus, der nach dem Launch im September nachgereicht wurde. Aber der fühlt sich an wie die Jagd nach einer Stubenfliege im Zimmer: Alle Mechs sind in der Regel derart rasant unterwegs, den Turbo permanent gezündet, dass schlicht kein Platz ist für Präzision oder Strategie.



Tim

Fazit von Tim:

Daemon X Machina hat nicht nur einen merkwürdigen Namen, sondern auch einen merkwürdigen Appeal - denn obwohl das Spiel hinter dem fantastischen Mech-Baukasten hochgradig primitiv ist, habe ich doch recht viele Stunden darin versenkt. Es ist die große Freiheit bei der Konstruktion des eigenen Arsenals, die mich fasziniert und immer wieder motiviert, doch noch eine Mission abzuschließen, um dabei vielleicht einen neuen Waffentyp zu erlangen oder meinen Mech noch weiter zu konfigurieren. Und auch was das eigentliche Spielgefühl angeht, trifft Daemon X Machina voll ins Schwarze: Genau so muss sich ein Mech steuern!

Aber das war es auch schon mit den positiven Nachrichten, denn alles andere an diesem Spiel ist belanglos, peinlich oder gar blamabel. Angefangen bei Dialogen und Charakteren zum Fremdschämen bis hin zum miserablen Missionsdesign und dem Abspulen einer immergleichen Endlosschleife an stupiden Ballereien auf viel zu engen Karten gibt sich DXM beste Mühe, die tolle Arcade-Mech-Simulation zu konterkarieren. Auch die Multiplayermodi können das nicht auffangen, zumal auf den Servern gähnende Leere herrscht. Ob Armored Core nun das bessere Spiel war, kann ich nicht beurteilen, aber für mich steht fest, dass ich mit solch eintöniger Action wenig anfangen kann. So sehr ich Daemon X Machina für seinen Mech-Baukasten mag, so stark schläfert mich sein Spieldesign ein.

Als mächtiger Mech-Baukasten ist Daemon X Machina ein Traum für alle Fans von Kampfrobotern, als Actionspiel dagegen eine repetitive Beschäftigungstherapie. Schade, dass in das Spieldesign nicht ebenso viel Herzblut geflossen ist.

Besonders gut finde ich ...
  • herrlicher Mech-Baukasten, in dem man sich austoben kann
  • sehr gutes Spielgefühl und optimales Handling des Arsenals
  • große Auswahl an Waffentypen und Mech-Ausrüstungsteilen
  • runde Präsentation mit schickem Comic-Stil und Rockmusik
Nicht so optimal ...
  • Konfigurieren des Mechs hat kaum Auswirkungen auf Strategie
  • Spieldesign ist eine einzige Endlosschleife ohne Variation
  • zu viel Hektik und Geschwindigkeit im Kampf nimmt Präzision
  • extrem kleine Karten, Verlassen führt direkt zum Game Over
  • dumpfbackene Geschichte mit peinlichen Figuren und Dialogen
  • wildes Gequatsche im Kampf, das man kaum verfolgen kann
  • erste 10 Missionen dauern gefühlt jeweils kaum eine Minute
  • nur eine Handvoll Gegnertypen mit wenig auf dem Kasten

Tim hat Daemon X Machina auf der Nintendo Switch gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Nintendo zur Verfügung gestellt.


Daemon X Machina - Boxart
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  • Entwickler:Marvelous AQL
  • Publisher:Nintendo
  • Genre:Action
  • Plattform:PC, Switch
  • Release:13.09.2019
    (PC) 13.02.2020

Kommentare & Likes

Deine Meinung ist gefragt.
  • Steffen
    #1 | 25. November 2019 um 22:14 Uhr
    Echt schade dass das Spiel im Endeffekt so "flach" ausfällt..habe früher echt gerne die MechWarrior-Spiele gespielt, und hätte durchaus mal wieder Lust auf was ähnliches!