Wavey The Rocket - Review

Eine breit grinsende Rakete mit Sonnenbrille, die tatsächlich Wavey the Rocket heißt? Viel mehr 90er geht nicht! Doch aufgepasst: Mit einem munteren 3D-Jump'n'Run wie in den goldenen Zeiten von PlayStation und Nintendo 64 hat das Debüt der vier Jungs von UpperRoom Games nichts zu tun. Jump'n'Run ist an sich schon das ganz falsche Genre, denn Wavey kann weder hüpfen noch rennen - sondern reitet stattdessen entlang einer sinuskurvenförmigen Flugbahn auf und ab, die ich dynamisch strecke und verzerre. Man braucht kein Studium der Physik, um mit Wavey the Rocket auf eine Wellenlänge zu kommen – aber Geduld und ... Skill. Viel davon.

Erst The Pedestrian, jetzt Wavey the Rocket: Das Jahr 2020 meint es gut mit mir, wenn es um positive Überraschungen im kunterbunten Games-Dschungel geht. Wavey trifft bei mir einen Nerv, der irgendwo zwischen Sonic the Hedgehog, Mega Man, Arcade-Racern und den goldenen Zeiten der "mascot platformers" liegt. So bizarr, wie das zunächst klingen mag, ist das Spiel allerdings gar nicht - und wenn es erstmal Klick gemacht hat, dann fühlt es sich nicht mehr an wie ein kruder Versuch, verschiedene Genres zu mischen, sondern wie ein kreativer Geistesblitz eines verrückten Wissenschaftlers. Wavey the Rocket ist ein Sidescroller der anderen Sorte und Arcade-Spaß im besten Sinne: schnell erlernt, aber verdammt schwer zu meistern.


Wavey The RocketWavey The Rocket
Nicht nur für Wavey the Rocket geht es auf und ab: Auch als Spieler schwebt man zwischen Frust und Euphorie.


Im Raketenparcours



Im Prinzip ist jedes der insgesamt über 80 Levels ein Hindernislauf. Wavey folgt immerzu der Sinuskurve auf dem Bildschirm, während ich reflexartig versuche, die Kurve mit Analogstick oder Maus zu verzerren, um den Parcours zu meistern und auf dem Weg so viele kleine Edelsteine wie möglich zu sammeln. Die Idee ist wahnsinnig simpel, in der Praxis aber regelrecht genial. Stellt es euch am ehesten vor wie die Raketenlevels aus Donkey Kong Country Returns - nur, dass man hier nicht aktiv die Figur steuert, sondern tatsächlich eben die Flugkurve entlang der Achsen verschiebt. Es ist definitiv ungewohnt.

Anfangs geht es nur von links nach rechts, bald aber auch wieder rückwärts oder muss man gar vorsichtig die Stellung halten. Für Wavey gibt es derweil keine Pause: Der Antrieb ist dauerhaft gezündet, während eines Levels hält die kleine Rakete niemals an. Hat man eine schwierige Stelle bezwungen, wartet direkt die nächste. Sicherheit gibt es nur an Checkpoints, die fair verteilt, aber durchaus weit voneinander entfernt sind. Jede bläulich schimmernde Speicherzone ist ein kleines Erfolgserlebnis und eine Gelegenheit zum Durchschnaufen. Bis zum ganz gemeinen Level "Temple Runnin'". Das hat nämlich keinen Checkpoint und muss am Stück zu Ende gebracht werden. Hier braucht es Fingerspitzengefühl ... und Geduld!


Go with the flow



Ist das schaffbar? Auf jeden Fall. Und es macht auch verdammt viel Spaß, wenn man wie ich etwas für solche knackigen Geschicklichkeitstests übrig hat. Denn nach jedem Crash geht es ohne Ladezeit gleich wieder von vorne los, jedem Versuch folgt ein zweiter, dritter, siebter, zehnter, und Stück für Stück wird man besser, gerät in den Flow, der solche Spiele - wie auch ein Celeste oder Super Meat Boy - so herrlich motivierend macht. Natürlich bewegt sich nicht nur Wavey auf und ab, sondern auch ich schwebe kontinuierlich zwischen Frust und Euphorie.

Der schmale Grat ist aber perfekt getroffen, zu keiner Zeit wird es unfair. Nicht einmal dann, wenn im Bereich "Tombs" zwischen ägyptischen Pyramiden und Schlangengräbern plötzlich Fallen zuschnappen und sich Hindernisse zu drehen beginnen. Die Lernkurve ist nicht sinusförmig, aber steigt moderat an. Sie lässt sich übrigens auch nicht verschieben: Entweder man beherrscht Wavey the Rocket - oder eben nicht.


Wavey The Rocket
Hier wird es besonders tricky: Je flacher die Kurve, umso schneller ist auch Wavey auf ihr unterwegs.


Nur noch ein Versuch!



Auch bei mir hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich Wavey richtig im Griff hatte. Woran man das merkt, wenn es endlich das oben erwähnte "Klick" gemacht hat? Daran, dass man nicht mehr langsam Hindernis um Hindernis umkurvt und sich durch den ständigen Wechsel von Auf und Ab selbst aus dem Rhythmus bringt, sondern ein Gefühl dafür entwickelt, mit langen und weiten Wellenbewegungen durch die Levels zu surfen.

Der Trick ist es, im richtigen Moment auf- und abzusteigen - und zwar genau so, wie es der Parcours verlangt und mit der Platzierung der kleinen Edelsteine immer wieder clever andeutet. Nochmal: Wavey the Rocket ist anspruchsvoll, dem solltet ihr euch bewusst sein. Aber gerade das ist auch sein großer Vorteil, denn es hat mich immer und immer wieder zum Weitermachen und Besserwerden angeregt.


Auf den Punkt gebracht



Die Präsentation ist stylisch und oldschool, die Musik treibt an und geht ins Ohr, das Leveldesign ist ein Traum: Von Abschnitt zu Abschnitt wird es schwieriger und kommen neue Herausforderungen dazu, am Ende wartet jeweils ein cooler Bosskampf, dazwischen kann man sich die Zeit in witzigen Minispielen wie Basketball vertreiben - auch hier natürlich mit dem Twist, dass der Ball per Rakete in den Korb gedrückt werden muss.

Wavey the Rocket ist in seiner Reduktion auf das Wesentliche so wunderbar auf den Punkt gebracht, dass es sich fast nach einem Spiel von Housemarque (als die Finnen noch Arcade-Spiele gemacht haben) oder Nintendo anfühlt. Und selbstverständlich gibt es zur Selbsteinschätzung nicht nur Highscores, sondern auch Ranglisten, in denen man sich mit Freunden und der Welt vergleichen kann.


Wavey The RocketWavey The Rocket
Von der zweckmäßigen Map geht es in die Levels. Wer wirklich gut ist, schnappt sich in jedem davon drei Juwelen ...


Wavey braucht keine Geschichte



Dass die selbstironische "Story" drumherum unbrauchbar und die Dialoge peinlich sind - geschenkt. Wer interessiert sich hier für eine Erzählung? Das Wichtige ist doch, dass Wavey als ein Geschicklichkeitstest der anderen Art ganz hervorragend funktioniert, über alle Levels hinweg mit einer erstaunlichen Abwechslung punktet und mich faktisch an das Gamepad gekettet hat! Apropos Gamepad: Momentan ist das Spiel nur für PC verfügbar, soll aber im Laufe des Jahres auch für Konsolen erscheinen.

Ich drücke ganz fest die Daumen, dass es dort ein größeres Publikum finden kann. Denn diese Perle hätte viel mehr Aufmerksamkeit verdient! Und ich bin mir sicher, dass es da draußen viele gibt, die auf der Suche sind nach einem Spiel, das den klassischen Arcade-Spirit verkörpert, in dem man sich richtig herausfordern kann und das mit jedem Scheitern schon zum nächsten Versuch motiviert - also genau nach einem Spiel wie Wavey the Rocket.

Und wie spielt man Wavey the Rocket nun richtig - also mit Speed, Präzision und Auge für das nächste Hindernis? Das zeigen UpperRoom Games selbst in einem Developer-Speedrun auf Twitch. Aber Achtung: Beim Zuschauen der späteren Levels verdirbt man sich einige coole Überraschungen.



Tim

Fazit von Tim:

Noch hat Wavey the Rocket zwar keine großen Wellen geschlagen. Aber mich hat es auf Anhieb gepackt und schwer begeistert, weil es in eine Kerbe schlägt, die genau meinen Geschmack trifft. Es ist eine Arcade-Challenge im besten Sinne - schnell verstanden, aber knifflig zu meistern, und gleichzeitig ist es auch noch herrlich kreativ und unverbraucht. Es kitzelt den Nerv, für den auch Celeste, Super Meat Boy oder Geometry Wars zuständig sind.

Aus einem neuen Versuch werden schnell zehn oder 20, aus einer kurzen Session ein langer Abend, und bis das letzte Level geschafft ist, ziehen viele Stunden ins Land, in denen man sich fragt: Warum gab es so ein Spiel eigentlich nicht schon früher? Dass die Map zweckmäßig, die Geschichte überflüssig und die Menüführung zwischen Controller und Tastatur hin und wieder verbuggt sind, kümmert mich vor dem Hintergrund dieses einfach wunderbaren Spielkerns überhaupt nicht. Ihr kennt Wavey the Rocket noch nicht? Dann wird es aber allerhöchste Zeit!

Dieser Ritt auf der Sinuskurve ist ein spielerischer Leckerbissen! Wavey the Rocket fesselt mit seiner kreativen Spielidee, präzisen Steuerung und fairen Lernkurve Stunde um Stunde an das Gamepad. Neben Fingerspitzengefühl sollte man aber auch Geduld mitbringen, denn einfach ist keiner der über 80 Raketenparcours.

Besonders gut finde ich ...
  • frische und unverbrauchte Spielidee mit Flugkurve
  • höchst präzise Steuerung bei flüssiger Bildrate
  • hervorragendes Leveldesign mit viel Abwechslung
  • einfach zu verstehen, sehr schwer zu meistern
  • intelligent, teils auch fies versteckte Juwelen
  • lange Spielzeit plus Jagd nach Höchstleistungen
  • coole Bosskämpfe und witzige Minispiel-Varianten
Nicht so optimal ...
  • Weltkarte nur zweckmäßig und nicht gerade hübsch
  • Bestätigen mit dem Controller funktioniert hin und wieder nicht mehr, wenn zwischendurch Maus oder Tastatur genutzt wird

Tim hat Wavey The Rocket auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von UpperRoom Games zur Verfügung gestellt.


Wavey The Rocket - Boxart
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  • Entwickler:UpperRoom Games
  • Publisher:UpperRoom Games
  • Genre:Action-Plattformer
  • Plattform:PC
  • Release:07.05.2020