Drakensang: Phileassons Geheimnis - Review

Das schwarze Auge - kurz: DSA - erfreut sich hierzulande großer Beliebtheit. Das erfolgreichste deutsche Pen-&-Paper-Rollenspiel schaffte es in den Neunzigern mit der Nordlandtrilogie auch auf den PC. Dann war erstmal zwölf Jahre lang Pause. Erst 2008 kehrte Aventurien mit Das schwarz Auge: Drakensang an die heimischen Rechner zurück. Spätestens seit dem im Februar erschienenen Drakensang: Am Fluss der Zeit wird die Drakensang-Reihe weithin als eine der besten deutschen Spieleserien gehandelt. Doch die im August erschienene Erweiterung, Drakensang: Phileassons Geheimnis, kann die Erfolgsserie nicht fortsetzen.

Riss in der Balance



Drakensang: Phileassons Geheimnis erzählt zwar eine eigene Geschichte, die mit der Handlung des Hauptspiels nur die Charaktere gemeinsam hat, setzt aber parallel zu den Geschehnissen in Am Fluss der Zeit ein. Wer die Erweiterung installiert hat, kann in Nadoret eine Gruppe von Drachenbooten beobachten, die in der Nähe der Stadt vor Anker gehen. Wer die zugehörigen Thorwaler daraufhin an ihrer Landungsstelle besucht, bekommt den Auftrag ihren Anführer, den Kapitän Asleif Phileasson, aufzusuchen. Dieser sucht nach einer Reihe von Visionen nach Sphärenrissen, die ihm und der Heldentruppe als eine Art Portal in die eigentliche Welt der Erweiterung dienen. Die neuen Gebiete lassen sich folglich jederzeit betreten - auch ohne die Haupthandlung bereits abgeschlossen zu haben.

Das mag in der Theorie ganz nett klingen, führt in der Praxis aber zu großen Balance-Problemen. Wer sich erst nach Abschluss der Haupthandlung in die Erweiterung traut, ist für deren Kämpfe bereits viel zu mächtig und wird dementsprechend kaum gefordert. Andererseits sind einzelne Gegnergruppen ohne die richtige Ausrüstung und einer gewissen Kampfstärke nicht zu bezwingen. Das ist vor allem auch deshalb oft frustrierend, weil die Welt von Phileassons Geheimnis nur in drei kurzen Abschnitten wieder verlassen werden kann. Wer auf halber Strecke plötzlich feststellt den Gegnern noch nicht gewachsen zu sein, muss sich entweder bis zum nächsten Ausgang durchbeißen oder einen Spielstand vor Betreten der neuen Gebiete laden. Frust ist durch die auch innerhalb der Erweiterung stark schwankende Balance aber selbst bei starken Heldengruppen vorprogrammiert. Trotzdem gehören die Kämpfe zu den unterhaltsameren Aspekten des Titels. Das liegt zwar in erster Linie an den unverändert soliden Taktik-Kämpfen, darf aber zum Teil auch den wenigen - aber durchaus interessanten - neuen Gegnertypen zugeschrieben werden. Gerade der spannende und vergleichsweise gut ausbalancierte Endkampf gehört mit Sicherheit zu den wenigen Lichtblicken in Phileassons Geheimnis.


Drakensang: Phileassons Geheimnis



Irrungen, Wirrungen und das Copy & Paste-Prinzip



Wieso Phileasson nach den besagten Sphärenrissen sucht, was es mit den Visionen auf sich hat bleibt bis kurz vor Ende des Abenteuers weitestgehend unklar. Wieso die Thorwaler eine Gruppe Fremder auf die Suche nach ihrem Kapitän schicken, wird nie erklärt. Allgemein wird die verglichen mit den beiden vorherigen Drakensang-Titeln recht dünne Geschichte derart wirr und lückenhaft erzählt, dass bis kurz vor Schluss keinerlei Motivation aufkommen will. Unverständlich ist dabei auch, dass weder der Hauptcharakter noch seine Mitstreiter die ungewöhnlichen und oft nur in Ansätzen erklärten Ereignisse hinterfragen und dass Phileasson selbst, der offensichtlich mehr weiß, sich nur einzeilige Kommentare abringen lässt. Generell bleibt der namensgebende Hüne farblos und unsympathisch, obwohl er sich im Verlauf der Geschichte erst als KI-Mitstreiter und später als regulärer Begleiter der Gruppe anschließt. Da letzteres erst kurz vor Schluss geschieht und Phileasson nach Abschluss der Erweiterung wieder das Weite sucht, ist er als Begleiter aber ohnehin eher uninteressant.

Insgesamt bietet Phileassons Geheimnis rund sechs bis sieben Stunden Spielzeit. Dabei gibt es mit Tie'Shianna allerdings nur ein neues Areal, das aus einer Halle und wenigen Räumen besteht und zwei neue Dungeons. Letztere sind allerdings nur aus einer Hand voll unterschiedlicher Räume und Gängen zusammengesetzt. Dazu auch noch zu weiten Teilen komplett ohne jegliche Variation in der Zusammenstellung ihrer Einzelteile - so kommt nicht einmal ansatzweise Atmosphäre auf. Auch die Tempelanlagen von Tie'Shianna werden aufs äußerste ausgereizt. In den wenigen Räumen gibt es im Verlauf der Handlung pro Raum teilweise bis zu zehn verschiedene Kämpfe zu bestreiten und bis zu vier verschiedene Quests zu erledigen. Dabei gibt es für das erscheinen der neuen Feinde und den damit verbundenen Aufgaben stets nur sehr fadenscheinige Erklärungen. Schnell wird allzu offensichtlich: Hier wurden Inhalte für wenige Stunden mit Gewalt und geringem Aufwand auf das dreifache gestreckt. Davon abgesehen gibt es nichts Neues. Fähigkeiten oder ähnliches kommen nicht hinzu. Neben einem neuen Rüstungsset, lassen sich alle neuen Gegenstände an einer Hand abzählen.




Eben diese künstliche Verlängerung führt zu starken Qualitätsschwankungen. Gelungene Abschnitte wechseln sich mit langweiligen und schier endlos langen Kampfeinlagen ab. Auch die Abwechslung leidet: Fast jede Quest wird kämpfend gelöst. Durch Geschick in Dialogen lösbare Quests, spielen im Hauptspiel eine große Rolle, sind in Phileassons Geheimnis aber nur sehr schwach vertreten. Alternative Lösungswege gibt es nur sehr selten. Auffallend stark ist allerdings mal wieder die Vertonung der Questtexte. Die durchgehend starken und engagierten Sprecher erzeugen immer wieder wenigstens etwas Atmosphäre. Grundsätzlich kann die Präsentation mit dem Hauptspiel mithalten, bietet dabei allerdings auch keinerlei signifikante Verbesserungen.

Fazit von Chris:

Eine schlecht erzählte und viel zu dünne Handlung, ein vollkommen konturloser und spielerisch nutzloser neuer Begleiter, kaum Neuerungen und einige richtig extreme Fälle von "Copy and Paste" - Drakensang: Phileassons Geheimnis macht es nicht einmal Fans der Serie leicht bedenkenlos zuzugreifen. Hinzu kommt der aktuell mit zwanzig bis dreißig Euro für das Gebotene deutlich zu hoch ausfallende Preis. Empfehlen lässt sich die Erweiterung letztlich nur denen, die bereits Am Fluss der Zeit und Drakensang durchgespielt haben und einfach nicht genug von Drakensang bekommen können. Alle anderen greifen an Stelle der Erweiterung lieber zum Vorgänger. Den gibt es nämlich mittlerweile schon ab zehn Euro.

Besonders gut finde ich ...
  • zumeist tiefgehende Taktik-Kämpfe
  • einzelne Lichtblicke
  • gewohnt starke Sprecher
  • gelungene Präsentation
  • einige interessante neue Gegnerarten
Nicht so optimal ...
  • wirre und über große Strecken unverständliche Handlung
  • flache und unsympathische Hauptfigur
  • schwaches Preis-Leistungs-Verhältnis
  • schwerwiegende Balance-Schnitzer
  • endlos in die Länge gezogen
  • Recycling auf höchstem Niveau
  • viel zu wenig Neuerungen
  • kaum Abwechslung

Chris hat Drakensang: Phileassons Geheimnis auf dem PC gespielt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von DTP Entertainment zur Verfügung gestellt.

Drakensang: Phileassons Geheimnis - Boxart
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  • Entwickler:Radon Labs
  • Publisher:DTP Entertainment
  • Genre:Rollenspiel
  • Plattform:PC
  • Release:20.08.2010