Disco Elysium | Kurz-Review
von Tobias Heinen
Nachdem ich Disco Elysium nunmehr mit über 35 Stunden auf der Uhr abgeschlossen und einen spannenden Mordfall aufgelöst habe, verstehe ich auch, weshalb dieses Rollenspiel in den vergangenen Jahren so viele Preise abgeräumt hat. Darunter "Beste Geschichte", "Beste Musik" und eben "Bestes Rollenspiel". Mit dem kürzlich veröffentlichten "Final Cut", der damit einhergehenden deutschen Lokalisierung und Synchronisation sämtlicher Textzeilen, setzen die ZA/UM Studios ihrem ohnehin schon großartigen Titel die Krone auf.
Die Prämisse des Spiels ist zwar nicht gerade originell (der Protagonist leidet an einer Art Gedächtnisverlust), doch Disco Elysium macht in Sachen Weltenbau, Geschichte und Erzählung so ziemlich alles richtig. Ich bewege einen ausgebrannten, als Alkoholiker gebrandmarkten Kriminalkommissar durch den fiktiven Bezirk Martinaise, stets begleitet von meinem treuen Leutnant Kim Kitsuragi, und versuche den Täter eines vermeintlichen Lynchmordes zu enttarnen. Der Clou dabei ist, dass die inneren Monologe meines Charakters tatsächlich ein Gespräch mit mir führen. Mein Sinn für Konzeptbildung klärt mich über die Motive des Kommunismus auf, während die Wahrnehmung mir zu verstehen gibt, dass ich gerade Schweröl riechen kann.
Die vollends vertonten Kommentare meines inneren Selbst sind dabei ebenso hochklassig eingesprochen, wie auch alle anderen Personen, die mir im verfallenen Stadtteil Jamrock über den Weg laufen. Besonders gut hat mir die stete Gradwanderung aus ernsten Unterhaltungen und der hanebüchenen Selbstüberschätzung meines Charakters gefallen. Auch Dialogoptionen, die ich nie ausgewählt hätte, brachten mich immer wieder zum Schmunzeln.
Es ist melancholisch, witzig, macht nachdenklich und behandelt Themen wie Politik, Rassismus Klassengesellschaft oder Ethik. Bei weitem nicht für jeden geeignet, doch wer sich darauf einlässt und Interesse an einer unglaublich dichten Welt hat, wie ich sie noch nicht in einem Videospiel erlebt habe, sollte definitiv einen Blick riskieren!