Dreams - Review

Spiel, Editor oder doch etwas ganz anderes? Dreams lässt sich nicht so einfach in eine Schublade stecken, denn es ist Spiel, Editor und Spiele-Engine zugleich, vereint das ganze mit gut durchdachten Community-Features und bietet eine einsteigerfreundliche Aufmachung. Die Zugänglichkeit erkauft sich Dreams aber nicht mit eingeschränkten Möglichkeiten, denn was wirklich talentierte Spieler aus dem Editor herausholen können, zeigen die bereits erhältlichen Werke sehr eindrucksvoll. Wer ein bisschen Kreativität mitbringt oder sich gerne von der Kreativität anderer verzaubern lässt, sollte sich Dreams einmal ganz genau anschauen.

Lange mussten Fans auf das nächste Projekt der Kreativschmiede Media Molecule warten. Im Jahr 2008 veröffentlichten sie den ersten Teil der LittleBigPlanet-Reihe, die sich nicht nur unter Jump'n'Run-Fans größter Beliebtheit erfreute, sondern auch unter den Kreativen und den Schaffern der Spielegemeinschaft. Denn LittleBigPlanet war mehr als nur ein Jump'n'Run. Neben den vorgefertigten Charakteren, die sich mit allerhand Kostümen individualisieren ließen, konnte man auch ganz eigene Charaktere erschaffen.

Doch damit nicht genug, denn LittleBigPlanet lieferte vor allem einen mächtigen Editor, in dem man Gegenstände, Objekte, Gebäude und Einrichtungen, Levels und sogar ganze Szenarien entwerfen konnte. Der Clou des Ganzen war jedoch die Online-Anbindung des Spiels. Denn was ist schöner als die eigenen Kreationen zu spielen? Die eigenen Kreationen mit Menschen auf der ganzen Welt zu teilen und sich an ihren Schöpfungen zu erfreuen. Die Freude von Media Molecule an kreativen Abenteuern, die man als Spieler quasi selbst mitgestalten konnte, merkte man auch dem nächsten großen Projekt an, das erst für die PlayStation Vita, dann für die PS4 erschien: Tearaway.

Mit dem in 2013 zum ersten Mal angeteasten Dreams, zu diesem Zeitpunkt noch ohne Titel, wollten die Entwickler aber noch einen Schritt weiter gehen. Man sollte nicht nur die Möglichkeit bekommen, eigene Ideen im Rahmen vorgegebener Parameter umzusetzen. In Dreams sollte lediglich die eigene Vorstellungskraft die Grenzen des Machbaren definieren. Ob das gelungen ist und ob man auch als maximal durchschnittlich kreative und technisch versierte Person daran Spaß haben kann, wollte ich mir genauer anschauen.


Dreams
Ein Beispiel für die Vielfalt von Art's Dream: In Point'n'Click-Adventure-Manier untersuche ich einen Bahnsteig.


Eine persönliche Geschichte von Angst und Missverständnissen



Doch bevor ich mich an die schier unendlichen Möglichkeiten des Editors mache, wollte ich den Story-Modus von Dreams begutachten. In "Art's Dream" spielt man den Jazz-Musiker Art und durchlebt eine emotionale Geschichte von Versagensangst und Missverständnissen. Dabei schlägt die etwa drei Stunden lange Story überraschend ernste Töne an und untersucht auf vielerlei Weise die Psyche von Art. Spielerisch ist das ganze sehr abwechslungsreich, wechselt nicht nur die Szenerie, sondern auch das Genre munter durch. In einer Szene untersucht man eine Location in Adventure-Manier, nur um sich in der nächsten in einem Jump'n'Run-Abschnitt wiederzufinden.

Um aber nicht alles vorwegzunehmen, möchte ich hier nur noch anmerken, dass es noch einige weitere Genres gibt, die es hier zu entdecken gilt. Art's Dream ist ein durchaus unterhaltsames Spielerlebnis und zeigt darüber hinaus eindrucksvoll, was mit dem Editor alles möglich ist. Denn alles, was man in Art's Dream zu Gesicht bekommt, wurde im Editor von Dreams erstellt. Keine zusätzlichen Eingabemöglichkeiten, keine zusätzliche Physik, keine externen Assets und auch sonst nichts, was mir nicht auch zur Verfügung steht.

Auch wenn Art's Dream das mit Abstand größte Spiel von Media Molecule innerhalb von Dreams ist, sollte man definitiv auch den anderen Minispielen einen Besuch abstatten. In "Willkommen zu Hause" steuert man ein kleines Küken durch eine fröhliche Wohnlandschaft, beweist sein Können im "Traumiversum-Rennen", das im ersten Moment an die Regenbogenstrecke von Mario Kart erinnert, oder nimmt, in bester Freelancer-Manier, in Vecta Majoris feindliche Raumschiffe ins Visier.


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Atmosphärische Inszenierungen und interessante Spielepassagen wechseln sich in Art's Dream stets ab.


Aber nicht nur die kreativen Köpfe bei Media Molecule zaubern einige interessante Dinge auf meinen Bildschirm, auch die Community hat bereits unglaublich gute Kreationen hochgeladen. Einige der Bastler versuchen sich an bekannten Marken wie Spongebob, Sonic oder Super Mario. Andere bedienen sich bekannter Spielprinzipien oder Vorlagen und ergänzen sie um eine persönliche Note - etwa Pip Gemwalker, das sich an Captain Toad: Treasure Tracker orientiert, oder Blade Gunner, das unverkennbar an Resogun erinnert. Aber auch völlig eigene Kreationen wie The Pilgrim oder Kuro sind mindestens so beeindruckend und haben mich spielerisch wirklich überzeugt.

Um auch außerhalb des Spiels einen Blick auf die Vielfalt der Werke der Community zu werfen, gibt es die Website indreams von Media Molecule und Sony. Hier kann man ganz in Ruhe die Datenbank durchstöbern - auch wenn unter den vielen Uploads natürlich auch so einige Gurken dabei sind.


Dreams
in Dreams ist alles möglich - vom minimalistischen 2D-Plattformer bis hin zu 3D-Rätselspielen.


Vom Funken einer Idee zum großen Traum



Nachdem ich genug gespielt und mich an den Ergebnissen der Dreams-Macher und anderer Spieler erfreut hatte, hieß es, den Editor kennen zu lernen. Doch wie lassen sich meine Ideen umsetzen? Wie funktioniert die Steuerung? Was gibt es zu beachten? Und womit sollte ich beginnen? All diese Fragen, die mich im ersten Moment ein wenig überfordert haben, wurden schlagartig aus dem Weg geräumt. Denn Dreams bietet umfangreiche, zugleich aber auch leicht verständliche und gut vertonte Tutorials zu nahezu allen Themen.

Das Interface ist übersichtlich gestaltet und in logischen Strukturen eingeteilt. Die Steuerung geht mit unterschiedlichen Eingabemöglichkeiten stets leicht von der Hand. Man entscheidet dabei zwischen der Bewegungssteuerung mittels des Dualshock 4, der Steuerung über die beiden Analogsticks oder der Nutzung der Motion Controller. Eine Tastatur lässt sich ebenfalls anschließen. Bei einem Text-Adventure möchte ich mir auch nicht vorstellen, wie man das mit dem Controller bewerkstelligen müsste. Auf eine Maus muss allerdings verzichtet werden. Nach anfänglicher Skepsis habe ich mich für die Bewegungssteuerung entschieden, da sie mit ein wenig Übung sehr schnell, präzise und intuitiv von der Hand geht.

Die angebotenen Tutorials lassen sich nicht nur nach Kategorien wie Logik, Charaktererstellung, Animation, Gameplay oder Audio sortieren, sondern auch nach der Komplexität und dem Anspruch. Hier lernt man neben den Grundlagen wie der Modellierung von Gegenständen mithilfe rudimentärer Formen, dem Charakterdesign - seien es menschliche Charaktere oder völlig neue Wesen - oder der Erstellung von Landschaften, Gebäude oder Städte auch, wie man all dies zu einem lebendigen Ganzen verbindet. Man versieht seine Kreationen mit stimmungsvollem Licht, zum Beispiel Morgendämmerung oder helllichter Tag, und ergänzt das Ganze mit omnipräsenten Hintergrundgeräuschen und objektspezifischem Sound, etwa dem Plätschern eines Baches, dem Knistern eines Feuers oder dem Heulen des Windes.


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Mithilfe des gut strukturierten Editors und der Tutorials kann jeder seine Träume Wirklichkeit werden lassen.


Gemeinsam träumen



Aber nun zu meiner eingangs gestellten Frage zurück: Womit fange ich an? Um mir den Einstieg in meine erste "eigene" Kreation so einfach wie möglich zu gestalten und schnelle Erfolge zu erzielen, habe ich mich des Remixens bedient. Ein weiteres interessantes Feature, welches die Community stark einbindet und zusammenbringt. Hierbei bedient man sich der Kreation anderer Spieler und "remixt" diese nach den eigenen Vorstellungen. Diese sind, wie schon die Tutorials, nach unterschiedlichen Kategorien sortiert, etwa Spiel, Musikstück oder Kurzfilm, Jump'n'Run, Adventure oder Simulation, Spielfigur, Terrain oder Interior. Um der Leistung des ursprünglichen Schöpfers Tribut zu zollen, wird dieser auch in meinem Remix verewigt, sollte ich diese Kreation veröffentlichen.

Das Remixen ist aber nicht nur für Leute wie mich, die sich gerne von anderen inspirieren lassen und das Werk dann nach eigenen Wünschen anpassen, sondern auch für jene, die sich auf einen bestimmten Bereich fokussieren wollen. Denn wer nicht "nur" ein eigenes Modell oder Level erschaffen will, sondern direkt ein eigenes Spiel, sei es ein Rennspiel, ein Shooter oder ein Rollenspiel, muss sich nicht nur über Level- und Charakterdesign, Soundeffekte und Hintergrundmusik und womöglich eine Story Gedanken machen, sondern auch darüber, wie das Spiel "arbeiten" soll.

Wie sind die physikalischen Gegebenheiten in meinem Spiel? Spielt es womöglich unter Wasser oder im Weltall? Sind Gegenstände und Umwelt zerstörbar und wie wirken sich unterschiedliche Materialien aufeinander aus? Gibt es Fahrzeuge, Flugzeuge oder Boote und wie werden sie von der Physik beeinflusst? All diese Dinge kann man in sein Spiel einbauen und selbst definieren. Wer aber bereits ein spannendes Jump'n'Run bei jemandem entdeckt hat und jetzt gerne ein paar eigene Einflüsse hinzufügen möchte, der schnappt sich das Spiel und dreht an den entsprechenden Stellschrauben. Ist das Werk erstellt, muss es nur noch mit ein paar entsprechenden Tags versehen werden und schon ist es hochgeladen und kann von jedem anderen Dreams-Spieler ausprobiert werden.

Damit es in Dreams auch in Zukunft nicht langweilig wird und sowohl Einsteiger als auch Veteranen stets mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind, werden in regelmäßigen Abständen sogenannte Community-Jams veranstaltet. Hierbei handelt es sich um Wettbewerbe mit einem bestimmten Thema. Ob man nun ein Modell, ein Level, ein Musikstück oder ein ganzes Spiel einreicht, bleibt den Schöpfern selbst überlassen. Mit dem Ende des Jams werden die Kunstwerke dann der Community präsentiert, die dann, in der Rolle der Jury, die besten Werke auszeichnet.


Ein bisschen von der Zukunft träumen



Dreams ist eine Ausnahmeerscheinung, kein Spiel im klassischen Sinne und doch viel mehr als nur ein Tool, um der Kreativität freien Lauf zu lassen. Art's Dream und die zusätzliche Minispiele allein können schon für einige Stunden überzeugen, doch das Herzstück, der Editor, kann für tausende Stunden begeistern. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich selbst Hand anlege und meine Kreativität auslebe, was ich jedem nur wärmstens an Herz legen kann, oder ob man sich durch das riesige Angebot an von Nutzern erstellten Werken spielt. Ich werde Dreams auch nach diesem Bericht immer mal wieder starten und schauen, wie sich die Kreativität und Fähigkeiten der Schöpfer verbessert haben. Außerdem hat Alex Evans, seines Zeichens Technical Director bei Media Molecule, in einem Interview mit Eurogamer verraten, dass sie auch weiterhin an Dreams arbeiten werden und es um zusätzliche Funktionen erweitern wollen. Eines der Features, welches schon in den Startlöchern steht: Ein VR-Modus. Somit ist eines ganz klar: Das Ende des Möglichen, was sich mit Dreams umsetzen lässt, haben wir noch lange nicht gesehen.



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Fazit von Alexander:

Mit Dreams hat sich Media Molecule ein Denkmal in der Spieleszene gesetzt. Die Story ist vom Umfang zwar recht überschaubar, doch bietet sie den perfekten Einblick in das, was mit dem Editor von Dreams möglich ist. Hier kann wirklich jeder mit ein wenig Hingabe und Kreativität seine eigenen Spieleträume verwirklichen. Durch die vielen Community-Features, das grandiose Remixen und die Community-Jams sehe ich keinen Grund, warum Dreams nicht noch über viele Jahre Bestand haben sollte. Die Lauffähigkeit auf der PS5 wurde seitens Media Molecule bereits bestätigt und so werde ich meine Kreationen und die der vielen anderen Spieler wohl auch in der kommenden Generation bestaunen dürfen.

Besonders gut finde ich ...
  • Art's Dream bietet eine interessante Story und große Vielfalt und ist damit das perfekte Showcase für die Möglichkeiten des Editors
  • umfangreiche und hochwertige Tutorialsammlung
  • Förderung der Community
  • Möglichkeiten des Editors scheinen endlos
  • unterschiedliche Steuerungsmöglichkeiten
  • schneller Einstieg durch Remixen
Nicht so optimal ...
  • Story hätte noch ein wenig umfangreicher sein können
  • gelegentliche Übersichtsprobleme

Alexander hat Dreams auf der PlayStation 4 Pro gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Sony Interactive Entertainment zur Verfügung gestellt.


Kevin

Fazit von Kevin:

Die Geschichte von "Arts Traum" ist einzigartig, innovativ und mehr als unterhaltsam. Der Sprung zwischen den verschiedenen Genre zeigt nicht nur, wie vielfältig der Editor von Dreams ist, sondern auch, dass ein Genrebruch für einen guten Flow in einer spannenden Geschichte sorgen kann. Allein diese kurze Kampagne ist jedem absolut zu empfehlen!

Der Editor selbst ist ein überaus mächtiges Werkzeug, mit welchem sich fast alle Wünsche umsetzen lassen. Warum nur fast? Leider stößt die Engine recht schnell an ihre Grenzen: Umso weitläufiger ich ein Gebiet "bauen" möchte, umso schneller ist der Grafikspeicher voll. Dies gilt auch schon für kleine Räume, weshalb ich es nicht einmal schaffte, mein eigenes Zimmer samt allen Objekten auf den Bildschirm zu zaubern. Zwar gibt es Tools, die einem zeigen, welches Objekt der größte Speicherfresser ist - um das Löschen derer kommt man leider meist trotzdem nicht herum.

Diese Limitationen stören mich beim kreativen Schaffen durchaus, zumal einzelne gewünschte physikalische Spielchen in Dreams durch die Nutzung der einzelnen Chips durchaus knifflig und unnötig verkompliziert wird. Dennoch macht es Spaß damit zu arbeiten, wenngleich die Steuerung ohne Move-Controller sehr fummelig ist - daran ändert auch das ausrichtbare Raster wenig. Wer nur zocken möchte, findet aktuell fast nur Minispiele aus der Community, die zwar allesamt witzig, aber nicht länger als 10 Minuten unterhalten. Die Community selbst wird entscheiden, ob noch auf lange Sicht über das Spiel gesprochen wird. Hier und da gibt es vielversprechende Konzepte, die allesamt aber meist nur einen kurzen Level bieten und wer weiß schon, ob diese fortgeführt werden?

Trotz allem setze ich mich jetzt wieder an meine eigene Version von Resident Evil und Silent Hill, die ich übrigens mit meinem Kumpel quasi zeitgleich bearbeiten kann - der Tag ist also ganz schnell wieder um.

Besonders gut finde ich ...
  • sehr gut erzählte Story
  • interaktive Tutorials erleichtern den Einstieg enorm
  • mächtiger, nie da gewesener Editor
  • gemeinsames Bearbeiten der Levels mit bis zu 10 Leuten
  • große Community schafft jeden Tag viele neue Spiele
  • auch Anfänger können schnell ein einfaches Spiel basteln
  • Community Aktionen mit verschiedenen Themenbereichen
Nicht so optimal ...
  • nicht alle Funktionen werden im Tutorial erklärt
  • Feuer, Wasser, Eis-Effekte können kaum realistisch dargestellt werden
  • Grafikspeicher recht schnell voll
  • einzelne Träume erreichen schnell das Speicherlimit
  • sehr verschachtelte Menüs, die zu Beginn überfordern
  • leichte Funktionen müssen sehr komplex umgesetzt werden
  • Steuerung oft sehr fummelig

Kevin hat Dreams auf der PlayStation 4 gespielt.


Dreams - Boxart
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  • Entwickler:Media Molecule
  • Publisher:Sony Interactive Entertainment
  • Genre:Genremix
  • Plattform:PS4
  • Early Access:16.04.2019
  • Release:14.02.2020

Kommentare & Likes

Folgenden Usern gefällt der Beitrag: Kithaitaa, Evoli, HerrBeutel ... und 8 Gästen.
  • Tobias
    #1 | 1. April 2020 um 11:13 Uhr
    Klingt sehr interessant und ich habe auch schon einige tolle Machwerke gesehen. Doch eure kreativen Ideen blieben bislang verborgen. Zeigt doch mal her, was ihr so erträumt habt