Necromunda: Hired Gun - Review

Ein neuer Monat, ein neues Warhammer-Videospiel. Gefühlt überschwemmen uns schon seit Jahren immer wieder kleine und mittelgroße Studios mit neuen Spielen aus dem Warhammer-Universum - wie Mechanicus, Inquisitor Martyr, Space Marine und zahlreichen weiteren aus unterschiedlichen Genres. Dabei ist der überwiegende Teil dieser Veröffentlichungen bestenfalls unteres Mittelmaß. Das tut mir als ehemaligem Tabletop-Spieler ein bisschen weh, denn ich weiß, welches Potential diese IP bietet. Und leider weiß auch das kürzlich herausgebrachte Necromunda: Hired Gun nicht wirklich damit umzugehen.

Als namenlose Kopfgeldjägerin oder Kopfgeldjäger mache ich mich mit zwei Kollegen derselben Professur auf den Weg in die dunklen Tiefen von Necromunda, einem Fabrikplaneten und der größten Metropole des 40.000 Imperiums. Im sogenannten "Underhive" soll ich nach dem Mörder eines Guilders Ausschau halten und diesen, tot oder lebendig, bei meinem Geldgeber abliefern. Doch es läuft nicht alles nach Plan, stattdessen werden meine Kompagnons getötet und auch ich überlebe nur dank der Hilfe eines mysteriösen Mannes. Zusammen stecken wir in einem voll ausgewachsenen Bandenkrieg, der bereits seit einiger Zeit um die riesigen Produktionsstätten und Müllhalden hier unten tobt.


Necromunda: Hired Gun
Große und kleine Gegner zerschmelzen unter dem Dauerfeuer einer Plasmakanone.


Das Szenario ist klasse...



Dunkel, brutal und unbarmherzig - das fasst Warhammer eigentlich ganz gut zusammen. Und genau diesen Stil verfolgt auch Necromunda: Hired Gun von der ersten bis zur letzten Minute. Die Kampagne des Ego-Shooters führt mich dabei in riesige Stahlwerke, gigantische Müllkippen und lässt mich einen Zug besteigen, der einen imperialen Schlachtkreuzer der Armageddon-Klasse locker transportieren könnte. Die Ästhetik passt also, genau so stellt man sich als Warhammer-Enthusiast das schäbig-dreckige 41. Jahrtausend vor.

Der Suche nach dem "Silver Talon" gilt demnach mein Hauptaugenmerk, während ich mich durch ganze Regimente der verfeindeten Banden ballere und schnetzle. In einem Tutorial bekomme ich erstmal die Basics beigebracht und merke rasch, dass sich die StreumOn Studios - die zuvor bereits mit Space Hulk: Deathwing das Warhammer-Universum heimgesucht haben - scheinbar vom großen Vorbild DOOM Eternal haben inspirieren lassen. Das Gameplay ist schnell, flink und ich erlebe eine wunderbare Bewegungsfreiheit. Mein Charakter ist zackig auf den Beinen, kann mit einem Dash gegnerischen Attacken ausweichen, Kanten durch einfaches dranspringen erklimmen und bekommt auch kurz nach dem Start einen Greifhaken spendiert, mit dem ich noch leichter von hier nach da komme. Gepaart mit dem Wallrunning und einem schicken Slide bin ich vertikal wie horizontal extrem flexibel, was prinzipiell ein sehr gutes Gefühl mit sich bringt. Leider wird hier schnell eines der fatalsten Probleme sichtbar.

Ich bekomme zwar einige Waffen ausgehändigt mit denen ich um mich schießen kann, doch der Nahkampfangriff, welchen ich ganz simpel mit "E" auslöse, ist eine unaufhaltsame und sofortige Tötungsgarantie. Fast ALLE normalgroßen Gegner können mit diesem Finisher augenblicklich besiegt werden. Selbst diejenigen mit Spezialkräften oder Schilden. Ich muss sie nicht mal kurz anschießen. Während die, teilweise viel zu lange und extrem ruckartig gefilmte, Kill-Animation läuft bin ich unverwundbar und dank Graplinghook so schnell von einem zum anderen Raudi gehüpft, dass ich ganze Basen ausräuchere ohne einen Schuss abzugeben.

Takedowns von oben gehen übrigens nicht. Hat man dieses Muster mal raus, wird der gesamte Rest des Spiels trivial und eintönig. Lediglich die dickeren Feinde wie übergroße Oger, oder Juggernauts brauchen ein paar Streicheleinheiten aus meinen Bleispritzen, um ebenfalls ins Gras zu beißen. Wenn ich dann tatsächlich mal schießen muss fühlt sich das auch ziemlich gut an. Die Knarren haben einen schönen Wumms und ansprechendes Trefferfeedback. Von der Warte aus stehen die Zeichen also gar nicht mal schlecht.


Necromunda: Hired Gun
Die Inszenierung ist dem Studio definitiv gelungen. Nur halt das Gameplay nicht.


... es hapert nur leider überall



Generell kann man sagen, dass die Feinabstimmung an so ziemlich jeder Ecken fehlt. Manchmal kann ich die oben angesprochenen Finisher nicht auslösen, obwohl die Anzeige dafür aufploppt. Beginne ich wieder zu Schießen, während die Nachladen Animation noch abgespielt wird, muss ich nach beendetem Magazinwechsel erst die linke Maustaste wieder loslassen, bevor ich erneut klicken und feuern kann. Genauso verhält es sich mit dem Zielen. Außerdem kann ich mit Leitern erst interaggieren, wenn ich einmal kurz vorher stehen geblieben bin und aus dem mit ESC aufgerufenen Pausenmenü komme ich ausschließlich mit einem Klick auf "Continue" wieder ins Spiel, anstatt einfach erneut ESC zu bedienen.

Dazu kommt ein ganzer Haufen Systeme, die entweder nur bedingt fürs Spiel förderlich, oder ganz einfach komplett entbehrlich sind. Mein Hund zum Beispiel, ist ein dressierter Mastiff, den ich während einzelner Missionen als Verstärkung auf Feinde hetzen kann. Faktisch habe ich das allerdings nur etwa vier Mal gemacht, weil das Herbeirufen der Töle mit einer (erneut) viel zu langen Animation verbunden ist. Währenddessen erleide ich ganz normal Schaden, kann jedoch weder Dashen noch Rennen, oder den Enterhaken benutzen. Also fresse ich fröhlich Kugeln, während die quietschende Ratte in meiner Hand den Köter herbeipfeift. Der markiert mir zwar Gegner in der Umgebung, kann aber maximal ein-zwei von ihnen erledigen, bis der Cooldown ihn wieder schlafen schickt. Wenigstens kann ich ihn außerhalb der Missionen im HUB-Areal streicheln - dafür hat sich das implementieren gelohnt.

Nach jedem Teilauftrag erhalte ich Loot, welchen ich beim Waffenhändler versetzen kann. Dazu zählen Pistolen, schwere Bolter und Plasmagewehre, ebenso wie Waffen-Addons, Rüstungsteile oder Ringe mit Boni für kritische Treffer. Beim Doc gegenüber kann ich den verdienten Zaster dann in neue Implantate investieren. Diese bionischen Augmentationen scheinen ebenfalls zum größten Teil nutzlos, weshalb ich lediglich eine Handvoll von ihnen gekauft und den Laden nie wieder betreten habe. Der Artificer hingegen packt neue Features an meine Ballermänner und sorgt so für den nötigen Bumms, wenn ich sie dann doch mal einsetzen muss. Diese Umbauten sind ganz nett anzusehen - so baumelt eine Patrone an meiner MG herab und hüpft freudig auf und nieder, wenn ich den Abzug drücke.


Necromunda: Hired Gun
Wer hätte wohl mit diesem parasitären Übel gerechnet?


Anschauen, nicht anfassen



So springe ich durch 13 lose aneinandergereihte Missionen und habe auch die Möglichkeit Nebenaufträge anzunehmen, wobei das für mich nie in Frage kam. Das erworbene Geld konnte ich ohnehin für nichts ausgeben. Und die paar Waffen, die mir sowieso in den Schoß gefallen sind, haben zum Bestehen der Prüfungen locker ausgereicht. Erkunden im Level und suchen nach verstecken Truhen war also auch mehr oder minder überflüssig. Öffne ich trotzdem eine dieser Holzkisten, wird deren Inhalt wie von einer Sprungfeder über mich hinweg katapultiert und kommt irgendwo zum Liegen. Das war an einer Hochhausfassade ganz toll, da das Material einfach in der Häuserschlucht hinter mir verschütt ging - auf Nimmerwiedersehen.

Der Sound ist leider ebenfalls ein Knackpunkt. Ich würde jedem sofort dazu raten die englische Tonspur zu wählen, denn das dauerhafte Geplärr der deutschen Synchronisation ist einfach nicht zu ertragen. Der harte Soundtrack von Olivier Zuccaro setzt nur an einzelnen, bestimmten Punkten ein. Dauerbeschallung mit anständigem Metal-Techno ist also ebenfalls nicht gegeben. Und dann leiern Gegner ein und denselben Spruch immer und immer wieder in Endlosschleife runter, bis ich ihnen endlich allen den Garaus gemacht habe. Der Ausruf "Don't let me waste them!" kam an einer Stelle mindestens 14-mal hintereinander, und das ist vermutlich noch untertrieben.

Alles in allem ist es wohl keine Unterstellung wenn ich behaupte, dass Necromunda: Hired Gun einfach zu früh veröffentlicht wurde. Flackernde Texturen, eine generell schlechte Performance - ich spiele mit einer Nvidia GeForce RTX 2070 Super und dem AMD Ryzen 7 3700X - und das quasi nicht vorhandene Balancing degradieren diesen eigentlich interessanten Shooter auf die hinteren Plätze. Das tolle Artdesign und die wunderbare Bewegungsfreiheit machen die offensichtlichen Schwächen der knapp 8,5 Stunden Kampagne leider nicht wett.



Energiekuchen

Fazit von Tobias:

Das stumpfe Gameplay, die immergleichen Kämpfe und der absolute Überfluss von Gegnerwellen hat mir den Spaß an Necromunda: Hired Gun schon relativ früh genommen. Die Prämisse sah gut aus, die Inspiration der Entwickler ist klar, doch die Ausführung lässt deutliche Mängel erkennen. Auch wenn die Arenen und Level schön gestaltet sind und trotz der dauerhaft unterirdischen Lage so stark variieren konnten, ist es insbesondere das Gameplay, was den agilen Shooter ausmacht und ihm damit das Genick bricht.

Gegner sind aufgrund des übermächtigen Nahkampfangriffes absolut kein Hinderniss und die schier unaufhörlichen Massen strecken lediglich die Zeit zum "Mission Accomplished" Bildschirm. Das Erkunden der Umgebung lohnt nur in den seltensten Fällen, kommen doch auch beim stur nach vorne laufen genug Knete und Schießeisen zusammen, ohne das ich mich über verpasste Gelegenheiten ärgern müsste. Die teils im 15-FPS-Bereich kratzende Performance bildet damit das Schlusslicht für ein Spiel, von dem ich mir deutlich mehr erwartet hatte. Schade, dass der Warhammer Fluch auch hier wieder ein Opfer gefunden hat.

Besonders gut finde ich ...
  • gigantische Umgebungen mit viel Abwechslung
  • wenn man mal im Flow ist, macht es richtig Spaß von Gegner zu Gegner zu rutschen
  • sehr agiles Gameplay mit vielen Bewegungsoptionen
Nicht so optimal ...
  • schlechte Performance (PC)
  • übermächtiger Nahkampf der keine Herausforderung bietet
  • unaufhörliche Gegnermassen, die den Kampf unnötig strecken
  • Erkunden der Umgebung lohnt nicht
  • Nebenmissionen, um Geld einzuspielen, überflüssig
  • Soundeffekte und harte Musik zünden einfach nicht

Tobias hat Necromunda: Hired Gun auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von pressakey.com zur Verfügung gestellt.


Necromunda: Hired Gun - Boxart
  •  
  • Entwickler:StreumOn Studio
  • Publisher:Focus Home Interactive
  • Genre:Action
  • Plattform:PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series
  • Release:01.06.2021

Kommentare & Likes

Deine Meinung ist gefragt.
  • Darius
    #1 | 24. Juni 2021 um 18:49 Uhr
    Echt schade, das sah in den ganzen Trailern schon ganz interessant aus - für FPS-Interessierte. Verstehe auch nach wie vor nicht, warum Games Workshop seit gefühlt "schon immer" die Lizenz scheinbar ohne jegliche Qualitätskontrolle an jeden verramscht, der die Hand heben kann. Man erinnere sich nur mal an EA vs. Disney in der "Lootgedöns"-Causa bei Star Wars. Hm.
  • Tim
    #2 | 25. Juni 2021 um 10:35 Uhr
    Ja, wirklich schade, hatte da auch ein Auge drauf geworfen. Kann mit Warhammer selbst zwar nix anfangen, aber es sah nach einer schönen Mischung aus Ghostrunner, Titanfall und DOOM aus - so rein spielerisch. Spielstreckung ärgert mich generell, dann noch die schlechte Performance - ich denke mal, da habe ich dann doch nichts verpasst.

    Der Ausruf "Don't let me waste them!" kam an einer Stelle mindestens 14-mal hintereinander, und das ist vermutlich noch untertrieben.


    Kann ich mir das etwa so vorstellen wie in dieser Szene in Xenoblade Chronicles 2 [youtube.com]?   
  • Tobias
    #3 | 25. Juni 2021 um 12:28 Uhr

    Tim: Kann ich mir das etwa so vorstellen wie in dieser Szene in Xenoblade Chronicles 2 [ externer Link ]?


    Haargenau so